Das Königreich Zarador, einst ein reiches, blühendes Gebiet, trocknet allmählich aus und verwandelt sich langsam in eine Wüste. In dieser Situation, in der die Menschen zunehmend verarmen, ist der Wettbewerb um die wenigen verbliebenen Reichtümer sehr hart geworden. Der junge Arped, einst ein wohlhabender Kaufmann, ist eines der Opfer dieses gnadenlosen Kampfes. Verzweifelt und heimatlos irrt er jetzt auf der Suche nach seiner jungen Frau durch das ausgedörrte Land. Da hört er von einem geheimnisvollen Tal in der Wüste und schlägt alle Warnungen in den Wind ...
Müde lenkte Arped seine Stute nach Osten, dorthin, wo er das geheimnisvolle Tal in der Wüste zu finden hoffte. Ob er dort eine Spur seiner Familie finden würde? Tränen traten in seine Augen, als ihm Desira, seine junge Lieblingsfrau, in den Sinn kam.
Was war nur aus ihr und ihrem Kind geworden? Und wo waren seine anderen Frauen, seine Verwandten? Verzweifelt ballte er die Fäuste. Er wäre doch schon zufrieden gewesen, hätte er nur Desira und ihr gemeinsames Kind gefunden.
Vor sieben Monden war es geschehen: Er war von einer längeren Handelsreise zurückgekehrt und hatte sein Haus von Fremden bewohnt vorgefunden. Die Obrigkeit hatte seinen gesamten Besitz beschlagnahmt. Und seine Dienerschaft, seine Angehörigen, all die Menschen, die er liebgewonnen hatte, waren spurlos verschwunden.
Seitdem war er ruhelos durch das Land gezogen. Aber nirgends hatte er auch nur den geringsten Hinweis auf den Verbleib seiner Angehörigen finden können.
Nahezu blind vor Tränen, trieb er seine Stute zu schnellerer Gangart an. Doch plötzlich begann das Pferd aufgeregt zu schnauben, scheute und blieb schließlich mit hängendem Kopf stehen.
Verwundert blickte Arped hoch. Doch erst, nachdem sich sein Blick geklärt hatte, erkannte er den Grund für das merkwürdige Verhalten seines Reittiers: Nur wenige Schritte vor den beiden gähnte ein gewaltiger Abgrund, der so groß war, dass sein jenseitiger Rand im bläulichen Morgendunst kaum erkennbar war.
In seinem Kummer hätte er sich und sein Pferd um ein Haar ins sichere Verderben getrieben. Aber die treue Stute hatte ihn auch dieses Mal nicht im Stich gelassen. Dankbar tätschelte er den Hals des Tieres und stieg aus dem Sattel. „Meine Morgenröte“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ohne deine Hilfe lägen wir beide jetzt zerschmettert dort unten.“
„Aber auch aller Kummer und alle Mühsal hätten dann ein schnelles Ende gefunden“, seufzte er und seine Augen füllten sich abermals mit Tränen. „Nein!“, rief er dem Tier schließlich mit neu gewonnener Kraft zu. „So lange mir die Götter erlauben zu leben, so lange werde ich nicht ruhen, bis ich meine junge Frau und unser gemeinsames Kind gefunden habe!“
Vorsichtig näherte er sich der Steilkante, wich jedoch erschrocken zurück. Ohne Übergang, wie mit einem schartigen Messer abgeschnitten, fiel die Felswand nahezu lotrecht in Schwindel erregende Tiefe. Aber dicker, gelblicher Nebel verdeckte die Sicht auf den Grund des Tals.
Und als wäre er lebendig, wallte der Nebel auf, formte groteske Figuren und begann, an der steilen Felswand emporzukriechen. Und immer wieder streckte er bleiche Finger in die Höhe, die mit zunehmender Länge durchscheinend wurden. Doch ehe sie den Rand des Tals erreichten, sog die wabernde Masse ihre Ausläufer wieder auf.
Zögernd riskierte Arped einen zweiten Blick in den Abgrund. Dunkle Schatten huschten über die Oberfläche des Nebels, überkreuzten und brachen sich, um danach ihren Weg in anderer Richtung fortzusetzen. Seine Vorstellung gaukelte ihm dämonische Fratzen vor, die höhnisch grinsend darauf warteten, ihn zu verschlingen.
Schaudernd trat er wieder ein Stück von der Kante
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Anton Heinzinger / Otto Förster
Bildmaterialien: Covergestaltung: T. Anzinger, Coverbilder; loya_ya.Fotolia.com; antonel - Fotolia.com.
Tag der Veröffentlichung: 22.08.2013
ISBN: 978-3-7309-4504-9
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