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Was ist geschehen?


Zum letzten Mal schaffte es ein Leaker, Dokumente der Weltmacht zu veröffentlichen, bevor der Hebel umgelegt wurde. Das Internet wurde abgeschaltet. Alle lasen davon, konnten sich aber nicht mehr dagegen wehren. Petitionen und Demonstrationen wurden mit aller Härte bestraft. In den Dokumenten standen viele, weitere einschneidende Beschlüsse. Zudem ging das "Elitnet 1.0" an den Start.

Ein folgenreicher Zustand


Die Arbeitslosigkeit war auf Rekordhoch. Allein im neuen Europa, welches aus Ländern des gesamten physischen Kontinentes Europa bestand, hatten 80 % der Bewohner keine Arbeit mehr. Das Durchschnittsalter lag bei 50 Jahren. Den größten Teil der Produktion und der Bodenausbeutung erledigten roboterähnliche Maschinen, die von 20 % der jüngeren europäischen Menschen bedient wurden. Alle Menschen weiter ernähren zu können, gelang nur aufgrund eines Durchbruchs in der Genforschung. Zum Einen pflanzte man allen unproduktiven Menschen einen Chip ein, der genau messen konnte, wie viel Essen sie minimal brauchten, um nicht zu verhungern. Zum Anderen wurden synthetische Lebensmittel hergestellt, die nur einen Bruchteil der Landesflächen brauchten, und Vitamine gab es durch Vitaminpillen, die verabreicht wurden.

Den Überblick behalten


Um dieses System zu koordinieren, war es mittlerweile zu neuen Kontrollstandards gekommen. In jedem Wohnraum waren Kameras und Mikrofone der allerneuesten Generation installiert, was den Herstellern und Lobbyisten Wohlstand in ihr Leben spülte. Die Macht ließ es sich viel kosten, dass die gesamte Menschheit überwachbar wurde. Versuchte man die Überwachung zu verhindern, zu manipulieren, wurde man innerhalb von Minuten verhaftet und in Hochsicherheitsghettos gesteckt und kam dort nicht wieder heraus. "Dissicity Bezirke" hießen diese speziellen Landstriche. Dort war die Sterberate besonders hoch, erzählte man sich hinter vorgehaltener Hand. Zeugen gab es keine.

Problem: Absatz neuer Produkte


Um die Produktion neuer, "unnützer" Gebrauchsgüter nicht einbrechen zu lassen, hatten Wissenschafts- und Wirtschaftslobbyisten ein ausgeklügeltes System entwickelt. Da es keine Arbeitsämter mehr gab, wie wir es früher kannten, und schon länger keine Unterstützung mehr vom Staat, mussten neue Ideen her, wie man die Kaufkraft weiter erhöhen konnte. Es gab die neue "Behörde zur Koordinierung von Kaufpflicht". Im Klartext hieß das, dass Kontrollorgane Monat für Monat in Wohnbereiche gingen und festlegten, was Menschen zu kaufen hatten von ihrem Geld. Arbeitslose mussten jedes Geldstück, das sie fiktiv erhielten, in TV-ähnliche Geräte stecken sowie Möbel, Kühlgeräte, Schlafgelegenheiten usw. So wurde jedes Halbjahr die Innenraumbestückung ausgetauscht. Noch vor ein paar Jahren waren diese Zyklen noch zweijährig, aber zur Gewinnmaximierung war es nun alle halbe Jahre soweit. TV-Geräte waren mittlerweile weiterentwickelte Smartempfangsgeräte, die Mikro und Kamera enthielten (nicht entfernbar) und Echtzeitkontakt zu den Rezipienten aufbauen konnten. Über diese Geräte wurde in werbeähnlicher Form der vorgeschriebene Bedarf an Konsumgütern gepredigt.

Facebook wird zur Behörde


Da das Netz in seiner bekannten Form abgeschaltet wurde, ging die letzte noch vorhandene Pflichtcommunity auf die Barrikaden. Schnell wurde den Machthabern bewusst, wie wichtig diese Institution für das Überwachen der Menschheit war. Keiner hatte in Jahrzehnten so viel wertvolle Daten zusammengetragen wie dieses Unternehmen und den Grundstein des Pflichtkonsums gelegt. Man war sich schnell einig. Facebook bekam die Sparte der Totalüberwachung übertragen. Die Nachfolger des ehemaligen Entwicklers machten sich daran, den Menschen wieder etwas Kommunikation zu ermöglichen über ein speziell überwachtes Netzsystem. Standbilder und Bewegtbilder aller 10 Milliarden Menschen luden sich regelmäßig von selbst "hoch", generiert durch die Überwachungsbilder in Echtzeit. Jeder und Jede konnten allen in den Wohnraum sehen. Es gab sogar eine Chatfunktion. So konnte man Regimegegner sofort ausmachen und "Gedanken" mitlesen. Die Menschen waren so abgestumpft, dass es ihnen Freude bereitete, sich im neuen Netz blankzumachen. Egal wo. Aufm Klo, im Bett, einfach überall. Fortbewegen, außerhalb eines bestimmten Radius (nach dem Muster einer alten, arabischen Religion, wo es Frauen damals nicht erlaubt war, sich mehr als 12 km weit vom Wohnort zu entfernen) durften nur noch die arbeitenden Menschen. Auch Kultur und Reisen waren dieser "Elite" vorbehalten. Dadurch wurde die Welt zu einem "Riesenzoo" für diese Klientel.

