Meine zwei Leben
von
Melanie A. Downs
Aufgewacht
Tag zwei in Kim’s Leben
Ein Blick zurück
Tag vier
Eastereghunt
I L D
Alpträume aus der Vergangenheit
Zum ersten Mal allein
Gedanken
Ein Stück vom Glück
Was bleibt denn jetzt auf der Strecke?
So viel neues
Offenbarung
Nachrichten
Keine Ruhe mehr?
Willkommen
Eile mit Weile
Zurück zur Normalität?
Es ist, wie es ist!
Happy Birthday Alice
Zukunftspläne
Normal, kann wirklich herrlich sein.
Ein ständiger Begleiter
Das Theaterstück beginnt
Weiter geht es im Programm
Jetzt kommt die Werbung oder wie?
Kommt jetzt schon das Ende?
Immer noch hier!
A price to pay
Happy Endigns
Alles bleibt wie es ist!
Plötzlich wachte ich in einem völlig anderen Leben auf! Eben war ich doch erst zu Bett gegangen, nachdem ich meine beiden Schätze bei meinen Eltern abgegeben hatte. Jetzt liege ich in einem fremden Bett, neben einem mir völlig fremden Mann, in einem fremden Haus.
Wo waren meine Kinder? Wer war dieser Mann neben mir und wo zum Teufel war ich? Alice und Jammie! Wo waren sie? Ich muss zu ihnen, sie brauchen mich doch, sie sind doch noch klein und Jammie ist doch krank!
Panisch atmete ich schneller, richtete mich schnell auf um aufzustehen. Ich musste meine Kinder finden und zwar so schnell wie nur möglich!! Aber als ich aufstehen wollte, wurde mir schwarz vor Augen und ich musste mich wieder setzen.
„Schatz, hast du wieder Schmerzen?“, dabei richtete sich der Fremde neben mir auf und sah mich besorgt an.
„Mir ist schwindelig“, antwortete ich automatisch.
„Du hast auch eine starke Gehirnerschütterung und hättest auf die Ärzte hören sollen und im Krankenhaus bleiben sollen“, erklärte der Fremde sanft.
„Was ist mit mir geschehen?“, wollte ich wissen, aber im Grunde hatte ich nur Alice und Jammie im Kopf.
„Weißt du das nicht mehr?“, fragte der Fremde noch besorgter als zuvor.
„Wer bist du?“, fragte ich und begann zu zittern.
„Schatz, was ist mit dir?“, wollte er wissen, griff aber zu seinem Handy und wählte eine Nummer.
„Wo bin ich?“, fragte ich voller Panik, mein Atem ging jetzt viel schneller und erst mein Herz, es raste in meiner Brust, so als würde ich sehr schnell rennen. Ich versuchte erneut aufzustehen, aber es ging nicht.
„Wir werden uns jetzt anziehen und dann werde ich dich ins Krankenhaus bringen“, erklärte er besorgt.
„Ich kann nicht aufstehen, mir wird sofort schwarz vor Augen und mein Kopf, ich glaube er platzt gleich“, murmelte ich und merkte wie mir plötzlich Tränen in die Augen stiegen. Dann hörte ich wie er mit jemanden am Handy sprach, seine Stimme wurde immer besorgter.
„Hab keine Angst, ich werde dir helfen, dein Bruder meint, dass du eine Amnesie haben könntest“, sagte er sanft zu mir, als er mit telefonieren fertig war.
„Bruder?“, fragte ich verwirrt.
„Es wird alles gut, Jack, dein Bruder, ist Arzt, wir fahren gleich zu ihm“, erklärte der Fremde.
„Ich... ich weiß gar nichts!“, sagte ich und Tränen rollten mir wie wild über die Wangen.
„Ich bin Ian und wir wollten dieses Jahr heiraten!“, erklärte er liebevoll und half mir beim Anziehen.
Wie um das zu bestätigen, sah ich zwei sehr wertvolle Ringe an meinen Händen. Der Ring am Ringfinger der rechten Hand, hatte einen blauen Edelstein, darum waren weise Edelsteine gesetzt worden. Der andere an der linken Hand war nur mit einem einzigen Edelstein besetzt, einem dunkelblauen Stein. Ich starrte diesen Schmuck an, der so gar nicht zu mir passte und mir auch überhaupt nicht gefiel. So etwas würde ich nie im Leben tragen, ich bewegte daher ungläubig meine Hände.
„Ein Aquamarin, mit weisen Saphiren, dein Verlobungsring“, erklärte er und streichelte sanft meine Hand, an dem der Ring hing.
„Ian, ich weiß das alles gar nicht“, sagte ich und ohne dass ich es wollte, klang meine Stimme sehr traurig.
„Hab keine Angst, es wird alles wieder gut werden“, meinte er und küsste mich auf die Stirn. Ich wollte vor seinen Berührungen zurück schrecken, mein Körper gehorchte mir jedoch nicht. Ian verschwand daraufhin, vermutlich ins Bad und erschien kurz darauf wieder, komplett umgezogen und fertig zum Aufbruch. Er ließ mich in schwarze Ballarinas schlüpfen, half mir dann auf und hielt mich fest, und führte mich so, bis ich im Auto saß.
„Ian, haben wir Kinder?“, fragte ich auf der Fahrt zum Krankenhaus.
„Nein, noch nicht, warum fragst du?“, dabei sah er mich nur kurz an.
„Vorhin beim Aufwachen, da war mein erster Gedanke, wo sind Alice und Jammie und dass ich sofort zu ihnen müsste“, begann ich zu erzählen.
„Wer sind die beiden?“, wollte Ian wissen.
„Meine Kinder!“, antwortete ich und spürte wieder wie Panik in mir hochstieg.
Ian sagte nichts dazu, er sah mich nur besorgt an und sein Blick zeigte mir, dass er viel für mich empfinden musste. Nach sehr langen Minuten des Schweigens, fand er seine Sprache wieder und erklärte mir, dass er ganz sicher sei, dass ich keine Kinder hatte. Das versetzte mir einen Schock und ich sagte nichts mehr und sah zu meinem Fenster hinaus. Sah fremde Häuser an mir vorbei ziehen, ein fremder Horizont und fremde Straßen. Ich war wirklich nicht mehr zu Hause, aber wo war ich dann? Wer war ich dann überhaupt?
Im Krankenhaus traf ich dann zum ersten Mal meinen Bruder Jack. Wobei ich doch eigendlich ein Einzelkind bin oder war... oder was auch immer?
Jack ist ein sehr sympathisch wirkender Enddreissiger mit warmen karamellfarbeben Augen, die den Augen von Jammie so sehr glichen!
„Sie kennt mich nicht mehr!“, gestand Ian traurig.
„Hier ist alles fremd!“, sagte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust.
„Außerdem hat sie mich gefragt, ob wir Kinder hätten“, erklärte Ian weiter, mit einem kurzen Blick zu mir.
Ich kam mir plötzlich blöd vor, konnte ich denn nicht für mich selbst sprechen? Hatte ich das etwa auch vergessen? „Alice ist fünf und Jammie gerade mal 2!“, setzte ich hinzu.
„Das kann nicht sein, Schwesterchen! Du hast keine Kinder“, teilte mir Doktor Jack mit.
„Doch!“, sagte ich, denn ich war felsenfest davon überzeugt, dass das was ich wusste, der Wahrheit entsprach.
„Am besten wir untersuchen dich hier gründlich und diesmal bleibst du im Krankenhaus und gehst nicht einfach nach Hause“, erklärte Doktor Jack streng.
„Natürlich“, murmelte ich kleinlaut und blieb sitzen wo ich war, währen Doktor Jack anfing mich zu untersuchen. Ich wusste nur, dass er einige neurologische Ersttests mit mir durchführte, aber irgendwie klappten die bei mir nicht so zu seiner Zufriedenheit. Ich war mir sofort sicher, dass ich so schnell nicht wieder hier wegkommen würde. Irgendetwas schien mit meinem Kopf nicht zu stimmen, denn Jacks Miene wurde immer besorgter. Doch dann kam eine sehr entscheidende Frage, welchen Tag wir denn heute hätten.
„Den vierten Oktober 2003 natürlich, weißt du das nicht? Gestern war doch der dritte und nach Drei kommt Vier!“, antwortete ich, ich war ja immer noch von dem Überzeugt was ich wusste. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Ian mit sich kämpfen musste, sollte er jetzt lachen oder weinen? Aber was war denn so komisch an meiner Antwort? Verwirrt sah ich Doktor Jack an, der nur meinte, dass dies vieles erklären würde. Dann lies Doktor Jack die Bombe platzen, als er zu mir sagte:“Kim, heute ist der 28. März 2013!“
Ian sah nun sehr besorgt aus und seine Blicke gingen zwischen Jack und mir hin und her.
„Wie bitte?“, fragte ich erstaunt, ich wusste ja wohl noch welchen Namen ich hatte und ich hieß nie und nimmer Kim!
„Heute ist der 28., ein Donnerstag und Morgen ist Karfreitag, weißt du das wirklich nicht mehr?“, wollte Ian erstaunt wissen. Sichtlich konnte er es nicht fassen, dass ich das nicht mehr wusste.
„Ich mein Name ist nicht Kim!“, sagte ich stur, vielleicht war ja wirklich ein anderer Tag, ein anderes Jahr, aber ich hieß nicht Kim!
„Nur keine Panik, ich werde jetzt einige Untersuchungen anordnen und dann sehen wir, was der Grund für dein Vergessen ist“, erklärte Jack in vollkommener Doktorenautorität. Beim hinaus gehen, nahm er Ian mit, der mich nur wiederwillig allein ließ. Ich ließ ich zurück auf die Untersuchungsliege sinken und wartete, bis mich eine Krankenschwester mit Ian und einem Rollstuhl abholte. Als ich Ians besorgtes Gesicht sah, tat er mir wirklich leid
„Jack hat deine Eltern und deine Schwester angerufen, sie werden herkommen so schnell sie können. Sobald einer von ihnen hier ist, fahre ich nach Hause und hole dir ein paar Sachen“, erklärte er mir sanft.
„Danke, das ist lieb von dir“, murmelte ich verlegen.
„Wir stehen das durch“, meinte er leise und griff nach meiner Hand. Ich war dankbar für seine Berührung, so komisch das jetzt auch klingen mag. Seine Hand gab mir Halt, in einer Welt, in der ich langsam glaubte verrückt zu werden.
Zuerst wurde ich auf mein Zimmer gebracht, von dort aus würde ich immer wieder geholt werden, in den nächsten Stunden standen viele Untersuchungen an. Ian wich kaum von meiner Seite und irgendwann bat ich ihn, mir von uns zu erzählen. Seine Stimme war ruhig, weich und strahlte so viel Wärme aus. Sie hatte einen unglaublich schönen Klang und ich konnte mich gar nicht statt daran hören. Außerdem wollte ich mehr über ‚Kim‘ erfahren. Dies wiederum schien Ian abzulenken von seinen Sorgen um mich. Er sah wirklich gut aus, besonders süß, als er mir erzählte wie wir uns kennengelernt hatten.
Kurz nach dem Mittagessen kamen dann auch meine Eltern. Sofort fiel mir die Ähnlichkeit zwischen Jack und meinem Vater auf, die gleichen Augen, wie die, die auch Jammie hatte. Aber das, was mich am meisten beeindruckte, war meine Mutter! Sie sah wirklich aus, als wäre sie meine Mutter! Ich kann das jetzt nur so beschreiben, sie sah mir ähnlich, ich meine, ich sah ihr ähnlich, sehr ähnlich sogar. Es konnte nicht anders sein, dies waren wirklich meine Eltern, Jack war wirklich mein Bruder, aber wer zum Teufel war dann ich? Meine Mutter umklammerte zwei Fotoalben und sah mich sehr besorgt an.
„Kim kann sich an nichts erinnern, kümmert ihr euch um sie, während ich ihr alles was sie noch braucht hole?“, fragte Ian freundlich.
„Aber natürlich bleiben wir bei ihr“, erklärte meine Mutter.
„Jack hat uns alles bereits erklärt, Margaret hat extra die Fotoalben mitgebracht“, erwähnte mein Vater.
„Danke Arthur, dass ihr so schnell herkommen konntet“, sagte Ian, gab mir dabei noch einen Kuss auf die Stirn und ließ uns dann allein. Allein in einem Krankenhauszimmer mit Eltern, die ich überhaupt nicht kannte.
Margaret war die erste, die ihre Sprache wieder fand und mich fragte, ob ich mir die Fotoalben ansehen wolle. Natürlich wollte ich, ich wollte doch auch wissen, was denn nun wirklich Stimmte. War das was mir andere sagten, die Wahrheit, oder die die in meinem Kopf war? Vielleicht würde ich etwas finden, was mich an mein jetziges Leben erinnerte. Ich entschied auch, vorerst nichts von Alice und Jammie zu erzählen. Das würde alle nur noch mehr in Sorge versetzten und genau das wollte ich am allerwenigsten. Ian und Jack hatten meine Äußerungen über meine Kinder sehr nervös und besorgt werden lassen.
