Es war einer dieser kalten, grauen Herbsttage, Ende Oktober. Dieses Jahr, würde es bis zum ersten Schnee nicht lange dauern denn schon jetzt, roch die Luft nach Winter. Nachts war es eiskalt und am Morgen, hatten die Pfützen knirschende ,dünne Eisdeckel. Merkur schob schniefend seine Nase unter der Wolldecke hervor.. ,,Du hast es gut, alter Freund. Dir macht diese Hundekälte, nicht ganz soviel aus wie mir.'' Der alte Mann tätschelte seinem treuen Begleiter den Kopf. Merkur stubste die Hand mit seiner feuchten Nase weg. ,, Oh nun sei mir nich böse wegen dem kleinen Wortspiel'', sagte der Alte und entblöste grinsend ein paar gelbe Zahnstummel. ,,Na dann komm mal mit, du hast sicher Hunger.'' Schlurfend, marschierte er in die Küche seiner winzigen Zwei-Zimmerwohnung. Merkur wartete geduldig, bis der Fressnapf gefüllt war und machte sich anschließend über sein Frühstück her. Es war ganz still hier und nur das zufriedene leise Schmatzen von Merkur war zu hören. Der alte Mann mochte diese Zeit. Ehe der Trubel des Tages losging und er seinem Tagewerk nachgehen musste, waren das immer die friedlichsten Momente. Er hatte kein leichtes Leben denn die magere Stütze vom Staat ,die dem Begriff Rente spottete, reichte nur knapp zum Überleben. Er war jetzt 78 Jahre alt und die letzten dreiundzwanzig davon, hatte er alleine verbracht. Seine Frau Emma, schon lange tot. Kinder, gab es nicht und somit auch keine Enkel. Nur Merkur war da, der treue alte Merkur. Er tätschelte dem Hund erneut den Kopf. Dann tappste er ins Bad, wusch sich gründlich das Gesicht und schrubbte mit einer ausgefransten Zahnbürste, die sicher auch schon bessere Tage gesehen hatte, seine übrig gebliebenen Zähne. Er schlüpfte in die ausgebeulten Hosen, stopfte das Hemd in den Bund und schob die Hosenträger über die mageren Schultern. Weil er ständig an kalten Füßen litt, hatte er die Socken schon gestern Abend angezogen, als er zu Bett ging. Es war ja keiner da, der deswegen mit ihm schimpfen konnte und Merkur, war es egal. Der Alte zog sich Jacke und Stiefel an, Pfiff nach Merkur und machte sich auf den Weg zu seinem Trödelladen. Unterwegs besorgte er sich beim Bäcker an der Ecke zwei belegte Brötchen und einen Kaffee zum mitnehmen. Er würde im Laden frühstücken denn so zeitig am Morgen, käme sowieso niemand auf die Idee, ihn dort zu besuchen. Nach etwa 10 Minuten Fußmarsch, hatte er sein Ziel erreicht. Er drehte den Schlüssel im Schloss und das kleine ,,Wir haben geöffnet ''- Schild. In seinem Laden befanden sich einige Schilder. Große, kleine, alte mit bereits rostigen Rändern und ganz neue, glänzende. Der ganze Laden war damit vollgestopft. Einer Leidenschaft nachgebend, hatte er vor vielen Jahren damit angefangen, sie zu sammeln. Ab und zu kam ein Kunde herein, der sich dafür interessierte und manchmal, verkaufte er ein paar Exemplare davon. Die Schilder stammten von überall auf der Welt. Aus Holland, England, und sogar aus Amerika. Seine Frau hatte immer scherzend zu ihm gesagt, dass er doch lieber Briefmarken sammeln sollte, weil diese sich leichter verstauen lassen würden. Ach ja seine gute Emma. Die ersten Jahre nach ihrem Tod waren die schlimmsten für ihn. Er wäre ihr am liebsten sofort gefolgt doch das Leben, hatte offenbar andere Pläne mit ihm. Er verkaufte das Haus, mietete