GEZ bekommt neuen Namen


Die ehemalige Gebühreneinzugszentrale qualifizierte sich über Jahrzehnte zu einer herausragenden Fachbehörde. Sie schaffte es in der Vergangenheit, von jedem Menschen Geld einzuziehen ohne Beweis der "Rechtmäßigkeit" (ob Menschen noch lebten oder je ein Empfangsgerät besessen hatten). Da die Elite so reich geworden war und man den restlichen Menschen suggerieren wollte, diese Elite sei an der Gemeinschaft beteiligt durch Abgaben, übergab man diesen Profis das "Amt: Gewissenfreikaufeinzugszentrale" (GFkEzZ). Schließlich kostete es viele nahrungsähnliche Speisen, die bezahlt werden mussten. Zudem mussten soziale Unruhen verhindert werden. Man munkelte, dass die Methoden nicht menschwürdig waren, jedoch wer es laut äußerte, konnte seinen Status innerhalb von Minuten verlieren und landete ebenfalls in einer der "Dissycities". Bis heute drang nicht nach außen, was die arbeitslose, eingesperrte Klientel mit den ehemaligen Eliten tat, wenn sie, nun mittellos, dort eintrafen.

Die neue Religion


Religionen, wie wir sie aus der Vergangenheit kannten, waren über die Jahre abgeschafft worden. Viele, junge Menschen wussten nicht einmal mehr, dass es sie gegeben hatte und was sie bedeuteten. Die Religion der neuen Gesellschaft war Liebe. Das mochte verwunderlich klingen, war aber einer der Erfolgsfaktoren, um wieder mehr Kinder zu zeugen. Schließlich fehlte es zunehmend an jungen Menschen und die Welt war mit zu alten und unproduktiven Lebewesen überbevölkert. Einmal im Monat wurden die "Liebeshäuser" geöffnet, um dort die Liebe anzubeten und in einem kontrollierten Akt enden zu lassen. Die moderne Medizin entnahm anschließend die Föten, um sicherzugehen, dass sie auch überlebten. Zudem war es zu aufwändig, Schwangere zu betreuen. Liebe sei Dank verjüngte sich sehr langsam, aber stetig die Bevölkerung, und durch mutierten Krebs und erlaubte Sterbehilfe minimierte sich langsam die alternde, unproduktive Bevölkerung. Dieses regulierte die einzig übriggebliebene Medizinversicherungsgesellschaft. Sie wurde zur Ethik- und Moral „GmbH und Co KG IG Kommandit“ usw. Gesellschaft.

Fortschritt tötet


In den "Elitecities" herrschte Schlaraffenlandstimmung. Es gab alles im Überfluss. Energie lieferte ein neu entdeckter Stoff, den man der Sonne entzog. Die Strahlung war hunderttausendmal höher als die von der alten Atomtechnik, aber man hatte es gut im Griff. Eines Tages, als ein Gesteinsbrocken aus dem All versehentlich angezogen wurde und in eines der Kraftwerke einschlug, setzte es mutierte Viren frei, die zuvor niemand entdeckt hatte. Das sorgte für Chaos, und viele der Eliten starben daran. Schnell verlegte man die "Dissycities" in die verseuchten Gebiete und riegelte diese hermetisch ab. Nur so konnten 50 % der Menschheit überleben, und das System brach zeitweilig zusammen.

Das Internet funktioniert noch

Ich wachte schweißgebadet auf, schaute auf mein Smartphone und in meinen Laptop. Als erstes entfernte ich meinen Facebookaccount und alle anderen Mitgliedschaften. Dann rief ich meine realen Freunde an und sagte einfach: "Bald ist Wahl. Lasst uns überlegen, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen." ...

© Amina Runge | Veröffentlicht unter CC 3.0 Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung | Creative-Commons-Lizenz Attribution-ShareAlike

Impressum

Texte: CC 3.0 Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung
Bildmaterialien: Copyright liegt bei der Autorin
Lektorat: Rami
Übersetzung: Deutsch
Tag der Veröffentlichung: 15.10.2012

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