Das erste Album war gefüllt mit Fotos aus meiner, Kim-Kindheit! Wobei die Bilder meiner Geschwister, Jack und Mary, mich sehr an Alice und Jammie erinnerten. Unverkennbar, unübersehbar und für mich sehr verblüffend, war diese Ähnlichkeit zwischen ihnen. Begann ich wirklich verrückt zu werden? Gab es meine Kinder wirklich? Oder waren sie nur ein Hirngespinst? Was war mit meinem Kopf denn nur los? In diese Überlegungen platzte Doktor Jack, mit einem sehr besorgten Gesicht!
„Schlechte Nachrichten?“, wollte Arthur sofort wissen.
„Ich weiß jetzt den Grund warum Kim nichts mehr weiß“, begann Doktor Jack zu erzählen.
„Jack, was hat unsere kleine?“, fragte Margaret mit ängstlicher Stimme.
„Dort wo ich Kim gestern genäht habe, hat sich auf gleicher Höhe in ihrem Gehir, ein Blutgerinsel gebildet. Sie muss regelmäßig Tabletten einnehmen, damit es sich auflöst und sie muss auf jeden Fall hier im Krankenhaus bleiben. Dann wird sich zeigen, ob es sich auflöst, oder wir opperieren müssen“, erklärte Doktor Jack, fast so, als wäre ich gar nicht anwesend.
„Warum genäht?“, entfuhr es mir plötzlich, aber schließlich wusste ich ja auch von nichts.
„Über dem linken Ohr, du hattest eine Platzwunde, zudem hast du noch einige Schürfwunden und viele Prellungen, wodurch du in den nächsten Tagen noch mehr schmerzen erleiden wirst. Du bist im Büro eine Treppe hinunter gestürzt“, erklärte Doktor Jack sanft. Klar, ich litt unter Amnesie, mir musste man alles genau erklären!
„Und ihre Amnesie?“, wollte Margaret wissen und wie automatisch griff ich ängstlich nach ihrer Hand. Eine vertraute Berührung, die wirklich gut tat, sie musste wirklich meine Mutter sein!
„Ich weiß nicht wie lange sie anhält, es kann sein, dass wenn sich dieser Pfropfen in ihrem Gehirn aufgelöst hat, ist es wieder da, es kann aber auch sein, dass es für immer fort bleibt“, dabei versuchte Jack so sanft wir möglich zu klingen.
Es gab so viele Menschen, die mir etwas über ‚Kim‘ erzählen konnten. Mein komplettes Leben, so wie ich es kannte, gab es nicht mehr. Nicht nur, dass mir ganze zehn Jahre fehlten und ich 1973 geboren worden war, nichts stimmte mehr. ‚Kim‘ – die ich sein sollte, war erst 25, hatte einen älteren Bruder und eine ältere Schwester. Sie hatte liebenswerte Eltern, wunderbare Freunde und ihr zukünftiger Mann war wirklich himmlisch. Ihr Leben war der reinste Traum, denn sorgen um Geld hatte sie sich noch nie machen müssen. Konnte dieser Traum wirklich mein Leben sein? Wenn mir doch alles so sehr fremd war.
Im zweiten Album waren Bilder von Kims-Erwachsenenleben! Und das unglaublichste war, dass Kim so aussah wie ich. Auf allen Bildern blickte mir mein Gesicht entgegen. Deshalb bat ich Margaret um einen Spiegel und im ersten Moment hatte ich damit gerechnet, dass mir eine Fremde darin entgegen sah. Aber dem war nicht so, ich erkannte mich im Spiegel, also musste ich diese Kim sein!
Am Spätnachmittag kam dann meine Kim-Schwester und meine Kim-Eltern verabschiedeten sich bis zum nächsten Tag. Mary war einfach nur lieb und süß, die perfekte große Schwester, die sich ganz viel Mühe gab nicht mit mir zu verzweifeln. Mit sehr viel Geduld erzählte sie mir von mir, von ‚Kim‘! Zwei Stunden später kam schließlich Ian, mit einem Koffer und einem großen Blumenstrauß. Ich konnte nicht anders, ich musste ihn einfach anlächeln, so unglaublich schön wie er da stand und meinen Koffer auspackte und alles aufräumte. Dann holte er eine Vase für den Blumenstrauß. Mary und ich sahen ihm staunend zu, wie er das alles erledigte, dann zu mir kam und mich zur Begrüßung auf die Stirn küsste.
„Schöne Blumen“, meinte Mary vergnügt.
„Rote Rosen“, stellte ich fest und war erleichtert, dass wenigstens das Stimmte, denn niemand sagte mir, dass die Rosen doch eine andere Farbe hatten.
„Ich habe unseren Urlaub abgesagt. Hat Jack schon gesagt, was los ist?“, wollte er wissen und setzte sich auf die rechte Seite meines Bettes.
„Ich muss Tabletten nehmen damit sich dieser Pfropfen in meinem Kopf auflöst und ich muss hier bleiben. Morgen wird entschieden ob ich operiert werden muss“, dabei versuchte ich sehr sachlich zu antworten. Sah dabei weder Mary noch Ian an, die wiederum kein Wort herausbrachten. Aber warum sollte ich ihnen irgendetwas vor machen, sie müssten nur Jack selber fragen und würden das gleiche zu hören bekommen.
„Und dein Gedächtnis?“, fragte Ian voller Sorge.
„Das kann ich nicht genau sagen“, hörten wir Jacks stimme plötzlich antworten.
„Gibt es da nichts was wir tun können?“, wollte Ian wissen.
„Ich weiß es nicht, aber einer der besten Neurologen ist auf dem Weg hier her“, erklärte Jack und setzte sich zu uns. Ich folgte einem Impuls und streichelte Ians Hand, aber als ich sie wegziehen wollte, hielt er sie weiter fest.
„Aber es gibt auch etwas positives, als ich heute Mittag in den Spiegel gesehen habe“, teilte ich freudig mit.
„Und?“, wollte Mary sofort wissen.
„Die Frau im Spiegel, sie ist mir nicht fremd!“, antwortete ich lächelnd, aber ich vermied es ihnen zu sagen, dass ich mich nicht als ‚Kim‘ erkannt hatte.
Am zweiten Tag wachte ich sehr früh auf, außerdem fühlte ich mich sehr einsam und hatte auch sehr schlecht geschlafen. Es war fast so, als würde ich Ian vermissen, dann griff ich zum Telefon und wählte die erste Nummer die mir einfiel. Zu meinem Erstaunen war es Ians Handynummer, der ganz verschlafen wirkte als er ran ging.
„Ich glaube, ich vermisse dich“, platzte es aus mir heraus.
„Kim, bist du das?“, fragte er sofort.
Nur, was sollte ich ihm da antworten? Ich fühlte mich nicht als Kim oder wie Kim. Ich war doch eine Mutter und viel älter. Alice und Jammie, sie mussten jetzt so um die 14 und 12 Jahre alt sein. Was war nur mit ihnen geschehen? Wo waren die beiden und wie war ich denn nur hier gelandet? All das ging mir nun durch den Kopf, wie konnte ich Kim sein, wenn ich doch Erinnerungen an ein anders Leben hatte.
„Hat dir Jack die Nummer gegeben?“, wollte er dann wissen, da ich auf seine erste Frage nicht antwortete.
„Nein, ich habe einfach abgenommen und gewählt“, gestand ich.
„Das ist großartig, du hast dich wirklich an meine Nummer erinnert!“, eben war er noch ganz verschlafen, aber jetzt klang er hell wach.
„Ich habe so schlecht geschlafen und als ich vorhin aufwachte, hatte ich das Gefühl, dich zu vermissen und wählte die erste Nummer, die mir einfiel“, erklärte ich ihm und spürte zum ersten Mal Schmetterlinge in meinem Bauch.
„Oh, Kim, das ist so wundervoll“, meinte er und freute sich sehr.
„Und jetzt Schmetterlinge“, gestand ich leise und wusste sofort, dass ich dabei war mich in ihn zu verlieben.
„Wo, etwa in deinem Zimmer?“, fragte er besorgt, vermutlich dachte er dass ich jetzt Dinge sah, die es nicht gab.
„In meinem Bauch“, sagte ich lachend.
„Noch besser, ich mach mich fertig und komme so schnell wie möglich zu dir!“, sagte er schnell und legte auf.
Bis er kam, hatte ich genügend Zeit mir über alles Gedanken zu machen. Kims Leben war mir irgendwie vertraut, ich hatte ihre Familie gern und wir sahen uns zum Verwechseln ähnlich, fast schon wie eineiige Zwillinge. Außerdem war ich im Begriff mich in Ian zu verlieben und alles, wirklich alles deutete darauf hin, dass ich Kim war.
Ich hatte zu Anfang gedacht, ich müsse so schnell wie möglich hier weg. Aber es war besser in meinem gewohnten Umfeld zu bleiben und erst einmal gesund zu werden. Ich konnte dann immer noch Alice und Jammie suchen.
Als Ian zu meinem Zimmer herein kam, strahlte er wie ein Sonnenaufgang. Er sah einfach unglaublich gut aus, sein dunkles fast schwarzes Haar und die hellblauen Augen. Unglaubliche Augen, die mich voller Freude ansahen. Und irgendetwas in mir freute sich sehr bei diesem Anblick und zum ersten Mal wünschte ich mir, dass er mich nicht blos auf die Stirn küsste. Aber diesen Gefallen tat er mir dann doch nicht, wie immer gab er mir einen Kuss auf die Stirn. Dabei musste ich ihm recht geben, unter diesen Umständen, war es besser, sich Zeit zu lassen.
„Du hast dich an meine Nummer erinnert!“, meinte er freudig.
„Ich habe an dich gedacht, zum Telefon gegriffen und einfach gewählt“, erklärte ich und sagte seine Handynummer auswendig auf. Zum gleichen Zeitpunkt kam auch Jack mit einem neuen Arzt herein. Ihnen erzählte Ian das eben Geschehene noch einmal. Jack und auch der andere Arzt waren sich einig, dass dies ein sehr gutes Zeichen war. Es bedeutete, dass alle Erinnerungen an mein Kim-Leben noch in meinem Kopf waren, sie waren dabei langsam wieder zurück zu kommen. Komischerweise gingen meine Erinnerungen als Mutter nicht weg, sie waren presenter denn je und mir kam es so vor als würde ich verrückt werden. Was als nächstes kam, waren wieder Untersuchungen, eine nach der anderen. Es wurde wirklich alles genutzt, was es gab, um meinen Kopf zu durchleuchten. Und zu Erleichterung aller, schlugen nun auch die Medikamente an. Wenn alles so weiter verlief, konnte ich in zwei Tagen nach Hause.
Nach Hause, in Ians und Kims Haus, aber da ich ja Kim war, war es auch mein Zuhause. Ian freute sich und bekam von dem Neurologen Tipps wie er mir am besten helfen konnte. Ich hörte überhaupt nicht zu, da ich meinen eigenen Gedanken nachging. Nur noch zwei Tage im Krankenhaus verbringen und dann konnte meine Suche nach Alice und Jammie endlich beginnen. Da ich nicht mehr von den beiden sprach, schien es so als hätten Jack und Ian vergessen, dass ich sie je erwähnt hatte. Aber Ian sollte mich noch sehr überraschen! Als wir wieder allein waren, sah er mich plötzlich sehr ernst an.
„Du erinnerst dich langsam wieder... aber was ist mit diesen anderen Erinnerungen von den Kindern, sind sie fort?“, wollte er schließlich wissen.
„Sie sind immer noch da und auch nicht weniger geworden“, antwortete ich ehrlich, aber auch voller Angst.
„Willst du sie suchen und herausfinden, ob es sie wirklich gibt?“, fragte er und sah mich sehr aufmerksam an.
„Ich habe die ganze Erinnerung eines anderen Lebens in meinem Kopf, es muss die beiden wirklich geben und sie müssen jetzt so um die 14 und 12 sein. Ian, ich muss sie finden, ich muss wissen, was aus ihnen geworden ist. Ich muss herausfinden ob ich verrückt bin, oder ob das, was ich weiß der Wahrheit entspricht“, antwortete ich immer noch ängstlich.
„Ich werde dir helfen! Aber eines musst du mir glauben, du bist wirklich Kim“, teilte er mir mit. Er hatte Recht und das wusste ich, doch irgendetwas war nicht so, wie es sein sollte.
„Danke“, war alles was ich sagen konnte.
Ian sah mir lange in die Augen, bis er mir erzählte warum er mir wirklich helfen wollte, Alice und Jammie zu suchen. Irgendetwas an dem was ich sagte und wie ich es sagte und wie ich dabei aussah, hatte ihn dazu bewegt mir zu glauben.
„Es ist zwar völlig unmöglich, aber ich habe so den Eindruck, dass mit dir etwas anders ist, du bist anders als vorher“, sagte Ian leise und zog meine Hand an seinen Mund.
„Ich habe Angst verrückt zu werden“, murmelte ich und ließ ihn nicht aus den Augen.
