Cover

»Flyleaf | Vorwort

 

* * *

 

Die nachfolgenden Geschichten sind nicht für Leser über 100 Jahre geeignet. Basierend auf wahren Begebenheiten - zumindest manchmal; Szenen sind nachgestellt und Namen aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert. Oder so. Oder einfach um Peinlichkeiten zu vermeiden. Was weiß ich, bin doch nur 'ne kleine Schreiberin.

 

Jede Gesichte ist eine kleine, in sich geschlossen Einheit. Nur selten gibt es Nachfolge-Geschichten, aber die sind durch den gleichen Titel und Nummer gekennzeichnet.

 

 

Und nun gehet hinweg und freuet Euch eures Lesestoffes! Amen.

 

* * *

 

 

»ECC

 

 

Glossar: 

Traum = Eine Geschichte, die ich träumte. Meist Albtraumartig oder sehr merkwürdig, amüsant.

Story = Teil, meist Prolog, eines alten Projektes

RL = Real Life; Etwas, das Bezüge zu meinem Leben aufweist, mir oder bekannten Personen so passiert ist. 

The Feel = Eine Art "Reihe" von Geschichten, die alle Bezüge zueinander aufweisen und nicht in die anderen Kategorien reinpassen. Sozusagen eine Geschichte, geteilt in verschiedene Szenen

 

»RL: Guilty Or Guiltless? | Schuldig Oder Schuldlos?

Es kann jedem mal passieren.
Einmal nicht nachgedacht und man hat gleich jeden gegen sich.
Nichtsahnend,

mit einem belustigtem Hintergedanken schreibt man online Dinge über seine Sportgruppe wie »(Wir) Sind aber nicht gut :'D« als Zusatz einer Antwort auf eine Frage. Erste Kommentare der Kolleginnen trudeln ein. Witzelnd.
Über Rechtfertigung und Vorschlägen doch die Gruppe zu wechselnd. Man fasst es immer noch mit Humor auf.
            Und dann kommt dieser eine Tag:
Es ist Winter.
Es ist kalt draußen.
Viren fliegen wie Vögel durch die Gegend.
           Warten nur darauf sich einen Wirt zu suchen und ihn in die Flucht zu schlagen. Man bekommt eine simple Erkältung – kein Weltuntergang, aber genug um ein paar Tage außer Gefecht gesetzt zu sein. Sport ist ausgeschlossen, wenn man die ganze Zeit über hustet und die Nase verschleimt ist.

     Was tut man da?
Man schwänzt das Training.
Und es war ein Fehler.

Was wäre wohl passiert wenn man hingegangen wäre?

Hätte man Beschimpfungen, Beleidigungen und extremes Unverständnis vorgefunden, von denen man

getroffen worden wäre?
Man weiß es nicht. Doch so verging die Zeit.
Nichtsahnend.
Irgendwann schaut man einmal auf die Uhr: »Ah, Training war seit einer halben Stunde aus« und das Licht am Handy blinkt. »Ach, vermutlich belanglose SMSen«.
                                                  Denkste.
Zum Vorschein kommt ein endloser Kommentar in dem man als dreist und asozial betitelt wird. Plötzlich so. Aus heiterem Himmel. Schock. Fassungslosigkeit. Und das von jemandem, von dem man dachte, man würde sich langsam aber sicher mit anfreunden. Trugschluss. Eine Diskussion beginnt und man wird verantwortlich dafür gemacht, dass man nun als Trottel dastehen würde. Man als Mannschaft, als Team, als eine Gemeinschaft. Vergessen wird, dass man sich selbst mit 'beleidigt' hat. Vier Wörter werden falscher ausgelegt und alte Aussagen als Argumente genutzt. Man kommt plötzlich von einem Thema zum Anderen. Einfach so. Und man weiß immer noch nicht was genau hier eigentlich schief gelaufen ist.
Man wird aufgefordert die Kommentare zu löschen – es wäre das Besten für einen Selbst. Man mache sich ja nur unbeliebt. Weiterhin herrscht Fassungslosigkeit und Ärger in einem und man fragt sich ständig was man falsch gemacht hat.
                                                Ist man überhaupt schuld?
Schließlich wurde der Satz von den Anderen falsch aufgefasst. Nicht von einem Selbst. Tagelanges Grübeln, Angst vor dem nächsten Treffen. Schuldgefühle von denen man nicht weiß ob sie gerechtfertigt sind. Langsam merkt man, dass immer mehr Leute gegen einen stehen. Fragt man bei Beteiligten nach was genau der ausschlaggebende Punkt war kommt ein nüchternes »Kp« zurück.
                                         Sehr hilfreich.
Und nach wenigen Tagen wird es einem schon zu viel. Nach endlosen Stunden des Kopf-Zermartern und gedanklich geführten Gesprächen in denen man die besten Argumente sucht beschließt man dem ganzen ein Ende zu setzen. Man schreibt eine lange Nachricht, in der man sein Verhalten für falsch erklärt und sich entschuldigt. Gerechtfertigt?

