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Guten Tag, mein Name tut nichts zur Sache. Ich erzähle Ihnen heute die Geschichte, wie es dazu kam, dass ich nun da bin wo ich bin.
Es begann im letzten September. Ich, 46 Jahre alt, zwei Mal geschieden, keine Kinder, verdiente als langjähriger Angestellter bei einer renommierten Firma des IT-Bereiches nicht wirklich schlecht, besaß ein paar Aktien verschiedener Unternehmen und wollte in meinem Leben gerne noch etwas Außergewöhnliches erleben und dazu sollte es auch kommen.
Ich war gelangweilt vom Leben und beschloss einige Aktien zu verkaufen um damit einen kurzfristigen dreiwöchigen Urlaub in Amerika zu finanzieren.
Ich prüfte also die aktuellen Kurse und verkaufte eines meiner größeren Pakete für genau 20.000 Euro. Am nächsten Abend loggte ich mich online in mein Depot ein und was ich sah, traf mich wie ein Schlag. Als verfügbarer Betrag wurden mir unfassbare 200 Millionen Euro angezeigt. „200 Millionen.“ Ich hatte nur noch diese Zahl mit den acht Nullen im Kopf. Als ich mich etwas beruhigt hatte, griff ich direkt zum Telefonhörer und rief bei meiner Bank an. Da es allerdings schon knapp 20 Uhr war erreichte ich dort Niemanden und mir kam eine Idee. Die Idee. Ich würde abhauen. Mit dem Geld. Ich musste nur schnell sein.
Vor Jahren hatte ich einmal die Möglichkeit gehabt durch ein nicht ganz legales Geschäft eine Stange Geld unter der Hand zu verdienen und nach nicht besonders langem Überlegen deponierte ich den Erlös, stattliche 50.000 Euro, als „Notgroschen“ auf einem Schweizer Bankkonto.
Ich hatte einen Plan. Ich würde die 200 Millionen Euro, diese unfassbare Menge Geld, per Expressüberweisung auf mein Konto in der Schweiz transferieren und direkt am nächsten Morgen dort anrufen, meinen Geldeingang und mein Auszahlungsbegehren ankündigen. Dass dadurch auch mein Schweizer Konto mit den ominösen 50.000¤ ans Licht kommen würde war mir klar, jedoch hatte ich mich bei den 200.000.000 Euro auf ein „Alles oder Nichts-Spiel“ eingelassen.
Ich plante alles durch und ich telefonierte meine Finger wund. Zunächst benötigte ich einen Ausweis, welchen ich zumindest zur Eröffnung eines Kontos nutzen konnte.
Ein alter Schulfreund, welcher sich schon immer in zwielichtigen Kreisen herumtrieb, teilte mir erst mit, dass er sich in einigen Tagen wieder melden wolle. Als er jedoch merkte, dass mein Begehren sehr dringend war und ich ihm eine vierstellige Summe bot, falls er noch in der gleichen Nacht Jemanden auftreiben könne, der sich mit der Fälschung von Dokumenten auskenne, rief er mich zwei Stunden später zurück und teilte mir mit, dass sich zeitnah ein „Andrej“ bei mir melden würde.
Ich hatte einen Anruf erwartet, aber es klingelte an der Tür. Gespannt öffnete ich und vor mir stand ein trainierter, durchschnittlich großer, Mann von vielleicht 30 Jahren und sagte nur ein Wort: „Andrej“.
Andrej sprach gebrochenes Deutsch und schien kein freundlicher Zeitgenosse zu sein. Er nutze keine überflüssigen Floskeln und wir besprachen sofort Preis und Lieferung. Ich zahlte sofort, inklusive „Express-Bonus“, wie er es nannte, übergab ihm ein Passbild von mir. Am Nachmittag des folgenden Tages würde ich mit einem „seiner Leute“, so wörtlich, treffen, welcher mir dann den Ausweis übergeben würde.
Ich benötigte noch ein anderes Auto. Wenn man mich suchen würde, würde sicherlich auch nach meinem Auto gefahndet werden. Und, dass man mich suchen würde war mir klar. Ich rief also meinen Vetter an. Er war arbeitslos und fuhr einen kleinen alten Golf. Ich erzählte ihm, dass mein Auto gerade kaputt gegangen wäre. Es hätte einen elektronischer Defekt und es gäbe keine andere Möglichkeit als, dass ich mir sein Auto für ein paar Tage ausleihen würde. Da ich ihm schon oft aus der Patsche geholfen hatte und er mir noch so einige Gefallen schuldig war, willigte er ein.
Jetzt fehlte mir nur noch ein Land, in welchem ich leben wollte. Ich überlegte nicht lange. Meine Wahl war Kuba. Schon lange sah ich mich in einem Schaukelstuhl auf der Veranda meines Hauses mit einer Havanna und einem Glas braunem Rum.
Es war alles geplant und alles vorbereitet. Noch konnte ich einen Rückzieher machen, noch. Ich beschloss mich hinzulegen und noch die restlichen zwei Stunden, die ich Zeit hatte, bis ich das Auto meines Cousins abholte, zu schlafen. Ich war sehr unruhig und döste nur ein wenig. Die Überweisung hatte ich noch nicht getätigt. Noch konnte ich alles fallen lassen. Aber ich tat es nicht. Ich holte das Auto, setzte mich vor meinen Computer, startete die Expressüberweisung, rief eine halbe Stunde später die Bank in der Schweiz an und vereinbarte, dass ich sofort benachrichtigt würde, wenn das Geld gebucht wäre. Ich setzte mich in den alten Golf und fuhr los. 800 km. In die Schweiz.
Die erste Rast machte ich nach vier Stunden. Eine große Raststätte mit Imbiss. Ich besorgte mir zwei belegte Brötchen und zahlte stolze acht Euro. Na ja

