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TEIL 1

AUFGESCHRIEBEN von MAYA

Märchen


Inhaltsverzeichnis

1. Die neue Zeit
2. Das weiße Kleid der Heiler
3. Der Vogel Greif
4. Das Mondkind
5. Der blinde Dichter
6. Die Wunderblumen
7. Der Berg der Heilung
8. Der Gärtner der Nord-Anlage
9. Der Grüne Mann
10.Der Alte der Berge
11.Das Sonnenkind
12. Der Schäfer


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1. DIE NEUE ZEIT
Vor langer Zeit lebte einmal in einem Dorf eine junge Familie. Jeden Morgen, wenn der Mann zur Arbeit gegangen war, ging die junge Frau in das Zimmer der beiden Kinder, um sie für die Schule fertig zu machen. Eines morgens als der Mann gegangen war, hörte sie aus dem Kinderzimmer fröhliches Lachen. Verwundert eilte die junge Frau zur Stube der Kinder und als sie die Zimmertür öffnete, da erstarrte sie vor Schrecken beim Anblick der sich ihr bot.
Das Fenster war weit geöffnet und herein schwebten große und kleinere durchsichtige Kugeln. Die beiden Kinder saßen lachend in ihren Betten und versuchten die leuchtenden Lichtbälle zu fangen. So etwas hatte die junge Frau noch nie gesehen. Sie schrie vor Schreck auf, eilte zum Fenster und schloß es. Als sie sich entsetzt zu den Kindern umwandte, war das Zimmer leer und keine einzige Kugel war mehr zu sehen. Voller Ärger ließ die Frau sich auf dem Bett des kleinen Mädchens nieder und sprach mit strenger Stimme:“ Wie könnt ihr nur so schlimme Sachen machen.“
Die Kinder blieben eine ganze Weile stumm, doch endlich sprach der ältere Knabe in seiner altklugen Art:“ Liebe Mutter, das sind die Spielsachen der neuen Zeit. Ich sehe schon, dass du für so was schon zu alt bist.“ Da wurde die junge Frau ganz zornig und meinte dass es ja wohl ihre Aufgabe sei zu entscheiden, welches Spiel- zeug für ihre Kinder geeignet sei und zu alt sei sie erst recht nicht. Dann eilte sie mit zornigem Gesicht aus dem Zimmer.
Den ganzen Tag saß sie nun schimpfend im Haus und beachtete die Kinder nicht weiter. Als der Mann abends nach Hause kam, da erzählte sie ihm gleich von dem Ereignis und den Worten des Knaben. Doch als der Mann sich umschaute und nichts Ungewöhnliches entdecken konnte, da murmelte er etwas von den schwachen Nerven der Frauen und kümmerte sich nicht weiter darum. Am nächsten Morgen hörte die junge Frau keinen Laut aus dem Kinderzimmer und meinte, dass ihre Strenge schon gewirkt hatte. Doch als sie in die Stube der Kinder trat, da war das Fenster wieder weit geöffnet, die beiden Kinder saßen in ihren Betten und fingen die schimmernden Kugeln, doch waren sie dabei ganz still und strahlten nur über das ganze Gesicht vor Freude und Glück.
Da wurde die junge Frau außer sich vor Zorn und schrie:“ Ich habe euch doch diesen Unsinn verboten. Ihr habt mir zu gehorchen!“ Dann schloß sie wütend das Fenster und als sie sich umdrehte, waren die Kugeln wieder verschwunden. Als die beiden Kinder sie nur stumm anstarrten, eilte sie zornig aus der Kammer. Während des Frühmahls herrschte eisiges Schweigen, bis der ältere Knabe in seiner ruhigen Art sprach:“Liebe Mutter, wenn es früher Sitte war, dass die Eltern alles für ihre Kinder bestimmen und entscheiden konnten, was für sie gut sein sollte, so haben sich die Zeiten inzwischen geändert. Obwohl wir noch so klein sind, können wir selbst erkennen, was wir spielen wollen und welches neue Spielzeug für uns geeignet ist.“ Dann standen die Kinder auf und gingen zur Schule.
Als die Mutter nun auch am nächsten Tag die Kinder mit den Lichtkugeln spielend im Bette fand, so wusste sie sich keinen anderen Rat mehr und klagte der Nachbarin ihr Leid über ihre ungehorsamen Kinder. Voller Staunen vernahm sie, dass auch deren Kinder mit Lichtkugeln spielten, die zum Fenster hereinflogen. Als sich die beiden Frauen darauf einigten, dass solcher Unsinn mit aller Strenge verboten werden müsse, da erwähnte die Nachbarin zum Abschluss, dass im Garten der alten Frau am Ende des Dorfes, auch solche merkwürdigen Lichtkugeln schweben würden und noch viele andere seltsame Dinge. Das wäre bestimmt eine alte Hexe mit ihrem Hexenwerk.
Da ging die junge Frau nachdenklich nach Hause und überlegte, wie sie ihre Kinder nun vor all dem schrecklichen Neuen beschützen könnte. Als sie nun am nächsten Morgen wieder das Kinderzimmer betrat, da standen die Kinder bewegungslos am Fenster und blickten voller Bewunderung in den Garten. Wie die Frau nun hastig hinzu trat, da erblickte sie ein strahlend weißes Einhorn, das leuchtete und funkelte in der Morgensonne. In der Luft aber schwebten wieder die Lichtkugeln und tanzten im leichten Sommerwind um das schöne Einhorn herum. Da flüsterte das kleine Mädchen der Mutter zu:“ So ist es auch in all den Märchen, die du uns am Abend erzählst.“
Da rief die Mutter unwillig:“ Aber hier ist es nicht wie im Märchen. Hier wird gearbeitet und gelernt und für Träumereien ist kein Platz im Leben. Sonst werdet ihr nichts, wenn ihr nur mit Phantasien beschäftigt seid.“ Bei diesen lauten Worten war alles im Garten plötzlich verschwunden.
Da nahm der Knabe die Hand der Mutter, schaute sie mit großen, dunklen Augen an und redete zu ihr:“ Arme Mutter, du tust mir leid mit deinem kaltem, lieblosem Denken ohne Freude und Glückseligkeit. Wenn eines Morgens der Pegasus, das geflügelte Pferd, bei uns im Garten steht, dann werden wir zu ihm gehen und mit ihm fortfliegen. In deiner alten Art zu Leben und zu Denken, da ist für uns Junge kein Platz mehr. Es gibt hier nichts, was uns glücklich machen könnte.“
Und als eines Morgens das Kinderzimmer leer war und das Fenster weit geöffnet war, da erkannte die junge Frau, dass die Kinder es wirklich ernst gemeint hatten und sich ein neues zu Hause gesucht hatten.

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2. DAS WEISSE KLEID DER HEILER
Es war einmal ein junges Mädchen, das war sehr unglücklich, denn es hatte zwar ein hübsches Gesicht, doch stämmige, kurze Beine, die zu der übrigen Form gar nicht passten. Obwohl sie nur bodenlange Röcke und Kleider trug, so kam sie sich doch missgestaltet und unförmig vor. Ihre Eltern versuchten, sie aus ihrer trüben Stimmung zu holen, und meinten, dass ein goldenes Herz voller Liebe und Mitgefühl auf die Dauer für das Leben wichtiger sei, als zwei wohlgestaltete Beine. Da fragte die Tochter betrübt, ob es denn verboten sei, beides zu haben, nämlich ein gutes Herz und schöne Beine. Darauf wussten die Eltern auch keine Antwort und so versank die Tochter in Grübeleien über ihre trübe Zukunft.
Eines Tages kam nun die Nachbarin vorbei und als sie das traurige Mädchen erblickte, gab sie ihr den Rat, doch einmal beim Kräuterdoktor vorbeizuschauen, ob der ihr vielleicht helfen könnte. Da dem Mädchen nichts Besseres einfiel, machte sie sich also ein paar Tage später auf den Weg zu seinem Haus.
Um das Haus des Kräuterdoktors herum befand sich ein riesiger alter Garten, mit blühenden Bäumen, duftenden Blumen, seltenen Kräutern und vielen unbekannten Pflanzen. Wie das Mädchen nun so langsam den breiten Gartenweg zum Haus hin entlang schritt und die vielen Schmetterlinge und Bienen beobachtete, die überall über den Blüten schwebten und auch dem Gesang der vielen Vögel lauschte, da kam sie sich vor wie in einem Paradies-Garten. Sie war so versunken in all die vielen neuen Eindrücke, dass das Mädchen zunächst gar nicht den alten Mann bemerkte, der sie schon eine ganze Weile beobachtete. Als der alte Mann sie dann plötzlich ansprach und nach ihrem Begehren fragte, erschrak das Mädchen zunächst und erklärte dann, dass es zum Kräuterdoktor wolle. Als der alte Mann sie erstaunt anschaute und fragte, ob sie denn krank sei, da schüttelte das Mädchen traurig den Kopf und erzählte betrübt von ihrem Kummer. Nachdem sie geendet hatte, schwieg der Alte eine lange Zeit und meinte dann endlich:“ Ich selber bin der Kräuterdoktor und es stimmt, dass es für deinen Kummer mit den Beinen weder eine Erklärung noch eine Arzenei gibt. Doch ich mache dir einen Vorschalg. Ich bin alt und müde und könnte eine junge Gehilfin für alles gebrauchen. Wenn du nichts Besseres zu tun hast, dann komm täglich zur Arbeit zu mir. Ich werde die alles beibringen, was ich selbst weiß und wer weiß, vielleicht entdeckst du dann eines Tages etwas, was dir helfen kann.“ Er gab dem Mädchen einige Tage Bedenkzeit und als es sich dann entschieden hatte, verliess es jeden Morgen in aller Frühe das Elternhaus und begann die Lehre beim Kräuterdoktor.
Mit der Zeit bemerkten die Eltern, wie das Mädchen immer seltener über ihre unförmigen Beine sprach, stattdessen aber von dem schönen Garten erzählte und den duftenden Heilkräutern und wie viel Segen auf dem Tun des Kräuterdoktors liegen würde. Da lächelten die Eltern und bestärkten das Mädchen in seiner Ausbildung.
Eines Tages nun, als die Lehrzeit fast zu Ende war, da kam der Kräuterdoktor ganz betrübt zu dem Mädchen und meinte, dass er tief in der Schuld des Mädchens stehen würde, denn er hätte trotz allen Suchens und Forschens kein Heilmittel gegen ihre hässlichen Beine gefunden. Und ihr goldenes Herz hätte sie ja auch schon vorher gehabt. Da war das Mädchen ganz erstaunt, dass der Kräuterdoktor immer noch an die Heilung ihrer Beine gedacht hatte. Und sie gestand dem alten Mann, dass die Arbeit im Garten und mit den Patienten so wichtig für sie geworden war, dass sie darüber immer mehr ihr eigenes Problem vergessen hätte. Und sie fügte noch hinzu, dass das viele Leid und die Krankheiten der Leute wesentlich schlimmer wären. Da nickte der Alte bedächtig und meinte dann, er wüsste nun gar nicht, womit er ihr zum Ende ihrer Lehrzeit eine Freude machen könnte.
Da besann sich das Mädchen nicht lange, sondern berichtete dem Kräuterdoktor, dass es ihr sehnlichster Wunsch sei, hier zu bleiben und weiter zu arbeiten, im Garten, mit den Heilkräutern und den Patienten. Nach einer geraumen Weile nickte der Alte endlich und meinte dann, dass sie dazu aber auch das weiße Kleid der Heiler haben müsse, damit Segen und Heilung auf ihrer Arbeit Ruhe. Davon hatte das Mädchen zwar noch nie etwas gehört, aber wenn sie dafür bleiben konnte, so wollte sie auch jeden Tag ein weißes Kleid anziehen. Hauptsache es war lang genug und bedeckte ihre hässlichen Beine.
Da lachte der Kräuterdoktor freundlich und erzählte dem verwunderten Mädchen, dass das weiße Kleid der Heiler ein geheimer Ausdruck sei, der nichts mit einem gewöhnlichen Kleid zu tun habe, was sie sich täglich neu überstreife, sondern dass sie eines morgens aufwachen würde und dann würde sie feststellen, dass ihre ganze Form ideal und ebenmässig und wohl -gestaltet sei. Und da sie ihm nun helfen wollte, so würde sie nun das weiße Kleid der Heiler bekommen, um auch ein Segen für alle zu sein. Da dankte das Mädchen bei dem Alten und wartete voller Sehnsucht auf den Morgen des Wunders.