„In guten, wie in schlechten Zeiten!“, erinnerte er mich.
„Aber wir sind doch noch gar nicht verheiratet und was ist, wenn ich wirklich doch jemand anders bin und doch nicht Kim?“, platzte es aus mir heraus, ich war plötzlich so verwirrt und voller Angst. Wer war ich wirklich?
„Das ist mir vollkommen bewusst, wenn wir das hinter uns haben, dann werden wir es auch tun“, erklärte er und streichelte meine Hand.
„Mir fällt da ein großer Stein vom Herzen, aber das wirst du nicht tun müssen, du musst mich nicht heiraten“, sagte ich leise.
„Du hast dich wirklich verändert, du wirkst reifer, älter als du wirklich bist“, stellte er fest.
„Glaubst du das wirklich? Glaubst du wirklich, dass ich nicht verrückt werde?“, fragte ich erstaunt.
„Ja, das glaube ich. Als erstes fiel mir auf, dass deine Bewegungen anders waren, dann suchst du plötzlich eine körperliche Nähe zu mir. Dann dein Humor, er ist ganz anders als vor deinem Sturz, dein Lachen ist auch anders und du redest auch anders als Kim“, zählte er auf.
„Körperliche Nähe, was meinst du damit? Bin ich dir vorher aus dem Weg gegangen?“, wollte ich wissen. War Kims Leben doch nicht so perfekt, wie ich zuerst angenommen hatte.
„Du, ich meine Kim, wollte mit dem Sex warten, bis wir verheiratet sind. Irgendwann durfte ich auch diesen Körper nicht mehr berühren“, begann er zu erzählen und zum ersten Mal wurde mir bewusst, was für einen Schock Ian bekommen hatte, als ich von Alice und Jammie gesprochen hatte. Doch dann gab es für Ian kein Halten mehr, denn etwas hatte sich zwischen uns verändert, als ich ihn im Krankenhaus so hilflos angesehen hatte. Jede Berührung zwischen uns war komplett anders, als zu vor. Ian begann mir von der Beziehung zwischen Kim und ihm zu erzählen und dass sie sich schon ihr ganzes Leben kannten, da ihre Mütter die besten Freundinnen waren. Für Ian war daher schon früh klar, dass Kim ebenfalls seine beste Freundin war. Als aber dann Kim ins Teenageralter kam, sah er sie plötzlich mit ganz anderen Augen und als sie 16 war, verliebten sie sich endgültig in einander. Von da an waren sie ein Paar und vor einigen Monaten hatte er sie dann gefragt, ob sie ihn heiraten würde. Nachdem man so lange schon ein Paar war, fand es jeder an der Zeit, dass sie sich verlobten, jeder erwartete das von ihnen. Kim sagte Ja, wurde danach aber immer komischer und Ian gestand mir, dass er schon daran gedacht hatte die Verlobung wieder zu lösen und Kim eine Beziehungspause vorzuschlagen.
„Du warst also nicht glücklich mit ihr? Das wäre ich vermutlich auch nicht, vor allem wenn man so hingehalten wird“, meinte ich ernst.
„Ich muss es eingestehen, ich war alles andere als glücklich... jetzt bist du so krank, hast dich so schwer verletzt und du bist Kim und doch nicht... Ich lerne dich vollkommen neu kennen“, erklärte er ehrlich.
„Ian, was ich dir versprechen kann ist, dass ich immer ehrlich zu dir sein werde und dir nichts verheimlichen oder verschweigen werde“, versprach ich.
„Ich kann dir das gleiche versprechen!“, erwiderte er beruhigter.
„Hat sie ein Tagebuch geschrieben? Vielleicht hilft mir das, mich wieder an Kim zu erinnern“, fragte ich plötzlich, denn ich hatte irgendwie das Gefühl, dass Kim große Geheimnisse hatte.
„Ich weiß es nicht, aber ich kann heute Abend mal zu Hause auf die Suche gehen“, antwortete Ian nachdenklich.
„Du musst mich nicht heiraten, nur weil du Kim gefragt hast“, sagte ich ernst.
„Es ist, als würde ich mich neu in dich verlieben, dich neu kennenlernen“, antwortete er sehr leise.
„Ian, so geht es mir auch“, meinte ich verblüfft.
„Ich bin mir sicher, dass alles wieder gut wird“, sagte er überzeugt und lächelte mich an.
Dann bat ich ihn mir von sich zu erzählen, von seinen Wünschen und Träumen und wie er sich seine Zukunft vorstellen würde. Und Ian freute sich sehr, dass ich mich für ihn interessierte und all dies wissen wollte. Kim hatte nie Fragen gestellt, oder Interesse an seiner Arbeit gezeigt. Mit der Zeit bekam ich das Gefühl, dass Kim eine sehr oberflächliche Person gewesen war und es wohl kaum jemanden geben wird, den sie hinter ihre Fassade hatte blicken lassen. Ian war ein exzellenter Student gewesen, Jura war schon immer sein Traum gewesen, Anwalt zu werden, war für ihn eine Berufung. Doch er wollte noch mehr, zwar war er gerne Anwalt, aber er wollte irgendwann Richter werden. Ich war und bin mir sicher, dass er das auch erreichen wird. Aber vor allem wollte er eine richtige Familie haben und dass alle um ihn herum zufrieden und glücklich waren. Ian erzählte mit leuchtenden Augen von seinen Arbeitskollegen, Chefs und von besonderen Fällen, die ihn im Nachhinein sehr nachdenklich gemacht hatten.
Nach dem Dinner fragte Ian mich, was ich mir erhoffte zu finden. „Es muss einen Grund geben, warum ich hier bin und ich muss wissen, was genau vor zehn Jahren geschehen ist und was aus den Kindern geworden ist“, antwortete ich ehrlich.
„Vielleicht finden wir auch heraus, was aus Kim geworden ist“, meinte er und schaute dabei zum Fenster hinaus.
„Ihre Erinnerungen sind immer noch da, immer mehr davon tauchen in meinem Kopf auf und alles fügt sich zusammen wie ein Puzzle“, sagte ich leise.
„Und deine Erinnerungen, verschwinden sie?“, fragte er besorgt.
„Nein, bis jetzt sind sie noch immer da. Nur die Kopfschmerzen stören etwas, sie werden stärker, wenn ich mich an etwas von Kim erinnere, es ist fast so, als würde etwas das verhindern wollen!“, antwortete ich und rieb mir die Augen, langsam wurde ich müde.
„Das sollest du Jack erzählen“, meinte Ian ernst.
„Und wenn er erfährt, dass ich der Meinung bin, jemand anders zu sein, wird er mich für verrückt erklären“, sagte ich noch ernster.
„Dann sage ich es ihm, er braucht ja nicht zu wissen, dass du davon überzeugt bist, nicht Kim zu sein. Aber er sollte es wissen, dass du Kopfschmerzen hast, wenn du dich versuchst zu erinnern“, sagte er erst, stand auf und schon war ich allein. Am Ende bewirkte dies, dass ich wieder untersucht wurde. Doktor Jack wollte unbedingt wissen, warum meine Kopfschmerzen schlimmer wurden. Aber er fand nichts auffälliges, im Gegenteil, mein Kopf war wieder so wie er sein sollte, medizinisch gesehen. Die Nacht sollte ich trotzdem noch im Krankenhaus verbringen, aber am nächsten Tag, nach dem Frühstück, dürfe Ian mich mit nach Hause nehmen. Nach Hause mit Ian und dann würden wir mit der Suche nach Alice und Jammie beginnen. Nur noch eine Nacht, erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr mir die beiden fehlten. Niemand war da, für den ich mitten in der Nacht aufstehen musste; weil sie groß muss, weil im Kinderzimmer Monster lauern oder sich mal wieder zwei Bettdecken selbstständig von zwei kleinen Körpern weg bewegen. Außerdem fehlte auch dieses sichere und beruhigende Gefühl, wenn sich eine kleine Hand in meine schob. Oder eines der Kinder frisch gebadet, sich in einem Handtuch eingewickelt an mich drückte. Nein, ich wachte jeden Morgen ausgeschlafen auf und fühlte mich einsam – es fehlte ein Stück, es fehlten sogar zwei Stücke!
Ian war noch vor dem Frühstück im Krankenhaus, um mir zu sagen, dass er nicht nur ein Tagebuch gefunden hatte, sondern viel mehr. Sehr viel mehr! Auf dem Dachboden waren sogar zwei große Kartons gewesen, voll mit Tagebüchern. Von ihrem 13. Lebensjahr an, hatte Kim Tagebuch geführt. Aber sie würde ich noch aufheben, zuerst wollten Ian und ich herausfinden, ob es mich, so wie ich mich kannte, wirklich gab. Da Ian Anwalt war, würde er diese Kontakte bei unserer Suche nutzen, vor allem einen Privatdetektiv. Ein ehemaliger Polizist, der sich in solchen Fällen sehr gut auskannte. In meinem Fall, schrieb ich alle wichtigen Daten auf, ich stellte Ian sogar einen kompletten Lebenslauf auf. Begann mit meiner Geburt 1973 und wo ich zur Schule gegangen war und meiner Ausbildung im Buchladen meiner Eltern. Alles was ich wusste, schrieb ich auf, auch die Geburt von Alice 1998, meiner Prinzessin. Sie war ein richtiges Wunschkind, auch von ihrem Vater, zumindest am Anfang. Aber als es zu Komplikationen in der Schwangerschaft kam und sich herausstellte, dass unser Mädchen kaum Überlebenschancen haben würde, verließ er mich und meldete sich nicht mehr. Auch als sie per Notkaiserschnitt geholt werden musste und sieben Tage um ihr Leben kämpfte, war es ihm egal, er besuchte Alice kein einziges Mal! 2001 wurde dann Jammie geboren, mein damaliger Partner verließ mich, nachdem mich ein anderer Mann zum Sex gezwungen hatte. Lange Zeit wusste ich nicht, von wem mein Sohn war, aber ein Test stellte fest, dass er das Resultat der Vergewaltigung war. Ich konnte nie darüber sprechen, erst jetzt mit Ian ist mir das möglich. Wer hätte denn auch verstehen können, dass ich trotz allem meinen Sohn so sehr liebte? Niemand könnte es, weil nicht einmal ich es verstehen kann. Vielleicht lag es auch daran, dass ich lange nicht wusste, dass ich Schwanger war und dann der Umstand, dass Jammie ja auch von meinem Partner hätte sein können. Ich konnte zwar keinem Mann mehr vertrauen, aber dafür genoss ich mein Leben mit Alice und als sie hörte, dass sie ein Geschwisterchen bekommen würde, freute sie sich so sehr auf das Baby. Von Anfang an strahlte Jammie ruhe aus, mein Sohn war mit seiner Welt im reinen. Und auch sonst war er ein ruhiges Kind, der mir viel freude machte. Alice war da das Gegenteil von ihm, sehr lebhaft und aufgeweckt. Geschwister hatte ich keine und ich sollte daher eines Tages das Geschäft meiner Eltern übernehmen. Ein Buchladen und Bücher hatten daher schon immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt, ein sehr wichtiger Bestandteil meine Lebens, der jetzt wegfiel.
Alle Daten, Adressen und Namen waren mehr als nur Hilfreich, um mich zu finden. Ganz so einfach war es dann doch nicht, denn mein früherer Lebensmittelpunkt lag in Europe, in Süddeutschland und jetzt befand ich mich an der Ostküste Nordamerikas. Ein wenig schwand mir der Muth und die Hoffnung, aber Ian kam jetzt erst in Fahrt. Nachdem er meine Lebensgeschichte gehört hatte, wollte er wissen, ob das alles der Wahrheit entsprach.
„Unglaublich, was du alles weißt!“, meinte Ian verblüfft, als er meinen ganzen Aufschrieb sah.
„Für mich ist es Wirklichkeit gewesen und meine Erinnerung an dieses Leben endet am dritten Oktober 2003. Dann wache ich neben dir auf und erfahre, dass ich jemand ganz anderer sein soll und noch dazu soll es der 28. März 2013 sein“, erklärte ich ihm ernst.
„Kein Wunder, dass du Angst hast verrückt zu werden“, sagte er schließlich.
„Und wenn, das was ich weiß, nicht der Wahrheit entspricht, dann bin ich wirklich verrückt“, erklärte ich und war mir ganz sicher, dass Ian mich zu Jack brachte und der dann die besten Ärzte zu rate ziehen würde.
„Wir werden Jack um Hilfe bitten, wenn wir uns ganz sicher sind,, dass es Alice und Jammie nicht gibt“, teilte er mir mit. Es tat gut so etwas zu hören, zu hören, dass er mir glaubte.
„Du glaubst mir?“, fragte ich deshalb erstaunt.
„Alles was du mir erzählst, ist sehr überzeugend und ich sehe, dass du anders bist, als die Kim, die ich kenne“, erklärte er.
„Vermisst du die alte Kim?“, wollte ich plötzlich wissen.
