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III.




L

aute Musik drang an ihre Ohren, als sie sich dem Eingang der Mensa näherten. Immer mehr Studenten drängten sich in das Innere des Gebäudes und Pedro, Ted und Donaldo ließen sich mittreiben.
Schon immer wollte Pedro wissen, was auf so einer Studentenfete wirklich abgeht. Denn gehört hatte er schon so einiges, und wenn das wirklich stimmen sollte, würde er heute bestimmt noch einiges erleben. Und vielleicht ergibt sich ja auch eine Möglichkeit, in Ruhe mit Maria über alles zu reden. Aber erst musste er sich noch ein wenig Mut antrinken.
Die Tanzfläche war überfüllt, und auch an der Bar war es verdammt eng. Dennoch gelang es ihnen nach einer Weile, einige Gläser Bier zu bekommen. Erschöpft setzten sie sich in eine Ecke und ließen gierig das kühle Nass durch ihre Kehlen rinnen. Das tat gut! Donaldo rülpste laut. Pedro sah ihn ärgerlich an und schimpfte: >>Alte Sau, du bist hier nicht zu Hause. Mach das bloß nicht, wenn Maria dabei ist!<< Er kramte seine Zigaretten hervor und rief: >>Ich schmeiß ein Fest!<< Ted und Donaldo ließen sich nicht zweimal bitten. Genüsslich inhalierten die Drei den Rauch und Pedros Blick ging durch die Mensa. Wie sollte es ihm nur gelingen, in dieser Menschenmasse Maria zu finden? Das schien ihm schier unmöglich. Da musste schon ein Wunder geschehen. Er wurde ein wenig traurig bei dem Gedanken, Maria heute nicht zu begegnen, und betete innerlich zu einem Gott, dessen Existenz er vehement leugnete. Aber auch wenn er nicht an ihn glaubte, schaden konnte es auf keinen Fall. Und wer weiß, vielleicht wurde er heute Abend ja eines Besseren belehrt.
Aus den riesigen Lautsprechern dröhnte gerade „Alt wie ein Baum ...“ und Donaldo grölte lauthals mit.
Eine Bombenstimmung herrschte hier. Da konnten ihre Feten nicht mithalten. Und überhaupt endeten die doch fast immer in einem tierischen Besäufnis, und am nächsten Tag mit unheimlichen Kopfschmerzen. Aber wenn es nach Pedro ging, waren diese Zeiten auch bald vorbei. Für Maria würde er alles tun, und mit ihr noch viel mehr.
Gegen 21:00 Uhr, Pedro, Ted und Donaldo befanden sich gerade auf der Tanzfläche, ertönte der Kultsong „We will rock you“. Augenblicklich ließen sie sich auf die Knie fallen. Im Rhythmus der Musik beugte sich ihr Oberkörper nach vorn, die Handflächen klatschten zweimal auf den Boden vor ihnen, bevor sie sich wieder aufrichteten, die Hände nach oben streckten und einmal klatschten. Das taten sie den ganzen Titel lang, obwohl es sehr anstrengend war, und auf die Studenten um sie herum eher albern wirkte. Plötzlich spürte Pedro, wie im jemand auf die Schulter klopfte.
>>Was macht ihr denn da? Soll das eine Geisterbeschwörung werden?<<
Als er aufblickte, sah er in Marias wunderschönes Gesicht, das wie immer von ihren gelockten Haaren umrahmt wurde. Einen kurzen Moment begegneten sich ihre Augen und Pedro durchzuckte es, als wäre er von Tausend Volt getroffen. Maria trug ein langes schwarzes Kleid, und sah einfach toll darin aus.
Beschämt erhob er sich. >>Das ist uns eben gerade eingefallen<<, flunkerte er.
Maria lächelte. Sie schien die Notlüge bemerkt zu haben, sie jedoch zu akzeptieren.
>Ausgerechnet jetzt spielten sie wieder einen dieser langsamen Titel<, dachte Pedro, als sie sich an einen freien Tisch setzen wollten.
>>Magst du tanzen?<< fragte Maria.
>>Ich weiß nicht, so was langsames liegt mir eigentlich nicht.<<
Sie schaute ihn noch einmal bittend an und zog ihn dann, ohne Widerspruch zu dulden, auf die Tanzfläche. Willenlos folgte er ihr, legte seine Arme um ihre Taille und bemerkte plötzlich den riesigen Ausschnitt ihres Kleides, als er seine Hände am Auslauf ihres Rückens verschränkte. Er wäre ihr überall hin gefolgt, in diesem Augenblick, hätte alles für sie getan. Maria schlang ihre Arme um seinen Hals und beide bewegten sich langsam, Wange an Wange, im Takt der Musik, bis sie ihn fester an sich zog. Augenblicklich spürte er, wie sein Körper ihre Brüste berührte. Ihr heißer Atem streifte sein Ohr. Pedro bewegte sich wie in Trance. Er spürte, wie er immer erregter wurde, als sie plötzlich ihre Lippen auf die Seinen presste. Minutenlang blieben sie in einem innigen Kuss vereint, bis sie keuchend voneinander ließen.
