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Interview mit Marie de Sade

 

Heute freue ich mich ganz besonders, Euch die geheimnisvolle Marie de Sade, oder kurz: M.d.S vorstellen zu dürfen.

Liebe Marie, herzlich willkommen! Nun kenne ich dich schon seit Jahren und freue mich sehr, dass du Zeit für unser Interview gefunden hast! Das Geheimnis um deine Person zu lüften vermochte ich bislang noch nicht, daher bin ich persönlich sehr gespannt, ob mir das in diesem Gespräch gelingt.

Wie bist du auf Marie de Sade gekommen und was verkörpert sie für dich?

 

 

Ja, hallo erstmal ;-)

Also, soooo schwierig ist es gar nicht, da etwas zu lüften.

Guckst du in ‚Marie: Der Atelierbesuch‘ - ist auch gar nicht so lang wie die anderen Bücher der Serie.

‚Marie de Sade‘ stammt von Kollegen aus Selbstverteidigungskursen.

Das mache ich schon lange, zur Studentenzeit habe ich sogar Kurse geleitet. Als das Silvester-Drama in Köln aufkam, gab es so viel Zuspruch, daß ich sogar wieder ran mußte, als ich schon an meiner Promotion gearbeitet habe.

Selbstverteidigung ist für mich kein Sport.

Das kommt zur Anwendung, wenn das Abhauen keine Option mehr ist.

Es kommt letztlich darauf an, in einer gefährlichen Situation davonzukommen, nach Möglichkeit ohne ernsthafte eigene Verletzungen.

Hinsichtlich des ethischen und juristischen Standpunktes darf einem die Gesundheit des Angreifers auch nicht so egal sein, praktisch darf frau aber auch dabei nichts riskieren, zu milde sein.

Bei einer Übung kommt es also darauf an, insbesondere frau dazu zu bringen, einerseits die vorhandene Kraft, den Impuls (den eigenen, den vom Gegner ebenso) wirklich zu nutzen, andererseits aufmerksam zu bleiben, keine Fehler zu machen.

Daher bin ich dann bei einer Übungskonfrontation schon etwas gemein und hart. Ich bin da nicht so kleinlich und leide auch nicht mit. Der Schmerz ist ein guter Lehrer. Der Spitzname hat sich herumgesprochen, so wissen die Gegner, daß sie sich Mühe geben müssen, sonst tut es ziemlich weh.

Bei einer Übung jedenfalls habe ich da allerdings noch keine ernsthaften Verletzungen produziert. Blaue Flecke und ein paar Stunden Schmerz nach einer vergeigten Abwehrmaßnahme sind aber natürlich gut und förderlich, wenn es dabei hilft, es im Ernstfall richtig zu machen, wo ein Gegner es ja nicht dabei beläßt, der kann weiter draufhalten.

Den Teil mit dem Verkörpern verstehe ich nicht so ganz.

Ich bin eben so, schon ruhig, reflektiert, mag Meditation.

Gut, sadistische Neigungen sind natürlich auch vorhanden, das habe ich aber ganz gut im Rahmen einer ethischen Reflexion im Griff.

Das ist überhaupt das Dilemma echter Sadisten, wenn es etwa einem masochistischen Opfer auch noch Spaß macht, ist es fade. Macht es dem Opfer keinen Spaß mehr, aber endlich dem Sadisten, wird es juristisch knifflig ;-)

Ich kann also nicht empfehlen, eine eventuell vorhandene Veranlagung zu vertiefen und zu verstärken. Masochisten führen nur zu Frustrationen und wenig andere Leute lassen sich darauf ein - es sei denn, es kommt zu einem Zwischenfall, der Selbstverteidigung erfordert, siehe oben, da kann frau das ein Stück weit ausleben.

Weil man (und auch frau) nicht immer Sieger sein kann, ist es aber nicht sinnvoll, es geradezu darauf anzulegen.

 

 

Das mit dem „Verkörpern“ hast du schon gut beschrieben. Gemeint habe ich damit, wie viel Marie de Sade steckt in dir. Wenn ich deine Ausführung richtig verstanden habe, ist das insofern eine ganze Menge.

Du hast studiert und promoviert. Verrätst du uns als was?

 

 

Inzwischen lebe ich ja in einem akademischen Umfeld, wo physische Selbstverteidigung nicht so gefordert ist, verbal natürlich schon, aber da habe ich auch oft ein paar ironische oder zynische, meist jedoch sachliche Retouren drauf ;-)

Aber natürlich ist es schon so, wenn frau den Anspruch hat, zu jeder Tageszeit bei Bedarf jeden öffentlichen Bereich zu durchqueren, kann es gelegentlich schon zu Begegnungen mit dubiosen Leuten kommen, besonders solche mit wohl zu hohem Testosteron-Pegel fallen unangenehm auf.

Da hilft oft bereits selbstbewußtes Auftreten, um gar nicht ergründen zu müssen, wes Geistes Kind die Gestalten sind und welcher Schmerz sie antreibt oder auch wieder bremsen kann.

Aber eigentlich bin ich ausgeglichen und gut sozialisiert, wobei ich das auch erst einmal verstehen mußte oder simulieren, so halbwegs wenigstens. Ich bin so aus mir heraus nicht so empathisch, beobachte und analysiere allerdings ganz aufmerksam und geschickt, da kann ich schon adaptieren, was mir plausibel verstanden erscheint.

Insofern ist das ganze Leben ja ein einziges Studium, frau/man lernt nie aus ;-) Und je mehr jemand sich aneignet, desto genauer wird doch immer der bestimmte Eindruck davon, was alles noch ziemlich unverstanden ist.

Sinngemäß nach Goethes Faust: „Da steh‘ ich nun, ich arme Torin und bin so klug als wie zuvorhin!“

Jedenfalls habe ich es dies Jahr zum doctor rerum naturalium gebracht, also Studium und Promotion im Bereich der Naturwissenschaften.

