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Interview mit Petra Peuleke und ihrem (Leih)Engel

 

 

So, es ist mal wieder so weit. Mein Redakteur Phil hat mir einen neuen Auftrag für ein Interview erteilt. Aber dieses Mal bin ich schlauer. Endlich ist meine Wohnung wieder halbwegs annehmbar und meine Nachbarin besänftigt. Das setze ich nicht gleich wieder aufs Spiel. Also habe ich mich kurzerhand bei meiner Interviewpartnerin eingeladen.

Gestern habe ich mir Petras Geschichte durchgelesen, mit der sie den Juni-Wettbewerb in der KG-Gruppe gewonnen hat. Sehr berührend die Story. "Penelope" heißt die Geschichte, und auch das Baby, um welches es in der Erzählung ging.

Aber jetzt Schluss mit den trüben Gedanken. Ich muss mich konzentrieren, die richtigen Fragen stellen und so professionell wie möglich rüberkommen. So ein Desaster wie mit dem gestiefelten Maulwurf darf mir heute keinesfalls passieren.

Mit flottem Schritt nähere ich mich der Haustüre, setzte mein gewinnendstes Lächeln auf und drücke auf die Klingel von P. Peuleke.

 

P. Peuleke

"Oh nein", denke ich, das wird doch wohl nicht schon Jessica sein? 
Verzweifelt sehe ich zur Uhr. Doch, es ist bereits an der Zeit ...!

Der Kuchen, den ich vorhin backen wollte, ist bereits verbrannt. Was soll sie nur von mir denken? 
Kaffee ist auch noch nicht gekocht ... - Vielleicht trinkt sie ja auch Tee, zumindest könnte ich das fragen ...!

Jedes Mal ist es das Gleiche. Jetzt gilt es zu überspielen. Ich setze mein schönstes Lächeln auf - habe ich mich überhaupt geschminkt?

Ich renne noch mal schnell ins Bad, rufe ein "Ich komme gleich" und öffne nach wenigen Minuten entspannt die Tür.

 

Autorenpresse KG-Gruppe

Mit Schwung fliegt die Tür auf und mein erster Gedanke ist 'Na, entspannt sieht aber anders aus'. Der Duft von verbranntem Kuchen steigt mir in die Nase und inständig hoffe ich, dass sie wenigstens den Kaffee schon aufgestellt hat.

Als hätte ich nichts bemerkt, reiche ich meinem Gegenüber die Hand. "Hallo Petra, mein Name ist Jessica. Freut mich, endlich die Frau kennenzulernen, deren Geschichte mich den ganzen gestrigen Abend beschäftigt hat.
Ich hoffe, es macht dir keine Umstände, dass wir das Interview bei dir machen. Meine Wohnung ist ... sagen wir mal ... nicht so geeignet dafür. Zu viele Nachbarn, wenn du verstehst, was ich meine."
Ungewollt verziehe ich den Mund und fragend blickt mich Petra an.

Da erst fällt mein Blick auf die ältere Dame, die immer weiter nach vorne drängt und augenscheinlich sehnsüchtig darauf wartet, endlich vorgestellt zu werden.
Wer kann das sein? Von einem weiteren Interviewpartner hat mir Phil gar nichts gesagt. Tja, das sind die Überraschungen, mit denen wir Reporter uns immer rumschlagen müssen. Aus eins mach zwei - und beiden sollst du gerecht werden.

Aber ich werde mich dieses Mal nicht aus dem Konzept bringen lassen. 'Erfahre so viel wie möglich von der Autorin P. Peuleke'. Das war die strikte Anweisung von meinem Redakteur. Und daran werde ich mich halten.

 

P. Peuleke

"Wie schön, dass du da bist", freue ich mich - (und so pünktlich!). 
"Wir sollten in den Garten gehen, bei diesem Wetter ist es dort viel schöner." Souverän geleite ich Jessica um unser Haus herum auf die Terrasse. 
Hinein ist auch fast nicht möglich, es stinkt immer noch erbärmlich, was mach ich bloß? 
Wer ruft denn da? Ach herrjeh! Angi hab ich ganz vergessen, die steht ja immer noch im Flur.
"Ich hol jetzt unseren Engel ... Sag mal, trinkst du Tee? ...", eilig laufe ich davon.

