Das Mädchen saß vor dem warmen Kaminfeuer in eine dicke Pelzdecke gewickelt. Durch das Fenster konnte sie das stürmische Schneetreiben beobachten. In der Hand hielt sie den Brief mit dem königlichen Siegel darauf. Am Vortag hatte ein Bote ihn ihr gebracht und ihr mitgeteilt sie solle ihn so schnell wie möglich lesen. Darin wurde berichtet, dass vor fünf Tagen ihr Vater wegen Verrat an dem König verurteilt und hingerichtet wurde. Das Mädchen schaute traurig in die Flammen, der Brief war ihre Einladung in die Feste des Königs. Wahrscheinlich wollte man sie nun unter Kontrolle bringen um zu verhindern, dass sie auf die gleiche Idee käme wie ihr Vater. Dabei wollte ihr Vater nichts Böses. Er wollte den König nur vor dem Einfluss der Hexe retten. Schließlich war er mit ihm seid der Kindheit befreundet gewesen. Doch das war dem König wohl entfallen, durch seinen verhexten Verstand konnte niemand mehr zu ihm durchdringen. Das Mädchen faltete den Brief zusammen und warf ihn ins Feuer. Sie war darauf vorbereitet worden, bevor ihr Vater sich verabschiedet hatte. Sie würde sich nicht so leicht geschlagen geben, egal was ihr in der Feste des Königs vorgeworfen werden würde. Sie war vollkommen in Gedanken versunken, als sie bemerkte, dass sich etwas vor dem Fenster bewegte, dann klopfte es an der Holztür, seufzend stand das Mädchen auf und öffnete die Tür. Eine ältere Frau mit weißen Haarsträhnen stand etwas krumm vor der Tür in eine dicke Jacke gehüllt.
„Mein Kind ist es wahr? Stimmt das Gerücht, dass du zum König gebracht werden sollst?“, die Frau schaut das Mädchen ungläubig an, Tränen waren bereits in ihren Augen zu erkennen.
„Ja, es stimmt. Sie wollen wohl verhindern, dass ich auf dumme Ideen komme.“, das Mädchen lies die älter Frau hinein, „Du hättest nicht her kommen sollen. Auch wenn du meine Ziehmutter bist. So macht es mir den Weg dort hin nur noch schwerer, wenn ich weiß, dass du hier noch alleine bist. Meine liebe Kathrina.“
„Aber Arika. Ich musste dich doch noch einmal sehen. Außerdem sollte ich dir noch etwas von deinem Vater geben. Er hat es einem seiner guten Freunden gegeben, bevor er gefangen genommen wurde.“, die alte Frau gab dem Mädchen eine Kette mit einem Kreuzanhänger. Arika schaute die Kette genauer an. Auf der Rückseite standen Runen, die sie nicht entziffern konnte. Ihr Vater hatte diese Kette immer bei sich. Sie würde ihm Glück bringen, hatte er immer gesagt, wenn er sie Arika stolz zeigte.
„Danke, Kathrina. So wird nun mein Vater immer bei mir sein und vielleicht bringt die Kette mir ebenfalls lange Zeit Glück, so wie sie es einst meinem Vater gab.“, sie lächelte der alten Frau lieb zu. Arika schaute sie mit traurigem Blick und umarmte sie. „Ich werde dich so vermissen. Mach dir bitte nicht zu große Sorgen. Ich werde es schon schaffen zu entkommen. Ich lasse mich sicher nicht so einfach gefangen halten.“
„Mein kleines Mädchen, du bist genauso schön wie deine Mutter und mutig wie dein Vater. Ich hoffe, dein Schutzengel lässt dich nicht im Stich.“, die alte Frau küsste dem Mädchen auf die Stirn und verabschiedete sich.
„Wir werden uns wieder sehen, Kathrina.“, sagte sie zum Abschied und schloss die Tür hinter ihrer Ziehmutter.
Arika schaute aus dem Fenster, bald war es Mitternacht und die Truppe des Königs würde sie von hier wegholen. Und was wäre dann? Wie sollte sie bewaffneten Männern entkommen, dachte sie, während sie sich wieder auf den Stuhl vor dem Kamin setzte. Um ehrlich zu sein, wusste sie nicht was sie tun sollte. Sie zog die Beine an den Körper, umschlang sie mit den Armen und legte den Kopf auf die Knie. Sie starrt regungslos ins Feuer und dachte plötzlich Augen darin sehen zu können. Sie schreckte zurück und schaute noch mal genauer hin.
