Ich traf dich in einer Bar an einem Donnerstagabend. Kolleginnen hatten mich eingeladen, mir mit ihnen einen kleinen Absacker nach der Arbeit zu gönnen und ich hatte zugesagt. Zu unser beider Glück, möchte ich meinen.
So saß ich an einem kleinen Tisch in der Nähe der Theke und trank genüsslich einen Cosmopolitan. Während meine beiden Kolleginnen von einem Mann schwärmten, den ich gar nicht kannte, ließ ich meinen Blick über die anderen Gäste wandern. Für einen Donnerstagabend waren es viele, doch keiner von ihnen sollte an dich herankommen. Gesehen hatte ich dich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Einige Mitarbeiter der umliegenden Firmen waren nach dem Feierabend hierhergekommen, um sich ein kühles Bier oder einen Cocktail zu gönnen, so wie auch ich. Eigentlich tat ich so etwas nicht, ging von der Arbeit direkt nach Hause, um am nächsten Morgen wieder eine der ersten zu sein. Mittlerweile hatte ich die Verantwortung für einen Praktikanten und einen Studenten, da durfte ich mir, in den Augen meines Chefs, keine Fehler erlauben. Und meinem Chef glaubte ich jedes Wort. Er war streng, doch wenn man seine Arbeit zügig und sorgfältig – was sich nicht immer unter einen Hut bringen ließ – erledigte, konnte man in seinem Ansehen einen gewaltigen Sprung nach vorne machen. Ich wollte nicht sagen, dass ich karrieregeil war, doch mein Job war mir schon wichtig.
Doch tat es trotzdem mal wieder wirklich gut, sich unter anderen Menschen wiederzufinden. Ich trank meinen Drink, doch dieser neigte sich bereits dem Ende zu, während die anderen zwei Gläser auf unserem Tisch noch mehr als halbvoll waren. Ich seufzte leise, da ich nicht das Gefühl hatte, schon mit diesem Drink fertig zu sein. Da auf mich aber am kommenden Tag noch die Arbeit wartete, musste es wohl oder übel für diesen Abend reichen.
Ich nahm mein Glas und ging zur Bar, weil ich mir etwas Alkoholfreies bestellen wollte. Durch die vielen Menschen hier, dauerte es eine ziemlich lange Zeit, bis ich an der Reihe war, doch ehe ich meine Bestellung abgeben konnte, stellte der Barkeeper einen weiteren Cosmopolitan vor mir ab. Verwirrt blinzelte ich den Barkeeper an, doch dieser lächelte nur und wollte sich schon wieder abwenden.
„Entschuldigen Sie, das habe ich gar nicht bestellt“, sagte ich und deutete auf den Drink, der mich mit seiner roten Farbe verführerisch anlächelte.
„Ich weiß“ sagte er, „ist von dem Herren dort drüben.“ Er zeigte mit dem Finger über seine Schulter und erst da sah ich dich. Du gefielst mir auf Anhieb, warst kein Schönling, der mehr auf sein Äußeres achtete, als auf das, was er verbal von sich gab, dass erkannte ich sofort. Nein, du zogst meinen Blick sofort auf dich. Deine stahlblauen Augen fielen mir sofort auf, ruhten sie doch unablässig auf mir. Unweigerlich musste ich lächeln und hob als Dank meinen neuen Drink, denn ich wollte nicht unhöflich dir gegenüber sein. Ich nahm einen Schluck, konnte mich aber die ganze Zeit über nicht von diesem durchdringenden Blau losreißen. Dein Lächeln war charmant, dein dunkelbraunes Haar sehr gepflegt, ebenso wie der schwarze Anzug, den du trugst. Der Schatten eines Drei-Tage-Barts lag auf deinem Gesicht und bescherte dir etwas Verruchtes, was mir gefiel.
Ich konnte nichts dafür, doch ich fühlte mich gleich von dir angezogen. Nicht sofort körperlich, auch wenn das sehr schnell gehen konnte, nein du gefielst mir einfach so, wie du warst. Ich schenkte dir ein Lächeln und trank einen weiteren Schluck um meinen trockenen Mund zu befeuchten. Dann warf ich einen Blick über meine Schulter zu meinen beiden Kolleginnen, doch diese waren noch immer in ihrem Gespräch vertieft, dass sie wohl gar nicht wirklich mitbekommen hatte, dass ich vom Tisch aufgestanden war. Also war es wohl auch kein Problem für sie, wenn ich mich auch mit jemandem ein wenig unterhielt. Als ich mich dann wieder in deine Richtung drehte, warst du verschwunden. Etwas irritiert sah ich mich um, doch du warst nirgends zu sehen. Enttäuschung machte sich in mir breit.
