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Sie erwachte kurz nach Sonnenaufgang. In ihrem Haar und an den Flügel hingen unzählige Tautropfen, die in den ersten Strahlen der Sonne wie hunderte kleiner Sterne funkelten als sie sich steckte und schwungvoll aus dem Waldmoos erhob. Es war noch ruhig in Avilion, doch sie wusste, dass bald wieder der alltägliche Trubel beginnen würde. Eine paar Minuten hatte sie bis dahin noch. Gut gelaunt machte sie sich auf zum Fluss und nahm ein Bad im kühlen Wasser. Sie beeilte sich ein wenig, da demnächst die Meerjungfrauen, die hier wohnten, erwachen würden. Meerjungfrauen spielen einem gern Streiche und darauf hatte sie nun wirklich keine Lust am frühen Morgen. Langsam schlenderte sie durch den Wald in Richtung Drum Circle, dem Lieblingstreffpunkt der Bewohner von Avilion, und pflückte nebenbei ihr Frühstück.
Als sie satt am Drum Circle ankam, waren auch schon einige andere Frühaufsteher eingetroffen. Ein paar Feen tanzten schon wieder; zwei oder drei Menschen liefen müde um die Feuerstelle, bemüht das wärmende Feuer wieder zu entfachen und sogar ein Drow saß auf einem Stamm in der Nähe und schaute gelangweilt dem Treiben der Menschen zu.
Bei ihrem Eintreffen rief sie allen ein „Seid gegrüßt“ zu und setzte sich im gebührenden Abstand zu dem Drow auf einen weiteren Baumstamm.
Nach einer Weile hatten die Menschen es geschafft; das Feuer brannte wieder und wohlige Wärme breitete sich aus. Immer mehr Bewohner der Insel trafen ein und schließlich auch ihre Cousine.
„Guten Morgen Jalna!“ rief sie ihr zu und bekam ein fröhliches „MEY! Guten Morgen!“ zurück.
Hinter Jalna murmelte ein noch etwas verschlafener Atzel: „Morgen Mey…“ und setzte sich neben sie. Atzel war Jalnas Stiefbruder und ein Mensch. Im Gegensatz zu Jalna und Mey, die beide Vollblutfeen waren, brauchte er ein wenig mehr Schlaf, was seine Schwester jedoch meist grinsend ignorierte und ihn somit allmorgendlich, fröhlich trällernd mitschleifte. Zu seinem Leidwesen ließ sie ihn dann abends aber auch nicht früh zu Bett gehen.
„Guten Morgen Sir Atzel, wie geht es Euch heute?!“ fragte Mey mit übertriebener Höflichkeit und erntete daraufhin einen wenig netten Blick.
Grinsend stand sie auf und gesellte sich zu Jalna, die ihre vom Baden ebenfalls noch feuchten Haare am Feuer vortrocknete.
Die Sonne war nun vollends aufgegangen und alle Bewohner erwacht. Jalna und Mey ließen Atzel auf seinem Baumstamm hocken und flogen ihre tägliche Runde durch Avilion. Die Bewegung tat ihnen und ihren Flügeln gut und ihre Haare trockneten im Wind. So nahmen sie auch den für Feen typischen frischen Geruch nach Kräutern, Wald- und Wiesenluft auf. Erst jetzt wurden sie richtig wach und überlegten sich schon, was sie als nächstes anstellen konnten.
Währenddessen trafen auch Lady Magenta, Ritter Leo, und Prinz Che am Circle ein. Doch Atzels Stimmung hellte sich erst sichtlich auf, als seine Lady Zarkela über die Brücke auf ihn zu kam. Schlagartig war er auch wieder hellwach, denn er wusste, dass seine Schwester und seine Cousine ihn wieder aufziehen würden, sobald sie ihn und Zarkela zusammen entdeckten.
Also stand er auf und ging auf seine Drachenfreundin zu um kurz darauf die Lichtung mit ihr zu verlassen.

Als Jalna und Mey zurückkamen saßen Mag, Leo und Che noch beim Frühstück, sie blickten kurz auf und grüßten die beiden. Jalna bemerkte gleich, dass ihr Bruder sich fort geschlichen hatte und ließ es sich nicht nehmen „War ja klar, dass er sich verzieht sobald seine Schuppenfreundin auftaucht…“ als Bemerkung dazu hinter ihm her in den Wald zu rufen.
Sie unterhielten sich noch eine Weile mit ihren Freunden und gingen dann auf den Markt im Dorf. „Sag mal Jalna, weshalb ärgerst du den Atzel immer so?“
„Weil es Spaß macht!“ gab sie grinsend zurück, das genügte Mey als Begründung.