„Ich muss wohl schon träumen.“, sie rieb ihre Augen und schaute noch einmal ins Feuer, doch es war nur das Flackern der Flammen zu sehen. Sie hob den Kopf etwas an und blickte aus dem Fenster, dann wieder in das Feuer und tatsächlich, wieder konnte sie die Augen sehen. Klare, blaue Augen, die sie direkt ansahen.Sie sprang auf und blinzelte verwundert.
„Was zum Teufel soll das? Spielt mein Verstand mir etwa einen Streich?“, sie stach mit einer Metallzange etwas im Feuer herum, die Augen waren wieder verschwunden. Sie stand einfach nur vor dem Kamin und schaute verwirrt in das Feuer. Sie wurde von einem lauten Klopfen an der Tür und lauten Rufen aus ihrer Starre gerissen. Noch bevor sie zur Tür gehen konnte, standen die Männer des Königs bereits vor ihr. Eisiger Wind zog an ihr vorbei und sie zitterte am ganzen Körper.
„Wir sind auf Geheiß des Königs hier um dich Arika, Tochter des Verräters Bjen festzunehmen.“, sagte der Anführer der Gruppe so laut, dass es auch noch in den anderen Häusern zu hören sein musste.
„Nun ist es also schon eine Festnahme.“, das Mädchen seufzte und zog ihren Mantel über und nahm eine kleine Tasche in die Hand. Sie schaute dann zu dem Anführer, „Dann los. Ich habe schon alles vorbereitet um direkt mit euch zu kommen. Bringen wir nicht noch unnötig Unruhe in diese stürmische Nacht.“
Der Mann schaute sie überrascht an und nickte dann. Er führte sie dann zu seinem Pferd und sie ritten los, die Reise würde fast eine Woche dauern bis zum Schloss des Königs.
Arika wachte in einer kleinen Zelle, die ihr als Gemach diente auf. Es war nun drei Tage her seid sie an dem Schloss angekommen waren und bisher hatte sie nichts weiter gesehen als dieser klein Raum. Seufzend stand sie von der harten Matte au, die ihr als Bett zur Verfügung stand und wusch sich mit einem Eimer eiskaltem Wasser. Sie zog sich eins der zerlumpten Kleider über die ihr von der Schlossherrin, der kalten Hexe Marta zur Verfügung gestellt wurden. Überall kratzen diese Gewänder und waren dreckig. Sie klopfte an die Tür und die Wache davor öffnete eine kleine Klappe.
„Ich habe Durst.“, sagte sie mit flehender Stimme, doch die Wache schüttelte nur den Kopf, „Für Gefangene gibt es nur einen Eimer voll Wasser, wenn du den verbraucht hast, gibt es für dich keinen mehr.“ Seine Worte klangen kalt, doch sein Blick sprach Bände. Es tat ihm leid, einem jungen Mädchen so etwas antun zu müssen, doch auch musste er seiner Königin und seinem König dienen, da diese über die Zukunft seiner Familie entscheiden konnten. Das Mädchen in der Zelle wandte sich auf und trat ans Fenster. Von ihrem Fenster konnte sie eine weiße Ebene überblicken. Wie sehr sie sich nun wünschte durch den kalten Schnee zu rennen und frei zu sein. Sie wollte sich von dem Fenster abwenden als plötzlich ein Wolf auf der Ebene stand. Arika schien es als würde der Wolf sie anschauen. Eine große Gestalt stellte sich dann neben den Wolf, strich ihm über das Fell und nickte scheinbar ihr zu. Sie versuchte das Fenster zu öffnen, doch als sie es geschafft hatte, waren der Wolf und der Mann verschwunden. Arika starrte noch eine Zeit lang auf den Schnee und beobachtete dann wie der vom Himmel fallende Schnee die Fußspuren verdeckte. Hatten die seltsame Gestalt und der Wolf den Moment wegen dem Wetter gewählt? Das Mädchen schüttelte den Kopf und mahnte sich selbst, „Hör auf zu halluzinieren!“
Sie schloss das Fenster und zog den Vorhang davor. In dem kleinen, kahlen Raum schien es ihr von Minute zu Minute kälter zu werden. Sie rieb ihre Hände etwas einander und pustete sie etwas an, ihr Atem war deutlich in weißen Wölkchen vor ihrem Mund zu erkennen. Arika hockte sich auf den Steinboden und zog die Beine an den Körper.