>>Ich brauch’ jetzt eine Zigarette<<, sagte sie, und zwinkerte ihm zu. Da sie sich noch imer an den Händen hielten, folgte er ihr bereitwillig vor die Tür.
Zärtlich hielt er sie in seinem Arm und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, während er errötete. Genüsslich zogen sie abwechselnd am Glimmstängel und bliesen den Rauch in die Luft.
Als er den Rest der Zigarette austrat, sagte Maria: >>Ich habe keine Lust mehr auf Fete. Magst du noch mit auf mein Zimmer kommen?<<
Pedro nickte und begleitete sie schweigend. Er hoffte, eine Möglichkeit zu finden, ihr seine Liebe zu gestehen, für immer Treue zu schwören.
Als sie ihre „Studentenbude“ betraten, schlang sie ihre Hände noch einmal um seinen Hals. Wieder vereinigten sie sich in einem langen feuchten Kuss.
Zärtlich strich Maria über seine Lippen.
>>Möchtest du noch einen Tee mittrinken?<<
>>Gern<<, sagte er, und setzte sich an den Tisch.
Wenig später war der Raum vom Duft des frisch gebrühten Tees erfüllt.
Pedro hielt die heiße Tasse in seinen Händen, ohne einen Schmerz zu verspüren und schlürfte den noch dampfenden Tee.
>>Köstlich<<, sagte er zu Maria, >>was ist das?<<
>>Vanilletee, den mag ich sehr gern.<<
Während er den noch immer warmen Tee trank, begann Maria an ihrem Ehering zu spielen, den Pedro bis dahin nicht bemerkt hatte. >Also hat sie es doch getan<, schoss es ihm durch den Kopf. Er hätte laut aufschreien können: >Warum ...?<, doch er schwieg. Maria starrte an ihm vorbei, zog den Ring vom Finger und legte ihn auf den Tisch. Sie gab ihm Schwung und ließ ihn sich drehen, wie einen Kinderkreisel, ein um das andere Mal. Dabei wirkte sie sehr nervös.
Als der Ring wiedereinmal zur Seite fiel, weil ihm der Schwung zum weiter drehen fehlte, legte Pedro seine Hand darüber. Noch immer schwiegen sie sich an.
Maria schob ihre Hand über die Seine. Augenblicklich spürte er ihre Wärme, und den Wunsch nach einer innigen Umarmung. Oh-ne ihn anzusehen sagte sie: >>Ich habe Adrian geheiratet. Letzten Monat.<<
>>Ich weiß<<, gab er ihr zur Antwort.
Wieder brachten sie kein weiteres Wort hervor.
Endlich holte sie ihren Ring unter seiner Hand hervor und begann diesen minutenlang zu betrachten, bevor sie ihn zur Seite legte. Erst jetzt sahen sie einander wieder an. Als er ihrem traurigen Blick begegnete, liefen einige kleine Tränen über ihr Gesicht. Vorsichtig näherte er sich ihr, und begann die Salzperlen wegzuküssen. Dabei flüsterte er leise: >>Er hat dich verdient ...<< Sie nickte kaum spürbar und ergriff noch einmal seine Hände, die sie zärtlich streichelte und schluchzte laut dabei.
Pedro war verwirrt, musste seine Gedanken ordnen. Hatte auch Maria sich ein wenig in ihn verliebt? Hatte sie heute Abend versucht ihm zu sagen >Hol mich hier raus!<, >Nimm mich, wenn auch du mich willst, wie ich dich will!<, >Halte mich fest, mein ganzes Leben lang!<, oder spielte sie nur einfach mit ihm? Die Antwort kannte nur sie, und er hoffte innerlich, dass sie es ihm recht bald sagen wird. Und bis dahin konnte er nur hoffen.
Wieder schluchzte sie laut: >>Ich glaube, es ist besser, wenn du gehst ...<<
Pedro nickte kaum merklich. >>Ja, es ist schon spät, ich werde besser gehen. Wir können uns ja morgen wiedersehen.<<
>>Einverstanden<<, flüsterte sie, als sie ihn zur Tür brachte und noch einen flüchtigen Abschiedskuss gab.
Pedro hämmerte es durch den Kopf: >Was hast du getan, heute abend? Warum hast du ihr nichts gesagt, von deinen Gefühlen für sie. Du hättest es tun müssen ...

