Die Glocken läuteten so süß und Irina weinte vor Glück. Heute sollte sie endlich ihren Karelio heimführen, in die Kirche erst, dann in ihr Heim, wo ihnen beiden das höchste Glück zuteilwerden würde. Wie ein Riesenbaby sah er aus in seinem viel zu großen schwarzen Anzug, mit seiner Halbglatze und dem unschuldigen Lächeln auf dem rosigen Gesicht. Jubel brandete auf, als Irinas gutturales „Ja“ in den heiligen Gewölben widerhallte. Freudengezwitscher von den Vögeln des Himmels, und wer genau hinhörte, vernahm auch, wie die Fische im See Beifall blubberten. Ach Karelio! Die ganze Nacht hindurch flimmerten Millionen von Glühwürmchen zu Ehren der Frischvermählten, und der Mond übergoss ihre Wonnen mit Kaskaden silbernen Lichts.

Am nächsten Morgen streckte die Möwe Irina den Kopf aus dem Brautgemach und flatterte der aufgehenden Sonne entgegen – das Skelett des armen Karelio lag bis auf den letzten Fleischrest abgenagt im Hochzeitsnest.

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Texte: Text: © melpomene Titelbild: © Rike / PIXELIO
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2011

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