Schauren heißt ein kleines Dorf in der nähe von Trier. Dort befindet sich eine Jugendherberge, die aus einzelnen Bungalows besteht. Die Bungalows tragen die Namen von Dortmunder Vororten, wie Brackel, Mengede und natürlich auch Huckarde. Von einer Huckarder Schule stammen auch die Schüler die gerade mit einem Reisebus das Gelände befahren. Es sind die 8.1 und 8.2 der Gustav-Heinemann-Gesamtschule. Dabei natürlich auch Christian und Matthias, die ja beide aus der 8.2 stammen. Das übliche Chaos beim Aussteigen aus dem Bus ist ausgebrochen, alle Beteiligten kennen das ja schon. Alle haben Angst, sie könnten nicht mehr das Bett in dem Bungalow der ganzen Freunde bekommen. Da Christian und Matthias die Lehrer ja kennen, wundern sie sich auch nicht mehr darüber, dass diese sich natürlich wieder mal als Spaßbremsen beweisen müssen und die Bungalows geschlechtlich getrennt sind. Die Bungalows sind kleine Holzhütten mit einem spitzem Dach, das fast bis zum Boden reicht. Im Inneren befinden sich fünf Etagenbetten und eine Toilette, die so klein ist, dass man schon rückwärts reingehen muss, wenn man ein „großes Geschäft“ erledigen muss. Die beiden beziehen ihre Betten, schieben ihre Koffer unter dieselben und machen sich auf den Weg, die Anlage zu erkunden. Schließlich gibt es wichtige Dinge in Erfahrung zu bringen. In welchem Bungalow wird Daniela wohl sein und in welchem Melanie? Wo wird gegessen? Was befindet sich unten in dem Wald?
Die beiden schlendern also als erstes über das Gelände und gucken sich erst mal alles an. Die Bungalows stehen in einem Halbkreis auf einer abschüssigen Wiese. Direkt vor dem Bungalow der beiden Jungs ist eine kleine Birke. Gegenüber von dieser Wiese und den Bungalows kommt man über einen kleinen Anstieg zu einer Feuerstelle und einem übergroßem Schachspiel. Da hinter dann das Gemeinschaftshaus. Dort wird gegessen, im Keller kann man Tischtennis spielen und duschen. Neugierig blicken sie in alle Bungalows und schauen, was und wer da los ist. Natürlich sieht es überall ziemlich gleich aus, wild durcheinander laufende Schüler, die versuchen ihre Sachen irgendwo unter zu bringen. Weiter unten bei einigen Mädchen der Klasse wird als aller Erstes ein riesiger Kassettenrecorder auf die kleine Terrasse vor dem Bungalow gestellt. Daraus schmettert UB40 mit „Kingston Town“. An der Anlage vorbei führt eine kleine Strasse in ein kleines Waldstück. Auf der anderen Straßenseite ist ein Fußballplatz, sogar mit einem Spielfeld aus Rasen. Aber jetzt müssen sie endlich die Mädels sehen. Matthes macht sich auf den Weg in den Bungalow, wo er Melanie vermutet, und Hansi in den, wo er Daniela vermutet.
Matthes schaut vorsichtig hinein! Er entdeckt Melanie sofort. Schon lange ist er hinter ihr her. Hat aber bisher keine Chance bei ihr gehabt. Sie ist einfach Klasse. Melanie wird von allen nur Brötchen genannt. Wieder veralbert man einen Nachnamen. Sie heißt nämlich Melanie Bröttcher. Fröhlich ruft er: “Halloho!“ Melanie schaut auf und lächelt in süß und nett an. Schon alleine das reicht, um bei ihm beinahe einen „Herzklappen-Flash“ auszulösen. „Herzklappen-Flash“ ist so ein Ausdruck, den die beiden immer benutzen. Sie meinen damit, dass ihnen das Herz bis zum Hals schlägt. „Hallo!“, sagt sie lächelnd. Geht auf ihn zu und streichelt ihm über die Wange. „Oh Gott!“, denkt er und bekommt eine purpurrote Gesichtsfarbe. Sie macht das oft, auch in der Schule. Sie weiß ganz genau, dass er so schüchtern ist und nun wieder kein Wort mehr raus bekommt. „Hast du dir schon alles angesehen?“ ,fragt sie. „Nö, aber bin gerade dabei. Ich guck mal, wie es bei den anderen aussieht. Bis nachher!