Wie peinlich, habe meinen eigenen Protagonisten ganz vergessen. Irgendwie bin ich in dieser Rolle vollkommen ungeübt ... Was hat Jessica gerufen? "Nein", habe ich verstanden. Was war das andere? "Cuvée?"

Erleichtert stelle ich fest, dass noch `ne Flasche Schampus im Kühlschrank liegt. Beruhigt nehme ich drei Gläser, die Flasche und noch etwas Käse mit. 
Alles wird gut, denke ich, und schiebe Angi vor mir hinaus in den Garten.

Jessica strahlt über das ganze Gesicht, als sie den Champagner sieht. - Vermutlich ist es ihre Marke.


Ich stelle die beiden Damen einander vor, schenke unsere Gläser voll und will mich gerade setzen, da fragt Angi mich nach Erdbeeren, Weintrauben täten´s auch. 
Bin ich hier im falschen Film? Vielleicht filmt Phil ja gerade? - Ich schau mich um, nein, da ist niemand! Ich geh zurück ins Haus, suche Weintrauben und Erdbeeren.

Was tut man nicht alles für seinen Protagonisten? Ich fülle das Obst in eine hübsche Schale - und stelle den Backofen aus; vielleicht hört es ja jetzt irgendwann mal auf zu stinken?

Etwas betreten bemerke ich, wie die beiden fröhlich miteinander plaudern, die Flasche ist fast leer. Ich sollte dringend nachlegen, bevor ich mich zurückmelde.
Das kann ja heiter werden!

 

Autorenpresse der KG Gruppe

"Angi, also ich muss schon sagen, du bist mir vielleicht eine Nummer. Mit dir alleine könnte ich ja schon einen ganzen Roman schreiben. Wie soll ich das alles in ein so kurzes Interview quetschen, wo es doch in erster Linie um Petra geht?
Apropos, Petra - unsere Leser würde natürlich brennend interessieren, wie du überhaupt zum Schreiben gekommen bist. Hast du ein Vorbild? Eine Muse? Was treibt dich an, solchen Protagonisten wie Angi Leben einzuhauchen und sie derart witzig rüberkommen zu lassen? Nun sag schon."
Gespannt blicke ich auf Petra, die mich nur mit irrem Blick mustert, ein paarmal den Mund öffnet, um ihn dann wieder zu schließen.
Habe ich etwa Reste von den Erdbeeren zwischen den Zähnen, oder was hat sie so dermaßen aus dem Konzept gebracht?

Dunkel beschleicht mich ein Gedanke, den ich dann recht laut ausspreche. "Oder kann es sein, dass ich lalle und vielleicht zu viele Fragen auf einmal stelle? Sorry - genau aus diesem Grund wollte ich ja auch Kaffee. Alkohol vertrage ich so überhaupt nicht und schon gar nicht morgens um neun, noch vor dem Frühstück."

 

P. Peuleke

"Ja", versuche ich Zeit zu gewinnen.. Ich muss erst mal ihre Fragen sortieren. Sie lallt doch schon ziemlich kräftig.. "Ich koche uns besser erst mal einen Kaffee.. Ich schreibe, weil das mit dem Reden irgendwie nicht klappt, ich war schon immer Dienstleister."

Jessica nickt verständnisvoll und schenkt die Gläser wieder nach. 
"Fühl dich ganz wie zu Hause", denke ich laut und wende mich wieder ab. Ich sollte dringend Kaffee kochen, die leere Pulle nehm ich mit. Das ist ein Gespann! Worauf hab ich mich da eigentlich eingelassen? Muss ein typischer Newbie-Fehler sein! Zum Glück steht da noch Sekt im Keller. Nach fünf Minuten bin ich wieder da.
Erdbeeren, Käse und Weintrauben sind auch alle. Wieder suche ich die Kamera. Das hier ist doch echt nicht euer Ernst? Ich frag die beiden, ob sie `ne Pizza wollen. Mir zuprostend nicken sie.