Den halben Tag verbrachten sie damit den Menschen und ihrem wuseligen Treiben im Dorf zuzuschauen.
So saßen sie z.B. eine Weile auf den Dachbalken der Schmiede und schauten dem Schmied zu, wie er neue Schwerter für das am Nachmittag stattfindende Turnier herstellte. Sie ließen ihn arbeiten, denn er ließ sich selbst von Feen einfach nicht aus der Ruhe bringen. Und das wiederum ärgerte auch die hartgesottenste Fee. Dennoch sahen sie ihm gern zu.
Später dann beobachteten sie, wie ein Mensch nach dem anderen, die Apotheke aufsuchte. Das fanden sie lustig, denn Menschen brauchten für jedes bisschen gleich Hilfe und wurden offensichtlich ständig krank; und sie ließen sich leicht necken, was dann auch die beiden Feen dazu brachte ihre Späße mit den Käufern zu treiben. Sowohl wenn sie das Geschäft betraten als auch beim Verlassen des Geschäfts bekamen sie ein „Na juckt´s?!“, „Wir wissen woher du das hast…!“ oder „Hilft doch eh nicht“ an den Kopf.
Sie freuten sich jedes Mal, wenn der Betroffene dann plötzlich mit hochrotem Kopf davon eilte oder wild schimpfen seines Weges ging. Dann wurde ihnen auch das langweilig, da sich immer weniger Menschen trauten, zur Apotheke zu gehen während die Plagegeister auf dem Dach saßen. Dazu kam noch, dass Lady Zarkela, der die Apotheke gehört, zurück kam und sie mit einer bestimmenden Bewegung weg scheuchte.
Grummelnd flogen sie Richtung Valinor und L´Renden, denn dahinter lag der Turnierplatz, wo das heutige Turnier stattfinden sollte. Es wurde auch langsam Zeit, denn die Mittagszeit lag schon weit hinter ihnen und es hatten sich schon viele Zuschauer versammelt um dem Turnier beizuwohnen. Heute sollte der Sieger des Turnieres zum Ritter von Avilion geschlagen werden.
„Ob die anderen schon da sind?“
„Bestimmt, wie sind ja spät dran, Mey.“

„Mey! Jalna! Hier sind wir!“ riefen Siiri und Magenta und deuteten auf die beiden freien Plätze neben ihnen. Auch Che, Leo und Atzel waren schon anwesend und hatten sich gesetzt. Tiana die Halbelfe und Huno der Drache, heute in menschlicher Gestalt, hatten auf der anderen Seite der Tribüne Platz genommen und winkten fröhlich herüber.
Aus Höflichkeit den ungeflügelten Zuschauern gegenüber landeten Mey und Jalna und gingen den letzten Rest des Weges zu ihren Plätzen. Kaum dass sie saßen, wurde es ruhig, denn der Lord und die Lady des Landes kündigten den Beginn des Turnieres an. Alle schauten gebannt auf die ersten Kämpfer und feuerten ihre Lieblinge an. So ging das Turnier eine Weile weiter bis schließlich überraschender Weise Lady Magenta gegen Ritter Leo angekündigt wurde.
Beide schienen das gewusst zu haben, denn im Gegensatz zu ihren Freunden waren sie nicht überrascht. Mey wusste zwar, dass Magenta das Kämpfen bei Lady Madridlas trainierte, doch dass sie schon an einem Turnier teilnehmen würde, hatte sie nicht geahnt.
Magenta, dicht gefolgt von Leo, schritt mutig auf die Arena zu und nahm ihr Schwert von Madridlas entgegen, die ihr aufmunternd zu lächelte. Dann stellte sie sich der Vorschrift nach auf und wartete darauf, dass auch Leo seinen Platz einnahm. Als dies geschehen war, gab Lord Malakh den Kampf frei und sie begannen.
„Ich will hier weg, kommst du mit?“ flüsterte Siiri von der Seite.
„Jetzt? Wenn Mag und Leo kämpfen?“
„Ja ich mag so einen Turnierkram eh nicht.“
Mey gab nach und flüsterte „Na gut, dann los…“. Sie standen geduckt auf und verließen den Turnierplatz unter den vorwurfsvollen Blicken von Che und Jalna.
Sie entfernten sich ein wenig und schlenderten dann gemächlich zum Schwert im Stein. Dem Schwert, das dem legendären König, der auf dieser Insel zur Ruhe gebettet worden war, gehörte.
Spaßeshalber, sie hatten das schon einige Male versucht, griffen sie nach dem Schwert um es aus dem Stein zu ziehen, was natürlich auch diesmal keinem gelang. Selbst der Lord und die Lady des Landes vermochten es nicht, denn es war dem einen, wahren König vorbehalten.
Für ihn war auch der Gedenkstein, auf dem sie nun saßen und den Eingang zur Welt der Drows betrachten. L´Renden war düster und nicht gerade der Lieblingsplatz einer Fee. Dennoch überlegten sie, dort hinein zu gehen.

