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Ich bin Lela und ich möchte euch heute ein bisschen von meinen wundersamen Erlebnissen erzählen. Aber damit ihr eine Vorstellung von mir habt, erzähle ich euch erst mal ein bisschen von mir.

Ich bin Lela und 10 Jahre alt. Ich bin ein bisschen zu groß für mein Alter und manche sagen auch zu dünn. Manche nennen mich Bohnenstange, was ich ganz schön gemein finde. Meine langen blonden Haare sind das Schönste an mir. Wenn Mama sie mir lange gebürstet hat und sie schön über den Schultern hängen, dann könnte man meinen, ich sei eine Prinzessin. Aber außer den Haaren war es das dann auch schon, was an eine Prinzessin erinnert.

Seit Neustem wohne ich mit meiner Familie in einem Dorf. Unser neues Haus ist super. Denn endlich habe ich ein eigenes Zimmer für mich und muss mich nicht mehr mit meinem kleinen Bruder rumärgern. In der Stadtwohnung, wo wir herkommen, hatten wir ein großes Zimmer zusammen. Er hat mich nur geärgert. Er ist ja nur 1,5 Jahre jünger als ich und langsam wird er auch stärker als ich. Doch bei unserem letzten Kampf habe ich ihn noch zu Boden geschmissen – „ph“ wollen wir doch mal sehen, ob er jemals stärker wird. Er glaubt daran.

Mein neues Zimmer ist so schön. Wenn man reinkommt, dann steht geradeaus mein Bett – Mama hat mir ein Himmelbett daraus gemacht. Sie hat einfach einen schönen glänzenden weißen Stoff genommen und ihn über dem Bett in der Mitte an der Decke befestigt. An den Seiten auch – ich habe ein richtig tolles Himmelbett. Rechts am Fenster steht mein Schreibtisch. Dort mache ich immer meine Hausaufgaben und kein nerviger kleiner Bruder kann mich mehr dabei stören und mir im Streit die Hausaufgabenhefte klauen und blöde Bilder rein malen. Und links in der Ecke ist mein Lieblingsplatz. Dort habe ich eine Sitzecke. Drei riesen große rote Kissen liegen dort und wenn meine Freundinnen kommen, dann können wir dort erzählen, Musik hören und spielen. Es ist wirklich richtig super geworden. Aber das Beste kommt jetzt. Ich habe einen Schlüssel in der Tür. Ich kann mein Zimmer einfach abschließen und keiner kann mich stören. Nicht Mama, die nur mal schauen will, ob ich auch meine Hausaufgaben mache. Nicht Papa, der sich meinen Nintendo ausleihen will und – wie schon gesagt – auch nicht der nervige Ben, mein Bruder.

Und so fing alles an. Eines Mittags saß ich an meinem Schreibtisch und habe gerade die Rechenaufgaben gemacht. Na ja, ehrlich gesagt habe ich mehr mein Freundealbum durchgeschaut. Aber zumindest hatte ich vor zu rechnen. Als ich mich gerade über Ben ärgere, weil ich sehe, dass er in mein Freundebuch reingeschrieben oder besser geschmiert hat, höre ich Stimmen. Ich finde es komisch, denn eigentlich hört man hier oben gar nichts von den anderen. Vorsichtshalber schließe ich mal meine Türe ab, damit keiner meiner Familie hereinplatzt. Als ich wieder in mein Buch vertieft bin, höre ich plötzlich ein Kichern.

Ich gehe zum Fenster und schaue, ob vielleicht jemand unten steht. Aber nein. Dann schließe ich die Türe ganz leise auf und gucke vor mein Zimmer – auch keiner. Egal – wahrscheinlich habe ich mich nur verhört.

So war es jetzt fast täglich. Immer wieder hörte ich irgendwas. Erst ein Kichern, dann mal wieder ein tuscheln oder ich meinte zu hören wie jemand singt. Aber gesehen habe ich nie jemanden. Komisch. Mama meint, ich hätte zu viel Phantasie, denn sie hörte nie etwas.

Nach fünf Tagen, ich hörte gerade meine Lieblingsmusik in meiner Kuschelecke, hörte ich jemanden mitsingen. Ja, meine Lieder – die, die ich gerade in meinem CD-Player hörte. Dann wieder ein Kichern. Ich lauschte genauer hin und machte die Musik aus. Jetzt verstummte auch das Singen, aber ich konnte wieder Geflüster hören. Das kam doch aus dieser Ecke hier. Die Ecke hinter meinem Bett. Da wo die Fußleiste ein wenig locker war. Ich stand ganz leise auf und schlich mich in die Ecke. Ich kauerte mich neben mein Bett und lauschte. Ja, von hier war es besser zu hören. Es kam eindeutig aus der Wand. Oder genauer – aus der Fußleiste. Können Fußleisten reden? Quatsch!

Ich bewegte mich nicht und hielt sogar meinen Atem an. Aber jetzt hörte ich nichts mehr. Gar nichts – es war mucksmäuschenstill. Mein Herz pochte ganz schön laut. Konnte das denn sein?

