»Klatsch«, machte der Baseballschläger, als er flach auf den Tresen aufschlug. Eine Hand wälzte ihm ein paar Mal hin und her.
»Nah Ali, ein Mal die Fünfundzwanzig.« Der Baseballschläger wurde gekonnt von einer Hand aufrecht gestellt und schien nun wie ein Phallussymbol den Tresen zu dekorieren. Der Mann hinter dem Tresen, dessen Namen anscheinend Ali war, schien zu zögern.
»Hallo, was ist?« Der Schläger fiel nach links und landete in einer Hand, der dort auf ihn zu warten schien. Der Schläger hüpfte ein paar Mal rauf und runter eher er wieder zur Ruhe kam.
»Chef, ich habe aber nicht alles da.« Der Mann mit dem Baseballschläger seufzte.
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?« Der Mann hinter dem Tresen nickte nur. Der Baseballschläger flog mit einer Kreisbewegung nach vorne und kam unter der Nase des Mannes zum Halten. Wieder bewegte er sich auf und ab, diesmal aber nicht so schnell. Die Nase folgte dem Baseballschläger. »Wie viel hast du denn da?« »Zweihundertundzehn.« Der Mann mit dem Schläger pfiff. Er legte den Baseballschläger neben sich auf den Tresen.
»Gut, dann den Rest der Fünfundzwanzig.«
»Ping«, machte die Kasse und die Schublade ging auf. Schnell griff Ali nach allem, was drinnen war, und schob es über den Tresen.
»Das ist alles, Chef«
Ein zweiter Mann, auch in Leder gekleidet, war hinter den Tresen gegangen und schaute in die Schublade. »Stimmt Karl. Die ist leer.«
»Schau mal drunter Berni«, befahl Karl seinem Kompagnon.
»Hör zu Ali, hör gut zu, ich erzähl es dir zum letzten Mal. Entweder du hast das Geld, oder es passiert etwas, was genau kann ich dir natürlich nicht sagen, schließlich sollte es eine Überraschung für dich werden.«
»Ja, aber …«
»Nixe aber, Ali, ich komme nächste Woche wieder und dann brauche ich alles.«
»Ja Chef, aber wie soll ich das machen? Wenig Gäste.«
»Mach Werbung oder besorg dir ein paar Oben-ohne-Bedienungen. Und nicht so eine Lusche wie die da.« Karl zeigte mit seinem Baseballschläger auf eine Frau, die hinter in der Ecke stand.
»Ich glaube ohne dieses Tuch, sieht die bestimmt schnuckelig aus.« Ali wollte etwas sagen, aber beide Männer hatten sich schon umgedreht Richtung Ausgang.
»Wir sehen uns, und nicht vergessen, die Zinsen.«
Beide Männer lachten, als sie hinausgingen. Ali, der eigentlich Yusef hieß, brach in Tränen aus. Seine Frau rannte in die Küche und kam kurze Zeit später mit einem Fleischermesser wieder. Yusef sah sie aus seinem Augenwinkel, als er in die leere Kasse schaute.
»Mechteld, nicht, ich verbiete es dir, In Allahs Namen, leg das Messer nieder.« Mechteld blieb stehen und schaute aus dem Fenster. Sie sah wie Karl und sein Kumpel in ein Chevrolet Pick-up einstiegen.
»Aber die haben uns alles genommen.«
Der Chevrolet fuhr gerade bis zur Ecke und hielt dort an. Er parkte weiter in der zweiten Reihe.
»Nah Berni, das hier ist der Letzte für heute.« Beide Männer begaben sich zu einem indischen Restaurant. Karl öffnete die Tür und ließ den Baseballschläger lässig hinter sich baumeln. Der Laden war leer. Verwundert schauten Karl und Berni sich um. Es dauerte auch eine Weile, bis endlich jemand kam.
»Moin Pinda, was ist denn bei dir heute los, oder soll ich fragen nicht los?«, fragte Karl einen Inder, der von hinten hereinkam. Karl klatschte den Baseballschläger auf den Tresen.