Jetzt sag' du mir: War ich

                                             schuldig
                                                                              oder
                                                                                                     schuldlos?

 

 

 

The Feel | Das Gefühl


|Gewinner des Wettbewerbs "Anonymes Buch des Monats"; Dezember, 2014|

 

 

Dieser Moment.

Der Moment des völligen Überrumpelt-Seins. In dem Moment, in dem man ihn sieht. Und er nicht alleine ist.

 

Inette Valoire ist an einem kalten Mittwochmorgen im Herbst auf dem Weg zur Universität. Was ansteht ist eine Vorlesung in Geschichte über Wirtschaft und Soziales und eine Vorlesung über die Landeskunde Großbritanniens, die sie mit gedämpfter Freude erwartet. Mit einem Coffee-to-go in der Hand sitzt sie in der Straßenbahn, nur wenige Stationen nachdem sie eingestiegen ist und lässt den halbstündigen Weg über sich ergehen. Musik dringt über die schwarzen In-Ear-Kopfhörer zu ihrem Gehirn und sie starrt gedankenverloren aus dem Fenster, die vorbeiziehende Stadt betrachtend. An der nächsten Haltestelle blickt sie kaum merklich in den Eingangsbereich – und was sie sieht schockiert, verwirrt und freut sie zugleich. Sie erblickt ihn. André. Inettes Schwarm der letzten drei Jahre. Drei verdammte Jahre. Und in diesen Jahren hatte sie es nie geschafft ein richtiges Gespräch mit ihm zu führen.

Der schwarzhaarige, 177 cm große Einundzwanzigjährige steigt nun in die Bahn ein. An einer für ihn unüblichen Station, wohlgemerkt.

Inette schreckt auf. Was? Er? Wieso er? Wieso hier? Er wohnt doch in einem komplett anderen Teil der Stadt?

Ihre Gedanken überschlagen sich, ihr Herz beginnt zu pochen, ihr wird übel vor Aufregung, während Andrés grün-graue Augen sich im Eingangsbereich nach einem freien Sitzplatz umschauen. Was wenn er zu ihr geht? Wird er sie sehen? Wird er mit ihr reden? Was sollte sie bloß sagen, wie sollte sie reagieren?

Und dann bemerkt Inette die junge, braunhaarige Frau hinter ihm, der er nun seine Aufmerksamkeit zuwendet. Beide setzten sich auf zwei freie Plätze und Inette ist sichtlich überrumpelt. Wer ist denn nun diese Frau mit der er sich unterhält? Eine Freundin? Seine Freundin? Inette weiß nichts über seinen Beziehungsstatus, aber das ist die einzig mögliche Erklärung, wieso er an einer für ihn ungewöhnlichen Station einsteigt. Er war über Nacht bei ihr und nun fahren sie zusammen zur Universität. Allein der Gedanke, dass er und diese Tusse...

Sie versucht sich zu beruhigen. Das hat doch keinen Sinn! Sie bekäme jetzt keine Antwort. Sie werden sicher mit ihr am Bahnhof aussteigen und den gleichen Bus wie sie in Richtung Universität nehmen. Das wäre ihre Chance! Ihre Chance mit André zu reden, nachdem sie ihn fast ein Jahr nicht mehr gesehen hat. Also verharrt sie auf ihrem Platz und lässt die Stationen an sich vorbeiziehen.

 

Kurz vor dem Bahnhof ist es dann so weit. Sie steht auf, geht in Richtung Tür, während die Straßenbahn langsam stehen bleibt. Und André? Es scheint sie steigen auch aus – doch Inette täuscht sich, wie sie traurig feststellen muss, als sie die Straßenseite wechselt. Sie fahren wohl doch zwei Stationen weiter und steigen dort in den Bus ein. Wie gut, dass Inette den seltenen Bus bekommt, der dort auch Halt macht. Sie werden wohl in diesen Bus einsteigen!

 

Auch wieder eine Enttäuschung. An besagter Haltestelle, einer Kirche, fährt ihr Bus an den anderen Bussen der Stadt vorbei; ohne André und seine Freundin als Fahrgast. Inette muss enttäuscht feststellen, dass die Beiden einen anderen Bus genommen haben, an dem Inettes Bus nun vorbeifährt. Sie konnte sie für wenige Augenblicke hinter den dreckigen Scheiben ausmachen und Traurigkeit macht sich in ihr breit.

 

Für den restlichen Tag konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Auch nach drei Jahren hat sie wohl doch noch etwas für André übrig...

