Ich bin verloren. Langsam geh ich einen Schritt nach dem anderem zurück, mein Blick verweilt die ganze Zeit über auf meinen Angreifern. Mein Rücken stößt an eine Wand. Kurz seh ich nach hinten um zu wissen ob ich nicht doch noch einen Ausgang entdecke. Hinter mir ist ein Fenster. Vielleicht schaff ich es einzuschlagen nur ein kurzer Augenblick, dann beschließe ich es auszuprobieren. So kräftig es geht ramme ich meinen Ellenbogen gegen das Glas. Nichts passiert. Mist! Meine Angreifer haben meinen Versuch zu entkommen bemerkt und bilden einen Kreis um mich. Noch einmal versuche ich das Glas zu zerschlagen. Wieder gelingt es mir nicht. Ich nehme einen Schritt Anlauf, mehr hab ich nicht zur Verfügung. Ich schmeiße mich mit meinem ganzen Gewicht gegen das Fenster und tatsächlich zerspringt es. Ich stürze...
"Mama! Mama! Wo bist du?" rief ich panisch. Ich konnte sie nirgends entdecken. Schnell lief ich in den nächsten Gang um auch dort nach ihr Ausschau zu halten. Bald fand ich meine Mutter, sie stand bei den Milchprodukten und legte gerade einen Liter Milch in den Einkaufwagen. Erleichtert atmete ich auf und blieb bei ihr um sie nicht wieder zu verlieren...
Seine Augen hatten die Farbe von Smaragten. Fröhlich lächelte er mich an und gab mir einen Kuss. Ich spürte wie ich rot wurde. Verlegen wandte ich meine Blick ab und sah aus dem Fenster. Er hatte mich wirklich gefragt, ob ich mit ihm zum Schulabschlussball gehen wollte. Ich war schon seid jahren in ihn verliebt, hatte aber nie geglaubt das er mich ebenfalls mögen könnte.
"Ja" sagte ich, auch wenn es eher ein Flüstern war. Verwirrt sah er mich an.
"Ja, was?" in seiner Stimme konnte ich hören, dass er mich bloss auf den Arm nahm. Nun musste ich auch grinsen.
"Ja, ich möchte mit dir zum Ball gehen." erfüllte ich ihm seinen Wunsch. Er strahlte über beide Ohren und zog mich auf seinen Schoss, da ich immer noch vor ihm stand. Wieder gab er mir einen Kuss, dieses mal aber nicht nur gehaucht sondern einen ´echten`...
Weinend stürzte ich aus der Tür. Wie konnte er nur?! Zuerst mich fragen und dann wärend des Balls mit Alicia tanzen und sie küssen. War das von Anfang an sein Plan gewesen? Mir liefen immer mehr Tränen über die Wangen, ich konnte mich nicht mehr zurück halten. Er hatte mir zwei Monate lang vorgespielt in mich verliebt zu sein. Nur um mich heute zu verletzten? Ich grübelte noch eine Weile und beschloss dann meine Tasche dort zu lassen und später meine beste Freundin zu bitten sie mit zu nehmen. Ich hatte keine Lust mehr wieder in die Turnhalle zu gehen, die als Ballsaal verwendet wurde...
Langsam schlich ich mich zur Tür. Mama sollte nicht bemerken, wie ich mich rausschlich. Leise öffnete ich sie und genau so leise schloss ich sie wieder hinter mir. Jetzt hält mich nichts mehr auf zu Franzis Party zu gehe. Obwohl ich schon 19 Jahre alt war ließen meine Eltern mich noch nicht tun und lassen was ich wollte. Ich seufzte. Wann merken sie endlich, dass ich nicht mehr ihr kleines Mädchen bin? Kaum bei Franzi angekommen quälen mich auch schon die Schuldgefühle. Ich verabschiedete mich schon nach 20 Minuten wieder, weil ich es nicht mehr ausshielt dem Bewusstsein, dass ich etwas Verbotenes tat, stand zu halten...