Genauer will ich das mal nicht sagen, sonst stehen nachher noch Jünger oder auch Älter vor meiner Bureau-Tür, die gepeinigt werden wollen ;-)

Eigentlich lustig, welch breiten Bereich der Titel so abdeckt, von dem meisten Kram davon habe ich natürlich gar keine Ahnung, doktere eben bescheiden in meiner Nische herum, diskutiere mit, was Kollegen in benachbarten Nischen so aufbringen, sonst bin ich da eher interessiert und informiere mich so grob, was abgeht, um wenigstens so ungefähr auf dem Laufenden zu sein. Und es gibt ja eigentlich aufgrund der Kenntnisse der eigenen Nische die Gewißheit, schnell komme ich an einen Punkt, wo meine dummen Fragen sonst niemand mehr beantworten kann, das ist das Stadium des Experten, wo ein jeder auf sich gestellt ist und selbst herausfinden muß, was des Pudels Kern ist.

Da bin ich denn gewissermaßen an vorderster Front direkt gegenüber einem rätselhaften, bizarren Universum, während sich der Rest der Menschheit es sich ja doch gemütlich macht in einem läßlichen Soungefähr, einer möglichst einfachen Geschichte für das Kind in uns allen, wo wir gar nicht so genau wissen wollen, wo wir die Welt gerne nach unseren Vorstellungen umformen und einrichten wollen mit allerlei Schnickschnack und kindischen Irrtümern davon, wie die Welt wohl sei.

Jenseits der eigenen Experten-Nische befindet man/frau sich da in einem Stadium, in welchem noch die Annahme besteht, es grob verstanden zu haben: „Doch die Wissenschaft, man weiß es, achtet nicht des Laienfleißes.“ (Christian Morgenstern)

Und: Der Experte ahnt es schon, da versteht er auch nichts von!

Es wenigstens so grob verstanden zu haben, ist indessen für die Belletristik ganz nützlich, hilft dabei abzuschätzen, was die Protagonisten wohl garantiert nicht hinkriegen werden, was besser anders zu formulieren ist, wo die Handlung anders verlaufen sollte, damit es nicht in einem Sinne zum Lacher wird, der so gar nicht beabsichtigt war.

 

 

Da übernehme ich mal das Stadium des Experten und versuche weiter, des Pudels Kern herauszufinden. Naturwissenschaft ist breit gefächert und wenn man auf der einen Seite denkt, Marie ist sehr versiert im Bereich der Informatik, dann denkt man auf der anderen Seite, bei welchem Thema würden Jung und Alt vor ihrer Tür stehen? Natürlich würde ich dieses Rätsel gerne lösen, auch wenn mir klar ist, dass es bei BX sicher niemanden gibt, der besser ausweichend und nichtssagend antworten kann :-)) Immerhin hast du eine ganze Abhandlung über das Nichts geschrieben.

 

 

Informatik braucht man ja heute eigentlich täglich, schnell mal hier ein Skript für dies geschrieben, da mal ein Programm für eine kleine Anwendung, das geht flott von der Hand und erleichtert das Leben. ;-) Das sollten wir alle können.

Als etwa der Entschluß feststand, digitale Bücher schreiben zu wollen, habe ich mich erst einmal so als rezeptierendes Publikum umgesehen, was es so gibt, auch wie man das macht.

Ich habe schnell mitbekommen (wikipedia), wie digitale Bücher (EPUBs) aufgebaut sind.

Da war ich erstaunt, daß bei vielen Anbietern trotzdem gefordert wird, daß die Autoren mit Microsoft-word oder Libre/Open-Office schreiben.

Ich war ganz froh, als ich feststellen konnte, daß man etwa bei BookRix auch fertige EPUBs hochladen kann, denn die offenbar aus den genannten Formaten erzeugten haben mir nicht so gefallen.

Daher habe ich mich eben noch vor der Anmeldung umgesehen und gelernt, wie man EPUBs gut und richtig selber erstellt.

Da ich immer gerne neugierig bin, gab es da bald auch Fragen.

So kam es zu einer bis heute anhaltenden Bekanntschaft samt Hilfe.

Insbesondere anfangs lag der informatische Sachverstand hinsichtlich digitaler Bücher also gar nicht bei mir.

Allerdings lerne ich schnell dazu, kann mir solchen Kram ganz gut merken - das Vergessenkönnen ist eigentlich eher mein Problem, da habe ich über die Jahre allerdings auch dazugelernt, es ist ja möglich, mit meditativen Techniken die eigenen Erinnerungen zu überarbeiten - anderes Thema, Abschweifung ;-)

So hat sich das im Laufe der Zeit zu einer Kooperation hin verschoben, es gibt ja inzwischen ein paar gemeinsame Projekte.

Die Abhandlung über das Nichts: Das war so ein Spaß.

Einerseits hatte ich da so eine Idee, die schlummerte noch, dazu kam eine Anregung und zum konkreten Zeitpunkt wollte ich ein Testbuch haben, um Skripte von BookRix zu testen.

Das Buch habe ich ernsthaft mit dem BookRix-Editor geschrieben, also entweder direkt eingetippt oder eben Passagen hineinkopiert, wie es hier wohl viele Autoren machen.

Zum Test des BookRix-Konverters habe ich noch ein weiteres Testbuch, welches nicht veröffentlicht ist.

Über die Ergebnisse der Tests gibt es inzwischen allerdings ein Buch, aus dem ziemlich klar wird, daß so für technisch gute Bücher nicht vorgegangen werden sollte.

Was BookRix da anbietet, ist so ziemlich das dünnste Brett, was man bohren kann, aber Microsoft-word oder Libre/Open-Office sind ja auch für den Druck gedacht, nicht für digitale Bücher, dafür taugen die Formate nichts.

Als ich dann schon einmal dabei war, ein Buch über das Nichts zu schreiben, habe ich da eben etwas weiter ausgeholt, das Nichts läßt einem ja reichlich Raum für eigene Gedanken, mit denen sich alsdann ein kleines Buch schon gut füllen läßt.

Weil der Zweck des Testbuches inzwischen abgeschlossen ist, werde ich das wohl alsbald noch überarbeiten und technisch auf ein gutes Niveau bringen, also ein eigenes EPUB draus machen, einschließlich abstrakter Graphiken zum Thema Nichts.

Ich habe da schon Abstraktionen über das Nichts gesehen, da sollte es also möglich sein, den von mir bevorzugten Künstler dazu zu bewegen, ein oder zwei Skripte zu schreiben, die für das Buch gewissermaßen nichtige abstrakte Graphiken automatisch erstellt.

Es muß da auch um den Eindruck der endlosen Fülle des Nichts gehen, des Nicht-Faßbaren dabei ...

