Das Karriere-Schwein
Das Karriere-Schwein kommt meist als Ferkel ins Büro. Es ist flink, schlank und niedlich, und jeder ist bestrebt, es zu beschützen und zu behüten. Aber es ist auch als Ferkel schon ein Allesfresser und ständig auf der Suche nach Nahrung. Sein Lieblingsfutter sind Informationen, deren Gewicht bei Karriere-Schweinen in „karrier“ gemessen wird. So schnüffelt es sich durch alle Büros, nimmt die Gerüche der Mitarbeiter auf und erkennt zielsicher, welche Kollegen die karrier-reichsten Futterquellen bieten. Hier setzt das Karriere-Schwein an. Zielsicher wedelt es mit dem Ringelschwänzchen, setzt seinen Charme ein und frisst und schleckt jeden Atemhauch, jede Sprechblase sofort auf, selbst vor Rülpsern und anderen Körperausscheidungen macht es nicht halt, wenn sie vom richtigen Mitarbeiter kommen. Es erweist sich als möglichst gelehrig und erfüllt Anweisungen so schnell es kann. Eventuelle Lücken im Intellekt gleicht das Karriere-Schwein durch schleimtropfende Fragen, z. B. nach dem persönlichen Empfinden, aus oder durch Nachplappern von Floskeln oder Aussagen, die es mit ihren großen Schweineohren aufgeschnappt hat. Schon nach wenigen Wochen hat sich das Karriere-Schwein unentbehrlich in der Chefetage gemacht und ist 10000 karrier schwerer geworden. Zu den normalen Kollegen ist das Karriere-Schwein sehr freundlich und bescheiden, denn es hat ständig Hunger und frisst begierig alle Informationen geschäftlicher oder auch privater Natur, die die vertrauensseligen Kollegen bereitwillig hergeben. Das Karriere-Schwein hat jede Menge Speicherplatz für solche Informationen, die dann bei Bedarf hervorgeholt und bei entsprechenden karrier-reichen Vorgesetzten – gern auch etwas
verfälscht – ausgestreut werden. Dafür gibt es dann Streicheleinheiten und Leckerlis (z. B. in Form von Prämien oder Gehaltserhöhungen) vom Chef.
Wenn das Karriere-Schwein ca. 50000 karrier zugenommen hat, wird es eng im Büro, und es hängt ein Schild an die Bürotür „Alles muss raus“. Die Ladenhüter unter den Kollegen werden dann mit Hilfe der gespeicherten Informationen als Erste aussortiert, und das Karriere-Schwein wechselt das Schild gegen ein anderes aus:
„Wir haben reduziert“.
Nun hat das Karriere-Schwein die alleinige Macht im Büro. Alle Informationen landen direkt bei ihm und müssen verarbeitet werden. Das Karriere-Schwein wiegt inzwischen 100000 karrier und ist ein wenig träge geworden. An dieser Stelle entscheidet sich das Schicksal der Karriere-Schweine. Die mit dem etwas geringeren Intellekt erleiden einen Herzinfarkt, Schlaganfall, oder die Familie bricht auseinander. Das Karriere-Schwein nimmt soviel ab, dass im Büro wieder Platz ist für ein neues Ferkel …
Die andere Hälfte, die mit dem größeren Intellekt, verlässt das Büro zugunsten eines größeren Raumes, wahlweise in großen Banken, in der Wirtschaft oder Politik
Dort bleiben sie, bis sie ca. 500000 karrier wiegen. Dann werden sie geschlachtet.
Das Innenleben in Form von vielen karrier-reichen Informationen wird weiter verarbeitet, sehr gern z. B. auf dem Buchmarkt in Form von Biografien.
Tag der Veröffentlichung: 15.01.2012
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