Der gelbe Lamborghini kam mit quietschenden Reifen vor dem Andy Tanenbaum Tower zu stehen. Ein ultramodernes Hochhausbüro. Der Motor heulte zweimal laut auf, ehe der Fahrer ausstieg und dem Page am Eingang den Schlüssel zuwarf.
»Dass du mir ja keinen Kratzer dran machst oder einen Fingerabdruck hinterlässt, ich habe gerade eine Anzahlung auf den Wagen gemacht.«Der Junge konnte den Schlüssel gerade noch fangen und nickte nur ehrwürdig, als Peter Windfeld an ihm vorbei lief Richtung Eingang. Der Junge bestaunte den Lamborghini ausgiebig. Peter Windfeld schlich zum Eingang. Er hatte ein paar schwere Tage hinter sich und fühlte sich ausgelaugt. Zu seinem Glück öffnete sich die Tür des Eingangs, dank seiner ID-Karte in der Brieftasche, automatisch.
»Guten Tag Herr Windfeld. Gratulation zu ihrem Erfolg.« Peter lehnte sich lässig an den Tresen des Empfangs und starrte nur kurz auf das Namensschild der gut aussehenden Rothaarigen, die dort mit ihrer Kollegin saß, um dann seinen Blick weiter zu ergötzen an der üppigen Oberweite, um dann schließlich seinen Blick auf den Feuerroten Lippen zum Halten zu bringen. Er er nahm zärtlich ihr Kinn zwischen seinen Zeigefinger und Daumen und küsste sie auf ihre Lippen.
»Danke Sonja, wenn du auch so brav weiter arbeitest kommst du bestimmt auch mal in das Vergnügen, in so einem netten Wagen mit zufahren.«
»Ihre Post«, sagte sie trocken und reichte ihm einen Stapel Briefe und Akten.
»Ist gerade angekommen.« Peter seufzte und atmete in kurzen Zügen ein und aus. Eigentlich wollte er noch was sagen, sah auf die Uhr, die in der Halle hing und ließ es sein.
»Zeit ist Geld, meine Liebe und davon haben wir zu wenig.« Er lief zum Fahrstuhl und stieg ein. Die Tür schloß sich und Peter bekam nicht mehr mit wie die beiden Frauen am Tresen sich über ihn ausließen.
»Ich muss mich waschen«, sagte Sonja und setzte einen angewiderten Blick auf.
»Ih, war das eklig.«
»Ja, geh nur«, kicherte Anke, ihre Kollegin.
»Ich halt so lang die Stellung, aber mach nicht so lang.«
*****
Peter lehnte mit einer Hand an der Fahrstuhlwand. Er war echt müde. Es waren lange Tage gewesen. Auch der Jetlag hatte, so meinte er, seinen Tribut getan. Genau hatte er es nicht mehr auf dem Zettel. Er sollte mal Babette fragen, seine Sekretärin, wie lange er nun an dieser Übernahme gearbeitet hatte. Sicher, er bekam Provision und auch nicht wenig, aber es wäre doch interessant zu wissen wie viele Stunden er nun gemacht hatte. Der Fahrstuhl erreichte die obere Etage. Peter konnte stolz auf sich sein. Er hatte es wirklich geschafft, sich nach oben zu arbeiten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dass er noch nicht das größte Büro hatte, lag daran, dass es noch zwei Senior-Chefs gab.
»Gratulation«, klang es aus vielen Kehlen, als die Tür aufging. Peter setzte sein bestes Lächeln auf und trat in den Tumult ein. Nein, es gab keine bunten Hütchen und Girlanden oder Konfetti. Nur einem herzlichen Empfang mit Sekt. Er drückte Babette die Post in die Hand, als sie ihm um den Hals fliegen wollte.
»Wirklich, Peter, du Fuchs. Du hast es uns allen wieder gezeigt. Klasse Arbeit.«
»Keine Sorge, deine Provision haben wir dir schon auf dein Konto auf den Kaymans überwiesen«, flüsterte Hammbrooks, der zweite Senior-Chef ihm ins Ohr.
»Ja Peter, da hast du die Holländer aber schön in den Regen stehen lassen.« Peter nickte nur und nahm einen Schluck von dem besten Champagner, den man für ihn gefunden hatte. Es schmeckte ihm aber nicht.