Neben den kleineren Wettbewerbsbeiträgen habe ich allerdings noch das Großprojekt ESM4; bei den Büchern zur Abstrakten Literatur wird zum Jahreswechsel auch noch eine Erweiterung der Poetischen Variationen anstehen. Denn Kurt Schwitters ist vor gut siebzig Jahren verstorben, da erlaubt es das Urheberrecht ab 2019, sich über das Zitatrecht hinaus mit seinen Werken ungefragt zu beschäftigten, das ist natürlich sehr wichtig bei einem Werk über DADA und MERZ ;-)

Ich habe also eigentlich immer mehr Ideen als Zeit, diese umzusetzen.

Und wie erkennbar ist: Die Kunst der Abschweifung ist mir auch vertraut, aber formal hast du ja auch gar nichts gefragt, da ist das eine Vorlage, den leeren Platz mit mäandernden Gedanken zu füllen, das fließt geradezu heraus aus der Fülle der Gedanken.

 

 

Tatsächlich komme ich so NICHT weiter. Ich brauche eine neue Strategie um die geheimnisvolle Marie de Sade vom Nichts zum Etwas zu bewegen. Vielleicht helfen Assoziationen:

Was assoziierst du mit Beruf?

 

 

Interessant, daß du da den Begriff ‚Beruf‘ wählst, nicht ‚Arbeit‘ oder ‚Job‘.

Beruf hat ja mit der Berufung zu tun (gibt es heute insbesondere bei Professoren, die ein Institut leiten).

Die Person wird also herbeigerufen, weil sie für fähig gehalten wird, in Forschung und Lehre etwas Hervorragendes zustande zu bringen.

Merkmal hier also: Andere trauen einem etwas zu, von dem sie meinen, daß es für die Allgemeinheit nützlich ist.

Das ist natürlich eine große Ehre, aber auch Verpflichtung.

Besser kann es doch eigentlich niemand treffen, um sich die gegebene Zeit zu vertreiben ;-)

Im religiösen Umfeld hat die Berufung noch eine andere Bedeutung, also von der eigenen göttlichen Vorstellung gefordert zu werden, etwas zu tun.

Entschärft betrachtet geht man seinen eigenen Neigungen, Interessen und Fähigkeiten nach.

Vom religiösen Ballast befreit ist das natürlich ebenfalls ein sehr schönes Konzept, was ja hier auf BookRix vielen Autoren vertraut sein wird ;-)

Persönlich kann ich zum Glück in der Tat tun, was mich interessiert, dazu wird es mir zugetraut, ein Projekt zu betreuen, also samt Doktoranden, Studenten.

Das erstaunt mich auch immer wieder ein wenig, lerne ich dabei doch auch immer kräftig dazu, wahrscheinlich sogar mehr als die Doktoranden oder Studenten. ;-)

Und das Tollste dabei: Die lernen das eigentlich für mich, ich helfe lediglich nach, wo es hakt und das technische Verständnis für Details noch nicht vorhanden ist.

Arbeit oder Job hingegen dienen in unserer nicht allzu sozialen Marktwirtschaft lediglich dazu, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wer was macht, ist weitgehend beliebig austauschbar, belanglos und oft auch in heutiger Zeit automatisierbar. Im Grunde ist letzteres in Ordnung, unnötige Arbeit sollte eigentlich niemand verrichten.

Durch die Automatisierung kommt so auf uns natürlich die Zeit zu, in welcher verbleibende notwendige Arbeit sinnvoll verteilt werden muß, der Lebensunterhalt anderweitig von der Gemeinschaft zu sichern ist, das kapitalistische Modell obsolet wird, weil die automatisierte Arbeit eigentlich keinen wirklichen Gegenwert hat, die Produkte gibt es einfach so oder mit geringem menschlichen Aufwand.

Automatisierung, Digitalisierung von Arbeit vergrößern also den Druck zu sozialen Reformen und Umwälzungen, auch zu globaler Kooperation.

 

 

Ich bin mir sicher, dass dir zu allem etwas einfällt :-)

Wunsch

 

 

Was mir zu ‚Wunsch‘ einfällt?

Naja, von anderen Menschen kannst du dir etwas wünschen.

Das ist an die Adressaten des Wunsches eine Herausforderung, denn das Wünschen impliziert doch die Hoffnung oder Erwartung, daß die Adressaten dazu in der Lage und vielleicht auch willens sind, den Wunsch zu erfüllen.

Mit dem Wunsch offenbart die wünschende Person natürlich auch etwas über sich, die eigenen Vorstellungen, die Beziehung und Sicht zu den Wunsch-Adressaten.

Es ist ja für die Beziehung zwischen den beteiligten Personen heikel, wenn dem Wunsch nicht entsprochen wird: War der Wunsch zu keck oder an die falsche Adresse gestellt? Unangemessen, überzogen?

Wurde implizit eine falsche Beziehung vorausgesetzt?

Abstrakte Wünsche an das Universum oder eigene Vorstellungen von Göttern erscheinen mir immer etwas albern.

Daraus kann die wünschende Person allenfalls einen Handlungsimpuls an sich selbst entwickeln, frei nach dem Motto: Helfe dir selbst, denn sonst hilft dir niemand.

Insofern habe ich keine solch abstrakten, nicht adressierten Wünsche.

Die adressierten sind natürlich persönlich und nicht Gegenstand öffentlicher Diskussion.

Und über mich kann ich zudem sagen: Es fällt mir einerseits schwer, mir von anderen etwas zu wünschen.

Wenn andere ein Anliegen an mich haben, fühle ich mich hingegen auch ein wenig geehrt dadurch, daß mir wohl etwas zugetraut wird, das spornt mich natürlich an, in der Sache aktiv zu werden. Da werde ich anfällig, ausgenutzt zu werden. Aber das gehört für mich auch dazu, eine Vorleistung für die Gemeinschaft. Von daher ist ‚Gutmensch‘, also jemand, der sich um Notwendigkeiten und Wichtigkeiten, elementare Bedürfnisse kümmert, ohne auf Wünsche oder Forderungen zu warten, ein hoher Ehrentitel ;-)

 

 

Ich empfinde die Bezeichnung „Gutmensch“ heute als Schimpfwort ;-) Zumindest, als verbraucht, denn Wenige heben sich von der Masse ab und helfen. Tatsächlich ist mir das als Erstes bei dir aufgefallen: Immer, wenn jemand eine Frage in der Community stellt, bist du hilfsbereit. Ein sehr feiner Charakterzug.