 

 

Autorenpresse de KG Gruppe

Petra wackelt den Weg zurück in die Küche, oder bin ich es, die wackelt? Ich setz mich lieber wieder hin und gehe später auf die Toilette.
Außerdem ist es gerade so spannend. Angi hat mir gerade erzählt, wie sie vor drei Wochen im Supermarkt auf einen jungen Mann getroffen ist, den sie von der Aufwachstation her kennt. Er war sehr redselig und hat ihr beinahe sein ganzes Leben ausgeschüttet. Die Narkose hatte ihm ordentlich zugesetzt.
"Aber", erzählt Angi weiter, "wenn du nun denkst, dass es das ist, was ihm so peinlich war, muss ich dich enttäuschen. Wegen seiner eigenartigen Reaktion auf die Narkose hat die Stationsärztin beschlossen, ihn über Nacht zur Beobachtung dazubehalten. Als ich am nächsten Morgen dort wieder ankam, war er noch immer da und eine der Schwestern bat mich, ihn zu waschen bevor er auf die Station verlegt wurde."
Sie warf mir einen schelmischen Blick zu und grinste über das ganze Gesicht.
"Ich habe mich natürlich nicht zweimal bitten lassen. Wann bekommt eine so reife Frau wie ich schon mal die Gelegenheit einen knackigen Mittzwanziger in seiner Pracht zu sehen?"

Meine Augen weiteten sich und gespannt wartete ich, was als nächstes kam. "In dem Moment, als er auf mich in der Gemüseabteilung traf, eine Salatgurke in der einen Hand, zwei Kiwis in der anderen, muss bei ihm wohl die Erinnerung eingesetzt haben. Jedenfalls machte er auf dem Absatz kehrt, murmelte so etwas wie 'Mir wird schlecht' und weg war er."

Nun konnte ich nicht mehr an mich halten. Die Tränen kullerten mir vor lauter Lachen die Wangen hinunter, als Petra endlich mit der Pizza in der Hand wieder auftauchte. Der Blick, den sie mir dabei zuwarf, beruhigte mich in keiner Weise. Im Gegenteil ... jetzt war ein ausgewachsener Lachflash im Anmarsch. Es dauerte sage und schreibe zehn Minuten, bis sowohl Angi als auch ich wieder in der Lage waren, still auf unseren Hintern zu sitzen und ernst in die Gegend zu schauen. Die Pizza war inzwischen kalt geworden.

"Und, wie gefällt es dir auf BookRix? Hast du dich dort schon ein wenig eingewöhnt und ein paar nette Leute kennengelernt?", frage ich, ganz auf meinen Job konzentriert.

 

P. Peuleke

Das hat doch alles keinen Sinn, denke ich, als ich die Pizza auf den Tisch stelle. Die beiden kriegen sich gar nicht wieder ein! 
Zum Glück habe ich in der Küche selbst bereits ein wenig vorgeglüht, damit ich den Damen überhaupt noch folgen kann. Ich trink erst mal ‘nen Schluck ... Im Alkohol liegt die Basis ..., dann zünde ich mir eine Zigarette an und ernte von Angi ein breites Grinsen. 
Zu unserem Erstaunen packt sie einen Joint aus. "In deinem Alter", stammle ich und reiche ihr das Feuerzeug. 
Jessica grölt. Ich glaube, sie ist bereits besoffen. Zumindest hoffe ich das, irgendwie ist das alles ziemlich peinlich.
"BookRix ist einfach toll", versuche ich die Situation zu retten, "alle haben mich super aufgenommen, sind sehr hilfsbereit und ... ich habe sogar schon einen Wettbewerb gewonnen." Angi gießt die Gläser wieder voll und tänzelt wie ein Teenie in die Küche, ich vermute, um neuen Stoff zu holen; ich blicke verzweifelt in Jessicas Augen ... "Trotz meines Protagonisten", füge ich entschuldigend hinzu.