»146 Million und davon sind fünf Prozent für dich.« Alle erhoben ihr Glas. Angewidert nahm Peter erneut den Versuch einen Schluck zu nehmen.
»Nah, schmeckt es dir nicht?«, fragte Hammbrooks ihn.
»Nein, ich bin nur so hundemüde«, sagte Peter.
»Was ist mit dieser Chinageschichte?«, fragte Guttendunk, der erste Senior-Chef.
»Da bin ich dran. Ich hab Montag einen Termin mit Mister Chinloo, in Schanghai.«
»Mein Mann.« Guttendunk schlug ihm auf die Schulter. Peter zuckte zusammen.
»So, genug gefeiert, da ist noch mehr Arbeit, die auf uns wartet«, sprach Hammbrook und stellte sein Glas auf das Tablett.
»An die Arbeit.«
Peter machte das Gleiche und begab sich in sein Büro.
*****
Babette folgte ihm auf Schritt und Tritt. Elegant kickte sie die Tür hinter sich zu, während sie die Post auf den riesengroßen Marmorschreibtisch legte und das Glas Sekt dazu abstellte. Es war ihr ein Rätsel, warum ihr Chef Marmor genommen hatte. Aber ihr war es egal.
»Na mein Schatz. Du siehst aber schlecht aus.«
»Mach mir mal einen Kaffee.« Babette machte sich daran, ihrem Chef einen Kaffee zu machen.
»Hast du mir den Flug nach Schanghai gebucht und ein Hotel besorgt?«, fragte er sie, wahrend er seine Unterlagen durch ging.
»Warst du beim Arzt und hast dich untersuchen lassen?«, fragte sie ihn in Gegenzug und stellte die Tasse auf den Tisch.
»Zeit ist Geld, ich mach das, wenn ich wieder aus Schanghai da bin.« Babette zog den Stuhl nach hinten und setzte sich breitbeinig auf den Schoss ihres Chefs.
»Du weißt ja, dass wer zu spät kommt ...«
»Ich habe keine Zeit. Er versuchte, sie herunter zu schubsen.
»Schau mal, was ich hier habe.« Peter hatte aber nicht das geringste Interesse, an dem kleinen Stück Unterwäsche, was sie hoch hielt.
»Babette, lass mich schnell meine Arbeit machen und mich danach einfach mal schlafen.« Babette tat, was ihr Chef ihr befahl und ging von ihm herunter. Ihr Höschen nahm sie mit.
»Geh doch endlich mal zum Arzt, das ist doch nicht normal. Ich ruf da gleich noch mal an und mache dir einen neuen Termin.«
In dem Moment klingelte das Telefon im Vorzimmer. Babette lief hin und nahm ab.
»Doctor Neuberger, für dich«, sprach sie in die Gegensprechanlage. Peter nahm das Gespräch entgegen und legte nach ein paar Minuten wieder auf.
»Ich muss noch mal weg. Kümmer du dich noch mal um die Chinasache. Ich brauche noch die Unterlagen von Stanford and Sons, plus, den heutigen Wert an der Börse. Du kannst sie mir per Mail schicken.« Peter hatte seine Jacke schon an und war fast draußen.
»Was ist mit dem Arzttermin?«
»Nach Schanghai.«
Babette fluchte leise vor sich hin.
*****
Doktor Neuberger wartete schon am Abschlag.
»Nun Peter, ich habe gehört, dass du dir ein wenig Ärger mit den Holländern eingehandelt hast.« Peter lachte ein wenig.
»Ich habe eine Bitte an Dich. Daher auch dieses Treffen.«
»Schießen sie los«, sagte Peter und nahm den Trolley entgegen. Der Caddy verabschiedete sich und ließ die beide Herren alleine.
»So, nun da wir unter uns sind können wir frei sprechen.« Peter schaute zu, wie Doktor Neuberger ein Tee nahm, dies in den Boden steckte und mit viel Fingerspitzen gefühl den Ball drauflegte. Doktor Neuberger entschloss sich für ein Zweier-Holz und schlug auch schnell ab. Peter folgte und beide Herren schlendert so nun langsam zu Loch Eins. Peter brauchte zwei Schläge mehr, um aufs Grün zu kommen.