»Nix los, alle Gästen weg. Du schuld.« Karl hob den Baseballschläger und wollte ihn dem Mann unter die Nase schieben. Der schlug ihn aber zur Seite weg.
»Du böse. Ich kein Geld habe.«
»Ehh, Pinda, hör gut zu. Ich erzähle das hier nur einmal.« Der Baseballschläger klatschte erneut auf den Tresen. Karl schaute herüber zu Bernie. Dieser lehnte sich lässig an einen Zigarettenautomaten.
»Was soll ich nun mit ihm machen?«, fragte er ihn. Bernie drehte seine Faust in der Handfläche, als Zeichen, dass er ihn zermahlen sollte.
»Meinst du wirklich?«, fragte Karl.
»Du raus. Ich böse werde.« Karl erhob den Baseballschläger und schob einen Stapel Menükarten damit herunter.
»Pinda, wir wollen keinen Ärger.«
Irgendetwas fiel in der Küche herunter.
»Was ist da los?«, wollte Karl wissen.
»Machen Essen für heute Abend.« Karl wälzte den Baseballschläger ein paar Mal hin und her.
»So, so, du machst Essen, du bekommst also doch Gäste? Das heißt, du bekommst auch Geld.«
Der Mann hinter den Tresen fing an zu schwitzen. Karl gefiel das nicht. Erneut schaute er zu Bernie herüber.
»Schau doch mal nach hinten.«
»Nicht in Küche«, quieckte der Mann aufgeregt.
»Warum nicht?«, fragte Karl ihn.
»Mache viel Arbeit und muss alles sauber machen. Gesundheit Mann gesagt und er komme gleich.«
Karl machte eine Geste zu Bernie. Der machte sich auf den Weg nach hinten. Der Mann hinter dem Tresen sprang nach vorne und stellte sich ihm in den Weg.
»Ich verbiete.« Bernie schob den Mann grob zur Seite und lief weiter. Der Mann fiel auf den Boden und fing an zu flennen.
»Was ist denn so schlimm daran das mein Kumpel, mal eben deine dreckige Küche inspiziert. Vielleicht findet er noch einen Fleck. Hey Bernie, schau doch mal, ob es dort noch Flecken gibt.«
»Ja, mache ich«, kam es lachend aus der Küche.
»Hier ist ...«
»Zugriff, Zugriff.« Der Baseballschläger fiel auf den Boden und rollte Richtung Ausgang. Karl wurde brutal von hinten gegriffen und mit seinem Gesicht auf den Tresen gedruckt.
»Hände auf den Tresen. Und die Beine auseinander.«
»Hallo, was wollt ihr denn von mir? Kann ein Mann nicht mal, in Ruhe, etwas zu Essen bestellen?«
»Karl Bennting, wir verhaften Sie wegen der bandenmäßigen Erpressung.«
»Was, nein, ich wollte hier nur etwas bestellen.«
»Du wolle mein Geld«, schrie der Mann hinter der Tresen. »Du nicht bestellen wollen, du wolle nur mein Geld.« Er spuckte Karl über den Tresen ins Gesicht.
»Hey, sachte«, brüllte einer der Polizisten, die Karl festhielten. Karl drehte und wendete sich, wie er nur konnte.
»Freundchen, es ist aus, das hat keinen Sinn. Wir können auch noch Widerstand gegen die Staatsgewalt dazufügen.«
Karl beruhigte sich.
»Wir sprechen uns noch Pinda«, schrie er, als er hinausgeführt wurde.
»Mister Nathawat, für dich, du Affe sein.« Einer der Kommissare trat auf Mister Nathawat zu.
»Er hat es nicht gesagt, mussten Sie ihn denn so provozieren? Nun können wir nur noch mit Zeugenaussagen arbeiten. Es wäre besser gewesen, wenn er gesagt hätte, dass er Sie erpresst. Schutzgeld verlangt, wissen Sie, das wäre besser gewesen.«
»Ich aussage, er Schwein.« Mister Nathawat spuckte erneut über den Tresen.