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3. DER VOGEL GREIF
In einem fernen Reich lebte einmal ein König mit seiner wunderschönen Tochter. Eines Tages nun kamen die Jäger des Königs und berichteten ihm, dass an der Nordgrenze, die von einem hohen Gebirge gebildet wurde, ein riesiger hässlicher Vogel herumfliegen würde, so dass alle Leute voller Panik die ganze Gegend verlassen hätten. Niemand aber wusste, woher der Vogel gekommen war oder was er dort wollte. Daraufhin schickte der König seine Jäger los, um den Vogel zu töten. Doch so sehr die Männer auch das ganze Gebirge absuchten, sie fanden das Ungeheuer nicht. Schließlich wandten sie sich an einen alten Bergbauern, der seine Hütte noch nicht verlassen hatte und baten ihn um Rat für ihre Suche nach dem Ungeheuer-Vogel. Da meinte der Alte, dass der riesige Vogel wohl klüger sei, als die Jäger vermuteten, denn er würde sich scheinbar nur den hier arbeitenden Leuten zeigen.
Mit dieser Nachricht kehrten die Jäger an den Königshof zurück und nun berieten die Klügsten des Reiches wie dem Ungeheuer mit List beizukommen sei. Endlich fassten sie einen Plan und suchten in aller Heimlichkeit nach jemandem, der freiwillig zu dem Gebirge gehen wollte, dort in einer leeren Hütte leben wollte, um heraus zu finden, was das Untier für eine Absicht hatte.
Nun lebte ein armes Mädchen in einem Dorf, das hatte von klein an einen verkrüppelten Fuß und wurde von den übrigen Bewohnern des Ortes gemieden und von allen nur „Die Hässliche“ genannt. Als dieses junge Mädchen davon hörte, dass der König jemanden Freiwilligen für diese verruchte Gegend suchte, dachte sie, dass sie hiermit vielleicht eine gute Gelegenheit hatte, um aus diesem Dorf zu verschwinden, wo ihr doch nur Anfeindungen und Verachtung für den Rest des Lebens bevorstanden. Also packte sie ihr Bündel, verließ ihr Heim und hinkte in ihrer langsamen Art hin zur Königsstadt.
Dort hatte sich aber für diese Aufgabe bisher noch niemand gemeldet und deshalb wurde die junge Frau von den Wachen sofort zum König gebracht. Nachdem sie nun mutig ihr Anliegen vorgetragen hatte, war der König zunächst unwillig und wollte sie nicht nehmen. Er hatte eigentlich mit einem jungen, kräftigen Mann gerechnet, der auf diese Art und Weise zu Ruhm und Ehre kommen wollte. Aber die Berater des Königs konnten ihn umstimmen und meinten, dass dieses Mädchen doch aussehen würde wie eine Dienstmagd und vielleicht mehr Erfolg hätte, den schrecklichen Vogel aufzuspüren. Endlich stimmte der König zu und so brachten die Jäger des Königs das hinkende Mädchen in das Gebirge, wo sie eine kleine leere Berghütte bekam. Die Jäger rieten der jungen Frau nun, täglich mit einem Korb im nahen Wald und den Bergen herumzuwandern, Beeren und kleine Äste für Brennholz einzusammeln und dabei nach dem Vogel-Ungeheuer Ausschau zu halten. Die Jäger versprachen ,immer in ihrer Nähe zu bleiben, um auf einen Ruf von ihr sofort herbeizueilen und sie zu beschützen. Die junge Frau war mit allem einverstanden und ganz früh am nächsten Morgen nahm sie ihren Korb und begann mit ihrer Suche.
Als sie nun nach einigen Tagen auf einem schmalen Bergpfad entlang hinkte, begann plötzlich neben ihr Geröll herab zu stürzen und wie sie voller Schrecken inne hielt, erblickte das Mädchen neben sich einen riesigen Vogel, der hatte den Kopf und die Flügel eines Adlers, den Körper eines Löwen und die Füße eines Huftieres. Bei diesem Anblick erschrak die junge Frau heftig und wagte sich nicht von der Stelle zu rühren. Da das Untier sie aber nur ganz regungslos anstarrte, fasste sie sich endlich ein Herz und fragte mit zitternder Stimme ,was das Ungeheuer denn in der Gegend wolle. Da hörte die junge Frau eine Männerstimme aus dem riesigen Vogel sprechen: „Obwohl ich so riesig und erschreckend und hässlich aussehe, so bin ich doch einsam und alleine und wünsche mir doch eine Gefährtin, um sie in mein Reich mitzunehmen und zu meiner Königin zu machen. Nun habe ich die schöne Tochter des Königs in einem Zauberspiegel gesehen und finde, sie ist meiner würdig. Überbringe dem König diese Botschaft und er soll die Braut in drei Tagen an diese Stelle bringen lassen.“
Bestürzt hinkte das Mädchen nun zu den wartenden Jägern zurück und berichtete von der Forderung des schrecklichen Ungeheuers. Darauf wollten die Jäger sie mit in die Königsstadt nehmen, doch die junge Frau lehnte ab und sprach:“ Ich will lieber hier bleiben und auf die Königstochter warten und sie dann ins Gebirge bringen. Hier in meiner Hütte stört sich niemand an meinem hässlichen Fuß und ich merke keine entsetzten Blicke.“
Da verliessen die Jäger das Gebirge und eilten mit der Nachricht zum König. Die Botschaft aus dem Gebirge verbreitete überall Angst und Schrecken und die schöne Prinzessin brach in Tränen aus und beklagte um ihr entsetzliches Schicksal. Und nachdem der König mit seinen Ratgebern auch nach zweit Tagen noch keine andere Lösung gefunden hatte, um Schaden von seinem Reich abzuwenden, so liess er die verzweifelte Prinzessin rufen und verkündete den Entschluss, dass sie zum Wohle des Reiches auf das Angebot des Ungeheuers eingehen müssten. Obwohl die schöne Prinzessin nur noch weinte und jammerte, so blieb der König doch fest in seinem Entschluss und liess sie am dritten Tag endlich in einer goldenen Kutsche in das ferne Gebirge bringen ,begleitet von seinen Jägern.
Als die Königstochter nun endlich bei der Berghütte angekommen war, stand da schon das arme Mädchen und wartete ungeduldig. Als sie nun die schöne Prinzessin so voller Tränen und Angst sah, hinkte sie ihr entgegen, um sie zu trösten. Doch die Königstochter wich voller Schrecken zurück vor dem humpelnden Mädchen und schrie voller Panik: „ Rühr mich nicht du hässliche Magd. In meiner Nähe dulde ich nur Schönheit und Anmut. Dein missgebildeter Fuß beleidigt mein Auge.“ Erschrocken flüsterte die junge Frau nun mit gesenktem Kopf:“ Aber ich kann doch gar nichts dafür.“ Dann wandte sie sich traurig ab, ging in die Berghütte, holte ein warmes Tuch und ihren Korb und rief der Prinzessin zu, dass es nun an der Zeit sei, dass sie zu dem Ungeheuer gehen müssten. Da begann die schöne Prinzessin erneut zu weinen und zu klagen und jammerte über ihr entsetzliches Los.
Wie sie nun endlich an der vereinbarten Stelle angelangt waren und das hinkende Mädchen sich etwas abseits gestellt hatte, um die schöne Prinzessin nicht wieder zu erzürnen durch ihren missgestalteten Anblick, da vernahmen sie plötzlich ein gewaltiges Rauschen. Noch ehe die beiden jungen Frauen sich umschauen konnten, da erschien hinter ihnen das riesige, fliegende Ungeheuer und ließ sich auf dem Felsgestein nieder. Dort hockte das Geschöpf nun und starrte mit großen Adleraugen auf die schöne Prinzessin. Diese aber begann vor Entsetzen laut zu Schreien bei dem Anblick des schrecklichen Ungeheuers.
Eine Weile betrachtete der riesige Vogel unbeweglich die schöne Prinzessin und als sie endlich etwas stiller geworden war, da ertönte auf einmal aus dem Untier die Männerstimme: „ Sei gegrüsst schöne Prinzessin, du liebliche Braut. Dein Anblick erwärmt mein Herz und ich bin glücklich, dich an meiner Seite zu wissen.“
Bei diesen Worten aber vergass die Prinzessin ihre schrecklichen Ängste und ihr Elend und wurde ganz zornig und wütend und schrie voller Hass:“Du bist ein Ausbund an Hässlichkeit und Abscheu. Wie kannst du es wagen, mir so vor die Augen zu treten. Ich werde niemals deine Frau. Ich passe nicht zu dir, aber wenn du unbedingt eine Frau willst, die geeignet ist, so nimm doch dort die Dienstmagd, die ist wenigstens genauso hässlich wie du.“ Nach diesen Worten wandte die schöne Königstochter sich empört um und blickte das arme Mädchen herausfordernd an.
Da sprach nach einer Weile der riesige Vogel mit der Männerstimme: „Ich hatte geglaubt, dass eine schöne Prinzessin auch eine vollendete Erziehung und eine ausgezeichnete Bildung bekommen hat und neben ihrer Schönheit auch eine edle Gesinnung und ein liebevolles Herz besitzt. Aber nun muss ich einsehen, dass ich mich wohl getäuscht habe. Vieles kann man sich in seinem Leben erwerben, doch ein tugendhaftes Herz scheint nicht darunter zu sein.“
Da blickte die Prinzessin voller Zorn zu dem großen Geschöpf hin und dann schritt sie voller Empörung und wutentbrannt hastig den Bergpfad hinab und war bald verschwunden. Das hinkende Mädchen aber trat mit zögernden Schritten zu dem riesigen Vogel hin und sagte tröstend: „Bitte sei nicht traurig. Die Leute finden mich ebenso abstoßend wie dich und dulden mich kaum in ihrer Nähe. So bin ich auch ebenso einsam wie du. Ich möchte dich fragen, ob ich dich begleiten darf, denn ich habe hier keine Heimat mehr. Ich kann dir des Abends, wenn du es magst, herrliche Geschichten erzählen oder Lieder des Volkes vorsingen. Auch kann ich dir Blumen pflücken, damit sich der liebliche Duft im Raum verströmt und du angenehme Gedanken hast. Ich möchte dich von Herzen gerne begleiten.“
Da schaute der riesige Vogel dem Mädchen tief in die Augen, hob sie auf seinen Rücken und gemeinsam flogen sie hoch in die Luft und der sinkenden Abendsonne entgegen.

