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10 Jahre zuvor

Leise pfiff der Wind. Vöglein zwitscherten. Blätter raschelten.

Wärme umgab mich und breitete sich mit einer dicken Gänsehaut über meinen ganzen Körper aus.

Mein Herz pochte und meine Knie zitterten. Ich biss mir sanft auf die Unterlippe.

Abrupt packte mich eine unfassbar kraftvolle Starre und ich bewegte mich keinen Millimeter mehr. Doch ich sah dich ganz genau vor mir.

Deine atemberaubenden rehbraunen Augen. Deine kurzen gegelten Haare. Deine Grübchen, die sich tief in deine Wangen gruben, während du mit der Sommersonne um die Wette strahltest.

 

Jedoch veränderte sich deine Haltung schlagartig …

 

Deine Mundwinkel zuckten und auch dein Körper zitterte. Du zittertest nicht nur, du bebtest. Es wackelte und schlackerte.

Vor Aufregung? Vor Nervosität? Vor Angst? Eine Antwort blieb dennoch aus.

Ein leichter Hauch von Schweiß bildete sich auf deiner Stirn und du rutschtest urplötzlich eine Etage tiefer. Deine Knie berührten das knarrende Holz des Bootes. Du hieltest dich dennoch wacker.

 

Und dann …

 

Zögerlich, aber zärtlich packtest du meine Hand.

Die Deine vibrierte wie Espenlaub, kaum kontrollierbar.

Du schautest mich an. Angst spiegelte sich in deinen Augen wieder. Dennoch funkelten sie, wie ein sternklarer Nachthimmel.

Dein Grübchenlächeln, welches ich so liebte, wisch, stattdessen bildete sich eine ernste Miene. Deine Stirn legte sich kaum merklich in samtweiche Falten und deine Augenbrauen verzogen sich zu einer geraden Linie.

Man sah dir an, du wolltest etwas sagen. Worte brannten dir auf der Seele und wollten hinaus. Du versuchtest sie zu formen und gleichzeitig holtest du etwas aus deiner Hosentasche heraus. Jedoch wollte es nicht so, wie du es gerne gehabt hättest.

Du wackeltest. Du zucktest. Du wipptest.

 

Dann geschah es …

 

Binnen weniger Sekunden später gab es ein lautes Geräusch – platsch.

Wasser spritzte. Wasser wurde verdrängt und Wasser machte uns beide Nass.

Du brachtest das Boot dazu, uns einfach über Bord zu schmeißen. Festhalten unmöglich.

Ausweichen undenkbar.

Wir waren Nass, Nass bis auf die Knochen.

Luft schnappend tauchten wir auf. Orientierungslos schauten wir beide in alle Richtungen.

 

Bis sich unsere Blicke trafen …

 

Der Funken sprang sofort über. Wir lachten herzlich auf und schwammen zu unserem Gegenüber.

Sanft berührten sich unsere Körper. Du nahmst mich eng umschlungen an dich heran und blicktest mir tief in die Augen.

Sie durchbohrten mich. Sie fesselten mich. Sie wollten mich.

Es passte zuvor schon kein Blatt Papier mehr zwischen uns, aber du drücktest mich noch näher an dich heran. Unfassbar, aber wunderbar.

Dein warmer Atem berührte jeden Millimeter meines Halses. Obwohl das kalte Nass um uns herum uns hätte frösteln können, überzog eine wohlig, warme Gänsehaut meinen Körper.

 

Nach einer endlos erscheinenden Ewigkeit fandest du endlich die Worte, die du zuvor vergebens suchtest …

 

»Ich liebe dich. Ich begehre dich. Und ganz besonders: Ich will dich«, zaghaft legtest du während des Flüsterns eine Pause ein, welche aber nicht lange andauerte.

»Du bist mein Leben, meine Liebe, mein Verstand. Ohne eines davon kann und will ich nicht leben.«

Berauschende Stille kehrte ein. Wieder bemühtest du dich nach dem besonderen Etwas aus deiner Hosentasche zu greifen und wurdest voll einst belohnt.

 

Nenne es Vorahnung. Nenne es siebten Sinn. Nenne es – ein Vöglein hatte zuvor zu laut gezwitschert …

 

»Ja, ja ich will!« Meine Antwort auf deine nicht ausgesprochene Frage.

Ich wusste es einfach. Ich hatte es geahnt, aber auch irgendwie gewollt.

Und ein Leben ohne dich wollte, mochte und konnte auch ich nicht leben!

10 Jahre danach

»Ich würde es heute genauso machen, wie damals. Ich würde dich auf eine romantische Bootsfahrt einladen, mit dir einen ruhigen Platz suchen, dir tief in die Augen blicken und dich abermals fragen …

… Willst du mit mir alt werden? Unseren Enkeln von der Veranda aus beim Spielen zu sehen? Und jeden Abend seelenruhig neben mir einschlafen?«, wieder hauchte er mir dir Worte sanft in´s Ohr, so wie er es vor genau zehn Jahren schon getan hatte.

»Eine tolle Erinnerung, ein toller Tag und ein wundervoller Mann an meiner Seite. Und auch ich würde es genau so, wie damals machen. Ich würde deine Nackenhaare kraulen, dir stillschweigend zu hören und dir schlussendlich, noch bevor du überhaupt fragen konntest, mit Ja antworten.«, abermals sah ich ihm tief in die Augen und fühlte mich wohler den je.

 

Doch nicht alles hat ein Happy End …

 

Zittrig, wie auf Pudding laufend, stand ich an seinem Krankenbett, welches auf dem lang gezogenen Flur vor den Operationssälen stand. Heiße Tränen laufen unaufhörlich über meine Wangen. Aufhalten? Unmöglich! Ein letztes Mal erinnerten wir uns beide an jenen Nachmittag, an dem wir überglücklich das Band zweier liebender Menschen geknüpft hatten, bevor er letztendlich die letzten Worte vor seiner schweren Herz – OP in mein Ohr flüsterte.

»Ich liebe dich, ich begehre dich und ganz besonders: Ich würde dich immer wieder heiraten wollen.«

 

Nenne es Vorahnung. Nenne es siebten Sinn. Nenne es – ein Vöglein hat zuvor zu laut gezwitschert …

 

Doch ich wusste genau, dass es die letzten Worte waren, die du mir in´s Ohr flüstern würdest.

Ruhe in Frieden mein geliebter Ehemann 

Impressum

Bildmaterialien: http://www.deviantart.com/art/A-boat-and-the-lake-173299197
Tag der Veröffentlichung: 20.11.2013

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