»Wenn sie dann Morgen ins Präsidium kommen könnten?«
Karl Bennting wurde verklagt und bekam eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
5 Jahre später.
Das Außentor der JVA ging auf und ein Mann trat in die Freiheit.
»Karl, ich hoffe dich hier nicht mehr zu sehen, was hast du nun vor?« Karl zündet sich eine Zigarette und inhalierte tief. Lässig schnippte er das Streichholz zur Seite.
»Erst werde ich diese Schlampe von Heike suchen und sie fragen, warum sie nicht vorbei gekommen ist und dann werde ich sie richtig durchvögeln.«
»Karl ... mach kein Scheiß.«
»Wir sehen uns«, flüsterte Karl leise.
Das Tor schloss sich und Karl schaute um sich. Viel hatte er nicht dabei. Fast alles, was er besaß, hatte er an. Nur ein paar Sachen trug er in einer Plastiktüte. Er nahm den Bus Richtung Stadt und lief in seine alte Stammkneipe ein. Doch die Gesichter, die er dort vorfand, kamen ihm gar nicht bekannt vor.
»Wo ist Gerd?«, fragte er den Wirt.
»Gerd wer?«
»Der alte Wirt?«
»Bist du denn Karl, Karl Bennting?« Karl nickte.
»Dann ist das hier für dich.« Der Wirt steckt Karl einen Briefumschlag zu.
»Was zu trinken?« Karl setze sich ans Ende der Theke. Von dort hatte er eine gute Aussicht auf die ganze Kneipe. Ein Bier wurde kurze Zeit später vor ihn hingestellt.
»Danke«, sagte er und fing an den Brief zu lesen. Er war nicht sonderlich lang.
»Wann ist er gestorben?«, fragte Karl.
»Letztes Jahr, es ging ihm schon lange nicht mehr gut. Soweit ich es weiß war er nur noch mit Morphium unterwegs.« Karl seufzte tief und zerknüllte den Brief in seiner Faust.
»Scheiße«, sprach Karl laut und schlug seine Faust auf das Papierknäuel vor sich.
»Wo liegt er?«
»Städtischer, irgendwo bei diesen Anonymen haben sie ihn beigesetzt.«
»Scheiße, du meinst, nicht mal ein anständiges Begräbnis war für ihn drin?«
»Nein.«
Karl kippte das Bier in sich hinein. Er zeigte dem Wirt das leere Glas.
»Kommt sofort«, sagte dieser.
»Wohnt Heike immer noch da?«
»Ich kenne keine Heike«, sagte der Wirt und stellte das neue Bier ab. Karl grummelte und trank sein zweites Bier zügig aus. Er schmiss einen Zehner auf den Tresen und verließ die Kneipe.
Es war nicht weit von dort aus zu Heike.
Kurze Zeit später stand er vor dem Hochhaus. Es sah immer noch verwahrlost aus. Die Vordertür war natürlich nicht abgeschlossen. Karl war sich nicht sicher, aber ihm schien es, dass noch mehr Graffiti an die Wand geklatscht worden war. Wirre Zeichen, die er nicht verstand. Er lief an den Briefkästen vorbei, ohne sie anzuschauen. Er war sich sicher, dass Heike immer noch hier wohnte. Im sechsten Stock stieg er aus dem Fahrstuhl. Er drückte auf die Klingel bei einer der Türen.
»Wer ist da?«, fragte eine Frau hinter der Tür.
»Mach auf, du blöde Nuss, ich bin es Karl«
»Geh weg, geh weg, ich rufe die Polizei.«
»Mach verdammt noch mal die Tür auf.« Er schlug mit der flachen Hand kräftig auf die Tür. Ein paar Türen weiter ging eine Tür auf. Eine Frau schaute neugierig um die Ecke.
»Verpiss dich«, schrie Karl sie an. Die Tür schloss sich schlagartig.