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4. DAS MONDKIND
Vor langer Zeit lebte einmal eine Frau in einer kleinen Stadt, deren Mann war vor Kurzem gestorben. Da sie nun traurig, einsam und ohne Sinn ihr Leben verbrachte, kam eines Tages eine Verwandte zu Besuch. Als diese nun das Elend der jungen Frau mitansah, da hatte sie Mitgefühl mit der Trauernden und gab ihr den Rat, zu dem kleinen See vor der Stadt zu gehen und dort nach Linderung und Heilung ihrer Trauer zu suchen. Als bald darauf ein wunderschöner Sommertag anbrach, befolgte die junge Frau den Rat und wanderte zum kleinen See hinaus. Dort angekommen, erfreute sie sich an der schönen Natur und schlenderte gemächlich am Ufer entlang.
So gelangte sie auf einmal zu einem großen Kreis aus dicken Feldsteinen und weil sie von der ungewohnten Wanderung etwas müde geworden war, so setzte sie sich auf einen der grauen Steine, um auszuruhen. Wie sie nun so ruhig dasaß, da hört sie auf einmal ein Summen unter sich und wie die Frau sich verwundert umblickte, entdeckte sie, dass kleine blaue Funken zwischen den Steinen herumzuckten. Und als das seltsame Summen um sie herum noch etwas lauter wurde, da erschien in der Mitte des Steinkreises ein großes leuchtendes Licht. Dann teilte sich das Licht wie ein Vorhang und ein kleiner Knabe erschien. Die Frau saß wie erstarrt da und betrachtete voller Erstaunen das schöne Kind, das langsam auf sie zukam. Bei ihr angekommen, blieb es stehen und nachdem der kleine Knabe sie eine Weile bedächtig angesehen hatte, sagte er mit heller Kinderstimme:“ Ich suche eine Mutter.“
Da wusste die Frau vor Verblüffung gar nicht mehr weiter und meinte, in einem Traum zu sein. Endlich fasste sie sich ein Herz ,schüttelte ihre Erstarrung ab, und streckte die Hand aus, um die Erscheinung vor ihr zu berühren. Und es war kein Phantasiegebilde, sondern ein kleiner Junge mit blondem, lockigem Haar und blauen Augen, der ihr freundlich zulächelte. Und als der Knabe ihre Hand ergriff, da fühlte sie eine kleine, warme Kinderhand in der ihren. Da sprach die junge Frau voller Besorgnis:“ Ja aber Kind, wo sind denn deine Eltern?“ Da erzählte der Knabe mit ernster Miene, dass sein Vater ein Schöpfer sei und dass der Vater so viel tun müsse, dass dieser keine Zeit habe, sich um ihn zu kümmern und ihm deshalb den Auftrag gegeben habe, sich eine Mutter zu suchen. Der Vater hatte gemeint, dass dies auch eine gute Art sei, die richtige Mutter zu finden, die wirklich zu ihm passte.
Als die junge Frau nun nachfragte, wo denn die richtige Mutter des Jungen wäre, so entgegnete er ganz ungerührt, dass er noch nie eine Mutter gehabt hätte, da sein Vater ihn doch als Schöpfer erschaffen habe.
Der jungen Frau kam diese Erklärung zwar sehr seltsam vor,aber sie schwieg erst einmal.still., denn der Kleine begann wieder zu reden.Er berichtete, dass er das Mondkind sei und aus der Zukunft komme. Als der kleine Knabe den verwunderten Blick der Frau bemerkte, lachte er fröhlich und sprach:“Jetzt glaubst du doch tatsächlich , ich komme vom Mond , weil du das Wort „Mondkind“ gehört hast. Aber du scheinst wohl nicht zu wissen, dass das Wort „Mond“ auch noch eine andere Bedeutung hat.“ Da war die Frau ganz verwundert über dieses merkwürdige Kind, aber weil sie nun ganz neigierig geworden war, so bat sie den kleinen Knaben, es ihr doch bitte zu erklären.
Da freute sich der Kleine, kletterte ganz zutraulich auf ihre Knie und hielt ihr ganz ernsthaft einen Vortrag, indem er erklärte, dass das Wort „Mond“ auch ein zusammengesetztes Wort sei : aus MON und D , und das MON in vielen Sprachen als Berg gebraucht würde und dass das „D“ auch ein Zeichen sei für ein halbes Gehirn und dass, wenn in der anderen Hälfte vom Gehirn viele Spiegel-Neuronen seien, dann hätte er auch wieder ein ganzes Gehirn, also einen Kreis, und ein Kreis sei auch ein Zeichen für Gehirn und das wäre dann wieder das gespiegelte „D“ als Kreis mit einem Längs- strich, und sein Zuhaus sei in einem grossen Berg und deshalb würde er von allen das Mondkind genannt.
Da schwirrte der jungen Frau langsam der Kopf von all diesen seltsamen Nachrichten, von denen sie noch niemals etwas gehört hatte und wo sie nicht wusste, ob der Kleine sich das nur ausgedacht hatte, oder ob es stimmte. Aber der Kleine plauderte schon munter weiter und erzählte ihr, dass der Vater gemeint hatte, dass er durch eine Mutter die Möglichkeit haben würde, die Vergangenheit kennen zulernen und dass es wichtig sei für den Jungen,, alles kennenzulernen, wie es früher einmal gewesen war, damit er die Zukunft besser einschätzen könne.
Als die junge Frau das Kind nun nachdenklich anschaute, da bat der kleine Knabe die Frau um ein Versprechen :“Wenn du nun meine Mutter werden willst, so werde ich auch mit dir in deine Zeit gehen, und ich weiss, dass du von mir erwartest,, dass ich alles Neue offen und unbefangen annehme, ohne es zu beurteilen oder zu verachten. Ich wünsche mir, dass du auch diese Einstellung hast, wenn ich dich in meine Zukunft mitnehmen möchte.“
Da flüsterte die Frau nach einer Weile voller Staunen :“ Woher hast du diese weisen Worte?“ Da erwiederte der kleine Knabe so nebenbei, dass der Vater ihm so etwas erzählen würde und während er das berichtete, begann er schon, mit dem funkelnden Armband der Frau zu spielen.
Da murmelte die Frau, dass sie diesen Vater auch gerne einmal kennenlernen würde.
Doch der Knabe war schon aufgesprungen, zerrte an ihrer Hand und wollte nur noch seine unbekannte Vergangenheit kennen lernen.
Da seufzte die Frau glücklich und meinte leise :“ Ich glaube ,er will mich als seine Mutter „.
Und dann wanderten sie zufrieden nach Hause.

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5. DER BLINDE DICHTER
Vor langer Zeit lebte einmal in einer kleinen Stadt eine ältere Frau,,die ging jeden Nachmittag in den Park, setzte sich auf eine Bank zwischen die Blumenbeete und betrachtete voller Freude die vielen bunten Schmet- terlinge, die zwischen den Blüten umherschwirrten. Wie sie nun eines Tages wieder an ihrem Lieblingsplatz in der Sonne sass, bemerkte sie einen grossen dünnen Mann mit einem weissen Stock, der mit vorsichtigen Schritten auf ihre Bank zukam und sich dort seufzend niederliess. Er trug eine Brille mit dunklen Gläsern und die Frau nahm an, dass er blind sei.. Während sie beide nun still nebeneinander sassen,, fing der Mann plötzlich an zu sprechen und sagte:“
Ich höre das Lied der Zeit.“
Da bekam die Frau einen gehörigen Schrecken und dachte bei sich, dass der Mann neben ihr scheinbar nicht nur blind, sondern wohl auch verrückt sein müsste. In der Hoffnung, dass er bald verschwinden würde, blieb sie stumm, und wagte nicht, sich zu rühren.
Nach einer Weile redete der Mann wieder:“
Ich höre das Lied der Zeit.
Und sehe das Band der Räume.“
Nun glaubte die Frau, dass der Mann neben ihr ein Gedicht aufsagen würde, und begann zu grübeln, von welchem Dichter das wohl sein könne. Und wie sie noch so nachsann, da begann der seltsame Mann neben ihr wieder mit wohltönender Stimme zu sprechen:“
Ich höre das Lied der Zeit.
Und sehe das Band der Räume.
Ich fühle den Wind der Tugend.
Und spüre das Klingen der Netze.“
Da wurde die Frau neugierig, vergass ihre Bedenken und wandte sich dem Mann zu und sprach ihn an. „Ach“. sagte sie, „ich mag so gerne Gedichte und nun komme ich nicht darauf, wer dieses Gedicht geschrieben hat. Wer war der Dichter?“ Während sie den Mann nun erwartungsvoll anblickte, sass der nur stumm und bewegungslos da. Nach einer ganzen Weile wandte er endlich seinen Kopf in ihre Richtung und entgegnete:“
Ich höre das Lied der Zeit.
Und sehe das Band der Räume.
Ich fühle den Wind der Tugend.
Und sehe das Klingen der Netze.
Ich rieche den Duft der Stille.
Und schwebe auf der Welle des Seins.
Ich blicke in das Absolute des Denkens.
Und schaue empor zur Einheit der Welt.“
Während der Mann langsam diese Zeilen sprach. strahlte sein Gesicht so viel Ruhe aus, dass die Frau ihn nur voller Verwunderung betrachtete, und gar nicht mehr wusste, weshalb sie sich gefürchtet hatte. Jetzt erschienen ihr die Verse eher geheimnisvoll und wie ein Rätsel und sie hatte das Bedürfnis, den verborgenen Sinn in den Versen zu entdecken. Deshalb begann sie, den Anfang langsam und laut zu wiederholen und als sie nicht mehr weiter wusste, half er ihr bei den fehlenden Zeilen. Nun wurde die Frau ganz nachdenklich und hatte das Gefühl, dass dieser Vers eine verschleierte Botschaft enthalten müsste. Und wie sie noch so überlegte, sprach der Mann neben ihr mit eindringlicher Stimme:“
Ich höre das Lied der Zeit.
Und sehe das Band der Räume.
Ich fühle den Wind der Tugend.
Und spüre das Klingen der Netze.
Ich rieche den Duft der Stille.
Und schwebe auf der Welle des Seins.
Ich blicke in das Absolute des Denkens.
Und schaue empor zur Einheit der Welt.
Ich schwinge mit, mit dem Streben nach Vollendung.
Und öffne mich für den reinen Geist.“
Während die Frau andäcjtig den Worten lauschte, glaubte sie aufeinmal zu wissen, was der Mann mitteilen wollte.Aber sowie er aufhörte zu reden ,war der Gedanke weg und sie blickte nur noch verwirrt umher. Es kam der Frau nun so vor,, als ob er etwas ganz Wichtiges gesagt hätte mit den Versen. Unsicher blickte sie zu Boden , und endlich , nach einer ganzen Weile, blickte sie zu dem Mann hinüber, nahm ihren ganzen Mut zusammen und sprach:“ Ich meine, in den Versen ist etwas verborgen und einen Augenblick lang meinte ich, dass ich es wüsste, und es war beglückend. Aber jetzt ist alles fort und alles ist leer in mir.“
Da beugte der Mann sich zu ihr hin und meinte:“ Ich bin ein Dichter Und diese Verse sind von mir. Ich benutze die Wörter der Sehenden, um in meinem blinden Dasein mein Empfinden darzustellen. Ich bin zufrieden, wenn meine Verse etwas auslösen und bin dankbar für Gespräche.“ Da meinte die Frau. dass es wohl für sie wichtig sei, sich mit ihm zu unterhalten, weil sie in neue Sichtweisen eingeführt werden würde und sie es interessant finden würde.
Und dann machten sich beide voller Erwartung auf den Heimweg.