 

 

 

»Story: She | Sie

 

 

»What you end up remembering isn't always the same as what you have witnessed«

Julian Barnes

 

Tick. Tack. Tick. Tack. Das unaufhörliche Ticken der Uhr machte mich wahnsinnig. Der Finger meiner rechten Hand zuckte unkontrolliert und tippte dabei immer wieder gegen den roten Samtbezug der Armlehne. Der Sessel war gemütlich, sehr gemütlich. Daran hätte ich mich gewöhnen können. Ich schwang das Whiskey-Glas in meiner anderen Hand herum und die bräunliche Flüssigkeit schwappte wie ein endloses Meer hin und her, während die ein paar Eisbergen gleichenden Eiswürfel miteinander kollidierten und ein Gefühl von Unbehagen in mir auslöste, das dem der damaligen Passagiere der Titanic glich. Und doch war ich glücklicher als je zuvor. Paradox, nicht

Ich war mir nicht mehr sicher welchen Schaden ich in der vergangenen Stunde angerichtet hatte, dennoch wusste ich, dass ich etwas verbrochen hatte, das ich nicht wieder gut machen konnte. Oder zumindest glaubte ich es. Der Alkohol hatte mein Gehirn vernebelt und meinen Blick, sowie alle Erinnerungen getrübt. Ich könnte Ihnen also genauso gut die Geschichte eines Hundes erzählen, der anfing das Jonglieren zu lernen um zusammen mit den Meerjungfrauen bei Neptun im Ozean zu leben und dort tagein, tagaus Reis zu fressen bis er platzte - es käme auf's Gleiche hinaus: es war beides etwas Erfundenes.

Nicht die Realität. Eine Art Lüge.

Es ist also das Beste, wenn ich Ihnen einfach meine Geschichte verheimliche, bis sie mir wieder einfällt.Obwohl ich nicht wusste wieso oder warum, saß ich dennoch hier, in dem roten Samtsessel, schaute ins knisternde Kaminfeuer, während die rote Soße langsam ihren Weg durch die Fugen der Fliesen zu meinen Füßen fand. Mit einem resignierten Blick kickte ich den leblosen Körper zu meinen Füßen weiter zur Seite, der daraufhin eine kleine Blutspur hinterließ.»Idiota«, zischte ich der Frau zu, die mich mit ihrem leeren Blick ansah, als warf sie mir ein schweres Verbrechen vor. Sah ich denn aus wie ein Mörder? War ich jemand, der wirkte als hätte der Wahnsinn sich in seinen Geist geschlichen und fraß diesen von Innen auf? Nein, so jemand war ich sicher nicht. Ironie, dass ich trotzdem glaubte , dass sie Recht hatte. Noch vor über einer Stunde hatte sie am Telefon mit ihrer besten Freundin darüber philosophiert wie man am Besten seine Zehennägel lackieren könnte und gleichzeitig in der Wohnung herum laufen konnte. Hatte die nächste Shoppingtour geplant, sich über ihre letzten fünf Liebhaber lustig gemacht und sich über das Dinner mit einem Kerl namens Pablo gefreut. Dabei war sie unaufhörlich in ihrer Wohnung hin und her gelaufen, was ein nervtötendes Klackern ihrer High Heels auf dem Parkettboden verursachte. Eine schöne Wohnung hatte sie, jawohl. Großzügig geschnittene Räume mit teuren Möbeln darin. Besonders der Sessel im Wohnzimmer war gemütlich, sehr gemütlich, doch das sagte ich Ihnen bereits, verehrter Leser. Das rote Samt schmiegte sich an einen wie eine zweite Haut. Ich fragte mich wie oft diese Frau darin gesessen hatte? Wie oft sie überhaupt daheim war, während sie zwischen Wohnorten jetsettete und Liebhaber organisierte, bei denen sie in der Regel einige Tage verweilte. Fragen über Fragen, und weder sie, verehrte Leser, noch ich kennen die Antworten darauf.»Meu amor«, flüsterte ich der Frau auf dem Boden zu, nachdem ich mich zu ihr hinuntergebeugt hatte. Ihre Haut war so blass, so makellos. Botox-aufgefrischt. Sie musste sehr beliebt gewesen sein, sicher auch sehr einsam, aber geliebt. Bestimmt nicht nur von ihren Liebhabern, die sie so oft wechselte wie ihre Nylonstrumpfhosen. Ich musste es wissen, ich hatte sie auch einmal geliebt. Doch das war lange her und ist eine andere Geschichte. Ich habe dieses Monstrum in Action erlebt, habe mit ihr gelacht, gestritten und irgendwann hat sie mich verlassen. Für einen jungen, schnieken Spanier. Für sie musste all das wohl das Wichtigste in ihrem Leben gewesen sein. Ihre Popularität, ihr Aussehen. Was andere über sie dachten. Nicht umsonst quoll das Silikon aus ihren Lippen, war ihre Haut so straff wie die eines Kindes, waren ihre Brüste fünfmal so aufgebläht wie die Natur sie geschaffen hatte. Viele tausende Real flossen in den letzten Jahrzehnten in ihre Schönheit, die sie letzten Endes in ein grässliches Monster deformiert hatte und ihrem Schicksal eine böse Wendung gegeben hatte. Ohne all diesen Trubel um ihr Aussehen wäre sie jetzt sicher noch am Leben gewesen. Ja, da war ich mir sicher. Und diesmal log ich nicht. Auf leisen Füßen verließ ich das große Haus, in dem sie gewohnt hatte. Die Tatwaffe, ein Brieföffner, hatte ich zur Sicherheit abgewischt und in eine Schublade des Schreibtisches im Zimmer getan - der Täter, wer auch immer er gewesen sein mag, war sehr unachtsam gewesen und beinahe hätte man ihm durch die Fingerabdrücke seine Tat nachweisen können.