»Das mit den Aktientipp kam mir gerade recht. Ich kann dir da auch was für geben.« Peter winkte ab und schaute zu wie Doktor Neuberger einlochte. Peter hatte nicht so ein Glück. Wieder brauchte er mehr Schläge als Doktor Neuberger. Sie begaben sich zum zweiten Abschlag. Doktor Neuberger legte vor. Peter hatte seinen Schläger schon ausgepackt und lehnte mit beiden Händen auf den Schläger. Doktor Neubergers Ball flog gut 100 Yards. Peter steckte sein Tee ins Gras und legte den Ball drauf. Sein Kontrahent schaute gebannt zu und hielt seine Augen auf den Ball. Peter zog den Schläger nach hinten und schwang ihn nach vorne. Der Ball hüpfte hoch und landete knapp dreißig Meter weiter. Doktor Neuberger bekam ein spöttisches Lächeln auf die Lippe, das sich aber schlagartig änderte, als er wieder zu Peter schaute. Dieser stützte sich mit einer Hand auf den Golfschlager ab, wahrend er auf Knien im Gras hockte.
»Um Gottes willen, Peter, was ist mit dir. Soll ich einen Arzt rufen?« Peter winkte ab und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Fast hatte er es geschafft, als ihn die Müdigkeit gepaart mit Kraftlosigkeit einholte und er, dank der Schwerkraft, zu Boden fiel. Doktor Neuberger zog sein Telefon aus der Jacke und rief einen Arzt an. Kurze Zeit später erklang ein Martinshorn, Zwei Mitarbeiter vom Golfklub hatten zwischenzeitlich Peter Windfeld bereits zum Klubhaus gebracht. Der Arzt befragte Peter nach seinem Befinden. Er konnte nicht großartig was feststellen. Er hatte aber einen Verdacht, dieser ließ sich aber nur im Krankenhaus bestätigen. Peter wollte dem Arzt widersprechen und stand auf. Als er aber erneut zu Boden ging ließ er sich widerwillig in den Krankenwagen verfrachten.
»Ruf in meinem Büro an und sag Babette, dass ich mich etwas verspäte«, bat er Doktor Neuberger, der ihn noch zum Krankenwagen begleitet hatte.
»Ja mach ich.«
Der Krankwagen fuhr mit Peter davon.
*****
Peter Windfeld kam sofort in die Notaufnahme und man fing an, diverse Tests mit ihm zu machen. Leider waren nicht alle Tests für den heutig Tag möglich, so dass er über Nacht bleiben sollte. Der diensthabende Arzt wagte es sowieso nicht ein, ihn in diesem Zustand zu entlassen. Der Verdacht des Notarztes hatte sich noch nicht bestätigt, aber, so wie es schien, konnte er da recht haben. Die Kondition von Peter Windfeld war beängstlich schlecht. Sie schien auch rapide abzunehmen. Das Atmen schien Peter immer schwerer zufallen und man war nun übergegangen ihn mit Sauerstoff zu versorgen. Ein EKG wurde angeschlossen und der Arzt schüttelte mit dem Kopf.
»Rauchen sie?« Peter schüttelte leicht den Kopf.
»Trinken?« Peter zuckte leicht mit dem Schultern.
»Selten«, hauchte er.
»Herr Windfeld, wir haben den Verdacht, dass Ihr Herz schlapp gemacht hat.«
»Herzinfarkt?«, fragte Peter erschrocken.
»Nein, eher eine Insuffizienz.« Peter wusste, was das Word bedeutete. Insuffizienz, nicht ausreichend. Er hatte dieses Wort schon öfter in seinen Gesprächen verwendet.
»Und was bedeutet dies nun für mich?« Die Frage war berechtigt.
»Nun, wir werden Sie hier behalten und morgen weiter untersuchen und danach können wir sehen, was wir machen können.«
»Das geht nicht. Ich muss Montag nach Schanghai, wissen Sie was mich das kostet wenn ich nicht da aufschlage?« Peter saß fast senkrechte in seinem Bett.
»Ich will sofort Ihren Vorgesetzter sprechen, das können Sie mit mir nicht machen.« Der Arzt winkte ein Pfleger herbei.
»Herr Windfeld beruhigen Sie sich, das hat alles kein Wert, denken Sie an ihre Gesundheit.« Peter schien nun richtig in Rage zu geraten. Die paar Menschen die ihn kannten hatten dies noch nie erlebt. Peter konnte eigentlich nichts aus der Ruhe bringen. Der Pfleger hielt Peter fest, der dabei war aus dem Bett zu steigen und der Arzt verabreichte ihm ein Beruhigungsmittel. Peter brauchte noch seine Zeit, aber langsam kam er wieder herunter.