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6. DIE WUNDERBLUMEN
Es war einmal ein kleines Mädchen, dessen Eltern waren gestorben. Deshalb wollte eine Nachbarin das Kind in ein Waisenhaus bringen, weil es niemanden mehr hatte, der es versorgen konnte.
Eines Morgens gingen die beiden los und mussten auf ihrem Weg durch einen grossen Wald gehen.. Wie sie nun so dahinschritten,, begann die Kleine zu klagen, dass sie müde sei und so machten sie Rast unter einem grossen Baum am Wegesrand. Wie sie nun so still und erschöpft im weichen Moos sassen, erfasste die Nachbarin plötzlich eine heftige Müdigkeit und ehe sie sich versah, fielen ihr die Augen zu und sie versank in einen tiefen Schlaf. Das kleine Mädchen aber erholte sich rasch von ihrer Erschöpfung und fing an, neugierig herumzuwandern und alles zu betrachten, was in dem Walde wuchs. Wie sie sich nun ein ganzes Stück von dem Baum mit der schlafenden Nachbarin entfernt hatte,, trat plötzlich hinter einem uralten dicken Tannenbaum eine wunderschöne Frau hervor und sprach das kleine Mädchen an.
Das Kind erschrak zunächst und wollte fortlaufen. Mit sanften Worten konnte die unbekannte Frau das kleine Mädchen aber beruhigen. Die Kleine berichtete der schönen Frau nun, dass sie ins Waisenhaus gebracht werden sollte, weil sie ganz allein sei. Darauf entgegnete die Unbekannte:“Ich bin die Fee des Waldes
und sorge, dass alles seinen rechten Platz in meinem Reich hat.. Du hast kein Zuhause mehr und daher lade ich dich ein, mit mir zu kommen in mein Baumhaus und solange bei mir zu sein,, bis du erwachsen bist.“ Da fasste das Kind Vertrauen, ergriff die Hand der Fee und ging mit ihr fort.
Die Nachbarin aber, als sie erwachte und das kleine Mädchen trotz allen Suchens und Rufens nicht finden konnte, kehrte in das Dorf zurück und erklärte, dass das Mädchen im Wald spurlos verschwunden sei. Da aber jeder von morgends bis abends am Arbeiten war, so machte sich niemand grosse Sorgen und bald dachte keiner mehr an das kleine Mädchen.
Nun lebte das Kind also bei der Fee des Waldes und hatte es gut bei ihr und lernte alles über Bäume und Blumen, und Kräuter und Duft. So wuchs sie heran und war glücklich und zufrieden. Eines Tages aber sprach die Fee zu ihr:“ Heute werden wir nicht in den Wald gehen, sondern ich bringe dich in die Nähe einer grossen Stadt, wo du dir Arbeit suchen musst. Du bist erwachsen, und ich habe dich alles gelehrt, was für deine Fähigkeiten wichtig ist.“ Da wurde das Mädchen sehr traurig und weinte, und wollte nicht fortgehen. Doch die Fee tröstete das Mädchen und sprach:“Du musst wieder zu den „Deinen“ und kannst dort zum Segen werden für alle. Folge meinem Rat und gehe in der Stadt zum Schloss des Königs und frage , ob sie dort noch ein Gärtnermädchen gebrauchen können. Über- nimm jede Arbeit, die sie dir geben und es wird dir wohl ergehen.“
Da willigte das Mädchen ein und so wanderten sie bis in die Nähe der grossen Königsstadt. Zum Abschied aber reichte die Fee ihr einen kleinen Beutel und sagte:“ Hier gebe ich dir drei Samenkörner. Es sind Wunderblumen, die zum Segen werden, wenn du sie verschenkst.“ Daraufhin erklärte sie dem Mädchen die Vorgehens- weise und verschwand dann plötzlich.
Das Mädchen tat nun alles genauso, wie die Fee es ihr geraten hatte und fragte im Königsschloss nach einer Arbeit im Garten.Sie wurde zum Obergärtner geführt und da noch jemand zum Unkraut zupfen gesucht wurde, so wurde sie genommen. Das Mädchen erhielt eine kleine Kammer, bekam in der Schlossküche das Essen und stand sonst vom frühen Morgen bis zum späten Abend in dem Park des Königs und zog das Unkraut zwischen den Blumen heraus..
Da geschah es nun eines Morgens, dass der Obergärtner alle zusammenrief, die im Garten arbeiteten und einen Befehl des Königs verkündete. Der König forderte bis zum nächsten Morgen die ungewöhnlichste Blume, um sie für seine Brautwerbung als Geschenk zu über- reichen. Da kamen nun viele Vorschläge, welche Blume für dieses Ereignis wohl am besten geeignet sein könnte.Der alte Obergärtner aber war verzweifelt,denn die Forderung des Königs erschien ihm unerfüllbar. Als das Mädchen den alten Gärtner nun so mutlos und traurig sitzen sah, da fielen ihr die drei Samenkörner der Fee ein, und sie beschloss, einen Versuch zu wagen mit einem Samenkorn.
Geschwind holte sie einen grossen Blumentopf mit Erde, eilte damit in ihre Kammer und nahm aus dem Beutel der Fee das erste Samenkorn. Sorgfältig legte sie es in die Erde, goss Wasser darüber und stellte den Blumentopf dann an das Fenster ins Licht. Dann lief sie wieder in den Park und tat ihre gewohnte Arbeit.. Als sie abends müde in ihre Kammer trat, eilte sie sofort zu dem Blumentopf, aber es zeigte sich nichts. Aber weil das Mädchen so erschöpft von der Arbeit war, ging sie zu Bett und schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen jedoch war das Wunder ge- schehen, und die herrlichste Blume, ähnlich einer Narzisse,, stand dort und verströmte einen lieblichen Duft. Überglücklich lief das Mädchen damit nun zum Obergärtner und dieser staunte über diese Schönheit und brachte die Blume dem König.Der König fand Gefallen an dem Geschenk und überbrachte das Blumenwunder seiner Braut.
Nach eineiger Zeit aber verkündete der Obergärtner , dass der König für seine Verlobung mit der Prinzessin wieder eine kostbare Blume verlange und ob das Gärtnermädchen wieder helfen könne.. So legte das Mädchen also den zweiten Samen in einen Blumentopf und am nächsten Morgen blühte dort eine weisse Blume ähnlich einer Lilie. Glücklich über so viel Pracht. eilte der Obergärtner zum König und brachte ihm das
Geschenk, der es dann an seine Verlobte weiterreichte.
Und wie nun die Hochzeit des Königs bevorstand, da legte das Gärtnermädchen den letzten Samen in einen Blumentopf, um dem alten Obergärtner zu helfen und am nächsten Morgen blühte dort eine Blume ähnlich einer Christrose mit süssem Duft. Als der König dieses Blumenwunder erblickte, erstaunte er und liess das Gärtnermädchen holen, um es für die Geschenke zu belohnen. Der König bot ihr eine hohe Stellung als Hofdame der neuen Königin an und wollte sie damit ehren.
Doch das Gärtnermädchen lehnte ab, schüttelte den Kopf und sprach:“ Ich liebe die Blumen, den Garten und den Park. Dort gehöre ich hin und da will ich sein.“
Dann ging sie wieder zu ihrer Gartenarbeit und erfreute
sich an den Blumen.