Da konnte er sich glücklich schätzen, dass es jemanden wie mich gab, der seinen hinterlassenen Dreck wegwischte.

Als ich in die Abenddämmerung trat schlug mir die brasilianische Hitze entgegen und ich musste husten. Die Schwüle setzte sich in meinen Lungenflügeln ab und brachte in den Alkohol in mir zum Kochen. Ein wenig torkelnd ging ich durch den Vorgarten der Villa, direkt auf die Straße zu, wo mein Wagen wartete.

Ich öffnete die Fahrertür und ließ mich erschöpft auf den Fahrersitz fallen. Die Hitze im Innenraum raubte mir den Verstand und ich bekam kaum noch Luft. Wie wahnsinnig atmete ich. Schnell und flach. Ich stützte mich auf dem Lenkrad ab und befestigte den Sicherheitsgurt, während ich mich fragte, wieso mein Wagen vor der Tür dieser Frau stand. Ich wusste nicht mehr, dass ich überhaupt mit ihm hierhergekommen bin, aber ich erinnerte mich in diesem Moment an so wenig. Wo waren meine Erinnerugen nur hin? Lediglich den Namen dieser Frau wusste ich noch: Fernanda. Die Frau, die tot in ihrem Wohnzimmer lag. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken an dieses Weib und dennoch fragte ich mich, was jemanden dazu veranlasste einen anderen Mensch zu töten. Wer tat so etwas Grausames? Wieso tat jemand so etwas abscheuliches? In meinem Kopf bildete sich ein Konstrukt mit den verschiedensten Fragen über den Täter. Ich fragte mich auch, ob ich jemals zu etwas in der Lage sein könnte? Ich? Ha, nein, ich war doch viel zu nett dazu. Oder? Ich erinnerte mich einfach nicht mehr. Nicht mal an mich selbst. Unkontrolliert fing ich an am ganzen Körper zu zittern und wagte es nicht den Motor anzulassen. Dann fiel mir etwas Wichtiges ein und ich brach in Tränen aus.

 

»Story: Fallen | Gefallen

 

 

»Between the dust and the debris There's a light surrounding you and me«

Kate Miller Heidke- The Last Day on Earth

 

Dunkelheit. Die Sterne strahlen über mir aus der Dunkelheit. Unter mir rauscht das Meer, die Wellen schlagen an den Strand um seicht wieder ins Tief zurück zu wandern. Wandern. Auch das ist mein Schicksal. Ich muss weiter wandern. Von einem Ort zum Andren. Von einem Menschen zum nächsten. Doch dieser eine Mensch lässt meinen Gedanken keine Ruhe. Joe. Der Mensch, der mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Ein Wrack. Eine Hülle, deren Seele schon längst zum Himmel fuhr und ihr alsbald folgen wird.

Ich mache einen Schritt vor und schaue nach unten.

Der Wind bläst mir geräuschvoll durch das dunkle Haar, während ich schon die Engelsglöckchen in meinen Ohren höre.

Ich wage einen weiteren Schritt nach vorne und ein paar Steine bröckeln von der Felswand ab.

Sie fallen.

Fallen tief.

Bis sie nach einer Ewigkeit auf dem dunklen Nass auftreffen.

Sie verschwinden in den Wellen.

Ich streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und steckte sie hinter mein Ohr.

Zweifel kommen auf. Gefolgt von Fragen.

Würde Joe mich suchen? Würde er weinen? Würde er mich vermissen?

Seufzend beantworte ich meine stummen Fragen mit einem Nein.

Nein, ich bin ihm egal. Das hatte er in den letzten Wochen bewiesen.

Einen weiteren Schritt trete ich vor, bis meine Zehenspitzen sich um die Kante der Klippe legen. Der kühle Wind bläst. Scheint ein Trauerlied zu pfeifen.

Und die See unter mir; sie scheint mich magisch anzuziehen. Zieht mich nach unten. Immer weiter.

Ich breite die Arme aus, rutsche auf der Klippenkante noch weiter vor, sodass gerade meine Fersen Halt haben. Die See ruft mich. Ich kann es deutlich hören.

Und ich folge ihrem Ruf.

 

Fallen.

The Feel 2 | Das Gefühl 2

  

Es ist Dienstag.

Ein ganz normaler Uni-Dienstag. Nun ja, nicht ganz so normal, denn die Universität befindet sich in Aufruhr. Aufgrund von extremen Sparmaßnahmen der Regierung, die diese Voll-Uni an die Grenzen der Existenz führen werden, findet in dieser Woche eine Aktionswoche auf dem Campus statt. Vorträge, Demonstrationen, das volle Programm. Stundenpläne werden kurzfristig über den Haufen geworfen – so auch der von Inette Valoire und ihren beiden Freunden Anne-Claire und Francois. Eigentlich hätten sie eine Vorlesung über Sprachwissenschaft besuchen sollen, doch diese fällt dank der Aktionswoche aus. Nur leider weiß das Trio davon nicht früh genug.