»Dormicum, drei mili«, sagte der Arzt zu einer Schwester, die das in das Krankenblatt schrieb.
»Ein oder zwei Mal.« Der Arzt schaute Peter an, der immer noch in Bewegung war.
»Zwei.« Der Arzt und der Pfleger verließen das Zimmer.
»Rufen Sie meine Sekretärin an. Ich muss noch ein paar Sachen klären«, sprach Peter zu der Krankenschwester.
»Was Sie brauchen, ist Ruhe.«
»Ja ... aber ... ich.« Peter schien nun eingeschlafen zu sein.
*****
Babette rannte den Gang hinunter. So schnell sie konnte, versuchte sie den Fahrstuhl zu erreichen. Gerade in letzter Sekunde konnte sie ihre Hand dazwischen stecken. Die Tür öffnete sich wieder.
»Fahrt ihr hoch?« Jemand bejahte die Frage. Schweigend stand sie in der Mitte des Fahrstuhls. Es roch nach irgendwelchem Desinfektionsmittel, aber von den billigsten Sorten. Ihr wurde fast schlecht. Im dritten Stock stieg sie aus und holte tief Luft. Nicht, dass sich etwas an dem Geruch geändert hatte, nein sie verblieb gleich. Verzweifelt schaute sie den Gang hinunter. Es war ziemlich ruhig auf dem Flur. In der Ferne sah sie ein Schild. »Anmeldung« sie lief drauf zu. Dort angekommen fand sie aber niemanden vor. Ungeduldig lief sie hin und her. Nach ein paar Minuten erschien eine Schwester. Sie trug eine Bettpfanne vor sich her.
»Vorsicht«, sagte sie und winkte, dass Babette zu Seite gehen sollte. Babette verdrückte sich an die Wand.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte die Schwester im Vorbeigehen.
»Ich wollte nachfragen, wie es Herr Windfeld geht?«
»Sind Sie verwandt?« Babette war sich nicht im Klaren, aber sie hatte schon mal irgendwo gelesen das nur Verwandte oder Nahestehende Bescheid bekämen. Ihr erster Gedanken war zu sagen, dass sie seine persönliche Sekretärin wäre. Sie ließ aber schnell von ihrem Vorhaben ab.
»Ich bin die Verlobte?«
»Wir geben eigentlich nur Auskunft an nahe Verwandten.«
»Der hat aber sonst keine Familie«, sagte Babette wie aus der Pistole geschossen.
»Warten sie hier, ich werde den diensthabenden Arzt für sie rufen.« Babette setzte sich auf einer der Stühle, die sich gegenüber dem Zimmer befanden. Es dauerte ziemlich lange und Babette war sehr unruhig. Ein Arzt kam um die Ecke und begrüßte sie.
»Frau?«
»Hinze. Wir sind noch nicht verheiratet«, log Babette weiter.
»Ja es tut mir leid, aber es stand ja nicht gut mit ihrem Mann.«
»Ich habe ihm noch geraten zum Arzt zu gehen, aber er wollte nicht auf mich hören«, keifte Babette dazwischen.
»Das wäre auch zu spät gewesen. Ja, aber, was ich sagen wollte, war, dass ihr Mann gestern Nacht gestorben ist, wir haben ...« Den Strauss Tulpen, den Babette für Peter mitgebracht hatte, fiel zu Boden. Ein paar Blütenblätter platzten ab und verteilten sich auf den Boden. Der Arzt bückte sich um sie hochheben. Dann nahm er das Geräusch von sich entfernenden hochhackigen Pumps war. Er sah, wie Babette den Gang hinunter zum Ausgang lief.
»Frau Hinze ...« Der Arzt stand auf, mit dem Rest des Blumenstraußes in der Hand. Er zuckte mit dem Schultern, drehte sich um und warf den Strauss in einen Mülleimer.
»Ach Schade«, sagte die Schwester, die gerade die Bettpfanne weggebracht hatte.
»Ja wer zu spät kommt.«
»Ja, ja«, sagte sie als Antwort auf den Spruch des Arztes.
»Und rufen sie mal jemanden vom Reinigungsdienst, der soll das wegmachen«, sagt er und zeigte auf die Blumenblätter.
Tag der Veröffentlichung: 10.05.2013
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