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7. DER BERG DER HEILUNG
Vor langer Zeit lebte einmal ein Mann bei einem hohen Berg, der von einem grossen Wald umgeben war.Er hatte sich dorthin zurückgezogen, um in der Stille sein Leben neu auszurichten, nach einem grossen Unglück in seiner Familie. Indem er sich nun schon eine gewisse Zeit der Ruhe und des Friedens geöffnet hatte, ver-schwanden allmählich Verbitterung und Schmerz und er begann, langsam wieder Anteil zu nehmen an seiner Umgebung.
Als der Mann nun eines Morgens sich aufmachte, um aus dem nahen Bach Wasser zu holen, sah er auf der kleinen Lichtung vor seinem Holzhaus einen seltsamen Vogel fliegen. Dieser hatte eine blitzende goldene Krone auf dem Kopf und um seinen Hals hing eine dünne goldene Kette.Der Mann blieb bei diesem Anblick bewegungslos stehen, und beobachtete , wie der merkwürdige Vogel schwirrend zwischen den Bäumen verschwand. Nun war der Mann neugierig geworden, liess seinen Eimer stehen und eilte dem bunten Vogel nach. Der unbekannte Vogel flatterte an den Stämmen der hohen Bäume vorbei in Richtung des nahen Berges. Dort angekommen, klopfte er mit seinem Schnabel an die Felswand und nach einer Weile schimmerte statt des grauen Felsgesteins an dieser Stelle ein lichtdurchflutetes grosses Netz auf und in dem Netz öffnete sich ein Tor und der schöne Vogel schwebte hinein und verschwand. Kurz darauf verblich das Tor mit dem Netz und es war nur noch die graue Felswand zu erkennen.
Das steigerte die Neugier des Mannes noch mehr und er wollte nun das Geheimnis von dem Vogel und dem Berg ergründen. Also begann er nun jeden morgen als erstes nach dem schönen Vogel Ausschau zu halten und zu dem Berg zu wandern, um das Tor wiederzufinden. Es geschah jedoch nichts, weder an diesem Tag noch an den folgenden. Trotzdem blieb dem Mann das Bild eines wunderbaren Ereignisses so tief im Gedächtnis, dass er erneut jeden Morgen aufbrach hin zu dem Berg, in der Hoffnung, dass er mehr von dem Geheimnis erfahren könne.
Wie er nun eines Morgens in aller Frühe wieder einmal im Schatten eines hohen Baumes stand und sehnsüchtig zur Felswand hinüber schaute,, sah er an der Wand des Berges ein blaues Licht aufblitzen und gleich darauf leuchtete ein grosser Teil des Berges glänzend auf, es erschien wieder das Lichtnetz und das Tor wurde sichtbar. Doch nun erschien statt des wunderschönen Vogels eine alte Frau mit einem Korb auf dem Rücken und einem Stock in der Hand.
Regungslos verharrte der Mann unter dem Baum, und beobachtete , wie die Alte langsam zwischen den Bäumen verschwand. Nun überlegte er, was zu tun sei, und beschloss, abzuwarten, was weiter geschehen würde.
Nach einer ganzen Weile hörte er plötzlich ein lautes Schwirren in seiner Nähe und wie er nach oben schaute, entdeckte er wieder den seltsamen Vogel auf einem Ast und zu ihm hinüberschauen. Da wurde dem Mann ganz seltsam zu Mute und er hatte plötzlich das Gefühl, er müsste dem schönen Vogel folgen. Und kaum begann der Vogel in Richtung des Berges zu fliegen, da ging auch der Mann hinter ihm her. Als der Vogel gegen die Bergwand klopfte, da leuchtete der Felsen wieder auf, es erschien ein Netz und das Tor und durch diese Öffnung schwirrte der Vogel und auch der Mann fasste sich ein Herz und folgte mutig seinem unbekannten Ziel
Zunächst folgten sie einem langen Tunnel, bis sie in einer grossen Halle anlangten. Während sich der Vogel auf einem helmähnlichen Gestell niederliess, begann der Mann, sich in der Halle umzusehen. Der gesamte Raum war angefüllt mit wissenschaftlichen Geräten aller Art, mit Werkzeugen und Instrumenten, mit Kisten und Kästen und mit Büchern und Schrift- rollen. Voller Verwunderung ging der Mann langsam von einem Gegenstand zum anderen, bestaunte alles und betrachtete manches intensiver. Wie er nun bei seinem Rundgang zu einem alten Schrank gelangte und ihn öffnete,, da fiel ein Blatt Papier herunter. Eilig hob er es auf und wie er es genauer betrachtete, so stand darauf ein Spruch geschrieben und er las:“
Du folgtest diesem Ruf.
Du folgest deinem Glück.
Du folgst dem Vogel Wissen.
Du gehst nicht mehr zurück.
Die Folge ist die Weisheit.
Die Schöpfung.
Und das Licht.
Und in dem Spiegel vor dir.
Da siehst du ein Gesicht.
Es ist der neue Schöpfer.
Von Friede, Liebe, Pflicht.“
Da blickte der Mann verwundert in den Schrank und entdeckte einen grossen kristallenen Spiegel, dessen ganze Fläche mit einem dunklen Tuch verhüllt war. Neugierig zog der Mann das Tuch herunter und da begann die Spiegelfläche zu leuchten und zu flimmern und dann erblickte er sein eigenes Angesicht.
Da erschrak der Mann, denn er meinte, dass er selber keinesfalls ein Schöpfer sein könne. Wie er nun so verstört und verschreckt dastand, und nicht wusste, wie er mit dieser Aufforderung, ein Schöpfer zu sein, umgehen sollte, da ertönte hinter ihm eine Stimme. Als er sich umwendete, erblickte er die alte Frau mit dem Stock und dem Korb auf dem Rücken, die ihn mitfühlend anschaute und sprach:“Ich bin der Vogel des Wissens. Ich habe dich geprüft und für geeignet befunden, mein Nachfolger zu sein. Auf mich warten andere Aufgaben, um Segen und Fülle in das Land zu bringen. Dir aber übergebe ich mein Haus und mein Werk, den Wald mit den Bäumen und Vögeln, den Blumen und Tieren. Bringe Heilung in die Schöpfung, so wie du auch Heilung erhalten hast durch Barmherzigkeit und Gnade. Sei ein liebevoller Schöpfer und wallte deines Amtes voller Liebe und Mitgefühl. Um dir den Start zu erleichtern, übergebe ich dir meinen Korb und meinen Stock, sowie den Vogel des Wisses.“
Darauf legte sie diese Gegenstände vor ihm auf den Boden und ehe er sich versah, verschwand die alte Frau aus der Halle. Da eilte der Mann hinter ihr her, um ihr Fragen zu stellen über all das Seltsame, das hier geschah. doch sie war unauffindbar verschwunden.Da wurde der Mann ganz mutlos und setzte sich bedrückt auf den Boden neben die Gaben der Frau. Und wie er nun so traurig nachsann, wie es weitergehen könne, da öffnete der Vogel seinen Schnabel und sprach zu ihm in einer Männerstimme:“ Sei guten Mutes und ängstige dich nicht. Folge nur beständig meinem Rat und ich werde dich stets führen in allem, was du tun willst. Ich werde dich mit Kenntnissen und Wissen versorgen, damit du das Amt des Schöpfers erfüllen kannst. Vertraue mir und der Weisheit und Tugend, die ich verkörpere.“
Eine Weile sass der Mann noch nachdenklich da, und dann fasste er einen Entschluss. Er erhob sich,, setzte den Vogel auf seine Hand, schaute ihn liebevoll an und sprach dann zu ihm:“Weil mir selber nichts Kluges einfällt, wie ich diese Forderungen erfüllen kann, so bitte ich dich, mir zu helfen; mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und mich überall hinzubegleiten.“
Da schwang sich der Vogel in die Luft, flog mehrmals um ihn herum, setzte sich endlich auf seine Schulter und begann dann , ein so herrliches Lied zu singen, dass dem Mann ganz wohl ums Herz wurde.
Und von nun an hatte der Mann den klügsten Lehrmeister der Welt.


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8. DER GÄRTNER DER NORD-ANLAGE
In einem kleinen Fischerdorf stand einmal ein grosses Herrenhaus, dessen Besitzer gestorben waren.
Eines Tages kam nun ein unbekannter junger Mann aus der fernen Königsstadt und verkündete den erstaunten Fischern, dass er in das Herrenhaus einziehen wollte und eine grosse Gartenanlage errichten wollte.. Da lachten die Fischer, denn die ganze Gegend war wegen der vielen Steine im Boden und des rauhen Seeklimas karg und öde. Der junge Mann aber liess sich nicht verdriessen, sondern stellte einen Verwalter ein. Dann ging er fort, um seine Familie zu holen.
Nach einiger Zeit kehrte er mit einer jungen Frau und den kleinen Söhnen wieder. Neugierig beobachteten die Fischer vom nahen Dorf alle Aktivitäten der jungen Familie und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Diese neuen Dorfbewohner machten aber auch wirklich alles ganz anders, als es sonst üblich war.
Während die kleinen Kinder den ganzen Tag von einer Freundin der jungen Frau betreut wurden, so wanderte die junge Frau schon am frühen Morgen zum Strand hinunter, setzte sich dort auf einen der vielen Steine und starrte, dort regungslos sitzend, stundenlang auf das Meer hinaus. Währenddessen hatte der Mann sich ein grosses Gebiet mit umherliegende3n Steinen abgegrenzt und begann anschliessend, Beete anzulegen. Obwohl das überall sichtbare Felsgestein nur mit einer dünnen Sandschicht bedeckt war,, begann der Mann mit Hilfe von vielen Felssteinen einen Rahmen für Hochbeete zu bauen und diese Rahmen dann mit umherliegenden Zweigen,Ästen und Blättern zu füllen, und zum Schluss mir einer Schicht Erde zu bedecken. Dann pflanzte er junge Bäume in diese Beete, sowie Blumen und Gemüsepflanzen. Er sammelte das Regenwasser in einem Wasserbecken und war so von morgens bis abends in seinem Garten beschäftigt. Und zum grossen Erstaunen der Fischersleute erblühten bald darauf die ersten Blumen und das erste Gemüse wurde geerntet.
So ging es nun bis zum nächsten Frühling und als der letzte Schnee geschmolzen war, da erschienen eines Tages in dem Fischerdorf mehrere unbekannte Männer und fragten nach dem weisen Gärtner der Nord-Anlage. Davon hatten die Fischer nun noch nie gehört, aber endlich meinte der älteste Fischer, dass sie doch einmal beim Herrenhaus nachfragen sollten. Dort würde auch ein Gärtner mit seiner seltsamen Familie leben.Als die Fremden nun nachfragten, was denn so seltsam an der Familie wäre, da redeten plötzlich alle eifrig durch- einander und jeder wusste noch immer mehr Merk- würdigkeiten zu berichten.. Besonders vor allem von dem Garten und der Frau wussten sie zu erzählen. Und alle stellten Vermutungen an, ob die Frau vielleicht krank sei, weil sie noch nie jemand bei irgend einer Arbeit gesehen hatte.
Nachdem die Fremden diesen Reden eine Weile gelauscht hatten, verabschiedeten sich von den Fischern, bedankten sich für die Informationen und sprachen zu den Dorfleuten:“ Durch das, was ihr uns beschrieben habt, haben wir nun unseren Freund, den Gärtner der Nord-Anlage, erkannt,“ und damit gingen die Fremden in Richtung des Herrenhauses. Die Fischersleute aber wunderten sich, wie so ein merkwürdiger junger Mann solche vornehmen Freunde aus der Stadt haben konnte.
In den nächsten Tagen beobachteten die Fischer, wie der junge Mann seinbe Freunde durch die Garten-anlage führte und er den Fremden lange Vorträge hielt. Aber noch mehr waren die Dorfbewohner erstaunt, dass auch einige der Fremden des Morgens in aller Frühe mit der jungen Frau zum Strand hinunter gingen, sich ebenfalls auf Steine setzten und bewegungslos auf das Meer starrten. Dies taten sie manchmal bis zum Mittag oder sogar bis zum Abend.
Nach ein paar Tagen reisten die Fremden wieder ab und es kehrte Ruhe in das Dorf ein. Obwohl die Fischer viel über die seltsame Familie im Herrenhaus redeten, so traute sich doch keiner, das junge Ehepaar zu fragen.
Und als nun eines Tages ein warmer Frühlings- regen vom Meer herüberzog, und die Pflanzen das erste zarte Grün zeigten, da erscholl ein Lachen und Singen auf der Dorfstrasse und eine Gruppe von bunt geklei- deten jungen Leuten erschien und alle fragten nach dem Gut von dem Gärtner der Nord-Anlage. Da fasste sich endlich eine junge Fischersfrau ein Herz, ging auf ein rotgekleidetes hübsches Mädchen zu und fragte schüchtern:“ Kannst du mir mal sagen, was ihr alle von dem komischen Gärtner und seiner merkwürdigen Frau wollt.“
Da lachte das Mädchen und erwiederte freundlich:“ Sollte es möglich sein, dass ihr direkt daneben wohnt und doch nichts mitbekommt von dem Wunderbaren, was hier geschieht.“ Und als die Fischersfrau nur verständnislos auf das strahlende Mädchen starrte, da erklärte das junge Mädchen, dass all die jungen Leute hier wären, um dem Gärtner der Nord-Anlage bei dem Aufbau eines zukünftigen Gartens zu helfen.Dieser Zukunfts-Garten wird ausgestaltet werden mit zukünftigen Energien wie Orgon, Kristall-Energien und Licht-Photonen. Diese aktivieren das Pflanzenwachs-
tum, die Farben der Blumen und den Duft, die Grösse der Früchte, die Balance in der Natur und das Erscheinen von Pflanzen-Devas ,Elfen und Heinzelmännchen. Ausserdem wird Sphärenmusik zur Heilung von allen Disharmonien beitragen. Es ist ein Ruf durch das ganze Land gegangen an alle, die mithelfen möchten, einen neuen Paradiesgarten zu erschaffen“. Das hübsche Mädchen meinte, dass dieser Gruppe noch viele weitere folgen würden, denn der Gärtner der Nord-Anlage hätte nur eine grosse Sehnsucht von vielen jungen Leuten realisiert :nach Schönheit und Frieden, nach Gemeinschaft und sinnvollem Tun, nach Ruhe und Stille, nach Werten und Tugenden.
Da schwieg die Fischersfrau verwirrt und meinte endlich zögernd:“ Und ich hab gedacht, die junge Frau ist krank.“
Doch das junge Mädchen lächelte freundlich und entgegnete:“Auch ich werde nun täglich am Meer sitzen und Energie schöpfen aus dem „Ozean des Schweigens“ und werde mithelfen, Liebe und Heilung für das Land zu bringen.“
Und mit jedem neuen Tag erschienen mehr junge Leute.