„Ich weiß es nicht, im Moment nicht, weil ich mehr über dich erfahren möchte. Irgendwie ist sie auch hier und doch nicht“, antwortete er ehrlich.
„Vielleicht kommt sie ja zurück“, meinte ich leise.
„Wir werden sehen, was als nächstes geschieht“, sagte er und ich merkte wie wohl überlegt seine Worte waren.
Gegen Mittag kündigte sich Besuch an, doch den würde ich allein bewirten und beschäftigen. Während Ian sich mit dem Privatdedektiv traf, um heraus zu finden, was dieser mit meinen Informationen anfangen konnte. Zwar bestand mein Besuch nur aus meinen Eltern, aber nervös war ich trotzdem. Großartig darüber nach zu denken, wo sich was im Haus befand, musste ich nicht. Vor allem wurde mir das in der großen Küche bewusst, als ich anfing einen Kuchen zu backen. Ian war noch nicht fort, sah mir aber dabei grinsend zu, während er frühstückte.
„Warum lachst du?“, wollte ich neugierig wissen.
„Du hast noch nie gerne gekocht oder gebacken“, antwortete er immer noch grinsend.
„Wirklich?“, murmelte ich erstaunt, da ich gerne in der Küche stand und Malzeiten zubereitete.
„Deinen Eltern muss es heute ebenfalls auffallen, dass du anders bist“, erklärte er und ich war ihm so dankbar, dass er mich nicht mehr ‚Kim‘ nannte. Nur bei meinem richtigen Namen, wollte er mich noch nicht nennen.
„Aber ich werde ihnen nicht von Alice und Jammie erzählen, ich glaube, das würden sie nicht verstehen“, sagte ich.
„Wirst du dann so tun, als seist du Kim?“, fragte er und das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden.
„Ich glaube, dass ich das gar nicht kann, mich verstellen wie eine Schauspielerin“, antwortete ich und schnitt den Bisquitboden durch um dann Buttercreme dazwischen zu streichen und den Kuchen wieder zusammen zu setzten.
„Was machst du da?“, fragte er neugierig.
„Buttercremetorte, der Lieblingskuchen von Alice und Jammie“, irgendwie wurde ich plötzlich sehr traurig und war froh mit der Torte beschäftigt zu sein.
„Heute Abend weiß ich etwas mehr, wenn es die beiden gibt, werde ich alles tun, um sie zu finden“, erklärte er und wischte mir eine Träne von der Wange.
„Ich werde dir ein Stück von der Torte aufheben“, sagte ich und betrachtete die fertig Torte, um sie dann im Kühlschrank zu verstauen.
„Das hoffe ich doch“, meinte er grinsend, dann verabschiedete er sich von mir und ich war allein. Allein in einem viel zu großen Haus, wo mir einmal mehr bewusst wurde, wie still es war, so ganz ohne Kinderlachen. Es war niemand da, der kreischend durch die Gegend rannte, niemand, der ein Sofa in ein Pferd umfunktionierte, gegen unsichtbare Drachen kämpfte mit einem selbstgebastelten Papierschwert. Auch war niemand da, der einfach nur wissen wollte, wie man im Spiegel aussah, wenn auf diesem dick Creme verteilt war. Diese Stille war mehr als ich ertragen konnte, so dass ich einfach den TV anstellte und durch die Programme zu zappen begann. Jetzt wo Ian nicht da war, machte mir die Stille um mich herum klar, wie einsam ich mich fühlte. Das Fernsehen hatte sich in den letzten zehn Jahren erheblich verändert; meine Lieblingsserien konnte ich also nicht sehen, aber es gab genügend neue. Ungefähr zwei Stunden verbrachte ich so, auf einem viel zu großen Sofa mit einer Fernbedienung in meiner Hand. Der Kaffee kochte sich von selbst, die Torte musste nur ordentlich kühlen und der Esstisch war bereits dekoriert, alles war bereits fertig, fehlten nur noch Kims Eltern.
Als dann meine, ‚Kims‘ Eltern kamen, war ich nicht nervös, sondern dankbar, dass diese Stille endlich mit Gesprächen vertrieben wurde. Ich begrüßte Margaret und Arthur herzlich, weil ich mich wirklich über ihren Besuch freute. Aber als den beiden mitteilte, dass ich eine Torte gemacht hatte und sie zum Esstisch brachte, sahen mich beide mit einem sehr komischen Blick an.
„Diese Torte ist ja Himmlisch“, meinte Margaret lächelnd.
„Ich kann kaum glauben, dass sie von dir stammt“, sagte Arthur ehrlich.
„Du hast dich sehr verändert“, sagte Margaret, wobei es so schien, als würde ihr Blick etwas anderes sagen. So als würde sie mich fragen, wer ich wirklich war. Ich war Kim, körperlich betrachtet, aber geistig war ich eben eine ganz andere Person. Ein Geist! Dass ich darauf nicht schon früher gekommen war, aber das würde bedeuten, dass mein Körper vor zehn Jahren getötet worden war. Durch Kims Sturz muss ich irgendwie in ihren Körper gelangt sein. Und Alice und Jammie... waren sie noch am Leben oder waren sie auch tot? Ich hoffte, dass Ian keine schlechten Nachrichten für mich hatte.
„Kleines, geht es dir gut?“, hörte ich Margarets Stimme fragen.
„Nur eine Erinnerung“, antwortete ich leise und versuchte mich schnell zu beruhigen.
„Hast du wieder Kopfschmerzen?“, fragte Arthur besorgt, also hatte Jack ihnen erzählt, was die Wiederkehrende Erinnerung von Kim in meinem Kopf auslöste. Ich nickte nur, denn im Moment war ich nicht dazu in der Lage, etwas zu sagen, zu geschockt war ich.
„Hast du deine Medikamente immer noch im Bad?“, wollte Margaret wissen und nach dem ich nickte ging sie los um mir meine Schmerztabletten zu holen. Arthur brachte mich zum Sofa im Wohnzimmer, wo ich mich hinlegen sollte. Wenig später kam Margaret mit einem Glas Wasser und den Tabletten und strich mir liebevoll meine Haare von der schweißnassen Stirn.
„Und an was hast du dich erinnert?“, wollte Arthur wissen.
„Ich weiß es nicht genau“, stotterte ich und schloss die Augen.
„Soll ich Ian anrufen?“, fragte Margaret besorgt.
„Das musst du nicht, er kommt sowieso in einer Stunde nach Hause“, antwortete ich.
„Oder soll Jack herkommen?“, fragte Arthur.
„Der muss doch im Krankenhaus arbeiten, mir geht es gut“, versicherte ich, verzerrte aber mein Gesicht dabei, weil mein Kopf drohte zu zerspringen.
„Ich bin mir sicher, dass die Schmerzen bald weg gehen“, meinte Arthur. Aber ich konnte nur an eines denken, dass ich aller Wahrscheinlichkeit ein Geist war, die letzten zehn Jahre zumindest. Aber warum konnte ich mich gar nicht an meinen Tod oder ein Geisterleben erinnern? Aber es gab keine andere Erklärung dafür, ich musste ein Geist sein, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Mein Schock saß sehr tief, wenn es das nicht war, dann würde ich wirklich verrückt werden. Die Kinder, was war nur aus den beiden geworden? Waren sie in Sicherheit, ging es ihnen gut?
„Mach dir keine Sorgen, laut Jack ist das alles normal, du hattest eine sehr schwere Gehirnerschütterung und deine Platzwunde wurde mit vielen Stichen genäht“, erklärte Margaret.
„Mum, das weiß ich“, rutschte es mir heraus, aber sie war ja auch meine Mutter, körperlich gesehen. Margarets Gesicht veränderte sich sofort, von sehr besorgt zu unglaublich gerührt. Ein unglaublich erleichterter Blick traf mich Mitten ins Herz, sie hatten beide damit gerechnet, dass von Kim nichts mehr hier wäre, fort für immer. Im Moment hatte ich jedenfalls vollen Zugang zu Kims Erinnerungen. Plötzlich tauchten Fragmente des Sturzes auf. Zuerst unklar, aber sie wurden langsam immer deutlicher.
„Es wird alles wieder gut“, murmelte Margaret und tätschelte meine Hand. Ich wollte ihr wirklich glauben, aber irgendetwas in mir sagte mir, dass dies noch sehr lange dauern würde. Die nächsten Stunden waren wundervoll harmonisch und meine Eltern erzählten mir von all den Verwandten die mir Genesungswünsche ausrichten ließen. Und dann kam endlich Ian und sein Begrüßungskuss war wie immer auf meiner Stirn. Ein Blick von ihm in mein erschöpftes Gesicht genügte, um seine Sorge wieder zurück zu bringen.
„Ist alles OK?“, wollte Ian besorgt wissen.
„Kopfschmerzen“, antwortete Margaret knapp.
„Hast du dich an etwas erinnert?“, fragte Ian sofort und gleich sechs Augen waren aufmerksam auf mich gerichtet.
„Von dem Sturz“, antwortete ich langsam.
„Deinem Unfall?“, fragte Ian verblüfft.
„Es war kein Unfall!“, antwortete ich mit bleichem und ängstlichem Gesicht.
„Bist du sicher?“, wollte Arthur wissen.
„Ich wurde gestoßen, ich weiß nur noch nicht warum“, antwortete ich ehrlich.
„Unglaublich!“, murmelte Ian, während meine Eltern mich geschockt ansahen. Und ich wusste sofort, dass Arthur gleich sagen würde, dass man die Polizei informieren müsse. Er enttäuschte mich nicht und ich teilte ihm mit, dass ich erst 100 % sicher sein wollte. Ich musste einfach wissen, was genau geschehen war und wer versucht hatte Kim umzubringen. Dann wurde beschlossen, dass ich früh zu Bett gehen sollte und Ian würde zu mir kommen, sobald meine Eltern gegangen waren.
Ich lag zwar im Bett, einem Bett das, wie fast alles in diesem Haus, viel zu groß für nur zwei Personen war, konnte aber überhaupt nicht einschlafen. Immer wieder durch lebte ich den Sturz aufs Neue. Aber ich konnte einfach nicht feststellen, wem die Hände gehörten, die mich die Treppe hinunter gestoßen hatten.
„Die Torte ist wirklich unglaublich“, sagte Ian, als meine Eltern fort waren und er mich besuchte.
„Das freut mich sehr“, erwiderte ich lachend.
„Margaret hat mir erzählt, dass du sie Mum genannt hast“, teilte er mir mit.
„Das ist sie ja auch irgendwie, körperlich betrachtet“, sagte ich, sah aber die Sorge in seinen Augen.
„An was hast du dich noch erinnert?“, fragte er, so als wusste oder ahnte er, dass da noch mehr war.
„Es ist mehr eine Erkenntnis, ausgelöst durch den Sturz“, versuchte ich zu erklären.
„Dann erzähl es mir einfach“, bat Ian mich sanft.
„Als Kim stürzte, muss mein Geist irgendwie in ihren Körper gefahren sein“, erzählte ich mit zitternder Stimme.
„Das ergäbe einen Sinn, aber wie kommt dein Geist von Europa nach Nordamerika?“, fragte Ian nachdenklich, er wusste bereits irgendetwas, das konnte ich ihm ansehen.
„Der Dedektiv wird bestimmt einiges herausfinden, ich kann mich nur an bestimmte Momente noch nicht erinnern“, antwortete ich ernst.
„Ich weiß bereits, dass du gestorben bist... und ich möchte nicht, dass du wieder verschwindest... ich mag die andere Kim sehr und deine Eltern ebenfalls“, erklärte er mir.
„Oh“, war alles was ich heraus brachte, er wusste es also, dass ich ein Geist war, dass ich im Grunde nicht hier sein sollte. Er hatte Angst, dass ich wieder gehen würde, er wollte dass ich blieb!
„Soll ich auf dem Sofa schlafen?“, wollte er wissen. Natürlich wollte er das wissen, obwohl ich ihm zutrauen würde, dass er von sich aus auf dem Sofa, diesem viel zu großen Ding, übernachten würde.
„Würdest du bei mir bleiben?“, fragte ich schüchtern und erzählte ihm von den Momenten, wenn die Erinnerung mich einholte, die mir unendliche Angst machte.
„Ich weiß nur dass du vor zehn Jahren gestorben bist, aber wie, weiß ich noch nicht. Und dann wäre da noch jemand der versucht hat Kim umzubringen“, meinte Ian leise.
„Wenn heraus kommt, dass ich mich wieder erinnern kann, wird es vielleicht nochmal versucht“, murmelte ich nachdenklich.
„Wir müssen vorsichtig sein, ich muss ein paar Telefonate machen, zuerst mit deinem Vater und danach mit meinem Vater, er wird wissen was zu tun ist“, sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn und ließ mich allein zurück. Aber Ian hatte vollkommen Recht, ich musste mich jemandem anvertrauen und sein Vater war da die richtige Adresse. Ians Vater war einer der besten Profiler beim FBI und laut Kims Erinnerung, einer der liebenswürdigsten Menschen, denen sie je begegnet war. Ian hatte wirklich Recht, wir mussten wirklich etwas unternehmen. Wenn es ein versuchter Mord war, dann würde es wieder versucht werden!