Das kann doch alles nur ein böser Traum sein!, dachte das Mädchen und legte den Kopf auf die Knie. Sie war plötzlich müde und schloss die Augen. Als sie das nächste Mal wieder aufwachte, stand die Wach vor ihr und zog sie auf die Beine.
„Die Majestät möchte dich sehen! Sie wird dein Urteil heute fällen.“, Arika konnte selbst mit ihren verschlafenen Augen erkennen, dass es ihm leid tat, wie er mit ihr umgehen musste. Sie stand auf und folgte ihm über den Innenhof des Schlosses. Es waren viele Menschen da um den Urteilsspruch zu hören, viele der Anwesenden kannte Arika von ihrem Vater. Sie schaute auf dem Weg zum Haupteingang des großen Gebäudes durch die Menge und blieb plötzlich stehen. Zwei kristallblaue Augen hatten ihren Blick eingefangen und ließen sie nicht mehr los. Sie wollte zu der Person, irgendwas zog sie an. Doch dann fühlte sie einen schmerzhaften Druck an ihrem Oberarm und sie verlor den Blick, der sie gefangen hatte. Sie schaute erschrocken zu der Wache, die sie weiter zum Eingang zog. Er brachte Arika mit festem Griff die Treppe hoch. Die letzten zwei Stufen stolperte das Mädchen und landete vor den Füßen der Hexe, der Königin Marta. Arika rappelte sich auf und schaute die Königin unverfroren an.
„Arika, Verräterstochter. Du wirst das gleiche Schicksal erleiden wie dein Vater zuvor. Denn sein Blut fließt auch durch dich. Das Blut eines Verräters. Ich habe gesehen wie du dich in naher Zukunft entwickeln wirst und werde es nicht tatenlos mitansehen.“, die Königin schaute mit einem kalten, arroganten Blick auf das Mädchen herab. Für eine Frau war sie recht groß. Fast einen Kopf größer als Arika.
„Und durch Euch, eure Hoheit, fließt das Blut einer kaltblütigen Mörderin! Mein Vater wollte dieses Land nur befreien und dem rechtmäßigen Thronfolger zurückgeben!“, voller Trotz und Zorn schaute sie zu der blass häutigen Frau.
„Hört ihr das? Meine Untertanen! Das sind die Worte einer Verräterin. Und die Strafe für Verrat ist der Tod!
Wache bringt das Mädchen wieder in ihre Zelle. Morgen bei Sonnenaufgang wird ihr Leben enden!“, sprach die Frau mit einem verächtlichem Ton in der Stimme. Die Wache wollte Arika sofort wegziehen und sie zurück in die Zelle bringen, als die Königin überrascht aufschaute.
„Warte!“, fauchte sie den Wachsoldaten an und zog dann Arika zu sich, der sie mit kalten Augen ins Gesicht sah. Arikas Blick traf sich mit ihrem. „Warum? Warum hat er sich DIR gezeigt?“
„Was?!“, Arika verstand nicht was diese Hexe von ihr wollte, als ihr dann die Augen, deren Blick sie gefesselt hatte in den Kopf schossen. Die Königin zog sie am Arm hinter sich her, durch die kalten Gänge des Schlosses bis sie in einem Raum ankamen, dessen Wände vollkommen mit Eis überzogen waren. Erst als hinter Arika die Tür ins Schloss fiel, ließ die kalte Frau den Arm des Mädchens los und setzte sich auf einen Thron aus Eis. Dort wo die Königin sie gepackt hatte, war ihr Arm eiskalt. Fröstelnd stand das Mädchen da und sah zu der eiskalten Frau.
„Du weißt, wen ich meine!“, sagte sie mit kalter Stimme. Arika schüttelte den Kopf, „Nein, ich weiß nicht wen Ihr meint!“ Auf der Wand hinter der Königin konnte Arika das Gesicht eines Jungen erkennen, dessen Blick sie wieder sofort fesselte. Sie kannte den Jungen aus Geschichten. Es war der jüngere Bruder, der sich gegen seine Schwester stellte, weil er ihre Taten nicht als gut empfand. Es hieß, sie seien genau das Gegenteil von einander. Marta, das pure Böse und der Bruder, das absolut Gute. Arika schluckte etwas um ihren trockenen Hals zu befeuchten, doch es half nichts.