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9. DER GRÜNE MANN Vor langer Zeit lebte einmal ein Holzfäller mit seiner Familie am Rande eines grossen Waldes. Jeden Tag verliess er früh am Morgen seine Hütte, um Bäume zu fällen und Brennholz zu suchen. Sobald ein Sohn fünf Jahre alt geworden war, nahm er ihn mit und der Junge musste nun überall mithelfen. Die Mädchen dagegen mussten der Mutter in Haus und Garten helfen und alle Arbeiten verrichten, die sie schon leisten konnten. Als nun das jüngste Kind, ein kleines Mädchen, ihren fünften Geburtstag hinter sich hatte, musste sie ebenso wie die beiden älteren Schwestern von morgens bis abends der Mutter zur Hand gehen. Das aber gefiel der Kleinen gar nicht. Jeden Morgen blickte sie traurig hinter dem Vater und den beiden älteren Brüdern her, und meinte, dass es dort draussen im schönen grünen Wald doch gewiss besser sei als hier im engen Haus. Mit jedem Tag kam es ihr überall enger und stickiger vor und sie hatte das Gefühl, in einem Käfig eingesperrt zu sein.
Eines Tages fasste die Kleine sich endlich ein Herz, ging abends zur Mutter und klagte ihr das Leid. Aber die Mutter wurde ärgerlich und meinte, dass jeder eine bestimmte Rolle im Leben zu spielen habe und niemand aus irgendwelchen Gründen ohne weiteres etwas anderes machen könne. Aber das Mädchen blieb beharrlich bei seiner Bitte, bis die Mutter endlich eines abends mit dem Vater sprach, dass die jüngste Tochter lieber mit in den Wald wolle, anstatt im Haus zu helfen. Nach langem Zögern willigte er endlich ein, unter der Bedingung, dass die Jüngste auch den ganzen Tag im Wald helfen müsste . Die Mutter wollte ihr zwei Körbe mitgeben, die sollte sie abends gefüllt nach Hause bringen, den einen mit Beeren und den anderen mit Kleinholz für das Herdfeuer. Als sie nun dem kleinen Mädchen von ihrem Entschluss sagten, da fiel das Kind ihnen vor Freude um den Hals, bedankte sich überglücklich und konnte vor Aufregung lange nicht einschlafen.
Am nächsten Morgen wanderte sie mit den beiden Körben fröhlich hinter dem Vater und den Brüdern her, bis sie zum Holzfällerplatz kamen. Der Vater zeigte ihr in der Nähe einen Platz zum Beeren sammeln und ermahnte das Mädchen zu Fleiss und Ausdauer, denn wenn sie bis zum Abend nicht alle Körbe gefüllt hätte, so würde er sie nicht wieder mitnehmen. Die Kleine versprach alles ganz eifrig zu tun, und so machte der Vater sich mit den grösseren Jungen an die Arbeit. Das Mädchen begann nun emsig ihre Körbe zu füllen, und es schien ihr alles so leicht von der Hand zu gehen, dass sie bis zum Abend auch alles geschafft hatte.Die Eltern hatten geglaubt, dass dem Mädchen die neue Arbeit bald zuviel werden würde. Doch das Kind wurde langsam immer fröhlicher und ausgeglichener und so liessen die Eltern es gewähren.
Eines Tages nun, als das Mädchen wieder in den Blaubeerbüschen sass und emsig die blauen Früchte einsammelte, da raschelte es aufeinmal neben ihr, und als sie sich erschrocken umwandte, da stand ein kleiner grüngekleideter Mann neben ihr. Da er aber genau so gross wie sie selbst war, so fand sie ihn ganz niedlich und als er sich als „ Herr des Waldes“ vorstellte, so fasste sie schnell Vertrauen und bald unterhielten sie sich ganz angeregt über den wunderschönen grossen Wald. Als der Grüne Mann nun die Liebe zu dem Wald bei dem Kind bemerkte,, da fragte er es, ob er ihm denn wohl seinen Wald zeigen dürfe. Da sprach das Mäd- chen:“Ich möchte das sehr gerne. Aber ich muss bis zum Abend meine Arbeit getan haben, sonst nimmt der Vater mich nicht wieder mit.“Da nickte der Güne Mann, und meinte, dass er dem Mädchen einfach helfen würde, damit noch Zeit für einen Spaziergang bliebe. Da nickte das Kind, und ehe es sich versah, waren beide Körbe bis zum Rand gefüllt.
Verwirrt über dieses Wunder blickte das Mädchen zu dem Grünen Mann, aber der war verschwunden und an seiner Stelle sass ein rotbraunes Eichhörnchen.. Nun wusste das Kind vor Verwunderung gar nichts mehr zu sagen und im nächsten Augenblick, da stand wieder der Grüne Mann dort und lachte sie freundlich an und dann fragte er die Kleine,, ob sie Lust habe, seinen Wald auf eine ungewöhnliche Art kennenzulenen, nämlich als Eichhörnchen. Er würde ihr alles vormachen und sie brauche alles nur nachmachen, und am Abend, bevor der Vater sie abholen würde, da hätte er sie wieder wohlbehalten auf ihren Platz gebracht.
Nachdem das Kind sich etwas besonnen hatte, willigte es ein und bald darauf sass wieder das schöne Eich- hörnchen neben ihr und plötzlich fühlte sie ein Ruckeln und Ziehen überall in sich und ehe sie es noch richtig bemerkt hatte, sass sie selbst ebenfalls als kleines Eichhörnchen im Heidekraut. Wie das Mädchen noch so völlig verdutzt an sich herabschaute, da hörte sie plötzlich die Stimme des Grünen Mannes in ihrem Kopf, der rief:“ Fang mich doch!“ Und da sah sie auch schon, wie das andere Eichhörnchen zum nächsten Baum flitzte. Zunächst hatte das Mädchen einige Mühe, sich an die neue Form und die Art des Laufens zu gewöhnen.Doch schon bald ging es immer besser und bald konnte sie mutig die Bäume hoch und wieder herunter klettern, von einem Ast zum anderen springen und auf diese Weise den Wald kennenlernen. Und als es dann Abend wurde und sie wieder in ihrer Mädchen-Form auf ihrem Platz sass und auf den Vater wartete, da war es der schönste Tag in ihrem Leben gewesen.
Der Vater war zufrieden mit ihr und da er nach der harten Arbeit sehr müde war, so achtete er nicht weiter auf das Mädchen, das völlig in Gedanken versunken neben ihm herlief. Das Kind konnte in dieser Nacht kaum schlafen und wünschte sich nur, dass der Grüne Mann auch am nächsten Tag erscheinen möge und sie wieder zu einem Abenteuer mitnehmen würde.
Am nächsten Morgen konnte sich das Mädchen kaum richtig auf ihre Arbeit konzentrieren, immer wieder schaute sie umher, um den Grünen Mann zu suchen. Und dann ,plötzlich, stand er neben ihr, ohne, dass sie etwas vorher bemerkt hatte. Als der Grüne Mann die Freude des Mädchens bemerkte, sprach er zu ihr:“ Ich wollte dich fragen, ob du mich wieder auf einen Spaziergang begleiten willst. Möchtest du es auf die gleiche Art wie gestern tun, oder sollen wir etwas Neues probieren?“ Da lachte das Mädchen und erwiederte:“ Wenn du mir bei der Arbeit hilfst, dann wöllen wir anschliessend eine neue Art versuchen.“ Damit war der Grüne Mann einverstanden und sobald die beiden Körbe wieder voll waren, da flog plötzlich ein kleiner bunter Vogel aus den Blaubeersträuchern und der Grüne Mann war verschwunden. Kurz darauf hatte sich das kleine Mädchen ebenfalls in einen Buchfink verwandelt.
Nun hatte das Kind etwas Mühe mit den Flügeln, aber nach einiger Zeit konnte es flatternd auf den Ast gelangen, wo der Grüne Mann auf sie wartete. Dort zwitscherte und trillerte er die schönsten Lieder und flog von einem Baum zum anderen. Und als der Abend kam, da meinte das Kind, dass es nichts Schöneres geben könne als zu fliegen und zu singen.
Und als am nächsten Morgen das Mädchen wieder im Wald auf den Grünen Mann wartete, da geschah alles wie immer. Zuerst wurden die Körbe gefüllt und als der Grüne Mann fragte, ob sie wieder eine neue Form ausprobieren wolle und das Kind nickte, da sprach der Grüne Mann:“ Als Eichhörnchen hast du deine Arme und Beine verändert gebraucht. Als Vogel hast du keine Arme mehr, sondern Flügel. Jetzt schau mal, wie du dich nun fühlst.“ Und damit erhob sich ein wunder- schöner Schmetterling neben ihr und schwebte vor dem Mädchen im Morgenwind.
Gleich darauf wandelte sich auch das kleine Mädchen in einen grossen Waldfalter und gemeinsam segelten sie durch den Wald und es war voller Balance und Leichtigkeit. Der Grüne Mann aber flog voller Übermut auf die Hand des Vaters. Dieser aber staunte über den zutraulichen Schmetterling und warf ihn wieder in die Luft.
Am Abend aber, vor dem Verschwinden, sprach der Grüne Mann zum Mädchen:“ Ich lebe hier im Wald als Nachtfalter und fliege auch nachts im Mondenschein. Wenn du magst, dann hole ich dich heute Nacht beim Mondlicht zu einem Flug ab.
Da nickte das Mädchen voller Freude und als es nun ganz dunkel geworden war, da pochte es an ihr Kammerfenster und als sie es leise öffnete, da schwebte im hellen Mondlicht ein wunderschöner grosser Nachtfalter. Da streckte das Mädchen die Arme in die Luft und flüsterte:“ Bitte, nimm mich mit.“ Und kurz darauf schwebten zwei herrliche Falter in den Nachthimmel.
Am nächsten Morgen aber war das Bett des kleinen Mädchens leer und es blieb auch für immer verschwunden.