Es war beruhigend und schön, neben Ian ein zu schlafen und in seinen Armen auf zu wachen. Vorher hatten wir uns lange Unterhalten und zum Schluss brachte er mich sogar zum Lachen.
Nach dem Frühstück wollte ich unbedingt einen Spaziergang machen und mir überlegen, was ich zum Mittagessen kochen könnte. Hähnchen wäre lecker, dazu Gemüse und Reis und als Nachtisch einen Schokoladenpudding. Ian wünschte sich diese leckere Buttercremetorte und natürlich erfülle ich ihm diesen Wunsch gerne. So vieles hatte sich verändert, in den letzten vier Tagen, war mein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt worden und selbst das von Kim. Nichts würde mehr so sein wie früher, alles war anders geworden. Mir fehlten zehn Jahre meines Lebens und das der Kinder erst! Sie mussten jetzt 12 und 14 sein! Oh, ich hatte so viel verpasst – der erste Kindergarten Tag von Jammie und dann die Einschulung von Alice und später die von Jammie und so vieles mehr. Das schlimmste war, ich konnte mir genau vorstellen was ich alles verpasst hatte.
„Warum bist du so traurig?“, fragte Ian mich plötzlich.
„Ich habe nur nachgedacht“, murmelte ich und konzentrierte mich wieder auf die Torte.
„Über was, den Sturz oder wie dein erstes Leben endete?“, wollte er wissen.
„Weder noch, über die Kinder, ich habe an sie gedacht und was ich alles verpasst habe“, antwortete ich leise, traute mich aber nicht, ihn dabei an zu sehen.
„Ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, um heraus zu finden, was vor zehn Jahren mit der geschehen ist“, sagte er aufrichtig.
„Oh Ian!“, stammelte ich, so gerührt war ich.
„Ich möchte, dass du glücklich bist und im Moment bist du das überhaupt nicht“, stellte er ernst fest.
„Ich bin vor zehn Jahren gestorben und vor ein paar Tagen hat jemand versucht Kim zu töten“, sagte ich und mir war vollkommen klar, dass ich in den letzten Tagen kaum gelacht hatte.
Gegen Mittag wurde es dann doch lustiger, als Ians Vater zum Essen kam. Sein Humor war erfrischend und lenkte mich von all meinen dunklen Gedanken ab. Allerdings musste es nach dem Essen ernster werden, als wir über den Unfall sprachen. Ein Unfall der keiner war und Kim, also mir, fast das Leben gekostet hätte. Michael würde alles was ich ihm erzählte, vertraulich behandeln. Sein Team hatte gerade nichts zu tun und würde sich als erstes meinen Arbeitgeber genauer ansehen. Aber er würde auch einen Vertrauten bei der Polizei einweihen müssen. Das machte mir Angst, denn wer immer es war, würde es wieder versuchen, sobald klar wurde, dass ich mich wieder erinnern konnte. Aber Michael würde versuchen, dies so lange wie möglich zu verschweigen, aus Sicherheitsgründen. Kim, also ich, wird Personenschutz bekommen, sobald es notwendig werden würde. Michael versuchte mir meine Angst zu nehmen, aber es gelang ihm nur zum Teil. Denn die Bilder von dem Unfall wurden immer deutlicher, als ich dabei war die Torte zu zuschneiden. Mir wurde schlagartig klar, auf was ich nicht geachtet hatte.
„Ist alles OK?“, fragte Ian besorgt. Er und sein Vater kamen dicht neben mich und Ian nahm mir das Kuchenmesser sogar ab.
„Ich habe es übersehen... wie konnte ich es denn nur übersehen“, murmelte ich und ließ mich zu einem Stuhl führen.
„Was hast du übersehen?“, wollte Michael wissen.
„Ich habe es übersehen, weil alles so verschwommen war, da ist eine Glasfront, in der Spiegelung konnte ich eine Perons erkennen“, antwortete ich und dann erzählte ich ihnen von dem was ich in der Spiegelung sehen konnte. Eine männliche Gestalt, bestimmt zwei Meter groß, der an einer Hand einen Siegelring trug!
„Das ist es also, ein Siegelring, Jack und ich haben uns schon gewundert, aber das erklärt einiges“, meinte Ian geschockt und zog mich wieder auf die Füße. An seinen Vater gewandt sagte er, dass sich ein Abdruck des Siegelrings in meinem Kreuz befand. Michael zog mein T-Shirt hoch und schaute es sich genauer an, dann machte er davon ein Photo. Ian meinte, dass Jack dies auch im Krankenhaus hatte photographieren lassen.
„Man kann es noch schwach erkennen“, meinte Michael ernst.
„Das wird kein Problem sein, an diese Photos zu kommen, ihr zwei braucht euch nicht zu sorgen, ich werde diesen Täter finden“, erklärte Michael.
Ich war wieder sehr müde, woraufhin Ian mich ins Bett trug, mir eine Tablette gab und meine schmerzende Stirn küsste. Dann ließ er mich allein, vermutlich um die Torte in den Kühlschrank zu stellen und sich um seinen Vater zu unterhalten. Ich war auf einmal so schläfrig, müde und erschöpft. Mir war alles egal, ich wollte einfach nur schlafen. Irgendwo hatte ich diesen Ring schon einmal gesehen, aber mir wollte nicht einfallen wo ich ihn schon gesehen hatte. Vielleicht war er ja ein Angestellter in dem Büro, in dem Kim gearbeitet hatte. Dann wurde alles dunkel, denn ich schlief ein.
Telefonklingeln weckte mich eine Stunde später, aber ich war immer noch zu erschöpft, um auf zu stehen. Daher blieb ich einfach liegen, wenn es etwas Wichtiges war würde es mir sicher bald Ian erzählen. Und eine gefühlte Ewigkeit später erschien er im Schlafzimmer und setzte sich mit sehr bleichem Gesicht an meine Bettseite.
„Ich hatte einen Anruf, aus Deutschland!“, begann Ian zu erzählen.
„Und was hat der Dedektiv herausgefunden?“, wollte ich sofort wissen und richtete mich im Bett auf.
„Du wurdest in der Nacht vom dritten auf den vierten Oktober 2003 von einem Unbekannten ermordet. Alice und Jammie leben seit dem bei deinen Eltern“, antwortete er sehr langsam, bei diesem Worten griff ich nach seiner Hand. Ich war tot und es gab für mich kein zurück, wenn ich Kims Körper verlassen werde, würde es mich nicht mehr geben.
„Ian, gibt es noch mehr was ich wissen sollte?“, wollte ich mit zitternder Stimme wissen.
„Kim und du, ihr seht aus wie Zwillinge, sie sieht aus wie du und du wie sie“, erst da bemerkte ich die Blätter, die Ian in der anderen Hand hielt. Ohne weiter etwas zu erklären, reichte er sie mir.
„Warum diese Ähnlichkeit?“, fragte ich leise.
„Das kann ich auch nicht verstehen, vielleicht sollten wir mal mit deinen Eltern darüber sprechen“, schlug Ian vor.
„Alice hat mich gefunden“, dabei brach meine Stimme und ich konnte meine Tränen nicht mehr zurück halten. Ian zog mich in seine Arme und drückte mich fest an sich. Mord, damit hatte ich nicht gerechnet, wirklich nicht. Jetzt war ich hier, nach dem ein Mann versucht hatte Kim umzubringen.
„Vielleicht sollten wir das deinem Vater erzählen“, schlug ich vor, als ich wieder meine Stimme gefunden hatte.
„Ich weiß nicht ob mein Vater das verstehen könnte. Er wird dich für verrückt halten, weil du in Kims Körper steckst, obwohl du vor zehn Jahren ermordet wurdest“, sagte Ian voller Leidenschaft.
„Das, müssen wir ihm ja nicht sagen“, teilte ich mit.
„Aber wie willst du ihm das sonst erklären?“, fragte er.
„Zwischen Alex und Kim muss es eine Verbindung geben, wir sehen wie eineiige Zwillinge aus! Ich wurde ermordet und bei Kim hat es jemand versucht“, antwortete ich ernst.
„Ich werde anrufen und ihm das sagen, zumindest das, was er wissen muss“, willigte er zerknirscht ein.
„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass alles damit zusammen hängt“, murmelte ich.
Ian und ich waren sehr erstaunt, als wir wenig später mit Michael telefonierten. Michael meinte nur, dass dies einiges erklären würde. Auch er hatte bemerkt, dass ich eine gänzlich andere Person war. Außerdem bedankte er sich für die Hinweise auf Alex, wenn es einen Zusammenhang zwischen uns beiden gab, dann würde Michael sie herausfinden. Ich sah Ian an, dass er Angst hatte, Angst irgendeinen von uns zu verlieren. Aber ich würde dafür sorgen, dass eine von uns bei ihm blieb. Michael riet mir, auf andere Gedanken zu kommen. Irgendetwas Neues erleben, etwas was weder Kim noch Alex je getan haben. Ian fing daraufhin an zu lachen und hörte erst auf, als sein Vater das Telefon aufgelegt hatte.
„Was ist so witzig?“, wollte ich wissen.
„Ich bin ziemlich überrascht, weil mein Vater dir glaubt und nicht nur das, er glaubt, dass du sowohl Alex als auch Kim bist“, meinte Ian grinsend.
„Ich hatte solche Angst verrückt zu sein“, erklärte ich erleichtert.
„Du bist nicht verrückt“, sagte Ian leidenschaftlich.
„Das weiß ich jetzt, aber ich bin ein Geist in dem Körper einer Fremden“, sagte ich trocken und Ian hörte auf zu lachen und sah mich mit einem sehr sanften Blick an.
Am Abend gingen wir zum ersten Mal mit Freunden zum Bowling. So etwas hatten weder Kim, noch ich, je getan und Ian war mehr als nur glücklich. Der Abend war auch sehr lustig und lenkte mich vor allem ab. Außerdem kamen Ian und ich uns viel näher, was besonders schön war. Vor allem unser erster Kuss, war etwas ganz besonderes. Es war als würde ein Feuerwerk in meinem Bauch explodieren und ein Feuer in meinem Körper entfacht werden.
Am Ostermontag, dem ersten April, war das Wetter mehr Winter, als Frühling. Zu Mittag waren wir bei meinen Eltern, Kim’s Eltern, eingeladen. Es war noch sehr früh am Morgen und Ian lag neben mir. Selig grinste er im schlaf vor sich hin, verliebt sein war ja so was von schön!
Erst versuchte ich wieder ein zu schlafen, aber es ging, einfach nicht. Also machte ich Licht und sah in dem kleinen Schränkchen neben meiner Bettseite nach, ob es etwas zu lesen gab. Aber wie ich feststellen musste, hielt Kim nicht viel von Büchern und so nahm ich nach langem überlegen ihr Tagebuch zur Hand und begann zu lesen. Sofort merkte ich, dass Kim sehr unregelmäßig eingetragen hatte. Sie war eine sehr unglückliche Person gewesen, die ihr Leben so wie es war vollkommen hasste. Kim wollte nicht mit Ian zusammen bleiben, denn sie zog es zu einem ganz anderen Mann hin. Durch das was ich da so alles las, wurde mir Kim immer unsympatischer und ich bereute bereits, dieses Tagebuch überhaupt angefasst zu haben. Aber wenn es das wenigstens nur gewesen wäre, sie hatte auch eine sehr große Wut auf ihre Eltern, da diese ein unglaubliches Geheimnis vor ihr verbargen.
„Oh mein Gott!“, entfuhr es mir plötzlich und damit weckte ich schließlich auch Ian.
„Was ist los?“, fragte er besorgt und kam sofort näher.
„Ich hätte das nicht aufmachen sollen“, gestand ich ihm und zeigte auf Kim’s Tagebuch in meinem Schoß.
„Warum das denn? Was steht denn schlimmes darin?“, wollte er wissen.
„Kim war vollkommen unzufrieden mit ihrem Leben und hatte auch eine sehr große Wut auf ihre Eltern“, begann ich vorsichtig und fragte mich gleichzeitig, ob ich ihm sagen sollte, dass sie im Grunde ihres Herzens nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte.
„Wirklich?“, murmelte Ian erstaunt. Das gab mir den Hinweis, das er überhaupt keine Ahnung hatte, wie es in Kim wirklich aussah.
„Sie hat euch wohl nie wirklich gezeigt, was sie fühlte“, stellte ich fest und fuhr dann fort, „Arthur und Margaret hatten ein großes Geheimnis vor ihr!“
„Hat sie es heraus gefunden bevor ihre Eltern ihr etwas erzählen konnten?“, fragte Ian mich vorsichtig.
„Ich denke schon, sonst wäre sie nicht so extrem wütend auf die beiden. Wusstest du, das Arthur nicht ihr biologischer Vater war? Weder von Kim, noch von Jack oder Mary!“, begann ich zu erklären.
„Oh!“, entfuhr es Ian.
„Sie wurden in einem Reagenzglas gezeugt in einer Klinik, 1972 war Jack der erste von ihnen der die Schwangerschaft überstand und ausgetragen werden konnte, 78 dann Mary und Kim war 1988 die letzte“, sagte ich leise.
„Könnte das eure Verbindung zu einander erklären?“, meinte Ian sofort.
„Dann müssten meine Eltern hier in Amerika in der gleichen Klinik gewesen sein, ich bin allerdings 1973 geboren“, murmelte ich nachdenklich.
„Steht noch da mehr über das was sie heraus gefunden hat?“, wollte Ian wissen.
„Ich bin noch nicht ganz durch mit dem Buch, aber Hauptsächlich war sie sehr wütend und enttäuscht von ihren Eltern“, antwortete ich, besser Ian erfuhr nicht, dass Kim sich trennen wollte.
„Du musst unbedingt mit Arthur und Margaret reden, das muss einen Grund haben, warum du Kim so unglaublich ähnlich siehst“, teilte mir Ian mit.
„Kim hat das Verständnis gefehlt, denn ihre Eltern haben sehr viel auf sich genommen um ihre Kinder zu bekommen, denn wenn man unbedingt Kinder möchte, ist man bereit alles dafür zu tun“, sagte ich sanft.
„Du bist wirklich vollkommen anders als Kim“, stellte Ian einmal mehr fest.
„Ich weiß, das habe ich auch bemerkt, obwohl wir irgendwie miteinander verwandt sein müssen. Wenn ich nicht das leibliche Kind meiner Eltern bin, dann muss Margaret meine biologische Mutter sein“, murmelte ich vor mich hin, meine Gedanken waren wieder einige Schritte weiter.
„Gib mir doch bitte das Tagebuch, ich werde gleich meinen Vater anrufen und es ihm bringen lassen“, bat er mich. Nicht nur ich war schon einige Schritte weiter, auch Ian.
„Nur unter einer Bedingung, dass du dieses Ding nicht liest! Unter gar keinen Umständen!“, sagte ich traurig, da ich wusste, dass er es so oder so lesen würde nach dieser Bitte.
„Warum?“, wollte er sofort wissen und sah mich dabei sehr herausfordernd an.
„Weil es dich sehr verletzten könnte“, gestand ich, denn ich wollte nicht, das es ihn verletzte, ich wollte nicht, dass er traurig werden würde.
„Was hat sie geschrieben?“, forderte er sofort, dabei betonte er jedes einzelne Wort.
„Du musst verstehen, Kim war sehr wütend, auf Gott und die Welt, auf jeden so zu sagen, sie war sehr unglücklich und sie hasste ihr Leben so wie es war. Sie wollte ausbrechen, alles verändern... sie wollte zu einem anderen Mann!“, antwortete ich mit Tränen in den Augen, besser er erfuhr es mit meinen Worten, als es in ihren zu lesen.
Ian sagte lange nichts, sah mich auch nicht an und ich konnte nicht nur sehen sondern auch spüren wie etwas in ihm zerbrach. Meine Hand lies er die ganze Zeit über nicht los, während ich lautlos weinte.
Als er endlich, mit heiserer Stimme wieder zu sprechen begann, überraschte er mich sehr, mit dem was er mir zu sagen hatte. „Ich möchte, dass du bleibst, wenn es möglich ist meine ich, ich will dich nicht auch noch verlieren!“ Mir verschlug dies die Sprache, denn ich hatte doch gar kein Recht hier zu bleiben, in Kim’s Körper, in ihrem Leben. Dies alles gehörte doch ihr und irgendwann musste ich doch wieder gehen, ich gehörte doch überhaupt nicht hier her! Nur gab es da eines, was mir ein ziemliches Problem bereitete, denn ich wusste ja nicht einmal, wie ich Kim’s Körper überhaupt wieder verlassen konnte. „Ich kann dir nur eines versprechen, dass ich solange bleiben werde, wie ich kann“, sagte ich so sanft wie nur möglich.
„Ist Kim noch da? Ist sie noch immer in diesem Körper?“, fragte er schließlich, nachdem er mir lange in die Augen geblickt hatte.
„Ihre Erinnerungen sind alle noch da, doch sie beginnen zu verblassen und meine scheinen immer deutlicher zu werden. Aber wenn du damit ihre Anwesenheit meinst, ich fühle nichts mehr was in diese Richtung geht“, versuchte ich im zu erklären.
„Heißt das, dass vorher etwas da war?“, wollte er wissen.
„Es ist so schwer das zu beschreiben, damit du es verstehen kannst, am Anfang hatte ich das Gefühl, dass sie bei mir war, nicht mit mir zusammen in diesem Körper, es war eher so, als würde sie neben mir stehen“, versuchte ich verständlich zu erklären. Aber bedeutete das jetzt nun, dass Kim fort war? Wo war sie in diesem Moment? Warum war ich in ihrem Körper? So viele Fragen, die immer noch nicht geklärt werden konnten.
„Das könnte bedeuten, dass sie fort ist“, meinte Ian und irgendwie sah er dabei einbischen erleichtert aus, oder täuschte ich mich da?
„Vermutlich, aber ich bin mir nicht so sicher, ob sie für immer gegangen ist, vielleicht ist ihr überhaupt nicht bewusst, dass sie nicht mehr in ihrem Körper ist“, sagte ich leise, was aber Ian nicht davon abhielt, mich an sich zu ziehen. Als er mich küsste, war es wieder wie am Abend zu vor. Wieder explodierte es in meiner Brust und wieder bereitete sich ein Feuer in mir aus, das immer gieriger wurde. Ich wollte sofort mehr, als nur diese himmlischen Küsse, ich wollte viel mehr! Ich wollte von ihm berührt werden, überall, wollte dass er mir mein Nachthemd und mein Höschen auszog, ich wollte das er mich jetzt sofort nahm! Ich wollte nichts mehr, als ihn in mir zu sprüren und dies war etwas was ich noch nie je zu vor empfunden hatte, diese unglaubliche Gier nach mehr, war vollkommen neu für mich. Doch dieser gewaltige Wunsch würde an diesem Tag noch nicht in Erfüllung geraten. Ian war einfach viel zu anständig eine solche Situation aus zu nutzen. Er war einer der wenigen Männer, die sich gern Zeit liesen. Für ihn waren unsere Küsse und Berührungen etwas so köstliches und kostbares, dass er genießen und auskosten wollte. Ich habe noch nie so etwas bei einem Mann empfunden, dieser Durst nach mehr, dieses Feuer in meinem Inneren. Da wusste ich, dass ich nicht bloß verliebt war, es musste mehr sein, viel mehr. So etwas gab es sehr selten, dass alles in einander passte und Küsse und Berührungen allein schon wunderschön und himmlisch waren.
Gegen 13 Uhr trafen wir dann bei Arthur und Margaret ein, mit dabei meine Buttercremetorte und Kim’s Tagebuch. Und bei einem war ich mir sehr sicher, ich wollte hier nie mehr wieder weg, nicht von Ian und auch nicht von Kim’s Familie. Ich hatte alle in meine Herz geschlossen, ich wollte diesen Frieden, die Ruhe und Liebe die ich hier empfand und empfing nicht stören, aber genau das würde ich nun einmal tun müssen, dank diesem blöden Tagebuch. Aber ich benötigte Antworten auf meine vielen Fragen. Von seinem Vater Michael hatte er heute morgen erfahren, dass ich vor 10 Jahren ebenfalls eine Treppe hinunter gestoßen worden war, mein Mörder hatte versucht so eine Kopfwunde zu vertuschen und gehofft, dass es wie ein Unfall aussehen würde. Unglaublich, wie viel Parallelen es zwischen Alex und Kim gab! So war sogar ein Team des FBY nach Deutschland gereist und hatte sich mit meinen Eltern unterhalten und hatten so noch mehr Parallelen herausgefunden. Ian hatte vollkommen richtig gelegen, dass die Klinik in Amerika die Verbindung zwischen uns war. Meine Eltern waren in genau der gleichen Klinik gewesen, wie Kim’s Eltern. Dort war meiner Mutter eine befruchtete Eizelle eingesetzt worden und neun Monate später kam ich gesund in Deutschland zur Welt. Besonders komisch war, dass meine Mutter von Deutschland aus ausgewählt worden war und nach Amerika mit meinem Vater zusammen eingeladen worden war. Die beiden mussten nur für ihren Flug und ihr Hotel aufkommen, die ganze Hormonbehandlung und das Einsetzen übernahm die Klinik. Es war angeblich eine der neusten Methoden und war anscheinend noch in der Probephase, weshalb meinen Eltern keine Kosten entstanden seien. Ian’s Vater Michael ging davon aus, das vermutlich alle Fäden in dieser Fruchtbarkeitsklinik zusammen liefen. Ich konnte Ian ansehen, dass er das gleiche dachte wie sein Vater, sich aber in dessen Gegenwart mit seinen Vermutungen sehr zurück hielt. Michael wusste anscheinend schon über Kim und ihre Geschwister bescheid, natürlich, nach dem was meine Eltern in Deutschland den FBY Agenten erzählt hatten, mussten sie Margaret und Arthur gleich befragt haben. Am besten war es wohl, Margaret erst einmal unter vier Augen allein zu sprechen, da Michael deutlich gemacht hatte, dass er Ian und mich nicht über alles informieren konnte. Deshalb folgte ich Margaret nach dem Essen auf die Terrasse, da die Herren sich alle zum Zigarre rauchen in die Bibliothek zurück zogen.
„Margaret, könnte ich mit dir reden?“, wollte ich vorsichtig wissen, Kim’s Tagebuch hatte ich dabei aus meiner Handtasche geholt, wenn ich mit ihr fertig gesprochen hatte, würde ich es sofort Michael übergeben.
„Aber natürlich, was hast du auf dem Herzen?“, fragte sie sofort beunruhigt.
„Ich habe so viele Fragen an dich“, begann ich mit zitternder Stimme.
„Michael hat mich bereits vorgewarnt, dass du zu mir kommen würdest, sobald du dich traust, fragen zu stellen. Ich werde keine Geheimnisse vor dir haben und werde versuchen, all deinen Fragen so gut es geht Antworten zu geben“, erklärte sie mir liebevoll.
„Ich habe so viele und weis gar nicht wo ich überhaupt anfangen soll“, gestand ich immer noch sehr verunsichert. Doch plötzlich spürte ich Ian’s Anwesenheit direkt hinter mir, kaum hatte ich ihn wahrgenommen, berührte seine Hand bereits meinen Rücken und er stellte sich dicht zu mir. Dadurch fiel es mir viel leichter Margaret so viele persönliche Fragen zu stellen. „Hast du eine Ahnung wie viele Eizellen dir entnommen worden sind?“, stellte ich also meine erste Frage.
„Ich weiß es nicht mehr genau, meine Hormontherapie ging über 6 Jahre lang und ein Jahr lang, wurden mir jeden Monat Eizellen entnommen. Ich habe das auch Michael erzählt, denn die Klinik hat eine Akte über mich, da müsste alles genau verzeichnet sein und genau genommen, müssten einige der befruchteten Eizellen noch immer tiefgefroren in der Klinik sein“, erzählte Margaret freundlich.
„In Deutschland wurde 1973 ein Mädchen geboren, nachdem ihre Mutter in der gleichen Klinik, wie du, behandelt worden war. Dieses Mädchen sieht genau so aus wie Kim“, erwähnte Ian vorsichtig.
„Das kann nicht sein! Das hätten sie nie tun dürfen!!“, sagte Margaret erstaunt.
„Mein Vater ermittelt bereits, ich weiß nur noch nicht die ganzen zusammenhänge, aber alles deutet darauf hin, dass das Mädchen in Deutschland Kim’s Schwester war“, gestand Ian mit ruhiger Stimme.
„Wie heißt sie?“, wollte Margaret aufgeregt wissen. Ich konnte sie vollkommen verstehen, dass sie mehr erfahren wollte über mich, gerade hatte sie erfahren, dass sie noch eine Tochter hatte und die fast so alt war wie ihr Sohn Jack.
„Alex... sie hieß Alexandra und ihre Tochter Alice ist fast 15 und ihr Sohn Jammie ist gerade einmal 12“, teilte ich so sanft wie nur möglich mit, denn bald musste ich ihr auch noch erklären, dass sie Alex nie würde kennenlernen können.
„Wieso sagst du hieß? Kimi, was ist hier los?“, wollte Margaret mit Tränen in den Augen wissen.
„Sie wurde vor 10 Jahren ermordet“, antwortete Ian an meiner statt, ich war einfach nicht in der Lage etwas zu sagen. Auch mir standen Tränen in den Augen, meine arme Mum! Wenn ich jetzt etwas gesagt hätte, dann hätte ich ihr gesagt, dass ich nicht tot bin, das ich hier bei ihr bin und nur in Kim’s Körper steckte, dass sie nicht um mich trauern musste, da ich doch bei ihr war. Ian griff nach meiner Hand und zog mich noch näher zu sich, wieder hatte ich das Gefühl, dass Ian in mir lesen konnte wie in einem Buch. Es war wirklich besser Margaret noch nichts zu sagen, oder jemals zu sagen, dass Kim nicht hier war, sondern Alex in Kim’s Körper steckte. Doch genau das, wäre jetzt zu diesem Zeitpunkt zu viel gewesen.
„Sie lebt nicht mehr? Und was ist mit den Kindern? Wo sind sie und geht es ihnen gut?“, wollte Margaret sogleich wissen. Unglaublich, wie schnell sie auch an andere dachte, da hatte sie seit fast 15 Jahren schon Enkelkinder und sorgte sich sofort um sie.
„Sie leben bei den Eltern von Alex“, antwortete ich und als ich die Erleichterung in Margarets Augen sah, fühlte ich mich auch besser.
„Es gibt allerdings noch mehr Parallelen zwischen Alex und Kim“, begann Ian zu erklären.
„Ich hatte keinen Unfall, ich bin gestoßen worden“, warf ich ein.
„Ihr glaubt also, dass der Mord an Alexandra und der Sturz von dir, Kimi, zusammen hängt?“, fragte Margaret aufgeregt.
„Es deutet alles darauf hin, dass es ein und der selbe Mann waren, der Meinung ist zumindest mein Vater“, versicherte Ian.
„Dann ist doch Kimi und auch Jack und Mary in Gefahr und alle anderen die dort in dieser Klinik behandelt wurden“, meinte Margaret sehr besorgt. Unglaublich, dass sie das gleiche dachte wie ich und es sofort aussprach. Irgendwo dort draußen lief ein potenzieller Mörder herum!
„Offiziell kann Kimi sich an nichts erinnern, da mein Vater den grösstmöglichen Schutz für sie garantieren will“, erklärte Ian sanft.
„Der Doktor hatte mir garaniert, dass man niemandem anderen meine Babies einsetzten würde“, enttäuscht lies sich Margaret auf einen gusseisernen Terrassenstuhl sinken.
„Es tut mir so leid, Mum“, sagte ich leise und das tat es auch wirklich, denn ich litt mit ihr mit.
„Du warst so wütend auf uns, als du herausgefunden hattest, wie wir wirklich zu dir und deinen Geschwistern gekommen sind... du hast mir geschworen niemals wieder mit mir zu reden... seit dem Sturz bist du ganz anders als vorher“, meinte Margaret nachdenklich.
„In gewisser weise ist sie das auch!“, hörten wir plötzlich Jack sagen und wir drehten uns sofort in seine Richtung um.
„Eine Amnesie verändert einen Menschen immer, genauso wie eine Nahtod erfahrung“, fuhr er fort. Dabei sah er mich sehr aufmerksam an, erwähnte aber nicht, dass ich mich doch eigendlich für eine ganz andere Person hielt, dass ich der Meinung war, gar nicht Kim zu sein. Stattdessen tröstete er Margaret und riet ihr, Kontakt nach Deutschland auf zu nehmen, um zu erfahren wie es ihren Enkelkindern wirklich ging.
Der Rest des Nachmittages war sehr harmonisch und vor allem ruhig. Anders war es bei meiner Familie in Deutschland, da waren Feiertage, ob Ostern oder Weihnachten, irgendwie hatten meine Eltern immer Streit wegen irgendetwas bekommen. Hatte sich bei den beiden etwas verändert? Wenn nicht, dann hatten Alice uns Jammie das gleiche erlebt, wie ich in meiner Kindheit. Meine armen Mäuse, doch sei waren nicht mehr so klein wie in meiner Erinnerung. Ich war nicht mehr fester Bestandteil ihres Lebens, schon die letzten 10 Jahre nicht mehr, auch wenn es mir jetzt nicht so vorkam. Es waren nun mal 10 Jahre vergangen und nichts war mehr so, wie ich es kannte. Aber da war ja auch noch das Leben in dem ich jetzt steckte und das war so anders. Ian hatte noch eine Woche Urlaub, aber ob ich schon soweit war, um wieder zu arbeiten, wusste ich nicht. Jack hatte nichts dagegen und auch die Polizei und das FBI begrüßten dies. Also würde ich, natürlich mit Personenschutz, am 8. April wieder anfangen zu arbeiten. Zwar wusste ich nicht, was ich dort noch sollte, schließlich hatte ich keine Ahnung, was Kim dort alles tat. Aber vielleicht konnte ich mich an mehr Details erinnern, wenn die den Tatort sah und ich hoffte zu tiefst, dass Kims Erinnerungen mir vielleicht auch helfen könnten. Ian sah das alles von einer ganz anderen Seite, er war sehr besorgt um meine Sicherheit. In seinen Augen konnte ich sehen, das er Angst hatte mich zu verlieren. Auch das Michael dafür sorgen würde, dass ich mich in Sicherheit und frei bewegen konnte, baute seine Angst nicht ab. Ian war da wirklich umwerfend, so besorgt, wie er um mich war. Ich fühlte mich, als wäre ich 16 und zum ersten mal verliebt. Es war mehr als nur eine verliebte Schwärmerei, es war wirklich Liebe, so wie sie sein sollte! Wie Ian mich ansah, wie er mich berührte und küsste – alles fühlte sich himmlisch und perfekt an. Meine Gier nach mehr wurde jedes mal, wenn wir uns küssten und berührten, immer grösser. Nicht nur mein Geist wollte ihn, nein, mein Körper wollte es auch. Alles in mir schien zu schreien: „Gib mir mehr! Gib mir endlich mehr!“ Doch Ian bremste mich regelmäßig sanft aus, da wir zusammen waren und auch bleiben würden, konnten wir uns für alles Zeit lassen. Und ich lernte von ihm, alles ruhiger an zu gehen und es zu genießen. Er wollte mich verwöhnen und er hatte recht, denn auch kleine Dinge können wunderschön sein.
Das aufwachen neben Ian war immer noch nicht zur Routine geworden und ich schaffte es immer vor ihm wach zu werden. Dann bleib ich regungslos liegen und sah ihm beim schlafen zu. So jemanden wie ihn habe ich schon so lange gesucht. Er strahlte eine Ruhe und Gelassenheit aus, Entscheidungen traf er nach seiner Vernunft und er war ein von Grund auf anständiger, gebildeter und fleißiger Mann. Zuweilen hatte er Ansätze eines Workoholic, aber ich fand es in Ordnung, es passte einfach zu seinem Wesen. Kim hatte das meiste an ihm gehasst, besonders seinen Fleiß und sie fand ihn langweilig und spießig. Genau genommen, sollte ich einfach aufhören ihr Tagebuch zu lesen, aber ich hegte immer noch die Hoffnung, irgend etwas brauchbares zu finden. Aber außer das mich ihre geschriebenen Worte frustrierten, fand ich nichts neues heraus. Ich hatte auch angefangen in meinem, besser gesagt in ihrem Kopf nach Anzeichen zu suchen, die zeigten, dass sie noch hier war. Ich hoffe vielleicht irgendwo ihre Stimme zu hören, aber es herrschte vollkommene Stille. Die Frage wo Kim war, beschäftigte mich immer mehr! Wenn ich hier in ihrem Körper war, wo war dann sie? Irrte sie vielleicht las Geist herum, wie ich die letzten 10 Jahre?
Ein sanftes „Guten Morgen“ holte mich aus meinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Liebevoll küssten wir uns und mir kam es einmal mehr vor, als wäre ich schon sehr lange hier.
„Was sollen wir heute tun?“, wollte er wissen, als ich mich an ihn kuschelte. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich mit ihm den ganzen Tag im Bett verbringen wolle. Seit dem Kuss, war wieder meine Gier nach mehr erwacht und ein Blick in Ian’s Augen genügten, damit er wusste was ich mehr als alles andere begehrte. Ian fing an, dieses unwiderstehliches Lachen zu lachen und ich schmolz, einmal mehr in seinen Armen dahin.
„Irgendwann werden wir das... wie wäre es, wenn ich dir heute die Stadt zeige?“, schlug er grinsend vor.
„Ich glaube nicht, das wir das alles an einem Tag sehen können, was ich alles sehen will!“, meinte ich und versuchte mich auf eine Sideseeing-Tour zu konzentrieren. Meine Gier versuchte ich so gut es ging zu verdrängen.
„Vielleicht beginnen wir mit einem Spaziergang durch den Central Park?“, schlug Ian, nach einem Blick zum Fenster vor.
„Das wäre schön, es ist nur recht kühl!“, meinte ich und war immer noch dafür im Bett zu bleiben.
„Dann ziehen wir uns eben warm an, außerdem können wir nach dem Spaziergang, das Whitney Museum of American Art, das Metropolitan Museum of Art und das Solomon R. Guggenheim Museum und noch einiges mehr, besuchen“, erklärte Ian grinsend und stand auf.
Schließlich ergab ich mich in mein Schicksal und zog mich warm an. Nach einem ausgedehnten Frühstück ging es zu Fuß zur U Bahn Richtung Upper East Side. Die frische Luft tat mir gut und es tat gut sich zu bewegen.
Vor uns lagen 100 Kilometer Spazierwege, wie ich aus Kims Erinnerung erfuhr. Neben großzügigen Rasenflächen gab es auch künstliche Seen, eine Eislaufbahn, Sportplätze, Spielplätze und sogar einen Zoo.
„Unglaublich“, murmelte ich, als wir den Park durch das Merchant’s Gate betraten.
„Als wir frisch hier her gezogen waren, gingen wir am Wochenende oft hier her“, teilte Ian mir mit.
„Kim ist gerne auf der Eislaufbahn gewesen“, sagte ich und hielt danach ausschau.
„Und du? Willst du laufen?“, fragte er grinsend.
„Ian, ich bin erst einmal auf Schlittschuhen gestanden und da war ich 15!!“, antwortete ich erstaunt. Ian zog mich daher etwas schneller weiter, um uns dann Schlittschuhe aus zu leihen. Und zum ersten Mal seit 25 Jahren stand ich, in Schlittschuhen auf einer Eisfläche. Ich fühlte mich wirklich komisch, zurück versetzt in meine Teenagerzeit und vor allem, ich fühlte mich total wacklig. Ian ließ meine Hand nicht ein einziges Mal los und zusammen lachten wir über meine wackeligen Schlittschuhlaufversuche. Es war so herrlich, Ian’s lachendes Gesicht zu sehen, seine Freude zu sehen, wenn ich Fortschritte machte.
Danach machten wir einen Abstecher zum Wildlife Center, dem Zoo im Park. Hier konnte ich Pinguine, Affen und viele andere Tiere bestaunen. Wie schön es gewesen wäre, Alice und Jammie dabei zu haben. Auf dem Weg zum Daiery Visitor Center liefen wir an einer Kartenlegerin vorbei. Irgend etwas in mir sagte mir, dass ich stehen bleiben wurde. Zu erst sah sie in die Handfläche meiner linken Hand, dabei murmelte sie immer wieder nur ein Wort „unglaublich!“ Dann legte sie mir die Karten und sah wieder sehr erstaunt, erst mich, dann Ian an.
„Unglaublich, deine Seele ist um so vieles älter als dein Körper“, stellte die ältere Dame erstaunt fest.
„40, in einem Körper der erst 25 ist“, flüsterte Ian leise.
„Du bist auf der Suche nach Antworten und du wirst sie auch finden“, fuhr die ältere Dame fort.
„Wo ist Kim jetzt?“, entfuhr es mir plötzlich.
„Ich kann dir nur sagen, dass sie fort ist, warum und wohin, das weiß ich leider nicht!“ erklärte die ältere Dame
„Sie ist wirklich fort“, sagte ich leise und wollte schon aufstehen, doch da hielt mich die ältere Dame zurück.
„Da gibt es zwei Kinder, die dich brauchen! Es wird etwas schlimmes Geschehen und sie haben dort wo sie sind niemanden!“ erzählte sie uns mit sehr besorgtem Blick.
„Alice und Jammie!“, sagte ich geschockt.
„Es geht ihnen gut und wenn du schnell handelst, wird ihnen nichts geschehen können“, gestand die alte Dame aufrichtig.
„Woher wissen sie das alles?“, wollte Ian misstrauisch wissen.
„Ich konnte es sehen, als ich ihre Hand berührte“, antwortete die ältere Dame mit einer unglaublichen Ehrlichkeit in der Stimme. Wir konnten gar nicht anders, als ihr glauben. Wir bedankten uns für ihre Auskunft, doch als Ian sie bezahlen wollte, lehnte die ältere Dame dankend ab, sie bat uns nur um ein Versprechen. Ein Versprechen das leicht zu geben war und auch leicht zu halten war, sie wollte uns wieder sehen, wenn alles überstanden war.
Verstört und durcheinander gingen wir weiter und da ich zu zittern begann, zog mich Ian fest in seine Arme. Kim war fort, was bedeutete, wenn ich ihren Körper verlassen würde, wäre das das Ende. Hinzu kam, dass Alice und Jammie mich brauchen würden, aber es gab nur eine Person die mir da weiter helfen konnte. Margaret! Sie war sowohl Kim’s als auch meine biologische Mutter und somit Alice und Jammie’s leibliche Großmutter. Mein Kopf arbeitete bereits an einer Lösung, wie man am besten die Kinder nach Amerika holen konnte.