So haben sich Inette, Anne-Claire und Francois vor dem Hörsaal eingefunden, der sich im Bereich der Chemie befindet (seltsam, ja, aber wenn eben nicht genug Hörsäle frei sind...).

»Ich geh noch schnell auf die Toilette«, meint Francois, ehe sie alle Richtung heimwärts aufbrechen würden. Inette und Anne-Claire warten im Eingangsbereich. Draußen schütten die Wolken ihre Tränen auf der Erde aus und die beiden Mädchen haben wenig Lust da durch zu laufen.

Nachdenklich beobachtet Inette die Studenten, die im Innenhof der Chemie- und Physikgebäude herumstehen und mit ihren bunten Regenschirmen den grauen Tag färben.

Und da passiert es plötzlich.

Ein junger Mann kommt aus dem gegenüberliegenden Gebäude, genannt »Physik-Tower« und geht gut gelaunt über den Platz in die Richtung einer kleinen Ansammlung von Studentinnen. Inette stutzt, aber das... das ist doch André? Sie folgt dem Schwarzhaarigen mit ihrem Blick, wundert sich über seinen Kleiderstil, der schlimmer ist als zu der Zeit, als sie ihn kennengelernt hatte.

Und da ist er auch schon: der Schmerz in Inettes Herz. André küsst ein braunhaariges Mädchen. Direkt wenige Meter entfernt von Inette und Anne-Claire und Inette sieht es mit an.

»Da vorne knutschen welche«, meint Anne-Claire mit belustigtem und sogleich angeekeltem Unterton. Inette schaut sie an.

»Ja, ich kenn' den Typen«, sagte sie und schaute wieder auf Andre. Sie lachte milde, »und ich steh seit so drei Jahren auf den...«

»Oh. Dein Blick war auch so komisch, als stimmte etwas nicht«, Anne-Claires Miene veränderte sich vom Belustigtem ins Mitfühlsame. »Soll ich ihn verprügeln gehen?«

»Haha, nein, nicht nötig«, lacht Inette gespielt fröhlich, während sie im Inneren zerbricht. Es ist also doch seine Freundin; das Mädchen aus der Bahn. Inette hat soeben sogar ihr Gesicht erkennen können und weiß, dass sie dieses Mädchen kennt. Sie weiß zwar nicht ihren Namen, aber kennt sie vom sehen, denn sie wohnt in ihrem Stadtteil. So macht die Geschichte aus der Straßenbahn tatsächlich Sinn.

»Falls es dich aufmuntert«, meint Anne-Claire und beobachtet die sich auflösende Szenerie: André ist wieder auf dem Weg in den Physik-Tower und auch Francois kommt gerade von der Toilette wieder, »du bist hübscher als die Tusse.«

Inette schmunzelt. Sie findet es süß, wie Anne-Claire versucht sie aufzumuntern. Doch es bringt nicht viel.

»Gehen wir?«, schlägt Francois vor und die beiden Studentinnen nicken und verlassen das Gebäude.

Auch heute, viele Tage nach der Straßenbahn-Sache, ist Inettes Tag wieder ein großes Stückchen grauer und trauriger geworden.

Alles nur dank André.

 

»Traum: Monkey dream | Affentraum

 

Typisch für einen Traum, befand ich mich in einer mir vertrauten Umgebung, ich wusste aber nicht wieso. Ich befand mich in der Wohnung einer Freundin, nur nicht mit meiner Freundin, sondern meiner Cousine. Wir redeten über Gott und die Welt und irgendwann bemerkt ich, dass ich auf die Toilette musste. Ich kannte mich im Haus meiner Freundin, in dem nun wohl meine Cousine wohnte gut aus, ich wusste wo jedes Zimmer war und trotzdem setzte ich mir in den Kopf, dass ich bei den Großeltern einer anderen Freundin auf die Toilette gehen würde. Diese wohnten in einer Seitenstraße, fünf Gehminuten vom »Haus meiner Cousine« entfernt, also verließ ich das Haus und machte mich auf den Weg. Die Freundin deren Großelten ich nun besuchen würde, kannte ich seit dem Kindergarten. In der Grundschule waren wir beste Freunde gewesen, doch seit der fünften Klasse, als mein Weg aufs Gymnasium und ihrer auf eine andere Schule führte haben wir gänzlich den Kontakt verloren.

Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass es daher merkwürdig wäre dort aufzutauchen und zu fragen ob ich bei denen aufs Klo gehen könnte, also verwarf ich die Idee und dachte mir, dass ich mein Geschäft in Wald erledigte, der ein paar hundert Meter die Straße lang lag.

Also ging ich an der Seitenstraße vorbei in Richtung Wald. Ich warf einen Blick im Vorbeigehen auf das Haus der Großeltern und sah, dass die Haustür offen stand, doch es kümmerte mich nicht weiter.