, dachte ich mir, wenn alles klappt sind acht Euro ein Schnäppchen für mich

. Ich buchte telefonisch ein Einzelzimmer in einem gehobenen Hotel in Zürich, natürlich auf den Namen, auf den mein neuer Ausweis lautete und orderte eine schwarze Mercedes Limousine, welche mich am Flughafen abholen sollte. Ich will eine gute Show hinlegen, dachte ich mir

. Am Flughafen stellte das Auto meines Cousins auf einem Langzeitparkplatz ab, zahlte für zwei Wochen und ließ mich von einem Hotelbediensteten vor dem Flughafen abholen.
Ich gab vor, gerade aus den Vereinigten Staaten zu kommen, checkte ein und legte mich sofort hin, so erschöpft ich war. Der wenige Schlaf in der vergangenen Nacht und der ganze Stress und die Aufregung forderten Tribut. Erst jetzt wurde mir wirklich klar, was ich hier gerade tat. Ich verließ mein ganzes Leben, ich ließ jeden zurück den ich kannte. Wenn ich meinen Plan bis zum Ende durchziehen würde, würde ich Niemanden den ich je kennen gelernt hatte wiedersehen. Eine starke Panik überkam mich. Ich dachte daran, dass ich gefasst werden würde, dass ich den Rest des Lebens im Gefängnis sitzen würde. Ich dachte an meinen Cousin, den Tunichtgut. Würde mein Plan schief gehen würde selbst er besser dastehen als ich. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
Doch es kam leider anders, als ich das erwartet hatte. Mein Ausweis war zwar perfekt gefälscht, doch leider wurde ausgerechnet dieser Mann, auf dessen Namen er lautete, steckbrieflich gesucht. Ich wurde am nächsten Morgen im Hotel festgenommen.
Nach zwei Tagen in der Untersuchungshaft gab ich notgedrungen und widerwillig meine wahre Identität preis. Leider hatte meine Hausbank unterdessen den Fehler bemerkt und das Geld zurückgebucht. So flog alles auf.
Morgen erwartete ich das Urteil. Mein Anwalt sagte mir, dass ich mit einer zehnjährigen Haftstrafe rechnen muss.

Vielen Dank an Matthias März für Korrektur und Ende.


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Tag der Veröffentlichung: 10.05.2012

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