“, stammelt er und geht raus. Er schließt die Tür hinter sich und atmet ganz tief durch. „Warum macht sie das nur immer? Immer wenn sie das macht, denke ich wieder, ich bedeute ihr doch was. Aber warum lässt sie mich dann immer so abblitzen? Eins steht fest, dass macht sie nur bei mir, also habe ich bestimmt doch noch eine Chance.“ Fröhlich pfeifend geht er einen Bungalow weiter, da sind die anderen Mädchen der Klasse. Aus dem Kassettenrekorder dudelt immer noch „Kingston Town“. Die andere Melanie aus der 8.2 hat die ganze Kassette nur mit „Kingston Town“ aufgenommen. Das ist der Sommer-Hit. Anklopfen oder vorsichtig hinein blicken braucht er hier nicht, die Tür steht sperrangelweit offen. Also geht er einfach hinein, und prompt trifft ihn ein Kissen direkt an den Kopf. Die ganzen Bewohner des Bungalows kringeln sich vor Lachen. Martina hat gut gezielt und gut getroffen. Matthes fehlen die Worte, sein Gesicht muss aber auch urkomisch aussehen, denn noch immer brüllen die Mädels und halten sich die Bäuche. „Ha, ha!“, brummt er: „Überaus witzig!” „Weißt du, wann wir uns mit den Paukern treffen sollen?“, fragt ihn Martina, immer noch mit Tränen in den Augen. „Mir doch schnuppe!“ antwortet er cool wie immer. „Diana, geh´ doch mal fragen, bevor es sofort wieder Ärger gibt!“, bestimmt die andere Melanie. „Warte, ich gehe mit! Ich muss mal gucken, was bei uns los ist. Ich werde bestimmt schon vermisst.“, sagt Matthias. Diana und Matthias schlendern gemeinsam hinauf in Richtung des Jungenbungalows. Mittlerweile ist etwas Ruhe eingekehrt. Alle haben ihre Plätze gefunden, und die meisten erholen sich von dem Stress. Auf halbem Weg steht Frau Meier vor den beiden. „Um 18 Uhr gibt es Abendessen, da oben im Gemeinschaftsraum!“, sagt sie. „Okydoky!“, sagt Matthias mit einem verschmitzten Lächeln. „Ich gehe dann wieder zurück, woll, Matthes? Wir sehen uns ja nachher.“, verabschiedet sich Diana. „Jau, mach´s gut!“. Matthes steckt die Hände in die Hosentaschen und schlendert den Rest des Weges alleine. Er stolpert die paar Stufen zum Eingang des Bungalows hinauf, reißt die Tür auf und brüllt: “Was ist denn hier los?“. Alle zucken kurz zusammen, tun dann aber ganz cool. „Alter Hut, Matthes!“, sagt Markus lächelnd. „Wir sollen um 18 Uhr beim Abendbrot sein!“, verkündet er. „Schon wieder ein alter Hut, Matthes!“, sagt diesmal Jens, den alle nur Pille nennen.
Um kurz vor 18 Uhr machen sich alle auf den Weg zum Abendbrot. Wie immer, teilt sich alles nach Klassen und Geschlechtern auf. Matthes und Christian sitzen natürlich nebeneinander. Matthias sucht sofort den Blickkontakt zu Melanie. Als sie es bemerkt, schaut er sofort weg. Aber Melanie ist auch nicht blöd. Als das Ganze ein paar mal so geht, schaut sie Matthias so lange an, bis der wieder guckt. Dann lächelt sie ihn lieb an und zwinkert verführerisch mit einem Auge. Matthias bleibt beinahe der Bissen im Hals stecken. Als das Abendbrot beendet ist, sollen sich die Schüler an der Feuerstelle treffen. Es hat bereits angefangen zu dämmern. Über dem Sportplatz auf der anderen Straßenseite geht die Sonne unter. Matthes bleibt kurz stehen und blickt zur Sonne herüber, die gerade hinter den Bäumen verschwindet. Er erwischt sich dabei, wie er von einem richtigen Kuss von Melanie träumt. Nicht so ein Küsschen, davon hat er schon viele bekommen. Er meint einen richtigen, leidenschaftlichen Kuss. Noch ist er ungeküsst, aber das soll sich schnell ändern. Er erwacht aus seinem Tagtraum und schlendert weiter.
An der Feuerstelle angekommen, wird das Programm der ganzen Woche bekannt gegeben. Ein Ausflug nach Trier, einer nach Idar-Oberstein, Museen und ganz, ganz viel Kultur, aber auch ein Lagerfeuer und eine Disco im Gemeinschaftshaus. Das bisschen Kultur werden Hansi und Matthes auch überleben, und in der Disco werden sie dann endlich geküsst werden. Hoffentlich!