„Nun wie ich sehe kennst du ihn!“
„Nur aus den Geschichten, die man von anderen Leuten hört!“, sagte Arika schnell und ging einen Schritt zurück.
„Niemand kann ihn sehen, wenn er es nicht will! Also warum hast du seine Augen in deinen Erinnerungen?!“, Martas Stimme dröhnte in Arikas Kopf und brachte sie dazu auf die Knie zu stürzten, sie spürte wie es leicht, dumpf in ihren Knies pochte.
„Woher soll ich das wissen?“, Arika starrte auf den Boden vor sich. Marta schien sich durch ihre Gedanken zu wühlen um einen Anhaltspunkt zu finden, sie machte es so, dass Arika es deutlich spüren konnte.
„Nun zeig es mir endlich! Du Göre!“, fauchte die Königin und Eissplitter brachen von den Wänden ab und stürzten auf Arika. Sie fühlte wie das Eis ihre Haut aufschnitt und Blut die kleinen Wunden herauslief.
„Ich weiß nichts.“, sagte sie nur und verschränkte die Arme vor ihren Oberkörper. Diesmal sagte Marta nichts mehr, sondern rief nur eine Wache in den Raum.„Bringt die Göre in ihre Zelle, gebt ihr bis morgen kein Essen und kein Trinken, egal wie viel sie jammert!“, Arikas und Martas Blick trafen sich noch einmal und plötzlich fingen die Kratzer an zu brennen, als hätte jemand Salz darauf geschüttet. Bevor das Mädchen aus dem Raum gezogen wurde, konnte sie noch ein hämisches Grinsen auf den Lippen der Königin sehen.
Unsanft wurde Arika von der Wache in die kleine Kammer geworfen und wieder wurde die dicke Holztür fest verriegelt. Es war inzwischen Abend und der Mond warf sein Licht in das kleine Fenster, zwischen den Vorhängen hindurch. Arika rappelte sich auf und ging zu der Matte, wo sie sich vorsichtig hinlegte. Die Wunden hatten angefangen sich zu verkrusten und juckten ungeheuerlich. Das kastanienbraune Haar klebte an manchen Stellen fest. Was sie doch nur für einen Eimer Wasser nun gäbe, dachte sich Arika und versuchte eine angenehme Position zum Schlafen zu finden. Sie drehte sich einige Male von der rechten auf die linke Seite, bis sie dann endlich einschlief.
Einen ruhigen Schlaf hatte sie trotzdem nicht, immer wieder wachte sie auf. Sie lag einen Moment wach im Bett, als plötzlich etwas krachte. Sie sprang aus dem Bett und erkannte in der Dunkelheit, dass ein Stein das Fenster zerschlagen hatte. Auch die Wache vor der Tür hatte es gehört und öffnete die Tür schlagartig.
„Was ist hier…?“, mitten im Satz kippte er noch vorne und knallte auf den Boden. Eine vermummte Gestalt stand in der Tür und streckte Arika die Hand hin.
„Komm, Kind. Ich hol dich hier raus.“, sagte eine dunkle, raue Stimme unter dem dicken Schal. Arika zögerte.
Sollte sie wirklich mit einem Fremden mitgehen? Gab es sonst einen anderen Weg aus der Gefangenschaft raus? Arika ergriff die Hand und wurde von dem Fremden mitgezogen. Er rannte über den Innenhof in Richtung Nordtor. Arika konnte in der Dunkelheit nichts erkennen, erst als sie fast am Tor waren erkannte sie, dass dort jemand mit zwei Pferden wartete. Die vermummte Gestalt hob Arika mit einem Arm auf das Pferd und stieg hinter ihr auf. Die zweite Person stieg ebenfalls auf das zweite Pferd und beide Fremden sagten etwas zu ihren Pferden und sie donnerten den Weg entlang. Arikas Augenlider wurden schwer und sie kippte etwas zur Seite, doch der Fremde hinter ihr hielt sie fest. Bevor ihre Augen zufielen konnte sie noch die Augen der zweiten Person erkennen, sie waren kristallblau.
Texte: Alles Charakter und Orte sind von mir erfunden und ich behalte mir die Rechte daher vor.
Tag der Veröffentlichung: 18.02.2014
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