Als ich aus meinem blauen Dienstwagen ausstieg hatte sich über den Parkplatz eine dichte Nebeldecke gezogen. Wahrscheinlich hatte es in der Nacht zuvor wie aus Kannen gegossen. Man hatte mich hier her bestellt, um einem mysteriösen Mordfall auf den Grund zu gehen:
Im städtischen Krankenhaus hatte eine Krankenschwester bei ihrem Rundgang zufällig im kleinsten OP-Saal einen grausigen Fund gemacht. Der langjährige Oberarzt Doktor Heinrich Täffler wurde tot auf dem OP-Tisch aufgefunden. Man hatte ihm bei vollem Bewusstsein die Bauchhöhle aufskalpiert und ihm einen komplizierten Schnitt in die Lunge gegeben, sodass das Opfer an der Verletzung erstickt war. Zudem fand man noch die Tatwaffe. Es war ein Skalpell aus den 40er Jahren, das Ärzte während des 2. Weltkrieges in Lazaretts verwendeten. Das Krankenhaus war ein etwas älteres, in schäbig weißer Farbe angemaltes Haus. Als ich es mit meiner Partnerin Elisabeth Häuser betrat, roch man sofort den stechenden Geruch von Desinfektionsmittel. Die meisten Patienten wurden schon in ein anderes Krankenhaus verlegt, doch hin und wieder sah ich manche Menschen auf den Gängen herum spazieren. Schließlich wurden wir von einer ernsten, schneidig wirkenden Krankenschwester begrüßt. Sie trug eine Brille und hatte sich die Haare kurz geschnitten. „Willkommen, sie müssen Kommissar Cremer sein. Ich bin Ingrid Zellweger und Oberschwester dieser Station. „Sie kommen wegen der Leiche?“ „Ja wo ist sie?“ „Wir haben sie in die Pathologie (Leichenhaus im Krankenhaus) gelegt, aber glauben sie mir, es ist kein schöner Anblick!“, sagte sie und über ihr sonst so ernstes Gesicht huschte ein leichtes Zucken. Also ging ich mit Elisabeth in die Pathologie und suchte Täffler. Als wir das Tuch von seinem Körper wegzogen, zog sich mir ein Schauer über den Rücken. Elisabeth ging vor Schreck gleich aus dem Raum. Über seinen Bauch zog sich ein sauberer, ca.50 Zentimeter großer Schnitt, aus der noch immer geronnenes Blut quoll. Ich riss mich zusammen, zog mir meine Handschuhe an und begann zu obduzieren. Alle anderen Organe außer die Lunge waren nicht betroffen. Allerdings sah diese aber auch sehr schlimm aus: das Opfer musste sehr gelitten haben, bevor es schließlich qualvoll erstickte.
Als ich fertig war entdeckte ich noch, dass die Leiche an ihren Armen auch Einschnitte hatte. Anscheinend hatte sich Heinrich Täffler bevor er unfreiwillig sich einer Schönheitsoperation unterzog, heftig gewehrt und der Mörder hatte ihm mit dem Skalpell ein paar „Extras“ gegeben. Die Einschnitte lagen genau übereinander. Sollte das ein Muster oder ein Code sein?
Als ich dann aus der Pathologie heraustrat, kam mir gerade Elisabeth entgegen. „Du, Simon. Ich habe gerade noch mal mit dieser Zellweger gesprochen, sie sagt das Heinrich Täffler mit der Krankenschwester ein Verhältnis gehabt hatte. Sie heißt Hannah Mohn und ist seit 2 Jahren hier. Ihr Mann arbeitet auch hier, er heißt Leonhardt Mohn und hat sie als er es erfahren hatte sie verlassen. Frau Zellweger glaubt das Hannah deshalb Täffler umgebracht hat, da Leonhardt unglaublich reich ist und sie ohne ihn sich viel weniger leisten könnte. Wäre ja auch logisch, wenn Täffler nicht mehr da ist, kann sie es wieder bei Leonhardt versuchen.“
„Und was ist mit ihm eigentlich? Hätte er nicht auch ein Motiv?“ „ Also soviel mir die Oberschwester sagte, war ihm die Trennung ziemlich egal, denn als er vor 4 Jahren beim Militär Verwundete in Afghanistan versorgt hat, hatte er mindestens 5 Affären und auch jetzt hat er wieder eine Freundin.“ „ Also scheidet er als Täter aus.“ „Was ist mit dieser Ingrid Zellweger? Als sie uns von der Leiche erzählt hatte, schien sie ja ziemlich angespannt zu sein...“
Uns fehlten die Beweise. Verzweifelt blätterte ich die Akten der Beteiligten durch....nichts zu finden! Nur, dass Ingrid Zellweger Klaustrophobie (Platzangst) hatte, Leonhardt Mohn eine Studie über Parallelen verfasste und Hannah Mohn gelegentlich am Parkinsonsyndrom (Schüttellähmungen) litt. Plötzlich gab mir etwas einen Funken. Jetzt wusste ich wer Heinrich Täffler auf dem Gewissen hatte. Nun würde diese grausige Tat gerecht bestraft werden.
Wer ist der Mörder und was gab Kommissar Cremer
den entscheidenden Hinweis?
Lösung:
Der Mörder von Heinrich Täffler war Leonhart Mohn, der ihn aus Eifersucht skalpiert hatte. Das beweist einerseits das vollkommen veraltete Skalpell als Tatwaffe, das er aus Afghanistan mitgebracht hatte und andererseits die Präzision der Einschnitte, die eine parkinsonleidige Hannah Mohn nicht vollbringen hätte können. Außerdem war L. Mohn auf diesem Gebiet informiert, da er darüber einen Aufsatz verfasst hatte. Ingrid Zellweger sah man am nervösen Zucken schon an, das der kleine OP-Saal in Verbindung mit ihrer Platzangst, sie als Täter vollständig ausschließen.
Tag der Veröffentlichung: 04.10.2010
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