Plötzlich klopfte es. Man – warum störte mich denn jetzt jemand. Ich ging zur Tür und schloss sie auf. Aber keiner stand davor. Es klopfte wieder. Nun merkte ich, dass das Klopfen aus der Ecke neben meinem Bett kam. Ich schlich mich wieder in die Ecke. Allerdings nicht ohne vorher meine Türe wieder abgeschlossen zu haben.

Ganz mutig nahm ich die Fußleiste ab. Sie war so locker und man konnte sie an einer Seite hoch drehen, da sie nur an einer Ecke genagelt war. Und ihr glaubt nicht, was ich dann sah.

Vor meinen Augen kommen zwei kleine Menschen aus der Wand heraus spaziert. Um genauer zu sein. Ein Mädchen mit langen goldenen Haaren und einem richtigen Prinzessinenkleid. Auf ihrem Kopf hat sie eine Krone, die ganz schön glitzert. Neben ihr steht ein kleiner Junge. Na ja, klein ist schon richtig, aber ein Junge ist er irgendwie doch nicht. Er sieht schon sehr alt aus. Er trägt sowas was aussieht wie ein Ritterkostüm. So ein Kettenhemd und in der Seite hat er ein Schwert.

Erschrocken rutsche ich ein Stück zurück. Doch ich bin so neugierig und so erstaunt. Was ist das? Wer sind die Beiden?

„Hallo Lela“, sagt das Mädchen, was wie eine Prinzessin aussieht. „Woher weißt du meinen Namen? Und wer seid ihr?“ Die beiden lachen. „Wir wohnen hier bei dir im Zimmer – natürlich kennen wir deinen Namen. Du brauchst keine Angst vor uns haben, wir verstecken uns nur bei dir.“ Der kleine Mann räuspert sich. „Darf ich dir Prinzessin Nalija vorstellen. Und mein Name ist Nils. Wir kommen aus dem Reich der Feen und Kobolde.“

Ich rieb mir die Augen. Das konnte ich doch nur träumen. Aber nein, egal wie lange ich rieb, die Beiden standen immer noch vor mir.

Sie erzählten mir ihre Geschichte. Nalijas Vater ist der König des Reichs der Feen und Kobolde. Er wurde von der bösen Hexe gefangen genommen. Sie möchte die Macht über das Reich und hat eine Armee mit bösen und gemeinen Kobolden aufgestellt. Ihr Auftrag ist, alle aus der königlichen Familie gefangen zu nehmen. Denn sobald keiner der Familie mehr im Schloss ist, wird sie die Königin und kann über alle Feen und Kobolde herrschen. Nalija konnte flüchten. Sie mussten aus der Phantasiewelt heraus und in die Menschenwelt. Sonst hätte die Hexe sie gefunden. Sie sind zufällig in unserem Haus gelandet, da es leer stand. Und als wir dann eingezogen sind, wollten sie nicht mehr woanders hin. Sie zeigten mir ihr vorübergehendes Heim.

Hinter der Fußleiste war ein richtiges Wohnzimmer eingerichtet. Es befanden sich eine Couch und ein kleiner Tisch dort. In der hinteren Ecke stand sogar ein kleines Himmelbett. Es war alles wie in einer richtigen Wohnung – nur alles viel, viel kleiner. Sogar ein keines Weinglas stand auf dem runden Tisch.

Ich war so erstaunt. Mein Herz sprang mir bis zum Hals und ich freute mich sehr.

„Wir würden dich ja gerne in unser Heim einlassen“, sagte Nils. „Aber du bist wohl eindeutig zu groß dafür“ schmunzelte er.
„Bleibt ihr jetzt immer hier bei uns im Haus“ fragte ich. Nalija schaute plötzlich ganz traurig und ich sah, wie eine kleine Träne ihr die Wange herunter rollte. Schnell wischte sie sie weg und sie lächelte mich an. „Wir haben keine andere Wahl. So gerne würden wir wieder in unser Phantasienland. Wir haben sogar einen Plan, wie wir die böse Hexe besiegen können. Und ja, wir könnten sie auf jeden Fall besiegen.“ sagte sie mit einem ganz starken Unterton. „Leider haben wir beim Auskundschaften eures Hauses meinen Zauberstab verloren. Er ist vor mir her geschwebt und als euer dummer Hund uns aufgespürt hat, mussten wir so schnell wieder in unsere sichere Ecke hier flüchten, dass mein Stab nicht hinterher kam. Er wird irgendwo liegen, aber wir haben schon überall gesucht. Wir finden ihn einfach nicht.“ schluchzte sie. Nils übernahm das weitere Erzählen. „Ohne den Zauberstab von Nalija kommen wir hier nie mehr weg. Nalijas Zauberkräfte sind nur in Zusammenhang mit ihrem Stab stark genug.“
„Oh nein“ sagte ich. Kann ich euch denn helfen? „Ja Lela!“ blinzelte mich Nalija an. „Du kannst uns suchen helfen. Du bist größer als wir und euer dummer Hund jagt nicht hinter dir her, wie hinter einer Maus.“