Am Wald angekommen suchte ich mit prüfendem Blick die beste Stelle zum pinkeln und ging vom Weg ab in das Dickicht. Plötzlich raschelte etwas und über mir in den verwinkelten Ästen der Bäume sprang ein Wesen herum. Ich schaute hoch und stellte fest, dass es ein Affe war. Ein Makake mit Leoparden-Muster-Fell in einem trüben braun-grau. Er sprang vor mir auf den Baumstamm eines umgefallen Baumes und beobachtete mich mit schiefem Kopf. Neugierig ging ich wenige Schritte weiter und redete leise auf das Äffchen ein. Es wich mit jedem meiner Schritt etwas weg.

Schüchternes Kerlchen, hm?

Nein, denkste. Im selben Moment begann es zu knurren und fletschte die Zähne. Innerhalb weniger Augenblicke hüpfte ein weiterer Makake auf den Stamm und aggressiv kamen sie auf mich zu. Überrumpelt wich ich zurück und ging vorsichtig zurück auf den Pfad. Bloß keine hektischen Bewegungen, redete ich mir ein und stolperte dann. Genau in diesem Moment sprangen die Affen auf mich zu und aus heiterem Himmel hatten sie Messer in der Hand. Merkwürdige Messer, die eine Mischung auf Essmesser und Briefmessern waren und attackierten mich damit. Ich wich so gut wie möglich aus, doch die Affen, die sich mehr und mehr vermehrten versuchten mich festzuhalten und mir die Arme aufzuschlitzen. Verzweifelt versuchte ich mich aus dem Wald zu retten, doch die Affen waren zu flink und stark, sodass ich nicht weit kam. Ich spürte schon das kalte Metall an meinen Armen und sah in meinen Gedanken schon das Blut fließen.

Und dann wachte ich auf.

 

The Feel 3 | Das Gefühl 3


Es war soweit. Tag der Englisch-Klausur vor der Inette Valoire am Meisten Angst hatte. Landeskunde Groß-Britannien und Irland. In ihrem Kopf geht sie noch schnell den ein oder anderen Punkt ihrer thematischen Zusammenfassung durch, während sie in der Bahn in Richtung Universität sitzt. An der nächsten Haltestelle sieht sie wie eine Bekannte von ihr einsteigt. Sie macht allerdings keine Anstalten mit ihr zu reden. Ein bisschen Ruhe kann ja nicht schaden.

Der Zug fährt und plötzlich wird Inettes Ruhe gestört.

Sie befindet sich zwei Stationen weiter, genau die Station an der einst vor vielen Wochen André mit seiner Freundin eingestiegen war. Und heute ist er wieder da.

André ist allerdings alleine.

Inette stellt erst auf den zweiten Blick fest, dass er es ist und er setzt sich währenddessen auf einen Sitz, der in ihre Richtung zeigt, sich aber am Ende des Zuges befindet. Inettes Herzschlag wird schneller, ihre Hände schwitzig und sie reckt ihren Kopf, um Blickkontakt mit dem Schwarzhaarigen aufzunehmen. Erfolglos.

Jetzt heißt es: wenn nicht jetzt, wann dann? Er war alleine, ohne Freundin, die perfekte Chance mal Smalltalk mit ihm anzufangen. Was genau studiert er, wie geht es ihm allgemein? Inette hadert allerdings. Mehr als ein Jahr ist es her, seit sie mit ihm geredet hat, seine helle, angenehme Stimme gehört hat...

Sie steht auf, zieht sich die Ohrstöpsel aus den Ohren, schaltet ihre Musik aus und bahnt sich einen Weg an ihrer Sitznachbarin vorbei und hält den Kurs direkt auf André. Ein Glück ist der Sitz gegenüber von ihm frei!

»Hi«, trällert sie lachend und André schaut sie überrascht an.

»Hey«, antwortet er und ist sichtlich verwundert.

»Was machst du denn hier?«, fragt Inette.

»Ich fahre zur Uni«, antwortet er und simultan beginnt Inette mit der Gegenfrage: »Aber du wohnst doch nicht hier?«

»Ja, ich hab bei jemandem übernachtet«, lautet seine Antwort und er lächelt milde, »ist einfacher vom Weg her.«

Bei jemandem übernachtet? Ach komm, natürlich weiß Inette, dass er damit seine Freundin meint, doch wieso sagt er es nicht? Sagt man das nicht so? »Ich hab bei meiner Freundin übernachtet«?

»Und du?«, fragt er.

»Ich wohne ja hier... und ich fahr auch zur Uni«, lacht Inette verlegen. Allein in diesen zwei Minuten kommt ihr das Gespräch schon komisch vor. André redet so leise, fast eingeschläfert. Es folgen die typischen Was studierst du?, Wann schreibst du Klausuren- Konversationen.

»Ich hätte echt nicht damit gerechnet hier wen zu treffen, den ich kenne«, lacht André belustigt.

»Ich hab auch nicht erwartet dich hier zu treffen«, kontert Inette.