»Was ist?«, brüllte Karl und schlug mit seinem Faust auf die Tür.
»Geh weg.«
»Mach auf, du Schlampe oder ich trete sie ein.«
»Geh weg. Ich ruf die Polizei.« Karl trat ein wenig zurück und trat mit voller Wucht gegen die Tür, die sofort aufflog und fast aus ihrem Rahmen flog.
»Ihhh ... Hilfe, geh ... lass mich in Ruhe«, schrie Heike, die langsam zurückwich. Mit drei großen Schritten stand Karl vor ihr und griff ihr Haar.
»Erkläre mir mal, warum du dich nicht gemeldet hast, nie zu Besuch kamst oder nur eine Silbe geschrieben hast.« Er holte aus und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Heike taumelte weiter zurück und fiel in die Küche. Sie hielt schützend die Hände über ihren Kopf.
»Bitte nicht, Karl, bitte nicht. Ich flehe dich an, nicht schlagen.« Karl schlug sie auf den Kopf. Traf aber nur ihren Arm. Heike fing an zu weinen.
»Ja, flenne mal herum, du Dreckstück.« Er wollte erneut zuschlagen, hielt aber inne. Er griff sich einen Stuhl und hockte sich hin, sodass er sie sehen konnte. Er schubste sie mit seinem Stiefel.
»Sprich, ich höre.«
»Ich habe Angst, Karl ich habe Angst vor dir.« Heike hatte Schutz am Kühlschrank gesucht und die Arme um ihre Beine geschlungen. Sie versuchte, soweit wie es der Raum zuließ, Abstand von Karl zu bekommen. Es war aber nicht viel, was die Küche zuließ.
»Warum wart ihr nie da, warum bist du nicht mit Benjamin vorbei gekommen?«
»Ich … Ich hatte Angst.«
»Ja genug, ich werde dir gleich zeigen, was Angst ist. Wo ist Benjamin?«
»Karl … es tut mir so leid.« Heike weinte laut. Karl stand auf und griff ihren Arm. Er riss sie hoch und schaute auf das kleine Häufchen Elend, was er dort hochhielt.
»Wo ist Benjamin, du Schlampe. Ist der in der Schule? Ich wette, er ist der Beste.«
»Karl, bitte lass mich los, du tust mir weh.«
»Wo ist er?« Heike fing an zu schluchzen, sie wurde fast hysterisch.
»Lass los, bitte, bitte, lass los. Ich habe Angst.«
»Rede«, schrie er. Heike holte tief Luft und schaute nach oben. Sie versuchte, seinem Blick auszuweichen. Immer noch hielt sie ihren Arm vor sich.
»Er ist tot, verstehst du, tot.« Karl ließ geschockt ihr Arm los.
»Was ist passiert?«, wollte er wissen.
»Leukämie. Blutkrebs. Es ging alles so schnell und ich hatte einfach Angst, es dir zu sagen.«
»Du meinst, Benjamin ist tot?« Karl war weiß im Gesicht. Er machte einen Schritt nach hinten und wollte sich setzen. Er verfehlte den Stuhl und landete unsanft auf dem Boden. Karls Körper fing an zu zittern. Heike wusste, dass er Benjamin über alles liebte. Dies war auch ihre größte Angst, ihm mitzuteilen, dass sein geliebter Sohn gestorben war. Nun wusste er es. Heike hatte aber mit dieser Reaktion nicht gerechnet. Dort lag er, der Vater ihres Sohnes zusammen gekauert wie ein Embryo, weinend wie ein Häufchen Elend, unter dem Tisch.
»Nein«, schluchzte Karl, »nicht Benjamin, nicht Benjamin, mein Sohn.« Heike ging in die Knie und hockte sich neben ihn. Sie legte ihm ihre Hand auf seine Schulter.
»Es tut mir so leid, es tut mir so unendlich leid.« Sie senkte ihren Kopf und legte ihn auf seinen Körper und weinte mit ihm.
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2013
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