 

Autorenpresse der KG Gruppe

"Oh ja, du hast mein volles Mitgefühl. Angi ist wirklich der Hammer. Wie konntest du bei der Kurzgeschichte nur den nötigen Ernst aufbringen, den diese verlangt, mit Angi an deiner Seite? Das zeugt von unglaublicher Disziplin."
Petra nickt nur und nippt an ihrem Glas.
"Obwohl du noch nicht allzu lange auf BX bist, hast du schon zehn Bücher am Start. Erzähl doch mal. In welchen Genres bist du so unterwegs? Wie weit möchtest du mit dem Schreiben kommen? Hast du Ambitionen mal einen Roman zu schreiben und zu veröffentlichen? Eine der ganz Großen zu werden?"

 

P. Peuleke

"Naja, die Angi habe ich seinerzeit aus den Augen verloren, schon krass, was aus ihr geworden ist, aber anders hält man ihren Idealismus wohl nicht aus", besorgt blicke ich in Richtung Haus, irgendetwas scheppert laut. Angi schwankt zu uns zurück und lallt: "Nichts passiert." 
"Also, eine von den ganz Großen zu werden", lächle ich bescheiden, "liegt mir wirklich fern. Natürlich versuche ich, wie alle anderen vermutlich auch, meinen Roman an den Mann oder an die Frau zu bringen. Mit ein wenig Glück gelingt mir das vielleicht. Derzeit wird mein Manuskript von einem Verlag geprüft. 
Übrigens, ohne meine BookRix-Freunde hätte ich es nicht mal eingesandt. Phil hat mir bei der Autorenbiografie geholfen und andere haben mir wirklich Mut gemacht. Wenn es was wird, dann nur wegen BookRix. Wenn nicht, dann vermutlich auch, weil ich es bereits veröffentlicht habe, was einem Verlag sicher nicht gefällt. Wie auch immer, warten wir es ab."

Ich mache eine Pause, weil Angi zu laut schnarcht und wecke sie mit einem sanften Seitenhieb. Erschrocken sieht sie sich um und macht sich hungrig über die kalte Pizza her. Der Sekt ist alle. Ich gieße Jessica und mir einen Kaffee ein. Sie schenkt mir einen verheißungsvollen Blick. Wortlos stehe ich auf und hol den Baileys, den kippen wir hinein, denn ich habe keine Milch im Haus.

"Ich habe einen Indianerroman geschrieben", setze ich erklärend fort, "aber ohne Winnetou", komme ich ihr zuvor, "denn er ist gut recherchiert und als historisch von mir deklariert. Ich bin ein absoluter Fan von indianischer Geschichte. Nicht, dass es mir gefällt, was damals dort geschehen ist, im Gegenteil, ich finde es erschreckend, dass sich die Einstellung gegenüber den Ureinwohnern bis heute kaum verändert hat. Das hat mich einst dazu veranlasst, meinen Roman zu schreiben."

 

Autorenpresse der KG Gruppe

Zustimmend nicke ich. "Ja, was früher alles unter dem Deckmantel der Zivilisation abgelaufen ist, ist erschreckend. Genauso wie die Tatsache, dass sich das alles immer wieder wiederholt. Die Kreuzzüge, der Golfkrieg - die Gier auf Land und Bodenschätze wird wohl niemals ein Ende nehmen."
Betroffenheit macht sich in dem kleinen, aber schön gepflegten Garten breit. Nur das permanente Schnarchen von Angi stört das Idyll. Aber vielleicht ist das auch gut so. Trübe Gedanken haben bei einem Interview nicht Platz. Es soll anregend sein, aufbauend, ermutigend.
Also weiter im Kontext. "Es gibt Unmengen an Stilmitteln. Was sind deine bevorzugten?"

 

P. Peuleke

"Stil?", frage ich verwundert. "Keine Ahnung. Ich denke, Stil hat man, oder nicht. Ähnlich wie bei der Erziehung, beim Benehmen, in Gesprächen - eine Technik gibt es für mich nicht. Ich schreibe "frei nach Schnauze" und versuche, nicht so langatmig zu sein. Das ist es, was mich an vielen Büchern nervt. Manche kommen nie zum Punkt. 
Vielleicht ist das mein Stil, allerdings ohne Methode. Ich schreibe, wie ich denke. Derzeit viele Kurzgeschichten, Drabbles, Wettbewerbsbeiträge, Anthologien, das macht es interessant. Ein Hobby, das einfach Spaß macht, zur Erholung dient und nicht zum drüber Nachdenken."