Welche Pläne hast du für die Zukunft? Und was steht für dich im Vordergrund? Familie, Karriere oder das Schreiben?

 

 

Tja, die Zukunft, ein kniffliges Mysterium, im Rahmen eines klassischen Modells wie der Relativistik ist unsere Trajektorie durch die Raumzeit ohnehin vorgegeben.

Auf der Quantenebene ist hingegen nichts vorgegeben.

Bei beiden Optionen bleibt nicht so viel Raum für einen freien Willen ;-)

Was wir so entscheiden oder planen, resultiert aus den bisherigen Erfahrungen oder Dispositionen.

Henry Miller etwa meinte: „Leben ist das, was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben.“

(Ähnlich hat es später auch John Lennon formuliert.)

Oder William Shakespeare:

„… Wer trüge Lasten

Und stöhnt’ und schwitzte unter Lebensmüh?

Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,

Das unentdeckte Land, von des Bezirk

Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,

Daß wir die Übel, die wir haben, lieber

Ertragen als zu unbekannten fliehn.“

 

Und darauf bezogen Nicholas Meyer, Denny Martin Flinn; Star Trek VI: Das unentdeckte Land (Gorkon):

„Trinken wir auf das unentdeckte Land, die Zukunft.“

Auch etwa Erich Honecker hat das Prinzip der Raumzeit verinnerlicht: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“

Insgesamt plane ich da nicht so viel.

Stellen in der Wissenschaft sind befristet und aus dem, was ich herausfinde, ergeben sich die nächsten Fragestellungen, wobei die Umsetzung natürlich sorgfältiger Planung bedarf. Mit etwas Glück und Geschick gehe ich dem weiter nach, mit weniger davon werde ich mich auch anderweitig durchschlagen ;-)

Familie im engeren Sinne ist inzwischen die von meinem Sonnenschein. Das ist eine ganz schöne Erfahrung.

Familie ist da, jedenfalls in zeitlich begrenztem Umfang.

Da wird nicht hinterfragt oder evaluiert.

An das Schreiben von Texten habe ich mich inzwischen gewöhnt, erschien anfangs als ziemlich verrückte Idee, frei nach Mark Twain: Im Grunde ist es idiotisch, Wochen, Monate oder Jahre an einem Buch zu schreiben, wenn es überall im Netz haufenweise kostenlos welche zum Herunterladen gibt ;-)

Gut, ich mehre hauptsächlich die Flut kostenloser Literatur, erwarte da also finanziell eigentlich nichts, die Verteilung über Händler ist ein Spaß für mich, hat Unterhaltungswert, wie schlecht insbesondere die Konzepte der Händler bei ihren Läden im Netz sind - schwierig, da wirklich passende Bücher zu finden.

Bei digitalen Werken ist es schon absurd, daß die Händler für minimale Leistung Verteiler wie BookRix und Autoren so abziehen.

Bei der Leistung sollten wohl eigentlich maximal 5% für die Händler reichen, nicht ~50% ;-)

Ich habe mir jedenfalls von Anfang an vorgenommen, einerseits die Bücher technisch gut und hochwertig anzubieten, sonst könnte ich mir das wirklich sparen.

Andererseits sollte wenigstens mir das Buch inhaltlich etwas geben, sich mit etwas beschäftigen, was mich beschäftigt, in der Beziehung originär sein, wenigstens für mich, eben nicht beliebig.

Wer als Autor das für die eigenen Bücher ehrlich empfindet, hat die eigene Zeit sicherlich nicht damit vertan, Wochen oder Monate damit zuzubringen, ein eigenes Werk zu schreiben.

Wenn das Publikum daran Interesse zeigt, was einen selbst interessiert, ist das natürlich noch einmal ganz besonders toll, auch immer wieder ein wenig überraschend, wenn Reaktionen kommen.

Ein Werk ist auch immer ein Stück weit Selbstreflexion, Selbstoffenbarung, Selbsterkenntnis.

Insofern ist der Prozeß des Schreibens, die Veröffentlichung, die Entlassung des Werkes in eine eigene Existenz auch immer wieder eine Erfahrung, die im oben genannten Sinne in die Ansammlung von Erfahrungen einsortiert wird, die das eigene Ich ausmacht, die Einfluß hat auf weitere Entscheidungen.

Die Zukunft - πάντα ῥεῖ (panta rhei, alles fließt; so hat Platon die Lehre des Heraklit zusammengefaßt) - in diesem Sinne bin ich mehr in diesem Fluß und agiere, als wirklich langfristige Pläne oder Phantastereien zu schmieden, aus denen aufgrund eines anderen Flusses in wenigen Jahren doch nichts wird ;-)

 

 

Wenn man jung ist, steht einem die Welt offen. Im Alter werden die Alter-nativen weniger -) Ich würde gerne einen Steckbrief von dir machen und hoffe, du machst mit. Hierbei sind kurze Antworten erforderlich ,-)

Wie alt bzw. jung bist du?

 

 

Schule und Studium knapp in der üblichen Zeit, Promotion knapp drei Jahre, wie geschrieben dies Jahr abgeschlossen, da kann das Publikum doch ungefähr schätzen - das Alter ändert sich ja auch jedes Jahr ;-)

 

 

Gibt es für dich ein Ideal oder jemanden (egal ob lebendig oder tot) den du als Vorbild bezeichnen würdest?

 

 

Nein.

Jeder hat so sein eigenes Süppchen auszulöffeln.

Gibt natürlich viele tolle Menschen, haben alle ihre Macken und auch Vorzüge.

 

 

Dein Lieblingsfilm / Schauspieler ist ...

 

 

Auch da, ich habe es nicht so mit Lieblings*

Ich mag die Vielfalt und Abwechslung ;-)

 

 

Auch bei der Musik? Schreibst du mit Musik oder brauchst du Stille?

 

 

Bei Musik habe ich eine breite Sammlung, Klassik, Rock und Pop bis Heavy Metal, auch experimentellere Sachen von nicht kommerziellen Künstlern.

Beim Schreiben oder Nachbearbeiten habe ich es lieber ruhig und fokussiert.

Ablenkung wäre allenfalls eine Option bei besonderen Werken, die eine spezielle Stimmung erfordern, die bekomme ich aber auch mit Musik nicht so einfach hin.

