Cover

Das Land der Lebenszeiten



Große, grauweiße Felsen ragen aus dem Meer heraus. Ich sitze auf einem von ihnen. Er ist zwar nur mit einer dünnen Moos-schicht bewachsen, aber doch kuschelig weich, wie ein Bett aus flauschigen Wolken. Der Nebel hängt wie ein weißer Schleier über dem stillen, türkisblauen Meer. Ich sehe einen Vogel in einiger Entfernung auf dem Boden liegen, dessen Lebenszeit auf einer Uhr über ihm immer schneller davonrinnt. Woher ich weiß, dass es wohl seine Lebenszeit ist? Ich habe keine Ahnung, doch irgendwie weiß ich es einfach! Auch die Lebenszeit des alten Baumes auf dieser merkwürdig quaderförmigen Erhebung, der vom Blitz zur Hälfte abgebrannt ist, scheint bald vergangen zu sein. Auf seinem Ast rinnt die letzte viertel Stunde dahin.


Die Uhren zerfließen alle samt. Ich schaue mich weiter um und sehe auch eine rote Stoppuhr, die wohl zu dem Leben eines hektischen Menschen gehört, der nie inne hält, um die schönen Momente seines Lebens zu genießen. Er sieht die Welt wahrscheinlich nur als Feind, der ständig böse Überraschungen für ihn bereithält.
Die ganzen Uhren in dieser Welt müssen zu allen möglichen Lebewesen gehören und zeigen die Zeit an, die einem Wesen verbleibt. Ich beobachte den Himmel. Nichts als blaue Tiefe, die sich in dem Spiegel aus kristallklarem Eis wiederspiegelt. Keine Wolke und kein Lufthauch, in dieser merkwürdigen Welt steht alles still außer ich und das langsame und schnelle Ticken der Uhren. So eine gähnende Leere. Unheimlich und dennoch angenehm!
Die Schwelle zum Abgrund des Todes ist nahe. Sie geht vom hellen Grau in dunkles Schwarz über.


Im schwarzen Bereich warten Skorpione als Diener des Teufels darauf, die schlechten und hartherzigen Menschen in die Hölle zu geleiten. Plötzlich fühle ich mich leicht, als ob ich kein eigenes Gewicht mehr habe. Ich steige in dem wunderschönen, tiefblauen Himmel auf, ich komme durch ein großes Tor, schreite hindurch und erblicke auf der anderen Seite einen Ort, den man wohl das Paradies nennen muss.
Es gibt wirklich von Allem genug und man muss zufrieden sein. Weil ich tropische Früchte liebe, gehe ich zu einem Baum und pflücke mir einen Granatapfel. Er hat genau die richtige Mischung an süßem und säuerlichem Geschmack und ist rötlich bis lila. Wie schön es hier ist. Doch gerade, als es am schönsten ist, wache ich auf.
Ob das vielleicht die Antwort auf die Frage von Leben und Tod, Himmel und Hölle ist? Ich denke schon und deshalb werde ich jedem, der mir diese Fragen stellt, mit dieser Traumgeschichte antworten, sodass sie sich jeder selbst deuten und somit beantworten kann.





>


Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 16.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet: Denen, die sich immer die Frage stellen, was nach dem Tod ist.

Nächste Seite
Seite 1 /