Am heutigen Abend können sie erst einmal machen, was sie wollen. Na ja, fast, die Regeln der Lehrer gelten natürlich weiter. Aber diese zu umgehen und zu brechen, ist ja der größte Spaß auf einer Klassenfahrt. Matthias geht aber erst einmal zu dem Sportplatz herüber und schaut in die Nacht. Mittlerweile ist es schon sehr dunkel geworden. Er macht so was öfter. Er stellt sich dabei immer seine Zukunft vor, und die sieht in seinen Träumen immer ganz besonders gut aus. Plötzlich, wie immer, wacht er aus seinem Traum auf und geht zum Bungalow. Im Bungalow ist schon wieder was los. Markus und Christian halten gerade die Klotür zu, und Uwe sprüht Unmengen von Deo durch das Schlüsselloch in das winzige Klo. „Wer ist denn da drin?“, ruft Matthias. Markus ruft: „Wolf!“, und lacht mit einer übertriebenen Lautstärke. Plötzlich ruft jemand: „Frau Meier kommt!“. Alle springen in die Betten, nur Uwe nicht. Er hat das nicht mitbekommen, steht immer noch gebückt vor der Klotür und sprüht sein Deo da hinein. Frau Meier tippt ihm mit einem ernsten Gesicht auf den Rücken. Die anderen können es kaum aushalten, nicht lachen zu dürfen. „Und du kommst jetzt mit und bleibst so lange im Gemeinschaftsraum, bis die anderen schlafen!“ Mit hochrotem Kopf folgt Uwe Frau Meier in den Gemeinschaftsraum. In der Zwischenzeit ist Wolf kreidebleich aus dem winzigen Klo gekommen. „Hört mal, Leute!“, ruft jemand, „Uwe darf doch erst wieder hier rein, wenn wir alle schlafen. Was ist jetzt, wenn wir die ganze Nacht wach bleiben?“ Wieder ertönt lautes Gelächter. Christian springt auf und sagt freudestrahlend: „Komm, Matthes, wir gucken uns mal an, wie er da sitzt!“ „Jau, geil!“, antwortet er und springt ebenfalls aus dem Bett. „Seid jetzt mal alle ruhig!“, flüstert Christian energisch. Im Bungalow wird es auf einmal ruhiger, alles wartet gespannt, was die beiden nun wieder für einen Blödsinn im Kopf haben. Sie gehen in die Hocke und Matthias öffnet ganz langsam und leise die Tür. Das Klicken des Schlosses hört sich bei der Stille wie ein lautes Donnern an. Er öffnet die Tür nur einen Spalt, gerade so weit, dass er einen Blick auf den Lehrerbungalow werfen kann, der schräg gegenüber des ihren liegt. Einer der Lehrer hat einen Wachhund mitgebracht, der so lieb wie ein Lamm ist und auf der kleinen Terrasse liegt und tief schläft. Matthes wagt sich als erster einen Schritt vor die Tür. Er sieht nach rechts und versucht einen Blick auf die andere Seite des Geländes zu erhaschen. Alles ist ganz still, auch der Bungalow mit den Lehrerrinnen, aber Frau Meier wird auf jeden Fall bei Uwe sitzen. Sie gehen vorsichtig, immer noch halb in der Hocke, die Stufen der Terrasse runter. Noch sind sie im Schatten des Bungalows, so dass sie kaum gesehen werden können, aber jetzt müssen sie etwa zehn Meter bis zum nächsten Busch überwinden, und bis dahin ist keine Deckung oder Schatten. Im Gegenteil, der Mond beleuchtet das Gelände doch recht gut. Matthes geht, krabbelt mehr, zielstrebig und so schnell und leise er kann, auf den Busch zu. Er schaut nicht nach links, nicht nach rechts und auch nicht nach hinten. Er hat keine Ahnung, ob Hansi noch immer hinter ihm ist. Endlich am Busch angekommen, merkt er, dass Hansi direkt hinter im gewesen sein muss. Die beiden verständigen sich nur mit den Augen und ein paar Gesten. Sie trauen sich nicht, auch nur ein einziges Wort zu flüstern, aber sie haben es fast geschafft. Sie brauchen sich nur noch den kleinen Hügel hoch durch die Büsche zu kämpfen, und von dort aus müssten sie dann durch die großen Fenster hinein sehen können. Sie bewegen sich also durch die Büsche, langsam und so leise, wie nur irgend möglich. Zwischendurch bleiben sie stehen und lauschen nach Geräuschen, nichts ist zu hören. Nur ihr eigener Atem, und der ist von der Aufregung und Anstrengung ganz laut geworden. Zumindest kommt es ihnen so vor. Sie fühlen sich wie Soldaten in einem der Filme, die sie schon so oft gesehen haben. Endlich haben sie den Hügel erklommen. Er ist nur drei Meter lang, kam ihnen aber nun viel länger vor. Sie schieben mit den Händen ein paar Äste zur Seite, und da sitzt er. Kleinlaut und zusammen gekauert mit verschränkten Armen und schaut mit immer noch rotem und gesenktem Kopf auf den Boden. Frau Meier sitzt vor ihm und redet energisch auf ihn ein. Leider können sie nicht verstehen, was sie sagt, aber das ist egal. Sie haben ihr Ziel erreicht. Sie drehen sich um und machen sich viel schneller und unvorsichtiger auf den Rückweg. Viel schneller sind sie zurück im Bungalow. „Und? Habt ihr ihn gesehen?“, fragt Pille. „Na klar, sitzt da, und Frau Meier hält ihm ´ne Standpauke.“, sagt Hansi und macht Uwes Gesichtsausdruck und Körperhaltung nach. Sie legen sich in ihre Betten, und kaum, dass alles still ist, geht die Tür auf und Uwe kommt herein. Einige klatschen Beifall, andere lachen nur. Uwe ist immer noch sichtlich sauer. „Tja, Uwe, wer den Schaden hat,...“, sagt Matthias. „...braucht für den Spott nicht zu sorgen!“, setzt Hansi fort. Uwe legt sich hin, und alles wird schnell still, der Tag war ja auch sehr anstrengend. Matthias ist noch einige Zeit wach und schaut gegen die Holzdecke. Er denkt mal wieder an Melanie.