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10. DER ALTE DER BERGE
Eine Gruppe von Männern hatte sich zusammen- gefunden, um in dem nahen Gebirge nach Edelsteinen zu suchen. Eines Tages kam nun ein junger Mann zu ihnen, der war auf Abenteuersuche. Der junge Bursche bat die Männer, ihn mitzunehmen auf ihrem Weg ins Gebirge, da er sich alleine nicht auskannte.Der Älteste der Gruppe nahm ihn schliesslich mit sich in seine Hütte und erklärte ihm dort, dass sie jeden Morgen in der Frühe aufbrechen würden. Im Gebirge würden sie dann alle zusammen bis zu einem bestimmten Tal gehen und dann müsste jeder allein in eine andere Richtung gehen, um sich eine geeignete Fundstelle selbst zu suchen. Der Älteste wollte ihn zunächst ein paar Tage mitnehmen und ihm alles erklären, aber dann müsste er alleine arbeiten. Der junge Bursche war es zufrieden und so geschah es auch.
Als er am dritten Tag morgens bis zum Treffpunkt mit allen gewandert war, nahm ihn der Ältere zur Seite und sprach:“ Du gehst heute mit mir nur bis zu meinem Berg und dort werde ich dir dann die Richtung zeigen,,wo du suchen musst, um deine Edelsteinhöhle zu finden. Bis zum Abend, wenn die Sonne langsam wieder untergeht, musst du wieder am Treffpunkt sein. Wir werden dort nur kurz warten. Wenn du nicht bald erscheinst, so gehen wir ohne dich los. Im Dunkeln ist es viel zu gefährlich für uns, die schmalen Felswege zu gehen. Also achte auf die Sonne.“
Der junge Mann versprach rechtzeitig zurück zu sein und kaum hatte der Ältere ihm die Richtung seines Berges gewiesen, da stürmte er auch schon los, um so schnell wie möglich an seine Felswand zu gelangen, um nach Höhleneingängen zu suchen.Als er endlich an seinem Berg angekommen war, rief er sich alle Weisungen für die Höhlensuche, die er von dem Älteren bekommen hatte, ins Gedächtnis. Aber obwohl er langsam und vorsichtig an der Felswand entlang schritt, so konnte er doch nirgends eine Öffnung in den Berg entdecken.
Enttäuscht setzte er sich endlich müde auf einen Stein in der Nähe der hohen Felswand. Wie er nun so still in der Sonne sass, da raschelte es neben ihm und ein Murmel- tier erschien und lief zwischen den Felsbrocken am Boden umher. Plötzlich aber begann es heftig neben ihm zu poltern und von oben prasselten einige Steine herab. Wie ein Blitz verschwand das Tier zwischen einigen Büschen, die an der Felswand wuchsen. Da erinnerte sich der junge Bursche an den Rat der Edelsteinsucher, dass sich vor Edelsteinhöhlen oft einige Büsche und Sträucher befinden würden.
Als nun wieder alles ruhig war, ging er zu der Felswand, bog die Sträucher beiseite und entdeckte dort tatsächlich einen breiten Spalt. Nun wurde der junge Mann ganz aufgeregt, nahm sein Bündel und zwängte sich mit einiger Mühe durch den Riss im Felsgestein. Nachdem er durch einen kurzen Gang gekrochen war, gelangte er tatsächlich in eine Höhle. Voller Staunen betrachtete er den kleinen Raum, indem es funkelte und glitzerte von grünen Kristallen. Vorsichtig hob er einige auf und betrachtete sie voller Freude. Nun hatte er also seine eigene Edelsteinhöhle gefunden. Voller Staunen und Bewunderung setzte er sich auf den Boden und konnte sich nicht satt sehen an all der Pracht.
Wie er nun so voller Glück da sass, stieg plötzlich vor ihm vom Boden ein grünlicher Nebel hoch und breitete sich bis zur Decke der Höhle aus. Und ehe sich der junge Bursche versah, da stand aufeinmal ein alter grauer Mann in dem grünen Nebel. Der Jüngling sass voe Schrecken wie erstarrt und blickte verwirrt erst den Alten an und dann verwundert auf den silbernen Stab, auf den die Gestalt sich stützte. Dieser Stab war über und uber mit seltsamen Zeichen bedeckt und der gesamte Stock schimmerte in einem bläulichen Licht. Nun konnte der junge Bursche seine Augen gar nicht mehr von dem seltsamen Stab wenden und die funkelnden Edelsteine erschienen ihm plötzlich ganz unwichtig.
Da sprach ihn plötzlich der graue Alte an:“Ich bin der Herr der Berge. Du bist in mein Reich eingedrungen und willst von meinen Edelsteinen nehmen. Was willst du dafür geben?“ Da entschuldigte sich der Jüngling für sein Eindringen und meinte, dass er nichts davon gewusst hatte, dass es einen Herrn der Berge gab. Dann entgegnete er:“Ich hatte gedacht, dass es nichts Schöneres geben würde als funkelnde Edelsteine. Aber nun sehe ich diesen schimmenden Stab in deiner Hand. Und das ist jetzt noch unendlich viel kostbarer für mich. Ich will die grünen Edelsteine gar nicht mehr. Sie erscheinen mir im Gegensatz zu deinem Stab nun gering und wertlos. Ich möchte viel lieber auch so einen Stock. Die Edelsteine kannst du alle behalten.“
Da schaute ihn der graue Alte eine Weile schweigend an und sprach dann endlich:“ Du bist noch so jung, und heute willst du dies und morgen etwas anderes. Diesen Stab zu bekommen, ist mit einer Lehre verbunden von drei Jahren in meinem Reich, fernab von deinesglei- chen. Willst du das?“ Doch als der junge Mann eifrig nickte, entgegnete der Alte:“ Ich gebe dir eine Stunde Zeit, und du kannst dir überlegen,, was du willst. Aber bedenke es gut, es gibt kein zurück!“ Und ehe er sich versah, war der Alte und der grüne Nebel verschwunden.
Der junge Bursche aber sass nun nachdenklich da, betrachtete die wunderbaren grünen Edelsteine und konnte doch den Silberstab nicht vergessen. Und als nach einer gerauman Zeit der graue Alte wieder im grünen Nebel erschien, erhob sich der Jüngling mit leuchtenden Augen , trat zu dem Alten und bat um eine Ausbildung.
Am Abend aber, als alle am Treffpunkt im Tal sich versammelten und der junge Bursche nicht erschien, da schauten sich die Männer an und meinten dann:“ Vielleicht hat ihn ja der Alte vom Berge mitgenommen.“
Und dann wanderten sie in der Abendsonne zu ihren Hütten.

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11. DAS SONNENKIND
Eine junge Frau wünschte sich schon lange ein Kind, doch es konnte nicht geschehen, weil sie seit ihrer Heirat krank war. Sie sass in einem bequemen Stuhl am Fenster und schaute in den Garten und auf den Weg, der an ihrem Haus vorbei führte. Des Abends, wenn der Mann erschöpft von seiner Arbeit nach Hause kam, ging er zu ihr und erzählte ihr von seinen Gedanken und Ereignissen und wenn er dann endlich seine Frau fragte, ob sie etwas Neues zu berichten habe, so schüttelte sie nur den Kopf und sagte dann nach einer Weile betrübt:“ Wie kann ich einen Sinn finden für mein Leben, ohne mir ständig ein Kind zu wünschen.“ Da legte eines Tages der Mann tröstend seinen Arm um sie und sprach:“ Kannst du das Kind, nach dem du dich so sehnst, denn erst einmal für mich malen,, damit ich verstehe, was dich glücklich machen soll.“ Zunächst blickte die Frau ihren Mann verständnislos an, weil sie diese Idee, ein Kind zu malen, doch sehr sonderbar fand. Doch je mehr sie darüber nachdachte, um so mehr fand sie Gefallen daran, ihren Wunsch in einem Bild Wirklichkeit werden zu lassen.
Als der Mann nun am nächsten Morgen das Haus verlassen hatte,, nahm sie sich Papier und Farben, setzte sich an den Tisch und begann, das Kind zu zeichnen, das sie sich wünschte. Wie im Flug verging so die Zeit, und als es Abend war, und der Mann nach Hause kam, fand er sie mit fröhlichem Gesicht und leuchtenden Augen am Tisch sitzend und an einem Bild malend. Glücklich zeigte sie ihm das fertige Bild und fügte hinzu:“ Und morgen zeichne ich ihm noch einen Garten voller Blumen. Schmetterlinge und Bienen und dann braucht es noch einen Wald mit Tieren und Vögeln, und eine Wiese mit Pferden, und so viele andere Umge- bungen, um sich wohl zu fühlen.“
Überrascht betrachtete der Mann nun das Bild. Da war nun auf dem Papier ein Kind gemalt, ein kleines Mädchen, das stand auf einer weissen Wolke, hatte gelbe lockige Haare, ein gelbes Kleid und gelbe Schuhe. Über seinem Kopf stand mit grünen Buchstaben:“ Mein SONNENKIND“.
Da wunderte sich der Mann über seine Frau, aber weil sie so glücklich aussah, schwieg er und liess sie zufrieden weitermachen, um in ihrem neuen Tun ausgefüllt zu sein.
So malte sie jeden Tag, was ihr bedeutend erschien für ihr zukünftiges Kind, mit allem Schönen und In- teresssantem, was sie sich für das Kind wünschte. Auf diese Weise malte sie den Herbst und den Winter und danach den Frühling. Und als es wieder Sommer wurde, da lag nicht nur in der neuen Wiege ein niedliches kleines Mädchen, sondern sie hatte auch ein dickes , buntes Bilderbuch hergestellt. Obendrein hatte sie sich verändert durch ihr Schaffen und Tun. Ihr Gesicht strahlte, die Augen leuchteten und sie sang Lieder für ihr Kind und lief beschwingt und gesund durch Haus und Garten.
Sie hatte sich geheilt von ihrem Leiden und ging nun einer sonnigen Zukunft entgegen.