Ab diesem Tag an, verbrachte ich so viel Zeit wie möglich in meinem Zimmer. Ich besorgte den Beiden noch ein paar Dinge für ihr Heim. Eine Decke, eine Lampe, einen Sessel – alles Dinge aus meinem Puppenhaus. Sie passten perfekt in die kleine Wohnung hinter der Fußleiste. Dann stibitzte ich aus unserem Kühlschrank ein bisschen Käse und Wurst. Schnitt es in ganz kleine Krümel und nahm noch ein kleines bisschen Brot mit. Täglich versorgte ich Nalija und Nils mit essbaren. Und täglich machte ich mich in unserem Haus auf die Suche nach dem verloren gegangen Zauberstab.

Aber wo sollte ich suchen? Der Stab war so klein wie eine Stecknadel. Ich suchte wirklich nach der Nadel im Heuhaufen. Aber ich war mir sicher, dass ich meinen beiden neuen Freunden helfen konnte und gab die Suche nicht auf.

Jeden Abend vor dem Schlafengehen setzte ich mich mit Nalija und Nils zusammen. Sie erzählten mir über ihr Reich. Über das Reich der Feen und Kobolde. Sie erzählten mir wie schön es dort war. Das die Blumen dort so wunderschöne Farben habe, die ich mir gar nicht vorstellen könnte. Das der See, der in ihrem Ort ist, so wundervoll glitzert. Das die Feen durch die Luft schweben und die Kobolde ihre Späße am Boden machten. Und das alle immer lachen und glücklich sind.

Und jede Nacht träumte ich von diesem schönen Land und wünschte mir auch dort zu sein. Aber ich wusste ja, dass das nicht möglich ist.

Eines Tages saß ich in unserem Wohnzimmer auf dem Teppich und kraulte Bobby, unseren Hund. Und plötzlich sah ich auf dem Teppich etwas aufblinken. Sofort wusste ich was es war. Ich schaute genauer – ja, es war der Zauberstab. Ein klitzekleiner Stab mit einem noch viel kleineren grünglitzernden Stern auf der Spitze. Vorsichtig zog ich den Stab aus dem Teppich - er hatte sich dort irgendwie verheddert – und rannte in mein Zimmer. Ich schloss die Türe ab und rief leise nach Nalija und Nils.

Ich war so aufgeregt. Ich habe ihn tatsächlich gefunden. Ich freute mich so sehr. Nalija und Nils kamen hinter der Fußleiste hervor. Ich strahlte sie beide an und zeigte ihnen ganz stolz den Zauberstab. Aber ich musste ihn gar nicht hergeben. Denn sobald Nalija in sah, fing der Stab an zu schweben und glitt direkt in ihre Hände.

Die Beiden jubelten und freuten sich. Sie umarmten sich und lachten und lachten. Nur ich wurde plötzlich traurig. Denn mir wurde jetzt bewusst, dass ich meine zwei Freunde nun verlieren werde. Sie waren so lange bei mir und mir so sehr ans Herz gewachsen. Sie waren doch meine einzigen Freunde hier. Aber lange konnte ich nicht traurig sein. Es war einfach zu schön zu sehen, wie glücklich sie waren.
„Danke liebe Lela! Danke, danke, danke schön!“ lachte Nalija mich an. „Wenn du nicht gewesen wärst, dann würde ich meinen Vater und meine Mutter nie mehr wiedersehen. Und Nils würde seinen kleinen Sohn nie wiedersehen. Wir sind dir so dankbar.“

Ich freute mich so sehr für die kleine Fee und den Kobold.

„Wir müssen uns nun auf den Weg ins Reich der Feen und Kobolde machen, liebe Lela. Wir müssen jetzt schnell den König befreien und unser Land. Aber wir kommen wieder. Du bist unsere Lebensretterin. Wir kommen dich wieder besuchen.“

Nalija und Nils kamen auf mich zu. Ich legte meine Hand auf den Boden und beide kletterten auf meine Hand. Ich nahm sie hoch und sie lächelten mich an. „Danke liebe Lela!“

Und dann sagte Nalija einen Zauberspruch, den ich nicht verstand. Es war eine andere Sprache. Es gab einen leisen Laut und verschwunden waren sie. Und so saß ich dort. Vor mir die weggeschobene Fußleiste und dahinter das kleine Puppenheim. Es kam mir vor wie ein Traum.

Am nächsten Morgen als ich erwachte und die Augen aufschlug sah ich neben mir auf dem Kopfkissen etwas glitzern. Es war ein grüner Stern. So groß wie eine Fingerkuppe von mir. Er glitzerte mich an. Sie hatten mir ein Geschenk da gelassen. Und ich wusste, dass das Reich der Feen und Kobolde gerettet war. Und ich freute mich.

Ich freue mich immer noch. Denn ich weiß, dass sie mich bald besuchen kommen werden …

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Tag der Veröffentlichung: 19.07.2009

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