„Das würde ich an Eurer Stelle lassen“ dröhnte es hinter ihnen. Erschrocken drehten sie sich um und sahen in das schuppige Gesicht von Huno, der nun wieder seine Drachengestalt angenommen hatte. „Warum seid ihr weg gegangen?“
„Siiri mag keine Turniere und ich kann doch so eine hilflose Menschenfrau nicht einfach allein durch die Gegend laufen lassen!“ entgegnete Mey und grinste Siiri dabei frech an. Die drehte sich demonstrativ wieder zum L´Renden Eingang um und ignorierte sie. Huno zwinkerte Mey lächelnd zu und setzte sich in Bewegung, den Hügel hinab auf L´Renden zu. Er steckte seinen riesigen Drachenkopf durch das Tor in den Eingang, zog ihn angewidert wieder heraus und schüttelte sich heftig. „Also ICH würde da jetzt nicht reingehen, sehr muffig da, gar nicht schön. Soll ich euch woanders hin bringen?“
Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen und stiegen schnell auf seinen Rücken. Dann hob er auch schon ab. „Wohin soll´s gehen?“„Egal, Hauptsache du fliegst schnell, so schnell du kannst!“ quietschten beide vergnügt.
Huno tat, wie ihm geheißen, so schnell er konnte flog er über das Dunkel schimmernde Wasser aus welchem die strahlenden Valinorbäume wuchsen. Er raste auf die Mystic Falls zu, in denen sich das dunkle Wasser Valinors wieder reinigte und schoss mit einem Satz darüber hinweg in Richtung Himmel. Plötzlich waren sie für einen Moment schwerelos, bevor er inne hielt um dann im Sturzflug auf die Statuen, die den Eingang des Landes markierten, zu zufliegen. Zum Schrecken der Passanten auf der langen Treppe, sauste er auch noch knapp über ihren Köpfen hinweg um dann im neunzig Grad Winkel am Eingangstor empor zu steigen. Sowohl Mey als auch Siiri hatten Mühe sich festzuhalten, was ihnen jedoch nicht den Spaß verdarb.
Als der Drache dann langsamer wurde, drehte er noch eine Runde über der Feenwiese, dem Zigeunerlager und dem Schlosspark um den Ballsaal und flog dann gemächlich auf den kleinen Drachenhort am Fuße der Berge zu. Dort landete Huno und ließ die freudig strahlenden aber leicht erschöpften Wesen von seinem Rücken krabbeln. Als sie sich ein wenig ausgeruht hatten, schauten die Damen sich um und wunderten sich sogleich. Es gab keinen Ausgang aus diesem Kessel, was besonders Siiri nervös machte, da sie nicht fliegen konnte.
Huno schaute ihnen amüsiert zu, wie sie alles untersuchten und verriet schließlich wie man auch ohne Flügel dort weg kam. „Seht ihr den kleinen Tümpel da? Das ist ein Weg zu den Crystal Caverns. Geht einfach hinein, ihr werdet nicht nass, es sieht nur aus wie Wasser.“ Dann erhob er sich aus dem dichten Gras und ging voran, einfach hinein in das vermeintliche Wasser. Mey und Siiri folgten ihm schnell, denn allein in einem Drachenhort wollten sie auch nicht bleiben. Als sie durch den Tunnel, der von dort zu den Caverns führte, gingen, waren sie erstaunt, dass ein Drache hindurch passte, er schien ihnen etwas zu schmal dafür.
„Da seid ihr ja endlich!“ Als sie in der großen Höhle, die einen Teil der Crystal Caverns darstellte, erreichten, saß Huno schon auf einem der überdimensionalen Sitzen, welche hier speziell für eine Drachenversammlung errichtet worden waren, und grinste sie an. Von dieser Seite hatte Mey die Caverns noch nie betreten, doch nun wurde ihr klar, wie die Drachen hier manchmal erscheinen und wieder verschwinden konnten, ohne dass einer wusste, wie sie das machten. Ihre Gedanken schienen ihr ins Gesicht geschrieben zu stehen und Huno sah sie verschwörerisch an während er eine Kralle wie einen Zeigefinger auf seine Schnauze legte. Dann gingen sie alle drei zusammen durch einen der Gänge, die von der Höhle abzweigten. Ihr Weg führte über die schwebenden Platten vorbei an der Bühne mit den kristallenen Drachenstatuen bis hin in den kleinen Kristallpark mit seinen bizarr-schönen Bäumen und dem kleinen Bach.
Hinter dieser wundervollen Landschaft gab es ein magisches Portal. Vor diesem standen sie nun und sagten das Sprüchlein auf, das den Teleportationszauber auslöste. Schon waren sie direkt vor der Burg, die über den Crystal Caverns lag.