den kleinen Laden um einen Platz für seine Sammlung zu haben, und nun saß er hier, hing der Erinnerung an ihr gutmütiges Lachen und ihren stets tadelnden Blick nach und holte seinen besondersten Schatz hervor. Ein kleines von Staub bedecktes Kästchen mit silbernen Beschlägen an den Rändern. Eine Träne rann über sein Gesicht als er es schließlich öffnete. Der Alte wickelte sorgfältig das vergilbte Zeitungspapier ab und hielt ein kleines rechteckiges Schild in der Hand. Mit den Jackenärmel, wischte er über die feuchten Augen um klarer sehen zu können. ,,Wie lange ist das jetzt her, 60 Jahre? , Merkur, damals warst du noch gar nicht auf der Welt.'' Der Hund hob kurz den Kopf und rollte sich dann in seiner Ecke zusammen. Sein Interesse galt nur seinem Namen. 60 Jahre waren eine lange Zeit. Der Alte hob das kleine Schild vor sein Gesicht und lächelte sanft vor sich hin. ,, Ach Emma, warum hast du denn nicht auf mich gewartet. Nun bewahre ich dieses Schild schon so lange auf.'' dachte er. Er wickelte es wieder ein und schon es in seine Jackentasche. Hier im Laden stand es sowieso nur herum. Der Tag verging und als der Alte am Nachmittag seinen Laden abschloss und sich auf den Weg machte, war er noch immer in seinen Gedanken bei Emma. Merkur kannte den Weg schließlich auch und würde ihn schon heil nach hause bringen. Da war sie wieder die leere Wohnung. Emma würde jetzt mit dem Essen auf ihn warten. Doch sie war nicht da, schon seit 23 Jahren nicht mehr. Da der Kühlschrank so gut wie leer war, musste er wohl oder übel noch mal raus. Ein paar Eier, Speck und Brot und er könnte sich eine kleine Mahlzeit zubereiten. Merkur, lief schon voraus zur Tür. Bis zum Laden waren es nur ein paar Schritte und die Verkäuferin kannte den Alten gut. Als er durch den Laden ging und seine Zutaten sammelte war es ihm als streife ein bekannter Geruch seine Nase. Emma's Parfüm. Aber das kann doch unmöglich sein, dachte er. Er drehte sich suchend um und dann sah er sie. Seine Emma. Sie stand draußen vorm Laden und lächelte ihn durch die Scheibe an. Er griff sich ans Herz und brach zusammen. Die Verkäuferin hastete auf ihn zu.,, Einen Krankenwagen , schnell der Mann hat einen Herzinfarkt''. ,, Aber das ist doch Blödsinn, ich bin glücklich'' dachte er. Er hatte keine Schmerzen , sah nur seine Emma und ihr Lächeln. Merkur fiepte und bellte, sicher freute er sich, Emma kennenzulernen. Emma war bei ihm und er legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Alles war gut. Etwa eine Woche später fielen dichte Schneeflocken vom Himmel. Der kleine Friedhof am Rande der Stadt war schon über und über mit einer zentimeterdicken Schneedecke bezogen. Alles war so still und friedlich. Ich kam oft hier her um zu zeichnen. Ein besonders schönes Grab mit einem steinernen Engel und einem schlichten Holzkreuz fiel mir auf und ich beschloss, es als Vorlage für meine Skizze zu verwenden. Auf dem Kreuz war ein silbernes kleines Schild angebracht . Ich wischte den Schnee beiseite um die Inschrift lesen zu können. Hier ruhen in tiefen Frieden , die Eheleute Heinrich und Emma Kramer, vereint in alle Ewigkeit.
Ende
Tag der Veröffentlichung: 21.04.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
ich widme diese Geschichte allen , die an die Liebe glauben. Es gibt ein Wiedersehen.