Ich kam an einem alten Gebäude vorbei. Vor mir gingen noch andere Passanten. Ich erkannte keine bedrohlichen Gesichtern unter ihnen. Seid Tagen schon benahm ich mich laut meiner Mutter seltsam und ich war ihr zu paranoid. Am Anfang machte sie sich noch Sorgen dann fand sie es nur noch nervig, dass ich mich ständig nach diesen bestimmten Gesichtern umsah. Um genau zu sein suchte ich nach fünf Gesichtern, ein immer mürrisch blickender Junge mit zwei Narben über der rechten Augenbraue, die ein Kreuz bildeten, zwei Mädchen mit roten Haaren und grünen viel zu Nett blickenden Augen und dauer Grinsen, sie waren Zwilinge, einem kleinen, zierlichen Mädchen mit Haselnussfarbenen Haaren, der niemand ausser mir etwas böses zutrauen konnte und einem großen, bulligen Jungen mit dunkel braunen Haaren, er hatte ebenfalls eine ´Kreuznarbe` über der rechten Augenbraue. Diese fünf hatten mich belästigt, hatten mir gedroht, wenn sie mich noch einmal sähen würden sie mich umbringen. Und was hatte ich ihnen im Gegenzug getan? Ich hatte ihren Eltern erzählt das sie Rauchen würden und sich nicht an die Schulregeln halten würden. Aber dass ist meine Aufgabe, als Schulpädagogin. Ich war so feige und hatte solche Angst vor den fünf Jugendlichen, die höchstens sieben Jahre jünger waren als ich, dass ich wieder zu meiner Mutter ins Haus zog und meine Stelle in der Schule kündigte. Vor mir in der Menge entdeckte ich auf einmal das Gesicht des großen, bulligen Jungens. Er sah mich anscheinend auch, denn er fing an zu grinsen und schlängelte sich durch die Menge. Ich sah keinen anderen Ausweg und flüchtete in das Haus. Er folgte mir und bald darauf hörte ich noch mehr Stimmen, er hatte die anderen geholt. Ich flüchtete in die nächste Etage. Sie folgten mir und trieben mich in eine Sackgasse. Ich drehte mich zu ihnen um. Ich bin verloren...
Alles ist schwarz. Langsam ziehe ich Luft in meine Lungen. Es schmerzt. Ich versuche mich daran zu erinnern wie ich hier hin gekommen bin, aber in meinem Kopf herrcht stille und schwärze. Ich höre leises Gemurmel, aber es ist zu weit weg um es zu verstehen. Ich will es auch gar nicht verstehen. Noch fühle ich mich leicht, als würde ich schweben. Bis auf den Schmerz in meiner Lunge und dieses Gefühl der Leichtigkeit spüre ich nichts. Dort wo mal meine Beine und Arme waren ist jetzt Luft. Ich bestehe nur noch aus meiner Lunge, meinem Herzen, dass ich stetig schlagen spürre, und meinem Bewusstsein. Ich möchte die Augen öffnen, habe jedoch Angst davor, was ich sehen könnte. Gleichzeitig habe ich Angst, dass sich dann auch dieses wuderbare Gefühl der Freiheit verflüchtigt. Ich überwinde diese Angst und öffne die Augen. Ich erkenne nichts, es ist zu hell. Jemand atmet erleichtert auf und das Licht verschwindet. Neugierig versuche ich mich aufzusetzten, werde aber von einem stechenden Schmerz wieder zur liegenden Position gezwungen. Die Leichtigkeit, die mich eben noch umfangen hatte, war verpufft und hatte jede menge Schmerzen da gelassen.
"Wie fühlen sie sich?" erkundigt sich das ´Seufzen` von eben nach meinem Wohlbefinden. Ich kann nicht sofort antworten, da sich mein Mund wie ausgetrocknet anfühlt und mein Hals, als wäre jemand mit schmörgelpapier hindurch gefahren. Ich räuspere um meine Stimme wenigstens etwas lauter klingen zu lassen.
"Ich habe Schmerzen, weiß aber nicht mehr warum." Das ´Seuftzen` scheint zufrieden zu sein. Es verschwindet kurz um dann mit einer Art liege wieder zu kommen. Er bringt einen zweiten Mann mit, jedenfalls nehme ich an das es sich bei den Beiden um Männer handelt. Zusammen heben sie mich auf die Liege und tragen mich zu einem Wagen. Ein Krankenwagen. Das ´Seuftzen`und sein Freund sind Ärzte. schießt es mir durch den Kopf. Plötzlich fellt mir alles wieder ein. Die Paranoia, das Gesicht in der Menge, das Haus, die Erkenntnis in die Enge getrieben zu sein, der Sprung und schließlich wie mein Leben an meinen Augen vorbei gezogen war. Ein erleichterter Seuftzer kommt aus meinem Mund, ähnlich wie eben bei dem Arzt, begeistert von dem befreiendem Gefühl beschloss ich noch mal zu seufzen. Ich atme. Die beiden Ärzte stellen die Liege in den Krankenwagen, ein Zucken geht durch meinem Körper, gefolgt von einem stechendem Schmerz. Ich fühle wieder, keine Leere mehr. Mich umfing pure Euphorie. ICH LEBE!
Tag der Veröffentlichung: 20.04.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für eine meiner besten Freunde.