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Lúa standen Tränen in den Augen. Wieder hatte man sie ausgelacht, wieder hatte man sie verletzt, innerlich. Alle sahen ihre Tränen, die nun über ihre Wangen liefen und kleine Rinnsale von ihren Augen bis zum Kinn bildeten. Niemand interessierte sich für sie. Niemand wollte wissen wieso sie weinte. Wieso auch? Schließlich waren ihre Klassenkameraden es schuld, dass sie nun mitten im Zimmer stand und hemmungslos Weinte. Sie waren es Schuld, dass sie wiedereinmal überlegte ob sie richtig auf dieser Welt war.

Es klingelte. Der Lehrer trat ein und sah, dass Lúa weinte, schon wieder. Er seufzte und wies alle an auf ihre Plätze zu gehen, auch Lúa.

Das war zu viel. Das war der Tropfen gewesen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte. Lúa schüttelte den Kopf, erst langsam dann immer schneller und schneller. Sie stieß einen schrillen Schrei aus und lief aus der Klassen, runter ins Foyer, raus aus der Tür, raus aus der Schule. Sie lief immer weiter, sah nicht zurück. Immer noch liefen ihr Tränen die Wange runter und landeten leise, wie Schneeflocken, auf dem Boden.

Nichts hatte sich verändert in den 6 Wochen Sommerferien, der erste Schultag und Lúa hatte schon keine Lust mehr auf das restliche Schuljahr. Sie würde auch nicht mehr zur Schule gehen. Sie hatte beschlossen zu gehen, dahin wo sie hingehörte. Bei sich zuhause angekommen ging sie schnurstracks in ihr Zimmer, nahm sich ein Blatt, einen Stift, einen Briefumschlag und aus dem Büro ihres Vaters eine Briefmarke. Sie steckte alles und noch ein paar andere Gegenstände in einen Rucksack und verließ das Haus.

Lúa rannte die Straße entlang bis sie zum Waldrand kam. Dort zögerte sie kurz und setzte sich auf einen hölzerne Bank, um den Brief zu schreiben, der alles erklären konnte:

Mama, Papa,

Ich wurde heute schon wieder gehänselt. Ich kann nicht mehr!

Bitte versteht und verzeiht mir für das was ich tun werde, was ich tun muss.

Trauert mir nicht nach, sondern freut euch für mich.

Ich habe endlich etwas auf eigene Faust bestimmt, so wie ihr es mir geraten habt. Ich habe mich nicht an anderen orientiert, um dazu zu gehören. Wenn es eine Möglichkeit gibt auf euch zu warten, werde ich es tun, doch vergesst nicht, dass ich euch immer geliebt habe!

Lúa“

 

Sie faltete den Zettel und steckte ihn in den Briefumschlag um ihn mit der Briefmarke zu versehen und dann in den Briefkasten in der Nähe zu schmeißen.

Nun war alles beschlossen und erledigt. Nun konnte sie gehen.

Lúa lief den Waldweg entlang bis sie zu einer kleinen Lichtung gelangte. Dort ließ sie sich ins Gras fallen. Es war mittlerweile Abend geworden. Ihre Eltern würden bestimmt schon zuhause sein und sich Sorgen machen.

Lúa holte die letzte Sache aus ihrem Rucksack, die sie eingepackt hatte. Ein Messer. Sie stieß es sich zwischen die Rippen und legte sich auf den Rücken.

Ein letztes mal sah sie gen Himmel und wünschte sich, dass wäre nicht ihr letzter Sonnenuntergang, ihr letzter Abend, ihr letztes Vogelgezwitscher.

Sie atmete tief ein, bewarte die Luft in ihren Lungen. Sie schloss die Augen und stieß ihren letzten Atemzug heraus, ihm folgte ihr letzter Herzschlag und ihr letzter Gedanke:

Ich liebe euch Mama, Papa.“

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Tag der Veröffentlichung: 25.09.2013

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