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12. DER SCHÄFER
Es lebte einmal ein alter Schäfer mit seinen Schafen am Rande einer grossen Heide. Im Sommer wohnte er in seinem bunten Schäferkarren und im Winter lebte er mit seinem Hütehund und den Schafen in einem grossen Schafstall in der Nähe eines Dorfes. Er verstand die Kunst des Strickens und tauschte die Wolle seiner Schafe gegen fertig gesponnene ,farbige Wollknäuel ein, bei den Frauen des Dorfes. Für die hergestellten Strickwaren bekam er für sich von den Leuten Essen und Kleidung.
Eines Tages nun, wie er so strickend auf der kleinen Treppe seines Schäferwagens sass, da kam ihm der Gedanke, dass er doch nun schon so alt war, dass er sich um einen Nachfolger kümmern sollte. Es sollte jemand sein, der die Tiere liebte, die Natur ehrte, das einfache Leben anstrebte und einen Sinn in dem Tun des Schäfers erkannte. Nun überlegte er, wie er in dieser neuen Zeit wohl den Geeigneten finden könne.
Auf einmal hatte er dann eine Idee und ging in seinen Schäferwagen. Dort stand in der hintersten Ecke seine Schatzkiste und aus dieser holte er nun einige Gegenstände und legte sie auf den Tisch. Da hatte er nun für sein Vorhaben ein Glockenspiel ausgewählt, eine hölzerne Flöte und ein Schnitzmesser. Von nun an sammelte er tagsüber kleinere Holzstücke am Weges- rand und schnitzte daraus Tiere, Elfen, Fabeltiere und Herzen für Kinder und Erwachsene und verschenkte sie dann an alle, die zu ihm kamen und um seinen Rat fragten.
Am Abend, wenn langsam die Dämmerung begann, nahm er das Glockenspiel zur Hand und begann, herrliche Melodien darauf zu spielen. Die Glockentöne liessen in den Herzen der Leute eine Sehnsucht erwachen nach Frieden und Weisheit. Am frühen Morgen jedoch nahm der alte Schäfer seine Flöte, spielte lustige Weisen darauf und führte seine Scvhafe mit fröhlichen Klängen zu anderen Futterstellen.
Nachdem er dieses Tun nun eine Zeitlang in immer gleicher Weise durchgeführt hatte, da erschien eines Tages ein vornehmer Herr auf der Heide und in seiner Begleitung war ein junger schlacksiger Bursche. Der vornehme Mann bat den Schäfer um einen Rat und erzählte:“ Ich besitze ein grosses Haus in der Stadt und dieser junge Heranwachsende dort drüben, das ist mein Sohn. Er hat die besten Lehrer und gute Schulen, be -kommt Bücher und Wissen und ist doch so unwillig und mürrisch den ganzen Tag, dass es eine Plage mit ihm ist.“ Während nun der besorgte Vater mit dem alten Vater redete, sass der Bursche mit dem Hütehund im Heidekraut, streichelte den Hund und schaute sehn- süchtig über die Heide und versank in Träumereien.
Als der Vater nun zu dem Sohn hinüberblickte, und den Jungen so verträumt zwischen der blühenden Heide sitzen sah, wurde er unwillig und klagte:“ So ist er nun seit Jahren jeden Tag.“ Nach einer ganzen Weile des Schweigens sprach der Schäfer endlich:“Ich habe einen Vorschlag. Überlasst mir den Jungen für drei Jahre. Ich will ihm eine Ausbildung geben, die ihn glücklich macht und ihm weiterhilft. Danach kann er sich entscheiden, wie es für ihn weitergehen soll.“ Bei diesen Worten war der Mann ganz erschüttert und rief entsetzt:“ Aber hier, auf dieser Heide, da ist doch gar nichts, was zum Lehren taugt.“ Doch der alte Schäfer schüttelte bedächtig den Kopf und entgegnete:“ Für ein zufriedenes Herz, einen scharfen Verstand und einen reinen Geist gibt es auch woanders passende Mittel, um eine geeignete Schulung für das Leben zu erhalten.“
Da rief der Vater seinen Sohn herbei und erklärte ihm den Vorschlag des Schäfers. Als der Junge nun von dem Angebot des alten Schäfers hörte, bei ihm drei Jahre in die Lehre zu gehen, da leuchteten seine Augen und er strahlte über das ganze Gesicht. Er wandte sich zum Schäfer und sagte:“ Es ist wunderschön hier mit der blühenden Heide, den singenden Vögeln, den summenden Bienen und den friedlichen Schafen. Ich sehne mich nach dem weiten Land und dem hohen Himmel.“ Nachdenklich entgegnete der Schäfer:“ Aber so herrlich ist es nicht immer hier. Im Herbst gibt es wilde Stürme und kalten Regen, und im Winter starken Frost und hohen Schnee, und dein junges Herz sehnt sich dann fort von Stille und Einsamkeit.“
Aber da schüttelte der Junge den Kopf, und bat den Schäfer, es doch mit ihm zu versuchen. Nach einer Weile wandte sich der alte Schäfer an den Vater und sprach:“ Ich will ihn als meinen Lehrling annehmen, und ihm alles beibringen, was ich selber kann. Er erlernt alle Fertigkeiten und Fähigkeiten von mir, auch wenn sie für einen Mann heutzutage unüblich sind. Doch das Wichtigste ist, dass er nicht nur vieles beherrscht, , sondern, dass jemand dazu noch zufrieden und glücklich ist und zum Segen wird für seine Umgebung dürch das Verschenken von Liebe, Freude und Frieden.“
Als sie sich nun einig geworden waren, da verliess der vornehme Herr die Beiden und der Junge wurde ab nun der Lehrling vom Schäfer. Nach etwa der Hälfte der Lehrzeit kam nun eines Morgens der Vater auf die Heide, um zu sehen, wie es dem Sohn bisher ergangen war. Voller Staunen betrachtete er den Sohn und konnte ihn kaum wieder erkennen. Der Junge war nun zu einem grossen ,kräftigen Mann herangewachsen mit freundlichem, offenem Gesicht und zuvorkommen- der Art. Fröhlich nahm er seinen Vater bei der Hand und führte ihn zu seinem Lager im Schäferwagen. Dort lagen in einem Weidenkorb, den er selbst geflochten hatte, alle Dinge, die er bisher gelernt hatte. Da gab es einen langen gestrickten Schal, den er dem Vater für die kalten Winterabende schenkte. Und einen kleinen geschnitzten Holzhund, als Wächter für des Vaters Haus. Auch einen kunstvoll geflochtenen Kranz aus violetten Heideblüten mit honigsüssem Duft überreichte der junge Mann dem erstaunten Vater. Und dann spielte der Sohn dem Vater noch auf einer selbstgeschnitzten Holzflöte die wunderschönsten Melodien vor.
Endlich nach langem, nachdenklichem Schweigen sprach der Vater:“ Aber Junge, kannst du denn damit Geld verdienen?“ Da schaute der Sohn liebevoll zum Vater hin und entgegnete mit fester Stimme:“ Aber Vater, spürst du denn nicht, wie glücklich ich bin, und mit wie viel Hingabe ich alles angefertigt habe und wie die Musik mich fröhlich macht.“ Da wusste der Vater nichts mehr zu sagen, nahm die Geschenke und ging kopfschüttelnd von dannen.
Und als die drei Lehrjahre vergangen waren, da erschien der vornehme Herr wieder auf der Heide beim Schäfer und wollte den Sohn mit nach Hause nehmen.
Der junge Mann aber sprach:“ Lieber Vater, ich weiss, du meinst es gut mit mir. Aber nun bin ich erwachsen und habe herausgefunden, was ich in meinem weiteren Leben tun will.“ Dann erhob er sich, ging in den Schäferkarren und kehrte mit einem Strauss zurück. Den reichte er nun seinem Vater und sagte:“ Sieh, Vater. diesen Strauss habe ich für dich gepflückt und gebunden.“ Da starrte der Vater entsetzt und zornig auf das Gebilde in seiner Hand, warf es dann wütend auf den Boden und rief voller Missmut:“ Und dazu hast du so viel Lehrzeit gebraucht?“
Der Sohn aber bückte sich, hob den Strauss wieder auf und entgegnete voller Ruhe:“ Ach, lieber Vater, du verwechselst da Schein und Sein. Dieser Strauss, den du als vertrocknete Blumen wahrnimmst, und der dir deshalb in deinen Augen als wertlos erscheint, das ist in Wirklichkeit ein Bund mit getrockneten Heilpflanzen. Ich habe die ganze restliche Lehrzeit beim alten Schäfer gebraucht, um alles über Heilpflanzen, Krankheiten und Heilmethoden zu lernen. Die kostbarsten Heilpflanzen habe ich für dich gesammelt, getrocknet und zusam -mengebunden. Inzwischen weiss ich, dass auch du einmal krank werden könntest und wenn in der Stadt kein Arzt und kein Medikament dir mehr helfen kann, dann erinnerst du dich als letzte Hoffnung an mich und schickst nach mir und vielleicht kann ich dich dann mit Hilfe der Heilkräuter wieder gesund machen.“
Da war der Vater ganz still und meinte endlich:“Ja, willst du denn gar nicht mit mir zurück in die Stadt?“ Da entgegnete der Sohn:“ Nein, ich werde der Nachfolger des alten Schäfers. Diese Aufgabe ist verbunden mit Heilung und Segen, Ruhe und Frieden, Stille und Wissen. Ich bin hier glücklich und zufrieden und habe meinen Sinn gefunden. Auch gibt es hier ein Mädchen aus dem Dorf,das ähnlich denkt wie ich, und gemeinsam wollen wir zum Segen werden für die Kranken und Bedürftigen von nah und fern.“
Der Vater schwieg lange still. Endlich nahm er den Kräuterstrauss aus den Händen des Sohnes, betrachtete ihn nachdenklich, und murmelte dann:“ Was habe ich doch für einen klugen Sohn bekommen.“ Anschliessend stand der Vater auf, nahm seinen Sohn an der Hand und ging mit ihm zu dem grossen Baum, unter dem der alte Schäfer sass. Dort angekommen, sprach der Vater:“ Lieber Schäfer, deine Weisheit und deine Mittel haben Wunder bei meinem Sohn gewirkt. Er ist jetzt schon verständiger und einsichtiger als ich und deshalb übergebe ich ihn dir als deinen Nachfolger. Möge er zum Segen für dieses Land werden.“
Und mit dem Strauss voller Heilkräuter kehrte der vornehme Herr in die Stadt zurück.

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Tag der Veröffentlichung: 28.02.2011

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