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ePost und ePerso- eAlles – ein Science-Fiction-Szenario

Heute ist der 01.11.2020 und ich sitze hier im Knast rum und warte auf meine Fußfessel. Man hat mir versichert, dass ich nicht lange sitzen muss. Das alles nur, weil ich eine Falschaussage gemacht habe beim WCC (Wirtschaft Consumer Control) der WL (Wirtschaftslobby). Ich hatte vor einem Monat aus dem Fenster geschaut und sah wie ein Polizist meine Reifentiefe kontrollierte. Seit man schon im Oktober Winterreifen aufziehen muss, wird das verstärkt kontrolliert. Minimum 8mm tief müssen die „Rillen“ sein. Der Wagen wird zwar von der Firma gestellt, aber für alle austauschbaren Teile muss man, von seinem Lohn, selbst aufkommen. Ich hatte nur noch 7,5 mm und keine Kohle mehr. Ich bekomme nur 1 Euro die Stunde und weil ich mir einen Finger gebrochen hatte, konnte ich sechs Wochen nicht arbeiten und weil die Lohnfortzahlung, von der WL beschlossen, gestrichen wurde, konnte ich mir eben keine neuen Winterreifen kaufen. Als ich mich in meinem e- Mail Account, mit meinem „Digi-Perso“, wie immer, anmeldete, bekam ich eine ePost zugestellt. Ganze 10 Minuten nach der Reifenkontrolle. Ich ging zum Nachbarn und bat um einen Euro, damit ich per ePost antworten konnte. Mein Nachbar ist ein Netter. Dann schrieb ich zurück, dass ich bereits Reifen bestellt hätte, diese aber nicht lieferbar gewesen waren und  zog meinen ePerso über das Lesegerät, um die Antwort abzusenden. Praktisch diese Erfindung. Ich gehörte zu denen, die, die Erfinder gleich wieder gewählt haben, weil sie mir das Shoppen erleichtert haben. Blöd nur, dass man jetzt für Emails, immer bezahlen muss. 

 

Essensmarken werden immer am Ersten ausgeteilt

Naja, egal. Es war „Essensmarkentag“ und ich hatte an diesem Tag, besonders großen Hunger. Also latschte ich los, mit meinem ePerso, Richtung Amt. Hätt ich das mal lieber über das Internet gemacht. Auf dem Weg schaute mich jeder und jede so seltsam an. Zeigten mit dem Finger auf mich. Da war ich wohl, schon wieder, einem Hackerangriff erlegen und es hatte sich herum gesprochen, dass ich keine Winterreifen besaß. Unbeirrt der blöden Situation ging ich schnellen Schrittes zur Ausgabestelle und fuhr mit meinen Marken und einer Sozialfahrkarte in der Hand, zur Essensausgabe, am anderen Ende der Stadt. Da Handys mittlerweile zum Grundbedarf gehören, setzte ich meine Kopfhörer auf und lauschte meiner Lieblingsmusik. Blöd nur, dass man Bluetooths nicht mehr ausschalten kann und darf. So musste ich die angreifenden SMS, der anderen Mitfahrer/innen, eben ignorieren.

Gleich neben der Essensausgabehalle war dieser Reifendienst von der WL. Da ich meine Kopfhörer noch auf hatte, hörte ich die Außenlautsprecher Durchsage nicht. „Guten Tag Herr Max Blödmann, aus der Trottelstrasse 16, Sie haben noch keine gültigen Winterreifen und müssen deshalb bitte zu uns in die Autoannahme kommen, sonst werden Sie von den Polizisten Schlagmann und Knüppel Ella abgeholt und auf die Wache gebracht“

Beim Warten gibt es heißen Tee

Ich stellte mich an die, 200 Meter lange, Schlange an und bekam sofort den ersten, heißen Tee. Das ist ein toller Service. Man muss nur kurz seinen ePerso an das Gerät des Austeilers halten und bekommt das heiße Nass. Nach drei Stunden und 10 Tee, hatte ich vier große Taschen voller Fertiggerichte und Vitamintabletten. Frisches war nur noch den Reichen vorbehalten, aber satt wurde man auch von diesem Fertigzeugs und diese Vitamintabletten sorgten irgendwie dafür, dass man die gleiche, rosige Farbe im Gesicht hatte, wie die Reichen vom Frischkram. Ungeachtet der dritten Durchsage dieses Reifendienstes, fuhr ich wieder nach Haus. Unterwegs sah ich auf der Strecke, auf jeder Videowerbewand, Spots zum Thema Winterreifen. Immer, wenn das Fenster, an dem ich saß, an der Wand vorbei war, kam andere Werbung. „Ups“, da stand wohl die Frau hinter mir auf Beate Uhse. Ich kicherte in mich hinein und hörte meine Musik, bis ich ausstieg. Ich schaffte es gerade noch, meine Tüten zu entleeren, als die Beamten, Schlagmann und Knüppel Ella, mein Digitalschloss öffneten und mir die Handschellen anlegten. Sie nahmen mir den ePerso ab und verlasen mir meine Pflichten. „Sie haben die Pflicht…“ usw.

Früher hatte man Rechte

Auf der Wache angekommen, sagte mir der Schlagmann, dass ich verhaftet sei, weil ich in der ePost von heute Morgen gelogen hätte, die Durchsagen des Reifendienstes, von der WL, ignoriert hätte und ohne Reifenbestellung wieder nach Haus gedüst wäre. Zudem hätte ich versäumt mein Strafticket, welches mir die Kontrolleure von heute Morgen, per SMS zusandten, zu bezahlen. Die Mahnung, die dann per ePost kam, konnte ich ja nicht mehr lesen, rechtfertigte ich mich. Doch es war schon zu spät. Früher hatte man irgendwie doch mehr Rechte und ich überlegte, ob es nicht doch besser gewesen wäre, die Gegner dieser neuen Technologien zu wählen. Nun konnte ich das nicht mehr ändern. Nachdem die nun mein Bewegungsprofil durchforstet haben, war klar, um die Fußfessel komme ich nicht mehr rum. So ganz verstehe ich allerdings nicht, warum noch eine Fußfessel? Die wissen doch auch so, schon seit Jahren, wo ich mich immer aufhalte.

Impressum

Texte: Amina Runge alias Medientante
Bildmaterialien: Amina Runge alias Medientante
Lektorat: Amina Runge alias Medientante
Übersetzung: Amina Runge alias Medientante
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
D-Radio schreibt 2013: [...]Mülleimer werten die WLAN-Signale ihrer Umgebung und die MAC-Adressen der erfassten Geräte aus und speichern sie. Diese Media-Access-Control-Adresse ist die Hardware-Adresse einer Netzwerkkarte[...] Ein ähnliches Szenario schrieb ich bereits 2010 und es ist so gekommen...

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