Was war das denn bitte für ein Auftritt? Wieso gab mir jemand etwas zu trinken aus, um danach einfach so zu verschwinden? Das musste ein schlechter Scherz von dir gewesen sein.
„Entschuldigen Sie, das hier soll ich Ihnen geben“, sagte der Barkeeper plötzlich zu mir. Er stand direkt vor mir und schob mir etwas zu. Dezent legte ich meine Hand über die Serviette, auf der ich nicht mehr lesen konnte, als den Namen der Bar.
Ich bedankte mich bei ihm, doch eigentlich verwirrte mich das nur noch mehr. Ich ließ die Serviette in meine Tasche gleiten und wandte mich dann von der Bar ab.
Ich hatte genug von diesem Abend, stellte ich fest und verabschiedete mich von meinen Kolleginnen. Sie würden wohl noch ein bisschen bleiben, also nahm ich den nächsten Bus, der mich bis knapp vor meine Wohnung fuhr. Dort angekommen zog ich als erstes meine Schuhe aus. Nach einem langen Arbeitstag taten meine Füße meistens weh, dann genoss ich es, barfuß über die kühlen Fliesen in Küche und Bad zu gehen. In meiner Wohnung war es meist ein wenig unordentlich, aber nicht dreckig. Das war ein wesentlicher Unterschied, wie ich fand. Ich hatte einfach nicht immer die Zeit, alles sofort wieder an seinen Platz zu räumen, aber ich wusste trotzdem immer, wo alles war.
Ich schwebte geradezu in mein kleines aber gemütliches Badezimmer und stieg unter die Dusche. Ein Ritual, welches ich jeden Tag nach der Arbeit pflegte, denn erst danach konnte ich wirklich abschalten und entspannen. Mit einem Handtuch um die Haare gewickelt und einem Bademantel, der meinen Körper umschlang, verließ ich das Bad und wollte in die Küche, als mein Blick auf meine Tasche fiel. Die Serviette kam mir in den Sinn und ich verlor keine Minute, um sie aus der Tasche zu fischen. Im ersten Moment hatte ich mehr erwartet, doch die Serviette war einfach nur weiß und sauber. Ich faltete sie auseinander, als ein kleines Kärtchen zu Boden fiel. Neugierig hob ich es auf und las:
Melden Sie sich bei mir, wenn Sie Interesse an einem einmaligen, unvergesslichen Erlebnis haben.
Und darunter stand dein Name.
Ich las es noch einmal. Das musste ein schlechter Scherz sein. Wieso wolltest du, dass ich mich bei dir meldete? Wir hatten schließlich kein einziges Wort miteinander gesprochen und nur ein Drink reichte dafür auch nicht aus.
Ich drehte die Karte um, da ich vermutete, dass sich dort eine Telefonnummer befand, doch dem war nicht so. Es war eine E-Mail Adresse, die auch nicht mehr preisgab als deinen Namen.
Ich war verwirrt.
Ja, du hattest mir gefallen, doch was war das bitte für eine Art, jemanden kennenzulernen?
Ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis…
Was du damit wohl meintest? Ich hatte zwar die eine oder andere Vermutung, doch so wirklich passten diese dann doch nicht dazu.
Ich legte die Karte weg und folgte meinem eigentlichen Plan, in die Küche zu gehen. Und obwohl ich mich beschäftigte, indem ich mir ein kleines Abendessen zauberte, wanderten meine Gedanken immer wieder zu diesem Kärtchen zurück. Während ich aß, lag diese Karte neben mir und zog meine Blicke wie ein Magnet an und ehe ich mich versah, saß ich vor meinem Computer und war dabei, mich bei meinem E-Mail-Anbieter anzumelden.
Doch was sollte ich schreiben?
Sollte ich überhaupt schreiben?
Unsicher schwebten meine Hände über der Tastatur. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Einerseits war das etwas vollkommen Neues, etwas Anderes und doch schrillten irgendwo in meinem Kopf kleine Alarmglocken. Ich hatte doch keine Ahnung, wer du warst… Doch eigentlich lernte man doch auf diesem Wege neue Menschen kennen.
Dann begann ich zu tippen und fügte als Anrede deinen Namen hinzu.
Vielen Dank für den Drink, doch ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, was Sie von mir wollen.
Das klang vielleicht etwas grob, doch eine bessere Formulierung fiel mir nicht ein.