Und damit war das Gespräch auch schon gelaufen. Sie schauen beide aus dem Fenster, ideen- oder lustlos weiter zu reden. Nur André fragt kurz nach, ob Inette gerade in ihrem Kopf die Klausur durchgeht, die sie heute schreibt. Sie stimmt zu.

Wieder Stille.

Inette fühlt sich unwohl, so ganz ohne Konversation gegenüber von ihm zu sitzen. Ihm scheint es nichts auszumachen: er sitzt da, schaut aus dem Fenster oder im Waggon herum, schließt auch mal die Augen und döst für wenige Sekunden vor sich hin. Diese kleinen Augenblicke der viertelstündigen Straßenbahnfahrt kann Inette für sich nutzen, sich ihren Schwarm anzusehen. Das schwarze Haar ist kürzer als sie es in Erinnerung hat, die Augen einen winzigen Tick grüner, die Haut aber genauso blass und das Kinn ziert der Ansatz einen dunklen Drei-Tage-Bart. Ansonsten gleiten Inettes Augen immer wieder flüchtig über ihn. In ihr die Angst, ihn länger als zwei Sekunden anzusehen.

André schreckt kurz auf, als sich eine Frau neben ihn setzen will und er rutscht auf den freien Platz am Fenster, während er Inette ein kleines Lächeln schenkt und die Augenbrauen hebt.

Kurz darauf muss Inette aussteigen. Ehe sie aufsteht beobachtet sie ob André auch an dieser Haltestelle, dem Hauptbahnhof, aussteigt. Sie könnte ihn fragen, doch aus welchem Grund auch immer kommen ihr die Worte nicht über die Lippen.

Er steigt auch aus, Inette tritt nur früher mit der Menschenmasse aus dem Zug. Draußen geht sie wenige Schritte, damit die anderen Passagiere problemlos an ihr vorbei kommen. Sie wägt ab, ob sie nun auf André warten soll oder nicht, entscheidet sich für Ersteres. Wenige Augenblicke später tritt er auch schon aus der Tür und sie gehen zusammen auf die andere Straßenseite wo der Bus gerade hinter einem anderen hält.

Sie steigen ein, setzen sich und kommen sogar wieder ins Gespräch.

»Du hast dich ziemlich verändert, ich hätte dich spontan nicht erkannt.«

What?! Hat Inette sich gerade verhört?

»Ja, hab ich?«, stellt sie als Gegenfrage in den Raum und lacht verlegen.

André nickt.

»Irgendwie schon.«

Doch anstatt zu fragen ob das positiv gemeint war, oder was genau sich verändert hat, kontert Inette damit, dass er sich kaum verändert hat.

»Vielleicht etwas mehr Bart...«

Grinsend fasst sich André daraufhin ans Kinn. »Wirklich?«

»Vielleicht minimal«, grinst Inette.

Jetzt folgt langsam der Part, den Inette im Nachhinein bereut hat. Wieso musste sie auch fragen, ob er schon im dritten Semester Mechatronik studierte? Wieso musst er aber daraufhin fragen, ob sie ein Jahr Pause gemacht hat?

Wieso hat Inette nicht einfach die Wahrheit gesagt?

»Was hast du in dem Jahr gemacht?«, fragt André.

»FSJ«, antwortet sie knapp und weiß nicht was sie sich mit dieser Lüge angetan hat.

»Und wo?«

»Kindergarten«

»Wie fandest du's?«

»Naja, war nicht so meins.«

»Wieso hast du es dann durchgezogen?«

Fuck. Hier endete ihre Lügengeschichte, doch zum Glück fügt André schnell »War wohl doch nicht so schlimm?« hinzu und Inette nickt lächelnd. Hoffentlich merkt man ihr nicht an, dass sie lügt. Sie hat nie ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht. Sie hat sich zwar beworben, aber es gab keinen freien Platz. Hat sie ihm nicht die Geschichte der Platz-Odyssee erzählen können? Wieso lügt sie?

Das Gespräch ist Gott sei Dank schnell abgewickelt und André kommt auf ein anderes Thema zu sprechen.

»Und wann schreibst du deine Klausur?«

»Um Zwei«, antwortet sie, froh, dass Thema gewechselt zu haben.

André scherzt, wieso sie dann jetzt, um zehn Uhr, schon an die Uni fährt. Sie erzählt, dass sie noch eine Vorlesung habe und André nickt verstehend und stimmt zu, dass es dann Sinn ergibt.

Dann hält der Bus auch schon auf dem Campus und die beiden müssen aussteigen.

»Ich muss hier lang«, sagt Inette und zeigt geradeaus.

»Ich hier lang«, André zeigt in den Osten, »Na dann. Mach's gut. Tschüss!« Er beginnt sich von ihr zu entfernen und sie verabschiedet sich mit einem »Tschau«. Doch ehe André endgültig außer Reichweite ist, sagt er noch etwas worauf Inette gehofft, es aber nicht erwartet hat.