*



Am nächsten Tag hatte Pedro eine bis dahin nie gekannte Unruhe erfasst. Er konnte nicht genau sagen, was da in seinem Körper geschah, war sich aber relativ sicher, dass es mit seinem Date am Nachmittag zu tun haben muss. Alle Augenblicke starrte er auf seine Uhr, doch die Zeiger schienen am Zifferblatt zu kleben. Nichts geschah, und die Zeit kroch träge dahin. Er legte seine Lieblingsschallplatte auf, verkroch sich zwischen den Kopfhörern. Den Regler drehte er bis zum Anschlag auf und ließ sich Grönemeyer durch das Hirn singen. Perfekt!
Als die Platte abgelaufen war und wieder Ruhe einkehrte, bemerkte er den stechenden Schmerz in seinen Ohren. Nun wartete er nicht mehr nur darauf, sich endlich auf den Weg zur Uni zu begeben, jetzt ging es auch darum, sich vom Ohrenschmerz zu befreien. >Du Blödmann<, beschimpfte er sich inner-lich. War SIE das wirklich wert? Selbstverstümmelung. Diese perverse Seite hatte er bis dahin nicht an sich bemerkt. Aber die Aus-sicht auf den Besuch bei seiner so geliebten Maria, ließ ihn schnell darüber hinwegkommen.
Endlich war es an der Zeit, sich auf den Weg zu machen.
Maria wartete schon auf ihn. Sie hatte frischen Erdbeertee gebrüht. Es duftete herrlich in ihrem Zimmer. Ihr langes Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der über ihre linke Schulter bis auf die Brust fiel. Pedro ertappte sich dabei, wie er zum ersten Mal ihren wohlgeformten Körper begutachtete. Ihre endlos langen Beine, die schmale Taille und diese zwei Erhebungen, die, zwei Pfirsichen gleichend, ihren Pullover strafften. Auch ihre Nippel zeichneten sich ab, und ließen vermuten, dass sie keinen BH trug. Maria errötete bei seinem Anblick und strich sich unsicher eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür. Ted und Donaldo kamen. Ihr Auftauchen rettete Pedro vor einer peinlichen Erklärung. Zumindest für den Augenblick. Auch Maria schien heil froh darüber zu sein, dass sich die Situation nun entspannte.
>>Mögt ihr auch eine Tasse Tee?<<
Beide lehnten jedoch dankend ab und setzten sich auf ihr Bett. Erst jetzt bemerkte Pedro die darauf liegende Gitarre.
>>Du spielst?<< fragte er sofort, um Ted und Donaldo keine Möglichkeit zu geben, ihre dummen Sprüche abzulassen.
>>Ja<<, erwiderte sie, >>ein wenig, eben so für den Hausgebrauch.<<
>>Toll!<< rief Pedro, >>ich habe es auch mal versucht, und dann besser gelassen, um nicht einen Knoten in die Finger zu bekommen. Das sieht viel leichter aus, als es wirklich ist.<<
>>Das täuscht<<, meinte Maria, >>es ist halt
nur eine Frage der Übung ...<<
Jetzt hatte sie sich selbst in die Enge manövriert, dass sie seine Bitte nicht abschlagen konnte. >>Spielst du etwas für uns?<<
Verlegen schaute sie ihn an. >>Ich weiß nicht ...<<
>>Ach bitte ...!<< flehte er, >>nur ein Lied ...<<
Maria nahm die Gitarre vom Bett, begann zu spielen und sang dazu. Sie hatte eine tolle Stimme.
Nach einer Weile fragte Pedro: >>Sind das Lieder von dir?<<
>>Nein, die sind von Schöne. Gerhard Schöne, einem Liedermacher aus Berlin.<<
Es war herrlich, ihr zuzuhören und sie dabei zu beobachten. Sie war so wunderschön und hatte sicher einen Besseren verdient als gerade ihn.
Die Zeit raste dahin, doch Pedro merkte nichts davon. Er war in Marias Bann gefangen, und erst als Ted irgendwann fragte: >>Hast du Milch da, Maria?<< kehrte er wieder zurück in die Gegenwart.
>>Ja, warum?<< fragte sie erstaunt.
>>Gibst du mir bitte ein wenig davon?<<
>>Ich weiß zwar nicht, was du damit willst, aber hier hast du, und da ist auch noch ein Glas.<<