„Ach was soll’s“, sagte ich und klickte auf Senden. Wahrscheinlich war es sowieso ein Fake und am anderen Ende dieser Adresse war niemand. Dann würde diese Nachricht ohnehin im Sand verlaufen und ich musste mir keine Sorgen mehr um dich machen.
Eine ganze Zeit war ich wie hypnotisiert von dem blinkenden Mauszeiger, als das Geräusch einer neuen Nachricht ertönte und mich zusammenzucken ließ.
Das ging aber verdammt schnell.
Guten Abend.
Es freut mich, dass Sie mir schreiben.
Ich wollte nur einer schönen Frau einen Drink spendieren. Ich hoffe, er hat Ihnen geschmeckt.
Die Nachricht endete elegant mit deinen Initialen.
Den Drink, den ich kaum getrunken habe, dachte ich und klickte auf antworten.
Um dann einfach zu verschwinden und nichts weiter zu hinterlassen als eine Karte?
Die Antwort kam genauso schnell wie zuvor.
Ja.
Ich seufzte entrüstet. Du warst wohl ganz schön von dir selbst überzeugt. Und wie es aussah musste man dir auch alles aus der Nase ziehen.
Das ist ein wirklich schlechter Scherz.
Mehr schrieb ich nicht. Nach dem Absenden wartete ich noch einen Moment, doch als nichts kam, wollte ich mich schon wieder ausloggen, da ertönte das vertraute Geräusch. Du sprachst mich schon mit meinem Vornamen an.
Das ist kein Scherz.
Sie haben die Karte gelesen, nicht wahr? Also scheinen Sie es doch ernst zu nehmen. Ich, jedenfalls, meine es ernst.
Haben Sie Interesse an einem unvergesslichen Erlebnis, welches ich Ihnen bieten kann?
Meinen eigenen Namen zu lesen, ließ ein unbehagliches Gefühl an meinen nackten Füßen hinauf kriechen, doch als mein Blick so über den Bildschirm wanderte, bemerkte ich, dass ich von meiner normales Adresse aus geschrieben hatte und diese enthielt nun einmal meinen Namen.
Und was für ein Erlebnis soll das sein?
Die Antwort bestand nur aus zwei Worten:
Ein Erotisches.
Ich schluckte. Meine Haut prickelte mit einem Mal, als wäre sie höchst sensibel und meine Atmung beschleunigte sich. Ich presste unbemerkt die Beine zusammen.
So etwas hatte ich noch nicht erlebt.
Ich schrieb zurück.
Und so ein Angebot machen Sie einer wildfremden Frau?
Entschuldigen Sie, aber ich kenne Sie überhaupt nicht.
Mir wurde ganz kalt, weil mir ein so intensiver Schauer über den Rücken rannte, dass ich zitterte. Kurzerhand stand ich auf und ging zurück ins Bad um mich etwas wärmer anzuziehen. Noch während ich dabei war, kam die nächste Antwort.
Das können wir ändern.
Was möchten Sie wissen?
Da war ich sprachlos. Eines musste ich dir aber zugestehen: Du warst hartnäckig und das hinterließ doch ein bisschen Eindruck. Mir war klar, dass ich auch aufhören konnte, mit dir zu mailen, doch es prickelte zu sehr, war zu spannend, als dass ich einfach aufhören wollte. Dass ich mit dir schrieb hieß ja nicht, dass ich mich gleich mit dir im Bett vergnügen würde. So etwas tat ich nicht, denn es war mir meist zu unsicher.
Erzählen Sie mir etwas über sich.
Das war zwar mehr eine Forderung als eine Frage, aber ich wollte nicht zu leicht auf dieses Spiel eingehen.
Die Antwort dauerte dieses Mal ein bisschen länger und als ich sie sah, wurde mir auch klar, warum. Du stelltest dich mir vor, schriebst mir deinen vollen Namen und auch dein Alter. Du warst sieben Jahre älter als ich selbst. Des Weiteren warst du nicht verheiratet, denn das wäre für mich ein No-Go gewesen.
Ich las die Mail weiter.
Das sollte Sie beruhigen und wie ich aussehe, wissen Sie ja bereits. Ich bin Marketing-Leiter, habe viel mit Menschen zu tun und habe gelernt, sie richtig einzuschätzen und zu deuten. Ich habe Sie und ihre Freundinnen in der Bar gesehen, doch sind nur Sie mir wirklich aufgefallen. Ich habe ihre Entschlossenheit gesehen, ganz kurz, bevor ich gegangen bin. Ihre Verlegenheit, als ich Ihnen den Drink spendiert habe und dann Ihr Interesse.