 

 

Was muss ein Mensch tun, um deine Aufmerksamkeit zu erwecken? (Im positiven Sinne :-))

 

 

Im positiven Sinne - ja den anderen hatten wir mehr oder weniger schon anfangs.

Positiv gar nicht schwer, ein wertvoller Gedanke, ein nettes Lächeln, durchaus auch eine Bewegung oder Geste, die irgendwie auffällt, kann auch nicht sagen, wieso.

 

 

Was war das schönste Kompliment, das du jemals erhalten hast?

 

 

War eher non-verbal, eine überraschende Nähe, ist in ‚Marie: Der Überfall‘ ausführlicher beschrieben.

Ist schon ein sehr gutes Gefühl, gerade frisch herauszufinden, von jemandem sehr gemocht zu werden, den man gleichfalls sehr mag ;-)

 

 

Wie würdest du dich beschreiben?

 

Allenfalls mit wasserlöslicher Farbe, von der richtigen Person aber auch mit Lippen und Zunge ;-)

 

 

Hast du eine Schwäche? Ein Laster?

 

Ich habe gar kein Auto ;-)

Ansonsten die oben erwähnten sadistischen Neigungen vielleicht.

Und schwach werde ich natürlich bei meinem Sonnenschein immer wieder gerne ;-)

 

 

In welches Land würdest du gerne mal reisen?

 

Ich habe es gar nicht so mit dem Reisen.

Flugreisen sind ja auch sehr klimaschädlich und Tourismus versaut wohl auch längst die schönsten Gegenden.

Und immer mehr ist ja auch austauschbar.

Einige Forschungsstätten wären ganz interessant, aber bisweilen kann ich das so nebenbei bei Tagungen mitnehmen.

 

 

Womit kann man dir eine Freude machen?

Pralinen

Wein

Blumen

oder einem Gedicht?

 

 

Jedenfalls kein Alkohol oder sonstige Drogen jenseits von Tee, Schokolade und Zucker ;-)

Blumen wenn eingepflanzt, kleinere verwilderte Waldstücke oder ein verwildertes Grundstück mit See oder Bach, eine verfallene Ruine, das ginge schon klar.

Gedicht, derzeit besonders welche zu DADA und MERZ, die ich noch nicht kenne.

Kunst, Abstrakte Kunst natürlich, da stehe ich schon drauf.

Und alte Bücher, also diese richtig schönen, auch Manuskripte.

Originaler Bilderbogen von Wilhelm Busch, ach! Es gibt viel, was mir eine Freude machen kann ...

 

 

Mit welchem Tier könntest du dich am ehesten identifizieren?

 

Im Märchen habe ich mich ja schon mit einem Drachen identifiziert.

Einige Bekannte meinen auch, ich könnte eine katzenhafte Eleganz zum Ausdruck bringen.

Manchmal mag ich aber auch einfach in Winzigkeit verschwinden, daher vielleicht ein Bakterium oder eine Amöbe oder so, das ist kurz vor dem Nichts und muß schon eine deutliche Erholung darstellen, einfach nur noch geradeso zu sein.

 

 

Zwischen Drachen und Amöben liegt ja eine ganz schöne Spanne ,-) Bist du ein sportlicher Mensch? Gehst du joggen, spielst du Tennis oder so?

 

 

Mit bereits beschriebener Selbstverteidigung geht schon die Notwendigkeit einher, sich gelenkig zu halten, aktiv zu sein, da reicht die Meditation nicht, also ein wenig mache ich schon für die Beweglichkeit, Reaktionsschnelligkeit.

Laufen, spazierengehen an der frischen Luft kann auch helfen, den Kopf durchzupusten, zu neuen Eindrücken und Gedanken zu kommen.

 

 

Gibt es einen Leitspruch in deinem Leben?

 

Immer mal wieder, derzeit stehe ich wohl gerade auf πάντα ῥεῖ (siehe oben).

Ein Spruch für das ganze Leben wäre aber wohl etwas wenig, ab und an wechsele ich also wieder oder variiere ;-)

 

 

Eine Abwechslung sind auf jeden Fall deine Bücher :-) Für manche etwas befremdlich, weil Abstrakte Literatur eher selten bei BookRix zu finden ist. Vielleicht kannst du uns deine Werke und den Reiz daran, diese zu schreiben, etwas näherbringen.

 

 

Die Werke sind ja eine Kooperation, also nicht alleine auf meinem Mist gewachsen, vielleicht liegt mir auch deshalb allerhand daran.

Abstrakte Kunst, abstrahierte Graphik, das bringt mir etwas.

Da war es schon einmal Glück, jemanden zu finden, der meine Bücher mit Graphiken verziert.

Interessant an vielen dieser Graphiken, besonders in den Büchern der Serie zur Abstrakten Literatur oder Poesie: Diese Vektorgraphiken sind mit Skripten erzeugt.‘

Ich habe mich schon länger gefragt, ob man Bücher besonders stereotyper Genres nicht auch mit Skripten erstellen könnte, bei Sportnachrichten und einigen anderen stereotypen Genres wird das ja bereits gemacht.

Im Diskurs darüber sind wir irgendwie zu der Frage gelangt, ob es nicht auch möglich wäre, per Skript Abstrakte Literatur zu generieren, analog zur Abstrakten Kunst.

Wie macht man das praktisch mit Sprache?

Wie formulieren wir Regeln, die von Skripten umgesetzt werden können?

Was sind überhaupt statistisch signifikante Größen zur Beschreibung digitaler Texte?

Ist das für verschiedene Sprachen, Autoren unterschiedlich?

Wie mißt man das?

Wie simuliert man das?

Aufregende Fragen noch und noch für Autoren, finde ich jedenfalls.

Und wenn sich da zwei ‚Blöde‘ finden, die ähnliche Fragen stellen, dann beginnt der Wettstreit der Ideen und obskuren Einfälle.

Hinzu kamen auch noch Kommentare hinsichtlich der Länge einiger meiner Werke.

Da haben wir angefangen, daran zu arbeiten, also an der ‚großen Literatur‘, nur eben abstrakt und per Skript erzeugt.

‚Ic‘ enthält ja auch Ergebnisse der quantitativen Textanalyse mit einem eigenen Skript, insbesondere auch von Werken einiger BookRix-Autoren.