Jessica wirkt etwas müde. Sie wird doch jetzt nicht einschlafen, wo ich gerade so in Fahrt bin? Ich wage nicht, ihr vor´s Knie zu treten, aber ihre Augen klappen langsam zu. Bin ich so langweilig oder liegt es am Sprit? Ich hol ihr mal einen Liegestuhl, vielleicht berappelt sie sich wieder.

 

Autorenpresse der KG Gruppe

Mann oh Mann - von dem stetigen Geschnarche zu meiner Linken gehen mir die Augen auf Halbmast. Wenn das so weitergeht schlafe ich noch ein. Und das ausgerechnet jetzt, wo es gerade so gut läuft. Wird also Zeit, dass ich unseren eingerauchten Engel mal wieder etwas auf Trab bringe.

"Hey Angi!", brülle ich und klopfe dabei der alten Dame fest auf den Oberschenkel. Mit einem lauten "Ich war‘s nicht" fährt sie aus dem Schlaf hoch. Das wirft ein paar Fragen auf, allerdings, wenn ich jetzt nachhake, erzählt sie wieder eine ihrer Erlebnisse im Krankenhaus. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich noch eine vertrage. Die Geschichte von der Krankenschwester und dem Gynäkologen im MRT hat mir zuvor schon die Schamesröte ins Gesicht getrieben. Zum Glück war die alte Dame so dermaßen benebelt von ihrem Joint, dass sie es nicht bemerkt hat.

"Doch - du hast das letzte Stück Pizza gegessen. Nun musst du auch für Nachschub sorgen." Mit dieser Aufgabe dürfte sie eine Weile beschäftigt sein und ich wieder wach.

"Bist du eigentlich strukturiert beim Schreiben?", richte ich wieder meine Fragen an Petra. "Folgst du einem Plot, oder lässt du deinen Geschichten die Freiheit, sich selbst zu entfalten?"

 

P. Peuleke

Ich grinse breit und antworte: "Ich liebe die Freiheit, bin kein Verfechter von Fachtermini. Ich schreibe meistens mit einfachen, klaren Worten." Angi hat den letzten Teil meiner Ausführung mitbekommen. "Ja", lallt sie, "wenn´s Scheiße ist, dann muss man das auch sagen", damit kracht sie ungebremst in den Liegestuhl, den Jessica zuvor lächelnd abgelehnt hatte. Der Stuhl hält. Gute Qualität, obwohl der auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat.

"Natürlich", ignoriere ich Angis Intermezzo, "habe ich einen Leitfaden, einen Zeitablauf, meist ein Geschichtsbuch. All die Daten kann ich mir dazu nicht merken, ich will ja keine Fehler machen." Angi ruft nach einer Decke. Ich stehe auf und hol ihr eine, frage mich mittlerweile, wer in diesem Stück der Engel ist. 
"Wir sind ja alle Menschen", führe ich vermittelnd fort, als Angi wieder wild um sich fuchtelt und vermutlich vom Chefarzt träumt. 
"Protagonisten findet man im wahren Leben zuhauf", erkläre ich, als Angi ein lautes "Diese dunklen Augen!" über ihre Lippen fährt. Sie schreckt hoch, scheint ein bisschen verwirrt zu sein und fragt nach etwas Stärkerem als Sekt. Auf mein "Ich denk, du hast genug" reagiert sie ziemlich sauer. "Ich bin hier die Hauptperson!", schimpft sie, "ohne mich hättest du gar keinen Wettbewerb gewonnen!" Irgendwie hat sie ja Recht, und ich stell ihr eine Flasche Whisky hin. Sie scheint zufrieden und reicht auch uns ein Glas.

