Cover

1

Der Mann kam auf mich zu, murmelte etwas in seinen Bart und gestikulierte wild mit seinen Händen. Genau verstand ich es nicht, was er wollte, da ich, genau wie er, so einen Kopfhörer mit Mikrofon auf der Ohren hatte. Wir könnten Kollegen sein, waren wir aber nicht. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte ich ihm über das Interkom-System gehört und verstanden.
»Entschuldigung«, sagte ich und schob eine der Ohrmuscheln zur Seite. Er tat das gleiche.
Er drehte seinen Kopf und ich meinen, sodass mein Ohr fast seinen Bart berührte.
»Das Rednerpult ist zu hoch oder sie ist zu klein«, er zeigte in Richtung des Rednerpults, »ihr Kopf verschwindet da hinter.«
Ich begriff erst gar nicht was er meinte. Ja, sie war etwas klein, das war mir auch schon aufgefallen als ich das Mikrofon für sie einrichtete.
»Sie ist einfach zu klein.«
Ja, ich hatte es verstanden.
»Das Rednerpult zu hoch.«
Das war mir nun auch klar, aber was sollte ich machen, ihr Wachstumspillen zu werfen, damit sie schneller wächst? Nein, so etwas gab es ja nicht.
»Wir sind gleich auf Sendung! Und ihr Kopf wird abgeschnitten vom Rednerpult«
Das Rednerpult konnte ich auf die Schnelle auch nicht kleiner machen, sogar Austauschen fiel flach. Dies war das Einzige, das sie hier hatten. Ein zweites oder sogar ein kleineres gab es hier im Saal nicht.
Es war mir auch ein Rätsel, dass man so ein Renderpult hatte. Es war schwer und groß. Zu groß für viele Redner die unter ein Meter sechzig waren.
»Die Uhr tickt«, hieß es nun. Der Mann brummelte weiter in sein Mikrofon, ich verstand kein Wort von dem was er sagte, aber es schien dass er genervt war.
»Ja, klar nun haben wir wieder Schuld«, dachte ich mir. Immer waren die anderen Schuld, aber einfach mal auf eine Lösung kommen konnten sie auch nicht. Ich mochte das Fernsehen nicht, vor allen weil sie immer glaubten, dass nur sie wichtig waren, und kein anderer.
Die Hektik hinter der Bühne wurde größer, es kamen noch ein paar von den Fernsehleuten nach Hinten und fingen eine heiße Diskussion an.
»Was ist los?«, fragte einer meiner Kollege über das Interkom an.
»Das Rednerpult ist zu hoch, und sie kriegen sie nicht ganz auf den Schirm.«
»Wie?«
»Ihr Kopf wird von der Kamera abgeschnitten.«
»Ja und?«
Stimmt, für uns war es kein Problem, schließlich redete sie hier live vor dem Publikum und das konnte sie gut sehen. Nun, sagen wir mal, relativ gut. Es gab immer Leute die schlecht sehen konnten.
Aber das war Typisch Fernsehen, irgendwo die Kamera positionieren und sich anschließend beschweren, dass alles falsch ist.
Ich schaute mich um, was konnte man auf die Schnelle als Lösung anbieten?
Von den Leuten unter an der Treppe, wie es ausah, alle vom Fernsehen, konnte ich nicht viel Hilfe erwarten.
Ich schaute mich weiter in Ruhe um. Schließlich musste etwas her das die Rednerin höher erscheinen ließ, ohne das es großartig auffiel.
Die Herren vom Fernsehen wurden immer hektischer.
Plötzlich sah ich die Lösung. Da lagen sie, fein säuberlich, immer um 45 Grad verdreht gestapelt neben der Bühne auf einer der Verstärkerschränke liegen. Es waren die Deckel dieser Verstärkerschränke, nicht sonderlich breit, eher quadratisch, praktisch und auch nicht zu hoch, aber für meinen Zweck genau richtig. Ich streifte meine Kopfhörer ab und lief runter zu dem Stapel. Ich griff mir einen der Deckel und lief wieder zurück auf die Bühne.
Ich ging ruhig zum Rednerpult, schaute die Rednerin kurz an und hielt den Deckel vor mich.
»Gott sei Dank«, dachte ich mir, »sie hat begriffen, was ich vorhabe.« Sie wich kurz zur Seite und ich hatte die Möglichkeit den Deckel zu platzieren.
Wie ich mir gedacht hatte, passte er genau da hinter und war somit von vorne nicht zu sehen. Schnell stieg sie auf den Deckel, und machte mit ihrer Rede weiter als ob nichts geschehen war.
Ich drehte mich um und schlenderte langsam zurück, in der Hoffnung eine Bestätigung zu bekommen, dass nun alles in Ordnung war. Aber, der bärtige Mann war verschwunden, genau wie seine Kollegen.
Ich sah sie weiter entfernt von der Bühne, unten stehen. Sie hatten sich alle um einen Fernseher versammelt, der dort aufgebaut war. Ich ging hinüber und gesellte mich zu dieser Gruppe, es waren keine von meiner Kollegen dabei. Mit ein wenig Glück konnte ich durch einen kleinen Spalt einen Blick auf den Bildschirm werfen.
Tatsächlich, es liefen gerade Nachrichten und ich konnte die Rednerin nun auf dem Schirm sehen: Petra Kelly. So stand es jedenfalls auf dem Bildschirm. Und ja, man konnte ihr Gesicht nun gänzlich komplett sehen, nichts war vom Rednerpult verdeckt.
Das Fernsehteam schaltete das Gerät sofort ab, als die Moderatorin wieder auf dem Schirm erschien und weitere Themen besprach. Sie fingen an alles sofort abzubauen, ohne ein Kommentar abzugeben. Den bärtigen Mann sah ich nie wieder.
Dass ich dazu beigetragen hatte, Petra Kelly heute eine wenig großer zu erscheinen lassen, hatte wahrscheinlich keiner bemerkt.
Als Frau Kelly mit ihre Rede fertig war, lief ich wieder zum Rednerpult, schließlich gab es noch ein paar Personen mehr, die heute etwas erzählen wollten, und ich musste die Mikrofone für sie einrichten.
»Danke schön«, sagte Frau Kelly als sie an mir vorbeilief »Das war nett.«
Ich nickte ihr freundlich yu und bückte mich, um den Deckel hoch zu heben. Spontan, beschloss ich ihn einfach hochkant in dem Rednerpult stehen zu lassen, wer weiß, vielleicht kam noch eine Person, die körperlich nicht groß war, sondern nur mit ihren Taten groß wirkte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.07.2014

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /