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Ein Gedanke....

 

 

 

 

Renate sitzt vor einem Café in der Sonne Hessens auf der Zeil  und denkt an nichts Besonderes.

 Sie schaut nur den Passanten zu.

 

Eine Dame im mittleren Alter kommt mit ihrem Großeinkauf und setzt sich an den Nebentisch.

Sie mustert Renate kurz, wendet sich dann aber ihren Einkaufstüten und Kartons zu. 

Sie zieht einen Schuhkarton aus ihren Convolut von Einkäufen.

Ihr Blick geht noch mal in die Runde.

 

Sie stellt den Karton neben ihre Füße auf den Pflasterboden, zieht ihre Schuhe aus und fährt mit den Füßen in den Karton. Schon hat sie neue glänzende Schuhe an. Zufrieden mustert sie ihren Einkauf. Sie schiebt ihre alten Schuhe weiter unter den Tisch, schnappt sich ihre Taschen und Tüten, steht auf und spaziert mit erhobenem Kopf davon.

 

Was war denn das?

Renate ist in ihrem Ordnungssinn erschüttert.

Entledigt man sich so auf stille Art von seinem Müll?  Doch keinen hat es gestört. Der Cafeínhaber hat ja bestimmt eine Mülltonne. Renate kann es nicht fassen.

 

Jetzt studiert sie aufmerksamer die Umgebung und die Kunden. Doch sonst ist nichts los.

 

Im Café läuft ein Fernseher.

 

Sag mir ein Café‘, in dem kein Fernseher steht, gibt es nicht",

denkt Renate.

Hier hängt er an der Decke des Cafes und man kann von draußen das Programm verfolgen.

 

Jetzt läuft ein Film mit DDR-Schauspielern. Drinnen sitzen Jugendliche beim Plausch. Sie trinken ihren Cappucino und natürlich folgen die entsprechenden Kritiken zum Film und der Zeit damals.

 

       Renate ist in der DDR  geboren und aufgewachsen, hatte ihren Beruf dort erlernt, hat geheiratet,und die Kinder nach DDR-Möglichkeiten und mit vielen Entbehrungen groß gezogen.

 

Renate ärgert sich über manches verächtlich dahin gesagte Wort der jungen Leute, die sich lautstark äußerten, auch wenn es vielleicht nicht so schlecht gemeint war.

         Wie will die heutige Handy-Jugend denn aber wissen, wie ein DDR-Alltag in Beruf

und Familie so ablief?

 

Die waren  ja damals zur Wende noch nicht mal gezeugt.

Da sollte doch mal wieder das Generationsmodell fruchten und die ältere Generation müßte der Jüngeren

die unterschiedlichen Lebensinhalte dieser beiden verschiedenen Deutschen nahebringen.

 

    Es war eben eine andere Form der Gesellschaft, die sich damals durch die unterschiedlichen Besatzungsmächte entwickelte .

Der Normalo-Bürger hatte da nicht viel Einfluss.

 Er war ja froh, dass er den Krieg überlebt hatte.

 

Aber heute gab es nur noch ein Deutschland. Die Zeitgeschichte war mit friedlicher Revoution verlaufen, ohne Krieg, ohne Grenze und Mauer, aber immer am Rande einer gefährlichen Explossivität, die die Menschen ängstigte, aber ihrem Mut Recht gab. Die Mauer war nur noch mehr oder weniger in den Köpfen. Doch die Zeit arbeitet mit.

 

   Nach der Wende grassierte eine Redewendung durch die Bundesländer: „Es war nicht alles schlecht,

man muss es aber verstehen lernen – der Osten den Westen und der Westen den Osten".

 

Die Menschen blieben deshalb die Gleichen, aber die neuen Betrachtungsweisen ändern das Verständnis füreinander und mahnen zum friedlichen Wandel und Miteinander.

 

 

Renate schaut in ihren Erinnerungen, die immer deutlicher werden wollen, zurück.

Die Jahre streichen wie der Sand in der Sanduhr aus dem Glas.

 

Da bleibt die Uhr plötzlich stehen.

 

Ein Gedanke drängt sich in Renates wache Erinnerungen,  - ihre Kindheit.

 

Erinnerungen

 

 

 

Renate ist bei dieser Erinnerung noch nicht mal vier Jahre alt.

Man schreibt das Jahr 1956.

 

Sie lebt mit ihren Eltern und der großen Schwester im Haus der Oma.

Opa war im Krieg verstorben. "Da war nun die Oma wenigstens nicht allein im Haus", dachte Renate.

 

Oma ist eigentlich lieb und hat graue gütige Augen und einen Haarknoten im Genick.

Sie arbeitet hier im Dorf in der alten Gärtnerei. Manchmal bringt sie Gemüse oder Blumen mit.

Jetzt streitet sie aber schon wieder mit Mama. In der Küche geht es laut zu.

 

Der Onkel aus dem Westen will kommen, sagt Mama, aber er darf nicht, weil mein Vati bei der Polizei arbeitet.

Er ist Mamas Bruder und hat bereits ein Auto. Wir haben keines.

Dem Onkel scheint es in dem anderen Deutschland gut  zu gehen. Er hat eine stolze Frau, die nicht arbeiten gehen muß und meine beiden Cousinen tun, als wenn sie was Besseres sind. 

"Sollen sie doch, mir gehts auch gut", sagt sich Renate.

 

Sie zieht ihrer Puppe, die sie immer bei sich hat, den von Oma gestrickten Overall an und hört den Erwachsenen zu.

 

Warum schimpft Oma nur so auf Vati?

Dass sie ihn nicht leiden mag, wissen wir ja, aber warum? Immer muß er arbeiten und ist abends müde. Oft muss er auch nachts arbeiten.

Dann versorgt er abends noch die Kaninchen und Hühner und die Ziege und auf die Schule muss er auch noch gehen.

Deswegen ist er heute schon wieder nicht da.

Mama schimpft immer mit ihm, weil er dort mit anderen Männern und Frauen zusammen ist. Aber sie ist wieder glücklich, wenn er sonnabends kommt und für Jeden etwas mitgebracht hat.

 

Muss man denn immer nur zanken?

 

Renate drückt ihre kleine Babypuppe aus Stoff und Pappmaschee-Kopf an sich.

„Nicht wahr, wir zanken uns nicht“, sagt sie zu ihr und legt sich die Puppe im Arm zum Wiegen zu recht.

 

Sie hat zu Weihnachten einen Puppenkoffer bekommen, in dem sich fein zusammen gelegt, die Puppensachen befinden.  Renate zieht jetzt aus dem Koffer ein Stück Stoff heraus. Das ist die Decke für ihre Puppe.

Sie huschelt die Puppe zum Schlafen in die Decke und singt ihr leise ein Lied ins Ohr.

So macht es die Mama manchmal mit ihr, wenn sie allein sind und der Vati wieder weit weg ist.

 

Da geht die Tür auf und Mama kommt mit verheultem Gesicht

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: K.M.Mehner
Tag der Veröffentlichung: 18.11.2017
ISBN: 978-3-7438-4200-7

Alle Rechte vorbehalten

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