Die Ergebnisse der quantitativen Analyse eigner EPUBs und der von anderen Autoren, dazu ein paar Artikel über Linguistik und Struktur von Sprache waren für uns die Grundlage, Abstrakte Literatur mit Skripten zu erzeugen. Darauf also aufbauend‘

Das hat Spaß gemacht, ist aber auch eine Menge Fleißarbeit.

Intelligent sind unsere Skripte allerdings nicht.

Die Poetischen Variationen sind ein anderer Ansatz mit anderen Skripten, eben in der Tradition von DADA und MERZ, was mir wiederum sehr liegt, da hatten wir Lust, eigene Variationen zu erzeugen.

Einstweilen ist Korpus CusyA da eine sehr spannende Entwicklung, die sich daraus ergeben hat, das geht ja in Richtung des Voynich-Manuskriptes und Codex Rohonczi, das sind Texte, bei denen bislang eine Entschlüsselung nicht gelungen ist.

Darauf haben wir ebenfalls unser Skript zur quantitativen Textanalyse angewendet. Es gibt ja auch Kunstsprachen wie Toki Pona mit sehr knappem Vokabularium und relativ einfacher Grammatik.

Da schwebt uns schon vor, damit einen Schritt hin zu automatisch generierter Litueratur machen zu können, vielleicht Poesie.

Das könnte dann von den ‚Toki-Ponianern‘ (davon gibt es weltweit deutlich weniger als Esperantoianer) wirklich lesbar und verstehbar sein, also sofern man Poesie verstehen kann, die ein wenig abgedreht ist, egal jetzt ob von Menschen oder Skripten verfaßt.

Mal schauen, wann wir Zeit und Lust dazu haben, einem Skript Toki-Pona-Poesie beizubringen ;-)

 

 

Wenn ihr das Voynich Manuskript entschlüsselt, ist unser Interview ja irgendwann Gold wert ;-)

Interessante Gedanken und Ansätze, bei denen ich euch viel Glück wünsche - und sicherlich ist es nicht abstrakt anzunehmen, dass in dem Bereich die Zukunft liegt. Bücher an sich scheinen etwas antiquiert. Meinst du, dass das „alte Buch“ auf Dauer überlebensfähig ist?

 

 

Das gedruckte Buch bekommt eine andere Anwendung.

Von vielen Leuten wir ja gesagt, daß sie eigentlich keine Lust haben, sich mit Technik-Kram herumzuschlagen, sie lieben es, im Papier zu blättern und das einfach so zu lesen.

Günstiger und einfacher ist es für Autoren natürlich rein digital.

Und dabei qualitativ eigentlich sogar besser, wenn es gut gemacht ist.

Von daher wird wohl doch das digitale Buch allmählich dazugewinnen, das gedruckte Buch aber wohl nicht verdrängen.

Digitale Bücher haben ja immer einen technischen Aspekt, es muß dekodiert werden, was als Bits irgendwo gespeichert ist. Auf einer höheren Ebene muß der kodierte Text als semantische Auszeichnungssprache interpretiert werden, letztlich zusammen mit der Stilvorlage zur Präsentation gebracht werden.

Und die Programme, die jenseits der Dekodierung interpretieren und präsentieren, sind leider doch mit reichlich Lücken und Fehlern behaftet.

Das ist eigentlich bei allen Programmen so - ein Kernproblem, deswegen erleben wir ja auch immer wieder mehr oder weniger große Informatik-Katastrophen eben bis hin zur Sabotage von ganzen Netzwerken, Industrieanlagen, Wahlen etc.

Bei einem gedruckten Buch haben es die sehfähigen Leser selbst in der Hand, da passiert nicht mehr sehr viel, nachdem es einmal gedruckt und gebunden ist.

Gut, abfackeln oder in Feuchtigkeit auflösen geht immer noch, Säurefraß hatten wir auch bereits.

Aber eigentlich ist das gedruckte Buch sehr solide und friedlich.

Das nimmt einem auch kein Händler mehr weg, wenn es einmal gekauft ist.

Das hat durchaus Potential.

Ein paar Mängel wie proprietäre Formate, Zugriff durch Händler, Verschlüsselung lassen sich bei digitalen Formaten natürlich technisch leicht vermeiden, andere Probleme liegen im System begraben, da kommt niemand drumherum.

Der Vorteil der digitalen Bücher liegt natürlich darin, daß man sie auf ganz verschiedene Weise zur Präsentation bringen kann, insbesondere auch für Menschen mit geringerer Sehkraft als der Durchschnitt.

Das wird also ebenfalls gebraucht und hat mehr Möglichkeiten, die auch sonst über das eines gedruckten Buches hinausgehen.

In der Flexibilität liegt die große Stärke der digitalen Bücher neben den zusätzlichen Möglichkeiten (Audio, Video, Animation, Interaktion, Skalierbarkeit von Graphiken ...)

Dauerhafte digitale Speicherung ist durchaus auch weiterhin ein Problem.

Über die Jahrhunderte/Jahrtausende haben durchaus einige Bücher auf Papier oder gar Werke auf Gestein überlebt.

Was bleibt von unseren heutigen Datenträgern in fünfhundert oder noch mehr Jahren?

Unsere Geschichte steht mit der Digitalisierung auf sehr wackeligen Füßen.

Das Problem haben die analogen Medien nicht in dem Ausmaß.

Von daher bleibt Archivierung von Information ein Problem, welches jedenfalls mit Digitalisierung rein gar nicht gelöst ist, mit analogen Medien zwar auch nicht, da fällt aber schon einmal der Schritt der Dekodierung weg, um herauszufinden, was die Information auf den Träger bedeutet.

 

 

Auffällig ist, dass du dem ß die Treue hältst. Warum ist dir das so wichtig?

 

Das ß ist ja bei den neuen Rechtschreibregeln nicht verschwunden, von daher wäre es falsch, alle ß in doppelte s umzuwandeln (Ausnahme: Schweizer Dialekt, da war das aber auch wohl schon früher so).

Bei den neuen Regeln ist wohl nur weggefallen, daß es am Ende einer Silbe kein doppeltes s geben darf, warum auch immer.

Und die Ligatur ß hat ja durchaus einen ästhetischen Reiz, weitgehend ein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Sprache. Andere Unterscheidungen sind ja bereits früher weggefallen, bei Fraktur gab es ja noch Lang- und Rund-s.

Durch solch eine Verarmung steigen auch die Mehrdeutigkeiten, die Homonyme an, eine Sprache verliert an Ausdrucksfähigkeit, Präzision.