 

Autorenpresse KG-Gruppe

Na Prost - Mahlzeit. Es ist halb elf und dieser Engel der Barmherzigkeit, der sich um kranke, schwache Menschen und Kinder kümmert, liegt sturzbesoffen im Garten meiner Interviewpartnerin und vernascht in Gedanken gerade einen der Ärzte. Hoffentlich hat sie morgen frei, damit sie in Ruhe ihren Rausch ausschlafen kann. Sonst dürfte es morgen wohl etwas hektisch im Krankenhaus werden.

"Was mich noch brennend interessieren würde ... wer ist dein Lieblingsautor und was ist dein bevorzugtes Genre?"

Läuft doch gut, denke ich. So viele Infos habe ich noch nie bei einem Interview sammeln können. Bisher haben mir immer die Protas einen Strich durch die Rechnung gemacht und ihr Eigenleben entwickelt. In meiner Wohnung, auf meine Kosten.
Vielleicht sollte ich künftig alle Protas mit einer Flasche Schnaps begrüßen und sie abfüllen? Dann können sie nichts mehr anstellen und ich meiner Arbeit nachgehen.

 

P. Peuleke

Zur Abwechslung schenke ich Angi einen Kaffee ein, den sie vehement verwehrt. Das Konzentrieren fällt mir etwas schwer, weil sie schmutzige Lieder singt. Was soll´s. 
"Bernard Cornwell lese ich ziemlich gern, sein Uthred gefällt mir wirklich gut. Allerdings schrieb Carlos Ruiz Zafon mein einstiges Lieblingsbuch: "Schatten des Windes", leider waren die Folgeromane nicht ähnlich stark."

Ich bitte Angi, etwas leiser zu singen. Da das nicht hilft gebe ich ihr noch `nen Whisky und sie strahlt.
"Mein bevorzugten Genres sind amerikanische Geschichte, Liebe, Gesellschaft, Biografisches." 
Angi muss zum Klo, ich muss sie stützen. Allerdings torkel ich auch schon ein wenig, der Whisky haut ganz schön rein.

 

Autorenpresse KG-Gruppe

Soll ich im Interview erwähnen, dass Petra jetzt auch schon starke Schlagseite hat? Nein, lieber nicht, sonst muss ich auch noch zugeben, dass ich selbst extrem wackelig auf den Beinen bin. Ich werde gleich mal einen Freund anrufen, damit er mich dann abholt.
Zu Fuß schaff ich das nicht bis nach Hause, und auf meinem Fahrrad ... das ist glaube ich auch nicht mehr zu empfehlen.

Angi und Petra kommen zurück. Geräuschvoll lässt sich Angi auf dem Liegestuhl nieder - gefallener Engel, geht mir durch den Kopf. Aber nur ganz kurz. Ich versuche meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Fragen zu richten, aber Petra schenkt schon wieder nach und prostet mir zu. Morgen werde ich den heutigen Tag wieder mal sehr bereuen.

"Du hast mir noch immer nicht verraten, wie du überhaupt zum Schreiben gekommen bist."

 

P. Peuleke

Irgendwie lallt sie ziemlich. Zum Glück habe ich nicht nur Angi, sondern auch unseren letzten Whisky mitgebracht. Der Weg zum Haus ist ganz schön weit und die Pulle alle. "Was has du gesacht?", frage ich, verstehen tu ich sie nicht mehr. Ach ja. Schreiben. "Finde ich manchmal einfacher als reden" Ich brauch erst mal ein Wasser.

 

Autorenpresse KG-Gruppe

"Was ist einfacher als reden? Ich wollte wissen, warum du schreist. Ich meine schreibst. Wann du angefangen hast damit. Also mit Schreiben - nicht mit Schreien. Oh Gott - ich laber nur noch Schwachsinn."

Der Blick, mit dem mich Petra anschaut, lässt mich zweifeln, ob sie mich verstanden hat. Dabei habe ich mich so bemüht klar und in einem verständlichen Deutsch zu sprechen.

 

P. Peuleke

Angi nickt zustimmend und hat derbe Schwierigkeiten, unsere Gläser wieder zu füllen.
"Is das nich herrlich?", säuselt sie und kippt auf den Liegestuhl zurück. 
"Ich schreibe, weil ... keine Ahnung, schon so lange her. Hatte schon immer irgendwelche Geschichten", irgendwie kann ich nur noch lachen, alles ist so schräg.