Auf unserer Tour durch die vielen Museen der Upper East Side, waren wir alles andere als gesprächig. Wir beide schienen das gehörte, jeder auf seine Art verarbeiten zu müssen. Gegen Mittag suchten wir uns ein kleines Restaurant in der Nähe.
„Wir werden also irgendwie versuchen, die Kinder zu uns zu holen!“, stellte er fest, als wir angefangen hatten zu essen.
„Richtig, wobei ich das weniger kann, Margaret hat als leibliche Großmutter mehr Anrecht auf sie“, erklärte ich nachdenklich.
„Dazu wird sie ihre Akte aus der Klinik brauchen, aber ein Gentest kann das schnell klären, auf jeden Fall braucht Margret einen Anwalt der sie vertritt“, teilte Ian mir seine Gedankengänge mit.
„Glaubst du, dass es feststellbar ist, ob Kim mein genetischer Zwilling war?“, wollte ich wissen.
„Ich denke schon, dass sich das feststellen lässt, aber das kann uns ein Arzt viel besser erklären, außerdem brauchen wir einen deutschen Anwalt, am besten ich lasse das über meine Kanzlei laufen“, antwortete Ian, war dabei aber schon wieder einige Schritte weiter.
„Ich hoffe das Margaret uns helfen wird, aber das aller schlimmste ist, dass ich anscheinend nicht verhindern kann, das etwas schlimmes Geschehen wird“, entfuhr es mir und plötzlich hatte ich auch keinen Hunger mehr. Mein Magen war wie zu geschnürt und meine Angst um Alice und Jammie wurden immer grösser. Kaum hatte ich aber mein Besteck auf die Seite gelegt, klingelte auch schon Ian’s Handy. Ich konnte zwar nicht hören wer ihn anrief, aber sein Gesicht wurde immer besorgter.
„Dad, am besten rufst du Margaret an, während wir in meine Kanzlei fahren. Natürlich, Margaret ist die nächste Verwandte. Dad, das wird in Deutschland niemand glauben... wir haben das selber schon vermutet. Ja, das weiß ich, es wird nicht einfach werden... Oh mein Gott, das wird Margaret wirklich aus der Haut fahren lassen. Ja, Dad mach das, ok, dann warten wir auf deinen Rückruf, bis dann!“, sprach Ian in sein Handy.
„Dein Vater!“, stellte ich nur fest.
„Genau, er hat mir mitgeteilt, dass deine Eltern letzte Nacht, auf noch unerklärliche Weise, verstorben sind“, begann Ian zu erzählen.
Meine Eltern, die beiden die mich groß gezogen hatten und die sich die letzten 10 Jahre um Alice und Jammie gekümmert hatten, waren tot. Jetzt waren Alice und Jammie ganz allein und Michael hatte sofort reagiert. Als die Meldung bei ihm ankam, hat er nicht gezögert und sofort gehandelt und den deutschen Behörden mitgeteilt, mit denen er wegen Kims Fall sowie so schon Kontakt hatte, Verwandte noch in Amerika vorhanden waren. Michael’s Team hatte herausgefunden, dass es in der Fruchtbarkeitsklinik wo Margaret behandelt worden war, es zu Ungereimtheiten gekommen war, genau zu dem Zeitpunkt, also auch meine Eltern sich dort aufgehalten hatten. Meiner Mutter wurden 1972 und 73 befruchtete Eizellen von Margaret eingesetzt. Folglich war Margaret meine leibliche Mutter und daher die leibliche Großmutter von Alice und Jammie und somit war Margaret nun, die letzte noch lebende Verwandte der beiden.
„Was ist mit Alice und Jammie, wo sind die beiden jetzt?“, wollte ich besorgt wissen.
„Sie machen eine Kur und befinden sich derzeit an der Nordsee, sorge dich nicht, die beiden haben bereits Personenschutz“, erklärte mir Ian und ich beruhigte mich langsam von meinem Schock.
Sie waren in Sicherheit und es wurde auch auf sie geachtet, alles würde gut werden, früher oder später.
„Das ist aber noch nicht alles, laut Margaret’s Krankenakte waren es 12 befruchtete Eizellen in der Klinik, wovon drei Margaret eingesetzt wurden, die anderen 9 sind unauffindbar und wurden aller Wahrscheinlichkeit anderen Frauen eingesetzt“, erklärte Ian mir.
„So fern sie ausgetragen wurden, existieren 8 weitere Geschwister von Kim und mir, die vermutlich alle in Gefahr sind!“, sagte ich nach kurzer Pause.
„Das Team von meinem Vater nimmt das auch an, deswegen sind sie jetzt dabei alle Familien ausfindig zu machen, die eine dieser Eizellen bekommen haben könnte“, gestand er, doch da klingelte auch schon wieder sein Handy.
Leider konnte ich dieses Gespräch nicht mit verfolgen, da unser Kellner an unseren Tisch trat. Er bat uns, doch das Handy aus zu schalten, da sich ein anderer Gast davon gestört fühlte. Weshalb ich wiederum dann dem Kellner erklärte, dass er uns die Rechnung bringen solle, da wir einen plötzlichen Trauerfall in der Familie hatten. Der Kellner wurde kurz blass, drehte sich dann um und kam kurz darauf wieder mit der Rechnung zurück. Noch während Ian telefonierte, bezahlte er unsere Rechnung und wir verließen auf dem schnellsten Weg das Restaurant, ließen uns von einem Taxi direkt zu Ians Kanzlei bringen.
„Was wollte dieser Kellner von dir?“, fragte Ian als er sein Handy aufgelegt hatte und wir im Taxi saßen.
„Einer der Gäste hat sich beschwert, weil dein Handy ständig klingelt, ich habe ihm dann erklärt dass wir einen plötzlichen Trauerfall in der Familie haben und wir unsere Rechnung haben wollen“, antwortete ich ernst und mit rollenden Augen.
„Margaret wird in einer Stunde in meiner Kanzlei eintreffen, bis dahin muss ich einen deutschen Anwalt gefunden haben, wir müssen schnell handeln“, erklärte er.
Aber nicht nur Margaret und ihr Anwalt würden dort auf uns warten, auch Ians Vater würde in die Kanzlei kommen. Michael würde alle Akten aus der Fruchtbarkeitsklinik mitbringen, damit die Anwälte schnell handeln konnten. Ians Handy stand daher kaum noch still, denn es ging um Alice und Jammies Sicherheit.
Drei Stunden später trafen wir in unserem Zuhause ein und mir kamen die letzten drei Stunden mehr wie ein Traum vor, als das es Realität gewesen wäre. So viel war geschehen, so viel hatte ich erfahren. Schon in ein paar Tagen würde Margaret und ihr Mann mit ihrem Anwalt nach Deutschland fliegen, um dort mit dem deutschen Anwalt, Ämtern und Gerichten über die Zukunft von Alice und Jammie zu entscheiden. Margaret und Arthur würden so lange wie möglich in Deutschland bleiben, denn sie wollten auch Alice und Jammie die Chance geben, sie kennen zu lernen und selbst zu entscheiden was sie wollten. Zu viel Verluste hatten die beiden Teenager durch gemacht, sie mussten vor allem auch Zeit haben zu Trauern und das Vertrauen zu Margaret und Arthur aufbauen. Ich war mir sicher, dass Margaret sofort die Ähnlichkeiten zu Mary, Jack und Kim auffallen würde. Und am liebsten würde ich mit meiner leiblichen Mutter mit fliegen und meine Kinder wieder sehen und sie endlich, nach so langer Zeit, wieder in meine Arme schließen. Meine Schätze, seit zehn Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen. Bestimmt würde Jammie sich kaum noch an mich erinnern, aber Alice, vielleicht! Doch offiziell war ich Kim und würde es auch bleiben. Ich war 25 Jahre alt und nicht die gefühlten 40 meines Geistes. Margaret wollte die Kinder auch vorbereiten, in dem Falle, sie würden mit nach New York kommen. Sie wollte ihnen auf sanfte Art erklären, dass es da einen Mensch gab, der ihrer Mutter sehr ähnlich sah und der Grund warum das so war, die Tatsache sei, dass ihre Mutter und Margarets Tochter leibliche Geschwister waren. Alice mit ihren 15 Jahren könnte es vielleicht sogar verstehen, aber bei Jammie wusste ich mir einfach nicht zu helfen, konnte ein 12 jähriger solche Zusammenhänge verstehen? So hing ich meinen Gedanken nach, während Ian sich in sein Arbeitszimmer zurück gezogen hatte. In meinem Schoß lag ein dickes Buch, das ich aus Kims Bücherregal genommen hatte. Kim hatte sehr viele Bücher, sämtliche Klassiker, die man einfach gelesen haben musste, sowie die Bestseller der letzten Jahre. Noch dazu waren es wunderschöne limitierte Ausgaben, aber sie hatte kein einziges davon gelesen, für Kim waren sie einfach nur eine schöne Dekoration gewesen. Wieder ein Unterschied, denn ich konnte dies überhaupt nicht nachvollziehen. Es gab doch nichts schöneres, als es sich mit einer Tasse Kaffee und einem guten Buch bequem zu machen und in eine andere Welt zu gleiten. Aber irgendwie wollte mir die Konzentration nicht so recht gelingen. Zu viel ging mir durch den Kopf. Da war einfach zu viel, über das ich nachdenken musste. Noch dazu musste ich über einiges hinweg kommen, schließlich waren meine Eltern nicht mehr am leben. Gut, ich hatte ja jetzt Margaret und Arthur und auch noch Ians Eltern, meine Geschwister und Alice und Jammie gab es auch noch. Also genug Menschen, die mein Anker sein konnten. Kim war fort, was bedeutete, dass ich auf jeden Fall hier bleiben würde, bei Ian und allen anderen, die ich so schnell lieb gewonnen hatte. Es gab aber auch noch diese Unbekannte Bedrohung, da aber das FBY davon ausging, das Hinter den Morden, dieser Arzt aus der Fruchtbarkeitsklinik steckte, wussten wir in gewisser Weise, auf was wir uns da einstellen mussten. Michael hatte uns erzählt, das es Hinweise gab, das genau dieser Arzt, der die Eizellen Frauen eingesetzt habe, angefangen hatte, all die Kinder, denen er zu Leben verholfen hatte, zu töten. Laut den laufenden Ermittlungen, hatte das FBY heraufgefunden, dass bereits 10 Erwachsene und deren Nachkommen auf unerklärliche Weise in den letzten 10 Jahren verstorben waren. Diese 10 Erwachsenen waren genau in dieser Fruchtbarkeitsklinik gezeugt worden, und genau diese Verbindungen waren das ungewöhnliche an dem Fall. Genau diese Gemeinsamkeiten konnten aber keine Zufälle sein, es konnte sich also nur um einen Serienmörder handeln. Ich war also vor 10 Jahren nicht das einzige Opfer und es drohten noch mehr Menschen zu sterben. Auch die Nachkommen waren in Gefahr und der verrückte Arzt eine tickende Zeitbombe. All diese Todesfälle wurden jetzt wieder neu untersucht, auch der meine in Deutschland. Zu dem würden alle Frauen und deren Familien überprüft werden, die sich in der Klinik von genau diesem Arzt hatten behandeln lassen. Unglaublich, wie viele Menschen jetzt um ihr Leben bangen mussten. Vor unserem Haus hatte der Personenschutz unauffällig Posten bezogen. Das gleiche bei Jack und Mary, denn niemand konnte mit Sicherheit sagen, wo der Mörder als nächstes zu schlagen würde. Spontane Ausflüge und Spaziergänge konnten wir deshalb nicht mehr machen. Wieder versuchte ich zu lesen und wieder gelang es mir nicht. Erinnerungen tauchten auf, wie ich mit Alice und Jammie in meinem Bett lag und ihnen aus einem Märchenbuch vorlas. Plötzlich stiegen mir Tränen in die Augen und ich konnte endlich weinen, um den Tod meiner Eltern, die mich groß gezogen hatten, um meinen Tod und um den Verlust meiner Kinder und das Verschwinden von Kim. Irgendwie muss Ian mich gehört haben, denn er nahm mich plötzlich in seine starken Arme, zog mich an seine Brust und ließ mich weinen. Es tat gut sich einmal richtig aus zu weinen, denn noch nie hatte ich solchen Trost empfunden, nur durch diese simple Umarmung. Da wusste ich es, dass das was zwischen Ian und mir, eine der stärksten Verbindungen war. Mit einem Mal wusste ich, dass Ian meine große Liebe war, ist und immer sein wird!
„Ian!“, murmelte ich.
„Ja?“, fragte er leise.
„Ich Liebe Dich!“, erklärte ich mit tränen erstickter Stimme.
„Ich dich auch!“, erwiderte er leise und küsste mich auf meine Strin.
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
I’ve seen the dark.
I’ve seen the hell.
But you can’t break me,
Because that has made me strong!