In der Richtung hätte man bei der Reform eher etwas unternehmen können: Tor? Tau? Weide? Kiefer? Bank? Tag? Schloß? Leiter? Steuer? Kiwi (wie sonst könnte man den Kindern glaubhaft machen, diese graugrünen, eiförmigen Dinger seien die Eier vom gleichnamigen Vogel)? ;-)

Übrigens, schon gewußt? Anhand der Anzahl der Zeichen ß zu s läßt sich bei einem Text ziemlich sicher feststellen, ob ein Text Schweizer Dialekt, Neuschreib, Altschreib, Freistil ist. Dazu muß der Text nicht einmal gelesen werden.

Ich mag die alte Rechtschreibung, habe auch hauptsächlich Bücher mit alter Rechtschreibung in meiner kleinen (hauptsächlich geerbten) Bibliothek, daher war ich noch nie von den neuen Regeln überzeugt.

Inzwischen geht da wohl immer mehr durcheinander und die Rechtscheibprüfungen bekommen das zunehmend schlechter hin, aber ich gebe mir Mühe, da auch in meinen Büchern konsistent zu bleiben.

Ich habe den Eindruck, bei den Rechtschreib-Dateien der Programme hat die Qualität abgenommen, auch wenn ‚Regeln von 1905‘ draufsteht, sind da mittlerweile diverse Fehler drin (besonders auffällig ist die falsche Verwendung des doppelten s statt ß an Silbenenden).

Die Dateien für die neuen Regeln sind allerdings auch nicht viel konsistenter, da wird öfter etwas unterkringelt, was auch nach den neuen Regeln richtig ist, also doppelte Arbeit - alles noch einmal im Duden nachsehen, Kopf über die Rechtschreibprüfung schütteln, fehlende Wörter ergänzen und weitermachen ;-)

Ohne die Reform wäre das Bild da heute konsistenter und all die Arbeit daran hätte man darauf verwenden können, die Dateien für den bestehenden Regelsatz zu verbessern und zu komplettieren.

Stattdessen wurde jahrelang diskutiert, reformiert, kontraformiert und bockformiert, ist ja mal kein Skatspiel, solch ein Regelwerk ;-) Inzwischen hat sich die Lage ja immerhin etwas beruhigt.

Aber in diesem Sinne haben sie es verbockt mit der Reform, wenn überhaupt, hätte man das konsequent durchziehen müssen: Einfachere Regeln und Schreibweisen, weniger Mehrdeutigkeiten.

Versteht etwa heute jemand die Regeln, nach welchen entschieden wird, ob zusammengesetzte Verben auseinander- oder zusammengeschrieben werden?

Oder in welchen Fällen beides geht - und warum die Rechtschreibprüfprogramme all das auch nicht verstehen?

 

Die Schule lehrt zwar die neuen Regeln, aber da gab es bei mir immer den Konflikt mit den ‚alten‘ Büchern, fand ich immer merkwürdig, daß die in der Schule etwas anderes erzählen als damals in jedem Buch zu lesen war ;-)

Das hat mich skeptisch gemacht, schon in der Jugend.

Aber diese Skepsis kann auch zu mehr Selbstbewußtsein führen: Es fördert die Erkenntnis, daß das keine festen Naturgesetze sind, all das ist fehlerhaftes Menschenwerk, willkürlich und beliebig. Und die Leute, die das festlegen, haben es offenbar auch nicht wirklich drauf, sonst wären das doch verständliche Regeln. Das ist ein wichtiger Baustein im Verständnis unserer Kultur und Technik: Die meisten angeblichen Innovationen, Reformen etc sind so hingeschlunzt, daß es für den Augenblick zu funktionieren scheint, es steckt aber eigentlich wenig dahinter, was wirklich gut durchdacht wäre und den Mitmenschen das Leben langfristig erleichtern könnte.

Die Bezeichnung ‚home sapiens‘ (weiser Mensch) muß sich jemand mit sehr viel Humor und Fähigkeit zur Selbstironie ausgedacht haben ;-)

Ich habe aber auch nichts dagegen, wenn Leute den schweizerischen Dialekt verwenden oder eben die neuen Regeln, soll jede machen, wie sie will.

In allen Varianten sind lediglich die Mehrdeutigkeit lästig.

Und so wie es heute im Netz läuft, dürfen die Leser ja schon froh sein, wenn überhaupt eines der Regelwerke konsistent verwendet wird ;-)

Auch hier führte die Reform natürlich zu einer Art Emanzipation - viele schreiben einfach, wie sie wollen, samt Deppenleerzeichen, persönlicher Grammatik und einer schaurigen Mischung namens denglisch, wobei es ja sogar für englische Wörter, die auf y enden, einen deutschen Plural gibt - was soll der Blödsinn?

Ich habe auch einfach Lust darauf, daß meine digitalen Bücher ein wenig vom Flair der alten gedruckten Bücher haben. Nicht die überflüssige Seiteneinteilung oder den vergilbenden Säurefraß, die Rechtschreibregeln aber schon. Die alten, gedruckten Bücher hatten noch etwas von Vertrauenswürdigkeit, Verläßlichkeit.

Da gab es noch Grund zu glauben, daß stimmt, was geschrieben steht.

Texte mit den neuen Regeln sind heute hingegen auffällig oft so hingeschlunzt, kurzlebig, überhastet, verkürzt, Wegwerftexte.

Den Eindruck möchte ich bei meinen Büchern natürlich nicht erwecken.

Der gute Eindruck der alten Bücher könnte natürlich auch damit zusammenhängen, daß ich als Kind noch unkritischer war, weniger wußte. Aber das ist ja nun auch schon ein paar Jahre und mehr als ein Studium her ;-)

 

 

Du bist eine junge Frau und doch bei BX ein „alter Hase.“ Welchen Tipp würdest du Schreibanfängern geben?

 

Mit den eigenen Erwartungen bescheiden bleiben, sich darauf konzentrieren, etwas zu schreiben, was einem selbst wichtig ist und einem Spaß macht.

Statistisch gesehen ist es unwahrscheinlich, bekannt oder gar berühmt damit zu werden.

Von daher also ruhig, gelassen und amüsiert bleiben.

Das Leben bietet immer seine skurrilen, unterhaltsamen Momente. Wenn man/frau es zu verbissen sieht, entgehen einem diese Momente glatt und es geschieht schnell, daß die Lust am Tun verlorengeht.