»Viel Erfolg«, ruft er im Weggehen und lächelt.

Inette bedankt sich schnell und macht sich auf den Weg zum Hörsaal.

Und ist wieder wegen des Gesprächs verwirrt. Doch die Klausur meistert sie trotzdem. Oder vielleicht deswegen?

 

The Feel 4 | Das Gefühl 4

 

Ruhig lag die Stadt am Ufer des Flusses. In einem kleinen Restaurant an der Promenade war hochbetrieb und viele Gäste saßen um die kleinen eckigen Tische herum. Mit von der Partie waren Inette und ihre beiden Freunde Francois und Pierre. Sie hatten sich für diesen Freitagabend zum Essen verabredet. Ein kleines, neues Restaurant, das überraschenderweise vollgestopft war mit Menschen. Sie plauderten, lachten, beschwerten sich über die lange Wartezeiten zwischen Bestellung und Bezahlung. Ein etwas seltsamer Abend war es schon, denn Inette kannte Pierre nicht richtig, hatte erst einmal mit ihm über einen Messenger-Dienst geredet, aber er schien nett zu sein und mindestens genauso witzig und etwas creepy wie Francois. Ja, Inette fand Francois' Art auch nach Monaten noch seltsam, aber es hatte etwas charmantes an sich.

Nach dem Essen schlenderten die Drei noch durch die Stadt, gingen Cocktails trinken und schwelgten in alten Zeiten. Die meisten Gespräche waren diese in denen Inette einfach nur interessiert lauschte und die beiden jungen Männer reden ließ. Diese hatten auch genug zu erzählen und Inette redete nie gerne über sich selbst. Und wirklich was zu erzählen hatte sie auch nie.

Gegen Zehn oder Elf Uhr neigte sich der Abend dem Ende. Allesamt schlenderten zum Bahnhof, Francois ging zu seinem Zug, Inette wartete noch mit Pierre auf dessen Bus und wartete die verbleibenden Minuten auf ihre Straßenbahn.

Sie setzte sich auf einen der zahlreichen freien Plätze neben einer Person und ließ den Abend Revue passieren,während die lichtdurchflutenden Straßen Stück für Stück an ihr vorbeirauschten.

Schon nach wenigen Minuten hörte sie Stimmen in der sonst so ruhigen Bahn. Natürlich. Wer saß denn dort vorne? André. Mit seiner Freundin. Sie hatten Inette den Rücken zugekehrt, sodass die beiden sie nicht sehen konnten. Inette nutzte die Chance, als ein Sitz in der Nähe der Beiden frei wurde und setzte sich dort hin. Mit Argus-Augen betrachtete sie die kleinen Liebeleien der Beiden. Natürlich so unauffällig wie möglich.

Wangen wurden berührt, Lächeln ausgetauscht und obwohl es Inette ein wenig im Herzen weh tat, die beiden jungen Leute glücklich zu sehen, konnte sie ihre Augen nur schwer abwenden.

Sie vermutete, dass André über's Wochenende bei seiner Freundin bleiben würde, die ja, uns allen bekannt, im gleichen Ort wohnte wie Inette.

Inette machte sich im Kopf erste Gedanken: Würde er sie sehen, wenn sie aussteigen? Würde er sie erkennen? Schließlich meinte er beim letzten Treffen, sie hätte sich so verändert – Wie schön, dass sie vorhatte sich eine neue Frisur zu zulegen, dann würde er sie ja wieder nicht erkennen!

Gedanken um Gedanken kreisten in ihrem Kopf und alle nur um die Frage, ob er sie erkennen und sie grüßen würde. Die Station rückte immer näher und als die beiden aufstanden um sich zum Ausgang zu bewegen heftete Inette ihren Blick an André. Eine Milisekunde lang sah er sie, als er seine Tasche um seine Schultern legte, doch er resignierte sie. Enttäuschung machte sich in Inette breit. Sie war sich sicher, dass er sie gesehen hatte, und doch war es so flüchtig, dass sie sich auch hätte täuschen können. Doch wenn nicht, dann hatte er sie einfach ignoriert. Sie war nicht interessant genug. Sie seufzte innerlich.

Die Straßenbahn hielt und André stand mit seiner Freundin an der Tür. Sein Blick lag kurz auf Inette, ihrer auf ihm und sie wurde überrascht. André lächelte ihr zu, hauchte ein leise »Hallo« und während Inette zurücklächelte, stieg er hinter seiner Freundin aus dem Zug aus.

Er hatte sie bemerkt. Und erkannt. Freude keimte in Inette hoch und sie schmunzelte glücklich vor sich hin. Er hatte sie angelächelt, nur das zählte noch für diesen Abend.

Impressum

Texte: Elise C. Cartrose
Bildmaterialien: (c) Paul Hector (deviantart); designed by Lauren Lyall
Tag der Veröffentlichung: 13.12.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle, denen es vielleicht ähnlich geht. An die Personen, die darin vorkommen - hoffentlich lest ihr es nie. Wäre vielleicht besser so. * * * » Cover by Lauren Lyall

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