Vom Segen der Ahnungslosigkeit ...
Dumm zu sein bedarf es wenig und wer dumm ist ist ein König .... oder so ähnlich, genau kann ich mich nicht mehr an den Text des alten Kinderliedes erinnern. Mir geht es in der letzten Zeit öfter so. Ich vergesse einfach vieles, erinnere mich nicht mehr, oder nicht mehr richtig. Oder ich weiß Dinge, die ich gar nicht wissen kann, oder soll, oder .... ich weiß das nicht mehr so genau.
Manche Menschen finden das schlimm, oder beängstigend. Ich nicht! Ich finde es sehr beruhigend, sehr entspannend.
Ich habe mühsam und sehr schmerzhaft gelernt, wie sinnlos und unpraktisch Wissen ist. Tatsächlich wissen die wenigsten Menschen, dass Wissen vom Wesentlichen ablenkt. Wissen verstellt die Sicht auf die Wirklichkeit – und damit meine ich nicht die heute so gerne als Drohung, Gespenst und Begründung für alles mögliche genannte „Realität“ - nein, ich meine wirklich die Wirklichkeit.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Gestern – sofern ich mich da richtig erinnere, aber das ist ja, wie schon gesagt weniger wichtig – gestern also spürte ich ein Gefühl in meinem Körper, dass mich vage an Hunger erinnerte. Ich schlenderte durch den Raum in dem ich mich befand und entdeckte in einem Kühlschrank – nein, ich habe noch nicht alles Wissen aus meinem Kopf entlassen - eine Schüssel mit etwas Cremigem. Ich steckte meinen Zeigefinger erst hinein, dann in meinen Mund und es war köstlich. Ich fand am Abend durch das aufgebrachte Geschrei eines anderen Menschen in dieser Wohnung heraus, dass ich offensichtlich zum ersten Mal in meinem Leben mit Genuss Krabbenpaste gegessen hatte. Ich erinnere mich, dass ich Meeresfrüchte und ähnliches auf den Tod nicht ausstehen kann.
Natürlich, das ist eine Kleinigkeit, werden sie sagen. Nichts worum man ein solches Gewese machen müsste – und Recht haben sie, aber was schert mich das? Um Kritik als solche erkennen zu können, muss man Wissen haben. Wissen um soziale Regeln, um Erwartungen, um die Bestimmung des eigenen Wertes im gesellschaftlichen Umfeld. Wie das geht, habe ich wohl als erstes vergessen – glaube ich.
Sie können sich gar nicht vorstellen wie sich mein Leben verändert hat, seitdem. Und eigentlich nur zum Besseren – ehrlich.
Noch ein Beispiel dazu. Ich wache auf – ich meine, es müsste heute morgen gewesen sein – öffne im wahrsten Sinne des Wortes ahnungslos meine Augen und entdecke auf meinem Nachttisch einen Wecker mit herausgenommener Batterie! Klug, nicht wahr. So ausgeschlafen war ich schon lange nicht mehr. Ein gutes Gefühl. Ich drehe mich um und schaue auf das schlafende Antlitz eines Engels. Da liegt eine Frau neben mir, bei deren Anblick mir fast das Herz zerspringt vor Freude und Zuneigung – und um ehrlich zu sein, da springt noch etwas anderes ....
So vertraut mir dieses Gesicht auch scheint, es ist mir dennoch völlig neu. Wie ein Land, das ich noch nie gesehen habe und das mich ruft es zu entdecken.
Süsse kleine Fältchen in den Augenwinkeln – sicher vom vielen Lachen - und ein paar Furchen um die Lippen, deren Geschichte ich gerne erfahren möchte. Natürlich nur, um sie gleich darauf wieder zu vergessen. Ich beuge mich ganz behutsam über dieses Gesicht, atme ganz sacht und nehme den Geruch in mich auf. Wonnen, sage ich ihnen, Wonnen! Wissen sie eigentlich – nein, wissen ist der falsche Begriff – können sie wirklich fühlen, wie ihre Nase sanft über die feinen Härchen auf der Wange eines anderen Menschen gleitet? Können sie das fühlen – genau so wie es ist, ohne inneren Kommentar oder Vergleich oder Bewertung?
Also ich an ihrer Stelle könnte es sicherlich nicht.
Allein schon das Wissen darum, dass diese unbekannte Schöne in meinem Bett in der Realität meine Frau ist, mit der ich schon seit Jahren verheiratet bin, die mich gestern Abend mit der Diskussion ausufernder Planungsszenarien für unseren nächste Jahrestag fast zum Wahnsinn getrieben hat, die immer kalte Füsse hat, selbst mit Wärmflasche friert und mir nachts im Schlaf die Bettdecke weg zieht. Alleine schon dieses Wissen würde es mir völlig unmöglich machen jetzt so ergriffen vor diesem Wunder zu stehen.
So gesehen ist das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse wahrscheinlich völlig missverstanden worden oder zumindest mutwillig falsch überliefert. Denn was ist es denn anderes als das Wahrnehmen einer winzigen Erbse unter einem turmhohen Stapel von Matratzen, wenn man in unserer Realität nach längerem Zusammensein tatsächlich Liebe zu einem Menschen empfindet.
Sie sehen schon, sie können mich nicht locken mit Realität oder Wissen. Ich brauche das nicht mehr. Und wissen sie was für mich schließlich den Ausschlag gegeben hat diesen Ballast über Bord zu werden?
Sie werden es nicht glauben, aber es war in dem Augenblick klar, als ich zum ersten Mal erwachte und diesen wundervollen Menschen wirklich sah, den die unbekannte Schöne neben mir immer “Schatzi” ruft.
Tag der Veröffentlichung: 12.01.2009
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