Und natürlich: Perfektion ist eine Illusion.

Das heißt aber trotzdem, daß bekannte Fehler beseitigt werden sollten:

„Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.“ Konfuzius.

Dabei kann natürlich gerade bei Literatur strittig sein, was falsch ist, also einerseits die eigene Position selbstbewußt vertreten, andere Meinungen aber auch gelten lassen und darüber reflektieren, was wohl insgesamt wirklich am besten aus allem zu machen ist.

 

 

Kritik zu äußern und selbst anzunehmen ist immer eine schwierige Sache, aber auch in meinen Augen unerlässlich, um sich weiterzuentwickeln. Es grenzt beinahe an Kunst, den richtigen, konstruktiven Weg zu wählen um diese an den Mann / die Frau zu bringen. Hast du da ein Rezept?

 

 

Wenn ich das mal auf zu rezensierende Werke beziehe, so kann da schon etwas von der Psychologie oder Verhaltensforschung übernommen werden:

Menschen sind Kritik gegenüber aufgeschlossener, wenn ihr zunächst ein Lob vorausgeht ;-)

So kann mit einer nachfolgenden Kritik also erreicht werden, daß den Vorschlägen gefolgt wird.

Somit kann es nützlich sein, sie schön zu verpacken und im Werk zunächst zu suchen, was gut angekommen ist, das lobend erwähnen.

Dann ist schon einmal die Stimmung besser und das Gemüt aufnahmefähiger.

Das kann allerdings auch genutzt werden, um Menschen regelrecht fertigzumachen. So gibt es wohl die Geschichte, jemand habe sich über längere Zeit als Fan und hemmungsloser Verehrer der Kunst eines Künstlers ausgegeben, so sich in dessen Vertrauen geschlichen.

Als das gut ausgebaut war, begann dann die Demontage, indem immer deutlichere Mißbilligung in die Äußerungen eingeflochten wird, das kann dann ein schleichendes Gift sein, vielleicht gar noch als freundschaftlicher Trost verpackt, dessen Dosis allmählich erhöht wird, um die allmählich immer mehr nagenden Selbstzweifel des Künstlers zu füttern.

Das ist so eine subtile Art des Sadismus ;-)

Ansonsten sind Menschen unterschiedlich, ein pauschales Rezept ist also kaum anzubieten.

Wenn es da Zweifel gibt, kann es auch sinnvoll sein nachzufragen, ob die jeweiligen Autoren überhaupt Verbesserungsvorschläge haben wollen, bevor man/frau sich an die Arbeit macht, lange Listen (mit Rechtschreibfehlern oder sonstigen Anmerkungen) zu erstellen. So ohne Ankündigung kann das Autoren ja auch erschlagen und sehr verunsichern, wenn die Liste länger ist als das ganze Werk ;-)

Nachdem ich hier bei BookRix zunächst in meiner eigenen Art ziemlich unsensibel vorgegangen bin, habe ich mich in letzter Zeit doch auf die Methode verlegt, den Autoren eher eine Nachricht zukommen zu lassen, statt mich daran zu erfreuen, einen Verriß als Kommentar unter das Werk zu setzen - ist gar nicht so einfach für mich, aber ich übe eben, nett zu sein ;-)

Dabei bin ich allerdings eher sprachlos, wenn die Ausmaße meiner Kritik zu groß werden würden und ich nicht einmal danach gefragt wurde.

Da ich auch nicht alles kommentiere, was ich gut finde, ist also nicht eindeutig erkennbar, warum ich eventuell sprachlos bin.

Gerade da, wo sich die Kritikpunkte oder auch offenen Fragen in Grenzen halten, schreibe ich aber schon öfter etwas dazu, schon als eine Art Wertschätzung des Werkes.

Eigentlich ist es doch sowieso wichtiger, Autoren Tips zu geben, wie sie mit Kritik und zugeschickten Mängellisten umgehen sollen:

Gelassen bleiben, erst einmal selbstkritisch überdenken, ob da etwas dran ist, was kritisiert wird, sich gegebenenfalls wieder beruhigen und sachlich antworten, ohne gleich eingeschnappt zu sein.

Wenn in der Kritik nicht explizit Beleidigungen drinstehen, stattdessen konstruktive Anmerkungen, gibt es dazu auch gar keinen Grund.

Zumal sich die Kritik ja auf das Werk bezieht, nicht auf die Autoren.

Immerhin hat sich dann jemand Gedanken und Arbeit gemacht, so egal kann es der Person also gar nicht sein.

 

 

Leider nehmen viele Menschen Kritik persönlich und nicht sachlich, was einige davon abhält überhaupt einen ehrlichen Kommentar zu schreiben.

Aber damit wir uns hier nicht der Kritik des vermutlich bislang längsten Interviews aller BookRix Zeiten aussetzen müssen, denke ich, dass wir langsam zum Ende kommen sollten. Mir hat unsere gemeinsame Zeit sehr viel Spaß gemacht und trotz meiner anfänglichen Bedenken hast du doch ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert. Ich bedanke mich ganz herzlich bei dir und wünsche dir von Herzen alles Gute und VIEL Erfolg!

 

 

Tja, Bedenken hatte ich auch, aber ist ja noch mal gutgegangen ;-)

Lange Ausführungen gehören doch zu meinem Repertoire, in der Hinsicht bin ich gar nicht überrascht ;-)

Es ist ja nicht so einfach, an die Schatzwörter zu kommen.

Und unterhaltsam war es selbstverständlich auch für mich.

 

 

 

Angaben zum Buch:


Cover-Schriftart: SansForgetica (Lizenz CC-BY-NC, Angaben zu den Autoren, einer Arbeitsgruppe der Universität Royal Melbourne Institute of Technology, der Schrift sind der zugehörigen Seite zu entnehmen: http://sansforgetica.rmit)

 

Cover: Dr. Olaf Hoffmann

 

Marie de Sade bei BookRix:

https://www.bookrix.de/-if4897c4a0f7965/

Autorenseite bei Amazon:

https://www.amazon.de/Marie-de-Sade/e/B01N9UQA21

 

 

Impressum

Texte: Autorenpresse der KG - Gruppe
Bildmaterialien: Marie de Sade
Cover: Dr. Olaf Hoffmann
Tag der Veröffentlichung: 07.12.2018

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