Mittlerweile war es schon Abend und die Sonne ging in den prächtigsten Farben unter. So machten sie sich diesmal zu Fuß auf, um wieder zum Drum Circle zurück zu kehren. Schon bald konnten sie die Musik, die Stimmen und vor allem die fröhlichen Trommeln hören und beschleunigten ihre Schritte. Als sie ankamen tanzte Mey schon fast wieder, während sie lief und Siiri musste sich erst einmal setzen um zu verschnaufen, während Huno seine menschliche Gestalt annahm. Auch Jalna, Atzel, Che, Magenta, Tiana und Leo waren schon da. Mit ihnen auch noch viele andere Menschen und Geschöpfe aller Art, die sich ausgelassen unterhielten und wie jeden Abend feierten.

Mey und Jalna tanzten, wie auch die meisten anderen Feen, am liebsten zum Rhythmus der Trommeln, der Panflöte und den vielen anderen Instrumenten die von den verschiedensten Kreaturen gespielt wurden. Atzel, Huno, Che und Leo unterhielten sich wie immer Stunden lang über Dinge die keine Fee der Welt interessierten. Ab und an forderte einer der Herren sogar eine Dame zum Tanz, während Tiana und Magenta am Rand saßen und lächelnd diese wundervolle, große Familie von Avilion betrachteten.
So ging es bis spät in die Nacht hinein, und als der Mond sich schon langsam wieder herabsenkte, die meisten Menschen und anderen Kreaturen Avilions schon zu Hause waren, wurden auch die Feen langsam müde. So verabschiedete sich eine nach der anderen und am Ende gingen auch Jalna und Atzel nach Hause. Magenta und Tiana waren schon lange fort, auch Che, Huno, Leo und Siiri waren gegangen, als der Mond am höchsten Stand. Lediglich ein paar Drows waren geblieben. Da diese aber nicht die besten Gesellschafter für eine Fee waren, beschloss Mey nun auch schlafen zu gehen, sie verabschiedete sich und ging summend Richtung Hinterlands, wo sie ihr gemütliches Moosbett hatte. Kaum dass sie sich darauf nieder ließ, war sie auch schon eingeschlafen und träumte vom nächsten ganz normalen und dennoch aufregenden Tag einer Fee.


Erklärungen:
Drum Circle

- Eine Lichtung, in der Mitte ein großes Lagerfeuer, drum herum Holzstämme u.ä, zum Sitzen. Genug Platz zum Tanzen. Auf einer Seite stehen Holzinstrumente, wie z.B. Trommeln, von denen der Platz seinen Namen hat.

Mey

- eine Feuerfee, Cousine (adoptiert)von Jalna und Atzel
Jalna

- ebenfalls eien Fee
Atzel

- Jalnas (adoptierter) menschlicher Bruder
Lady Zarkela

- ein Drache der meist als menschliche Druidin zu sehen ist (Verwandlungszauber)
Lady Magenta

- Freundin und menschliche Magierin
Madridlas

- Lady Magenta's Kampfkunstlehrerin
Tiana

- Freundin und Halbelfe
Huno

- ein Drache, selten auch als Mensch zu sehen (Verwandlungszauber)
Siiri, Ritter Leo, Prinz Che

- menschliche sehr gute Freunde
Valinor

- Hochwald der Elfen
L'Renden

- ein Höhlensystem unter den Wurzelnd er Valinorbäume gelegen, zu Hause der Drows
Drow

- eine Art Dunkelelf
Lord Malakh, Lady Serenity

- Herr und Herrin von Avilion
Avilion

- mystische, durch Zauber vor der normalen Welt verborgene Insel, Grabstätte des König Artus
Crystal Caverns

- großes, fast nur aus Eis bestehendes Gebiet unter Avilion, nur durch geheime Zugängnge zu erreichen, ein Versammlungsort für die DrachenÄltesten
Hinterlands

- ruhig gelegenes Gebiet an Rande von Avilion, in dem die meisten "Wohnungen" der Wesen von Avilion untergebracht waren

Impressum

Texte: by G.C.I.Mandel
Tag der Veröffentlichung: 25.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Magenta und Jalna

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