Wow. So hatte ich mich selbst noch nie gesehen. Du konntest mit Worten umgehen und du schmeicheltest mir auf eine Art, die mir gefiel. Nicht so plump, wie manch anderer, sondern mit Klasse. Meine Haut begann erneut zu prickeln, doch dieses Mal war es weitaus angenehmer.
Meine Enttäuschung und Verwirrung haben Sie wohl verpasst.
Ich biss mir auf die Lippe, weil ich deine Antwort kaum erwarten konnte. Ich musste zugeben, dass es mir Spaß machte.
Ich konnte es mir vorstellen.
Also, denken Sie über mein Angebot nach?
Oh, das Angebot. Ein einmaliges und unvergessliches Erlebnis, doch du hattest mir immer noch nicht erzählt, worum es sich dabei handeln sollte.
Wenn Sie mir verraten, was sich dahinter verbirgt?
Ich war aufgeregt, was für einen Plan du mit mir hattest. Welchen erotischen Plan…
Ich biete Ihnen einen Tag, an dem ich Ihnen sehr vieles geben werde. 24 Stunden, in denen ich Sie in eine Welt voller Romantik, Sinnlichkeit und neuer Grenzen eintauchen lasse. Zärtlichkeit, Vertrautheit, die Sie noch nie in einer solchen Weise mit einem nahezu Fremden erlebt haben. Es wird Ihnen an nichts fehlen und Sie können jederzeit gehen, das verspreche ich Ihnen, doch wenn Sie mir diese 24 Stunden ihres Lebens schenken, werden Sie es nicht bereuen.
Trauen Sie sich, ein Erlebnis zu wagen, welches Sie nie vergessen werden.
Ein heißer Schauer schoss mir nur bei diesen Worten direkt zwischen die Beine. Ich klammerte mich an meinem Schreibtisch fest und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Ich japste nach Luft und presste die Beine zusammen. Ich war mir sicher, wenn ich diesen Text noch einmal lesen würde, würde es mir den Rest geben und ich wäre hilflos verloren in einer verzehrenden Lust.
Ich schluckte und hob die zittrigen Hände zur Tastatur um dich direkt mit deinem Namen anzusprechen.
Sie versprechen da ziemlich viel.
Oh mein Gott, ich dachte bereits darüber nach. Es war, als würde eine tiefe, männliche Stimme diese Worte zu mir sagen und mein Kopf erstellte das dazu passende Szenario. Mir war noch immer so heiß, dass ich das Gefühl hatte, eine weitere Dusche zu brauchen.
Und ich werde alles davon einhalten.
Ich atmete tief durch. Was sollte ich jetzt tun? Mein Verstand sagte mir, dass das eine blöde Idee war, doch mein Körper… hatte sich schon längst entschieden. Er verzehrte sich nach dieser Verheißung, nach dir, einem Mann, den ich doch gar nicht kannte.
Und was, wenn ich dazu ja sage?
Meine Hände zitterten so sehr, dass ich diese Frage dreimal tippen musste, bis sie richtig geschrieben war.
Dann machen Sie mich in diesen 24 Stunden zu einem sehr glücklichen Mann.
Diese Nachricht las ich zweimal, denn sie klang in meinen Ohren sehr ehrlich. Aus einem mir unbekannten Grund vertraute ich dir. Und ich wollte es. Ich wollte diesen Tag mit dir verbringen. 24 Stunden mit diesem unbekannten Mann, der mir so vieles versprach.
Einmal nicht vorher alles absichern. Einmal etwas wagen. Einfach leben, keine Rücksicht nehmen, nur einmal.
Ich ballte die Hände zu Fäusten, war so entschlossen wie lange nicht mehr. Dann tippte ich meine endgültige Antwort.
Ich bin einverstanden.
Du und ich machten einen Termin aus. Wir wählten den Samstag in zwei Wochen, denn das ließ uns beiden noch genug Zeit, um die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Damit beließen wir es für diesen Abend und ich konnte mit aufgewühlten Gedanken ins Bett gehen.
Ich hatte eine unruhige Nacht hinter mich gebracht. Erst hatte ich nicht einschlafen können, weil dieses Gespräch mit dir immer und immer wieder vor meinen Augen ablief. Dieses Angebot war einfach nur unbegreiflich. Wieso ausgerechnet ich? Wieso machtest du mir so ein Angebot? Wenn es dir nur um Sex ging, dann konntest du dir doch auch so jemanden suchen, auf normale Art. Also wieso dieser Umstand? Es musste noch mehr dahinter stecken und ich war mehr als gespannt darauf, herauszufinden, was es war. So fand ich erst Stunden später meinen langersehnten Schlaf.
Leider war die Nacht dadurch ziemlich kurz gewesen und ich folglich sehr müde, als mein Wecker am nächsten Morgen klingelte. So schleppte ich mich ins Bad, um etwa eine Stunde später pünktlich in meinem Büro anzukommen. Ich wollte nur schnell meine Mails checken und mich dann an meine Arbeit machen, als ich den Absender einer neuen Mail sah.
Sie war von dir.
Guten Morgen, meine Liebe.
Ich habe unser Gespräch gestern sehr genossen und hoffe, dass du deine Meinung nicht geändert hast.
Falls du es doch tust, ist das in Ordnung, dann hör an dieser Stelle auf zu lesen.
Wie ich dir gestern Abend schon geschrieben habe, haben wir noch ein paar Vorbereitungen zu treffen. Deshalb schicke ich dir eine Liste mit den Dingen, die du erledigen solltest, bevor wir uns treffen.
Manches wird dir eigenartig vorkommen, doch es gehört alles dazu, damit wir beide diese 24 Stunden unbeschwert und ohne Bedenken miteinander genießen können.
Es folgte tatsächlich eine Liste mit drei Punkten.
Ich sollte dir einen Bericht meines Arztes schicken, der dir versicherte, dass ich kerngesund war. Im Gegenzug würdest auch du mir einen solchen Bericht zukommen lassen. Du betontest, dass es ein Miteinander war und wir uns nur darauf vorbereiten wollten. Es sollte alles harmonisch sein und keiner von uns sollte sich selbst mit Sorgen ablenken.
Des Weiteren sollte ich ein schickes Outfit einpacken, weil wir uns in dieser Zeit wohl nicht in nur einem Zimmer aufhalten würden. Du erwähntest ein Essen in einem Restaurant, doch den Namen verrietest du mir nicht.
Und ich sollte unvoreingenommen und ohne Erwartungen an diesem Samstag um 15:00 Uhr bereit sein, denn du würdest mir einen Fahrer schicken, der mich abholen würde.
Einen kurzen Moment verwirrte mich das, vor allem der erste Punkt, doch als ich darüber nachdachte, machte es Sinn. So sollten wir uns nur absichern, dass wir gesund waren und der andere sich keine Sorgen darum machen brauchte.
Mein Herz schlug schneller.
Wenn ich nun endgültig ja zu diesem Angebot sagte, würde ich mich mit dir treffen und, so wie ich glaubte, Sex haben. Gott, es war schon so lange her, dass allein der Gedanke daran die Lust in mir aufkeimen ließ. Ich sehnte mich danach, Leidenschaft zu fühlen, mich hinzugeben und begehrt zu werden. Allein der Gedanke, mich mit diesem attraktiven Mann aus der Bar zu treffen, bescherte mir eine enorme Vorfreude. Ich sah dein Gesicht faktisch noch vor mir. Die blauen Augen und der Drei-Tage-Bart. Das braune Haar, welches geradezu zum Hineingreifen einlud und das alles hübsch verpackt in einem Anzug. Mir gefielen Männer in Anzügen und Uniformen, denn ich fand, dass jeder dadurch eine ganz besondere Ausstrahlung bekam.
Dann schrieb ich die letzte Mail an ihn.
Ich freue mich sehr auf das Treffen mit Ihnen.
Vertieft starrte ich auf den Bildschirm, als es an der Tür klopfte und mein Chef dort stand. Ich hatte völlig die Zeit und den Ort vergessen, an dem ich mich befand. Meine Güte, ich hatte zu arbeiten und mich hier nicht heimlich mit dir zu verabreden.
„Haben Sie das Protokoll fertig?“
Ich schnaufte innerlich erleichtert und drückte ihm die fertig ausgearbeitete Mappe in die Hand.
„Es ist alles da“, sagte ich lächelnd und beobachtete dann, wie er wieder verschwand. Ich setzte mich auf, straffte die Schultern und machte mich wieder an die Arbeit, konnte diesen einen Samstag aber einfach nicht aus dem Kopf bekommen. Und die zwei Woche bis dahin, sollten schneller vorbeigehen, als ich gedacht hatte.
Am Morgen dieses Tages war ich ein nervliches Wrack.
Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? Ja, ich wusste, dass du ein attraktiver Mann warst, der dazu noch völlig gesund, wie ich aus deinen Unterlagen erkennen konnte, und an mir interessiert war und doch wollte mir mein eigenes Selbstwertgefühl einfach nicht die Ruhe lassen, die ich brauchte. Wie, um alles in der Welt, sollte ich mich bis um 15:00 Uhr beruhigen?
Ich bezweifelte plötzlich, dass es eine gute Idee gewesen war.
Was, wenn wir uns nicht verstanden oder ich, wenn es dann dazu kam, trocken wie die Wüste Gobi war? Ich machte mir Sorgen, was du von mir denken mochtest, wenn ich nicht das erfüllte, was wir beide wollten, was du doch sicherlich erwartetest.
„Ruhig“, flüsterte ich und packte die Kaffeetasse in meiner Hand etwas fester.
Du hattest mich ausgewählt, also musstest du etwas an mir gesehen haben, was dir gefiel. Sonst hättest du das nie getan und mir dieses Angebot gemacht.
Um mich selbst auf andere Gedanken zu bringen stand ich auf und schüttete den kalten Kaffee weg. Es war bereits kurz vor zwölf Uhr Mittag und ich musste mich noch fertig machen, also stieg ich unter die Dusche. Nachdem ich mich sehr sorgfältig auf diesen Abend vorbereitete, trocknete ich mich ab und betrachtete mich im Spiegel. Was konntest du schon erwarten? Ich wünschte, ich könnte mit meinen Kolleginnen mithalten, denn diese beiden waren schlank und schön. Ich betrachtete mich, sah das nasse Haar, welches mir an Nacken und Rücken klebte und mir so knapp unter die Schulterblätter ging. Ich sah meine eigenen braunen Augen, das rundliche Gesicht und die nicht ganz so vollen Lippen. Weiter abwärts folgten Hals und Schlüsselbein, doch diese sah man bei mir kaum. Und auch mein Busen war nicht das, was ich mir gewünscht hatte, war dieser doch immer auf einen BH angewiesen. Erst, als mein Blick noch ein bisschen weiter nach unten wanderte, gefiel mir, was ich sah. Meine Taille war deutlich ausgeprägt, meine Hüfte breit und einladend und auch mein Hintern war eines der wenigen Körperteile an mir, die ich mochte.
Doch nichts davon hattest du von mir gesehen, also was war es, das dir an mir gefiel?
Meine Entschlossenheit, erinnerte ich mich und ganz langsam wurde ich ruhiger. Ich entspannte mich und war kurz darauf endlich bereit, mich auf diesen Abend einzulassen.
Ich wurde pünktlich abgeholt, als eine schwarze Limousine, ein gemütlicher Fünfsitzer mit einem wirklich höflichen Fahrer, vorfuhr und ich einstieg. Zwar sprachen wir nicht viel während der Fahrt, und ich war mir auch nicht sicher, ob er wusste, was du und ich vorhatten, doch er behandelte mich mit viel Respekt.
Etwa eine halbe Stunde später erreichten wir ein großes Anwesen. Ich erkannte es als eines der nobelsten Hotels der Gegend, auch wenn ich noch nie zuvor hier gewesen war. Ich bedankte mich für die Fahrt und stieg dann mit meinem kleinen Koffer in der Hand aus. Im Hotel angekommen, wusste ich erst nicht recht, was ich an der Rezeption sagen sollte, als ich auch schon angesprochen wurde.
Eine tiefe Stimme, die ich noch nie zuvor gehört hatte, rief meinen Namen, und doch wusste ich sofort, wer es war. Nur einer konnte es sein. Ich drehte mich zu deiner Stimme um und konnte ein Lächeln nicht verbergen. Ein charmantes Lächeln zierte dein Gesicht, deine Augen strahlten. Du warst ganz so, wie ich dich in Erinnerung hatte, groß und stattlich.
Doch ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass ich wieder so beeindruckt von dir war. Meine Zweifel von vorhin waren verschwunden, ich freute mich auf meine Zeit mit dir.
Du kamst zu mir, liefst locker die Treppe hinunter und begrüßtest mich mit kleinen Küsschen auf jeder Wange. Ich war ein wenig überrascht, brachte aber dann doch ein kleines „Hallo“ heraus.
„Ich hoffe die Fahrt war in Ordnung für dich“, sagtest du und griffst schon nach meinem Koffer.
„Ja, danke.“ Ich hatte das Gefühl die deutsche Sprache verlernt zu haben, so einfallslos kamen mir meine Antworten vor. Als wir gemailt hatten, war ich deutliche schlagfertiger gewesen.
So gingen du und ich in das gemietete Zimmer, ein wirklich großes, mit zwei Räumen, die nur durch einen Torbogen getrennt waren und so Schlaf- und Wohnbereich trennte, und mit einem schicken Bad ausgestattet war. Ich staunte wirklich nicht schlecht.
„Machst du so etwas häufiger?“, platzte es aus mir heraus, so schnell, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenken konnte.
Du lächeltest nur, sagtest dazu aber nichts. Du stelltest meinen Koffer in einer Ecke des Raums ab und kamst dann zu mir zurück, um mir ganz Gentleman-like aus dem Mantel zu helfen. Während du ihn an eine Garderobe hängtest, setzte ich mich auf den gemütlich aussehenden Zweisitzer.
Nervös klammerten sich meine Hände aneinander, bis sich plötzlich deine auf sie legten. Überrascht sah ich dich an, doch sofort umfing mich dein Duft, männlich mit einer leichten Holznote, und schon das allein reichte, um mich wieder zu beruhigen. Dazu dein sanfter Blick aus diesen blauen Augen und alles war vergessen.
„Ich tue so etwas normalerweise nicht“, sagte ich leise und wendete den Blick von dir ab.
„Ich war auch überrascht, als du mir geschrieben hast.“ Deine Hand streifte meine Wange und brachte mich so dazu, dich wieder anzusehen.
„Wieso das? Du hast doch sicherlich damit gerechnet.“ Schließlich hattest du mir doch dieses Kärtchen zugeschoben.
„Es wäre doch möglich gewesen, dass da jemand auf dich zuhause wartet. Dann hättest du die Karte weggeschmissen und diesen ungehobelten Mann aus der Bar zum Teufel gejagt.“ Du lachtest und nahmst meine Hand in deine. Bei der noch so kleinsten Berührung kribbelte meine Haut.
Ich zuckte mit den Schultern, spürte, wie meine schlagfertige Seite zum Vorschein kam. „Vielleicht.“
Deine Augenbrauen zogen sich ein Stück nach oben, dein Lächeln wurde breiter. „Nein, nein. So Eine bist du nicht. Ich kann Menschen sehr gut einschätzen.“
„Das werden wir sehen, hm?“
Ich war aufgeregt und gleichzeitig machte es auch unheimlichen Spaß, diese Unterhaltung zu führen. So verstrichen die ersten Stunden unbemerkt, bis du es schließlich schafftest, einen Blick auf die Uhr zu werfen.
„Ich fürchte, wir müssen im Restaurant weiter diskutieren, sonst heben sie noch unsere Reservierung auf.“
„Und das wollen wir ja nicht“, sagte ich, dabei hätte ich ewig hier so mit dir sitzen und reden können. Es war so herrlich einfach mit dir, so als würde ich dich schon ewig kennen, ganz unbeschwert. Und so sollte es im Restaurant auch weitergehen. Die Themen waren gesittet, nichts zu Auffälliges, während wir delikate Pasta aßen und dazu Rotwein tranken. Ich hatte mir extra dafür meinen schicken, knielangen Rock und eine weiße Bluse eingepackt, welches ich nun beides trug. Auch du hattest dich noch einmal umgezogen und stecktest nun in einem dieser schönen Anzüge, die ich an Männern mochte. Und an dir besonders.
Nach dem wirklich leckeren Essen fühlte ich mich gestärkt und energiegeladen, nur eine kleine Aufregung mischte sich mit unter.
Als wir zurück aufs Zimmer gingen, ordertest du eine weitere Flasche Wein für uns, dir wir gemütlich im Wohnbereich tranken. Wir saßen nahe beieinander, spürten die Wärme des anderen. Es war gemütlich und ich fühlte mich einfach wohl in deiner Gesellschaft.
Irgendwann, die Zeit schien wie im Flug zu vergehen, spürte ich eine Veränderung bei dir. Deine Augen wurden dunkler, der Blick in ihnen lüstern und intensiv.
„Schließ die Augen“, hauchtest du mir zu und ich tat es. Du standst auf, ich spürte es am Sofa, als sich die Polster nur noch meinem Gewicht anpassten. Es war aufregend, doch ich zwang mich die Augen weiter geschlossen zu halten. Nur kurze Zeit später legte sich ein weicher Stoff über meine Augen. Ich atmete tief durch, wollte mich entspannen, was gar nicht so leicht war.
Du warst noch immer hinter mir, als du dich vorbeugtest, sodass ich deinen Atem in meinem Nacken spüren konnte. Ein leichter Schauer lief mir über den Rücken, bescherte mir zeitgleich eine Gänsehaut wie auch eine kleine Hitzewelle.
„Ich begehre dich“, flüstertest du mir ins Ohr, deine Lippen streiften eben dieses. Es war nur ein sanftes Seufzen, was als Antwort über meine Lippen kam. Dann drücktest du deine Lippen auf meinen Hals, küsstest die Haut zärtlich. Sofort schmolz ich dahin. Ich hob meine Hand um dich berühren zu können, wollte in dein Haar greifen, welches doch so dazu einlud. Doch nur kurz berührte ich es, als du mein Handgelenk umfasstest und es hinter meinem Kopf an die Lehne des Sofas hieltest. Während mich deine Lippen und deine zweite Hand liebkosten, wand ich mich innerlich. Ich wollte dich sehen, dich ebenfalls küssen, doch ich wollte auch keine Spielverderberin sein und so hielt ich mich zurück. Heiße Schauer schossen mir direkt zwischen die Beine, benebelten meine Sinne. Ich spürte, wie ich feucht wurde.
Leise nannte ich deinen Namen, gab mich dir voll hin und das konntest du spüren.
„Erregt dich das?“, fragst du leise, bist noch immer hinter mir. Ich fühlte mich ertappt, doch ich nickte. Ja, ich war erregt, mehr sogar, ich zerging förmlich vor Lust, auch wenn ich es mir nicht anmerken lassen wollte.
„Gut“, hauchtest du.
Ich presste die Beine zusammen, denn es war kaum auszuhalten. Die Küsse, die zärtlichen Berührungen, deine Atem und deine Worte brachten mich um den Verstand. Alles war so viel intensiver, nur, weil ich nichts sehen konnte.
„Darf ich mich selbst davon überzeugen?“
Ich keuchte leise. Du wolltest dich davon überzeugen? Wie paralysiert nickte ich. Ich war mir sicher, dass du in diesem Zustand alles mit mir hättest machen können, ich wäre nicht dazu in der Lage gewesen, etwas gegen dich zu unternehmen.
Deine Hände verschwanden von mir, doch ich rührte mich kein Stück, lauschte nur deinen Schritten. Ich stellte mir vor, wie du um mich herumgingst, mich begutachtetest und dir vor Verlangen über die Lippen lecktest.
Plötzlich spürte ich deine Hand an meinem Oberschenkel, ganz sittlich auf dem Stoff meines Rocks. Dann streiften deine Beine die meinen, als du vor mir in die Knie gingst. Deine Hand schob sich ungeniert unter meinen Rock, vorbei war die Sittlichkeit. Sanft krabbelte sie die Innenseite meines Schenkels nach oben, bis sie auf meinen Slip traf. Mit geübten Fingern schobst du ihn beiseite und knüpftest den ersten Kontakt zu meinem heißen Fleisch, als dein Finger sanft in mich eintauchte.
Gerade, als mir ein Stöhnen über die Lippen kommen wollte, erschlossest du ihn mit dem deinen. Nun konnte ich nicht anders, zog die Hände hervor und schlang sie um deinen Nacken um dich näher an mich zu ziehen. Als du dann langsam die Augenbinde von mir nahmst, war meine Lust auf dich so groß, dass ich dir am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte.
Deine Arme schoben sich unter mich und hoben mich scheinbar mühelos hoch, trugen mich zum Bett. Dann wurde es hektisch, denn wir beide wollten es. Schnell waren die lästigen Kleidungsstücke verschwunden und du in mir.
Ich stöhnte laut, konnte mich nicht mehr zurückhalten, wollte es gar nicht mehr. Ich spürte die Intensität deiner Erektion, wie sie sich mit jedem Stoß weiter in mich schob, mich zum Zittern und Beben brachte, bis alles wie ein gewaltiger Orkan über mich zusammenbrach.
Für mich war es nicht der Höhepunkt dieser Nacht, doch es war die versprochene Erlösung, die mein Körper so ersehnt hatte. Die Anspannung war von mir abgefallen, tiefe, innere Ruhe durchströmte mich, als ich in deinen Armen lag und die Nachbeben meines Orgasmus‘ genoss.
Wenig später umfing uns eine andere Art der Wärme. Zusammen lagen wir in der Badewanne, ganz im Stillen, die Nähe des anderen genießend, mit dem Wissen, dass es bald vorbei sein würde und ich dich nie wiedersehen würde.
Es war ein Spiel gewesen.
Ein einmaliges.
Ich hatte es mit dir gespielt.
Und du hattest recht gehabt.
Ich habe es nicht bereut.
Ich habe mich fallengelassen. Mit dir.
Texte: Jana S. Morgan
Bildmaterialien: https://pixabay.com/de/
Cover: Jana S. Morgan
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2015
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