„Jetzt reicht es aber“, wütet eine fremde Stimme. Erschrocken sehen wir uns nach der Person um. Da kommt sie auch schon auf uns zu gestampft und fuchtelt energisch mit den Armen. „Frollein Rottenmeier“, denke ich laut und Jessica grölt Zustimmung. Nur Angi wird ganz blass und starr vor Angst, lässt ihr Glas schnell unter dem Tisch verschwinden.

„Sie! Sie!“, schreit sie laut und tritt gegen meinen Stuhl, dass ich beinahe hinten über falle. „Ja?“, pruste ich los, weil die Ähnlichkeit mit Johanna Spyris Topmodel so verblüffend ist, und grinse „Heidi is nich hier.“ Zum Glück schallert sie mir keine, so sauer wie die ist.

„Sie dumme Gans haben gar kein Verantwortungsgefühl!“, schreit sie mir entgegen. „Arme Rentner so zum Alkohol verleiten! Wo kommen wir denn dahin?“ 
Ich schaue zu Angi, irgendwie wirkt die zusammen gekauert, dabei hatten wir doch so viel Spaß.

„Die Angi“, will ich beginnen, doch das Frollein fällt mir glatt ins Wort.
„Angi? Das ist Rosa.“ „Blau“, bemerkt Jessica, und erntet dafür einen bösen Blick.

„Ihr Engel, wie Sie ihn nennen, hatte heute keine Zeit. Sie ist im Einsatz, so wie immer, haben Sie das nicht bemerkt? Rosa hat den Termin für sie wahrgenommen. Etwas Abwechslung war ihr ganz Recht. Und jetzt? Was werden die im Altenheim wohl von mir denken?“ 
„Abwechslung hatte sie“, springt Jessica für mich ein, als ich die Alte kritisch mustere. Irgendwie sieht die wirklich anders aus, hab mich vorhin schon gewundert, dass die so abgebaut hat.

„Ihnen fehlt der Blick für das Wesentliche!“, fährt das Frollein fort und packt unsere Angi 
fest am Arm. „Auf Wiedersehn“, stammelt unsere alte Freundin und fällt Jessica um den Hals. 
Bei der Gelegenheit schmuggel ich ihr unseren Whisky in die Tasche und denke so bei mir „Manche Engel braucht niemand.“

 

Autorenpresse KG-Gruppe

Kurze Zeit später klingelt es an der Tür. Der Freund, den ich vorher angerufen habe, ist da, um mich abzuholen. Ich drehe mich um zu Petra - wir schauen uns tief in die Augen ... und fangen beide aus tiefstem Herzen an zu grölen. Es dauert geschlagene zehn Minuten, bis wir uns wieder so weit im Griff haben, dass wir uns einigermaßen manierlich voneinander verabschieden können.

Mein Bekannter trägt mich mehr zu seinem Auto als dass ich gehe. Ich ernte ein paar Blicke von Passanten, die mir aber in diesem Zustand völlig egal sind.
Ich hoffe nur, dass ich morgen noch alles weiß, oder besser gesagt, verstehe, was wir da so alles zusammengestammelt haben, wenn ich das Diktiergerät abspiele, um mein Interview fertigzustellen.

 

 

ENDE

 

Wir, die Autorenpresse der KG-Gruppe, danken Petra Peuleke sowie ihrem (Leih)Engel Angi für diesen überaus feuchtfröhlichen Vormittag und dem unterhaltsamen Interview. Es hat unglaublich Spaß gemacht und ich hoffe, noch sehr viele Vorstellungen in dieser Form machen zu dürfen. Vielleicht darf ich noch ein weiteres Mal bei dir einfallen. Aber nur, wenn du mich nicht gleich wieder abfüllst. *ggg*

 

 

 

Phil Humar & Traumfaenger

 

 

Zur Seite von Petra Peuleke:

 

https://www.bookrix.de/-rce8cde1e38fe85/

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.07.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Interview ist der Siegerin des Kurzgeschichten-Wettbewerbes Juni, Petra Peuleke und Ihrem Engel Angi, gewidmet.

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