Pedro ahnte schlimmes, und sollte recht behalten. Donaldo holte aus seinem Mantel je eine angefangene Flasche Korn und „Halb & Halb“.
Maria schaute ungläubig und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Pedro war die Situation ebenfalls peinlich, und er flüsterte ihr ins Ohr: >>Keine Ahnung, was das jetzt soll ...<<
>>Wirklich nicht ...?<< flüsterte sie zurück.
Donaldo zog einen kräftigen Schluck Korn aus der Flasche.
Ted begann sich seinen Spezialdrink zu mixen. Ein halbes Glas „Halb & Halb“, aufgefüllt mit eben dieser Menge Milch. >>Lecker!<< rief er, nachdem er probiert hatte, >>schmeckt genau wie „Fruchtmilch“.<<
>>Nur mit ein paar Prozenten mehr ...<<, erwiderte Donaldo.
Maria wandte angewidert ihr Gesicht ab. >>Das muss ja noch im Magen gären ... Wie kann man so was bloß trinken?<<
>>Probier doch mal!<< bot Ted ihr an, >>das schmeckt wirklich lecker!<<
>>Nein, danke, ich bleibe bei meinem Tee.<<
>>Ich auch<<, pflichtete ihr Pedro bei.
>>Hast du noch mehr von diesem köstli-chen Getränk?<<
Sie stand auf und brühte noch eine Kanne
Tee. Dieses Mal war es Jasmintee, der roch zwar nicht so intensiv, schmeckte dafür aber um so aromatischer.
Während Ted und Donaldo sich weiter abfüllten, nahm Maria noch einmal ihre Gitarre zur Hand und begann zu spielen. Pedro hörte ihr erneut gebannt zu, und war augenblicklich wieder in einer anderen Welt gefangen. Als Maria die Gitarre zur Seite legte, verspürte er plötzlich den innigen Wunsch, sie ganz fest in seine Arme zu nehmen. Doch fehlte ihm noch immer der Mut dazu, und außerdem waren seine zwei Freunde ja noch hier.
Donaldo wurde in der Zwischenzeit immer ruhiger, und Pedro sagte scherzhaft: >>Der stille Don ..., Teil 1 ...<<
Maria begann zu lachen ...
Als man Ted und Donaldo anmerkte, dass der Alkohol begann, seine Wirkung zu entfalten, sagte Pedro: >>Geht ruhig schon los, ich bleibe noch ein wenig.<< Er hatte keine Lust auf die nächste peinliche Situation, in die ihn die beiden Brüder hineinziehen könnten. An der Tür nuschelte Ted noch einmal leise >>Und denk dran ...<<
>>Ja, ja<<, gab Pedro zurück, >>ich weiß, sie ist nicht mehr frei<< und schloss hinter ihnen die Tür.
Nun waren sie endlich wieder allein. Maria
hatte in der Zwischenzeit die dritte Kanne Tee aufgebrüht und begann etwas in ihrem Schrank zu suchen. Schließlich holte sie einen dicken Hefter hervor und setzte sich wieder zu Pedro an den Tisch. Nervös trommelten ihre Finger auf dem Deckel. Er legte zärtlich seine Hand darüber und streichelte ihren Handrücken.
>>Was ist los?<< fragte er schließlich leise, >>soll ich besser auch gehen?<<
>>Nein!<< rief sie. >>Ich weiß nur nicht, ob ich sie dir zeigen soll ...<<
>>Was möchtest du mir denn zeigen?<< fragte er neugierig.
Sie blickte ihn lange an, und sagte dann endlich: >>Ich schreibe in meiner Freizeit Gedichte ...<<
>>Darf ich sie lesen?<< bat Pedro, und setzte sich neben sie. Langsam nahm er ihre Hand, gab ihr einen feuchten Kuss darauf, und öffnete den Hefter.
Was er da las war wunderschön. Sie hatte Talent, das musste er neidlos anerkennen.
Mit schüchternem Blick beobachtete sie ihn, und als er nach einer Weile eine Lesepause machte, und zu ihr sah, schloss sie ihre Augen. Pedro nahm sie in den Arm, schob ihren geflochtenen Zopf über die Schulter und küsste sie leidenschaftlich.
Sie erwiderte den Kuss mit einer Intensität, die er bis dahin noch nicht kannte.
Das Eis schien gebrochen. Noch einmal gingen ihm Teds Worte durch den Kopf: >Und denk’ dran, sie ist nicht mehr frei ...< Sollte er wirklich darauf Rücksicht nehmen, aus Anstand und Ehre?
Maria schaute ihn sehnsuchtsvoll an, und fragte dann: >>Kann es sein, dass ich mich gerade in dich verliebt habe?<<
>Das wäre toll

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Texte: copyright Bild und Text: Maximilian Tubè
Tag der Veröffentlichung: 14.04.2010

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