Am nächsten Morgen werden sie von einem der Lehrer unsanft geweckt. Matthias ist als erster fit und macht sich schnell auf den Weg zum Waschraum. Er geht mit gesenktem Kopf über die Wiese. „Morgen!“, hört er von hinten. Natürlich erkennt er die Stimme sofort. Er dreht sich um, und ein paar Schritte hinter ihm steht Melanie in ihrem wunderschönen Schlafanzug. „Morgen!“ erwidert er und lächelt. Er versucht mit aller Kraft zu verbergen, dass sie ihn natürlich in ihrem Schlafanzug schon wieder ganz nervös macht. Sie kommt die paar Schritte auf ihn zu, und die beiden gehen zusammen in Richtung Waschraum. Nach ein paar Schritten greift sie nach seiner Hand. Sein Herz schlägt ihm nun wieder bis zum Hals. Er nimmt ihre Hand und merkt, wie sie ihm von der Seite anguckt. Er schaut zu ihr, und sieht wie sie lächelt. Er erwidert das Lächeln und schaut wieder nach vorne. „Hoffentlich dauert der Weg noch lange.“, denkt er, aber der Weg ist dann doch wieder viel zu schnell zu Ende. Vor den Waschraumtüren müssen sie sich ja leider trennen. Er geht also hinein und ist natürlich der erste, keiner kann morgens so aus dem Bett hüpfen wie er. Das war schon immer so. „Hmm, eigentlich siehst du doch gar nicht so schlecht aus.“, denkt er, als er in den Spiegel guckt: „Vielleicht will sie es ja doch mal mit dir versuchen. Warum hätte sie dich sonst gerade an die Hand genommen?“ „Moin!“, Hansi steht plötzlich neben ihm. Matthias war mal wieder ganz in Gedanken versunken, so dass er wieder mal nichts um sich herum mitbekommen hat. „Hansi, du glaubst nicht, was ich gerade erlebt habe.“, überfällt er ihn gleich ganz aufgeregt. „Nee, stimmt, glaub ich nicht!“ „Jetzt warte mal, also ich bin gerade hier her gegangen, und da stand Melanie plötzlich hinter mir. Wir sind also zusammen weiter gegangen, und nach ein paar Schritten hat sie mich an die Hand genommen und wir sind Hand in Hand bis hier vor die Tür gegangen.“ „Neeein, ist ja nicht wahr und jetzt!?“ antwortet Hansi mehr ironisch als ernst. „Sie verarscht dich nur, glaub mir doch!“ „Nein, diesmal nicht!“ Matthes wirft sich ein bisschen Wasser ins Gesicht, putzt sich kurz die Zähne und verschwindet leicht sauer. Er hat vor lauter Euphorie nicht bemerkt, wie schlecht Hansi drauf ist. Als er dann wieder im Bungalow steht, wird es ihm langsam klar. Matthes springt auf und rennt, wie vom Teufel verfolgt, durch die Tür. Uwe steht gerade auf den Stufen des Bungalows und wird beinahe umgerannt. Matthias geht sehr schnell um die Ecke und rennt Hansi genau in die Arme. „Christian, es tut mir leid, dass ich gerade so doof zu dir war. Stimmt irgendwas nicht?“ „Ich war auch nicht besser zu dir.“ Christian macht eine kurze Pause und schaut traurig ins Leere. „Es ist wegen Daniela. Ich erzähl dir das gleich im Bus.“ Christian geht in den Bungalow. Matthias bleibt noch ein paar Minuten stehen und denkt über Christian nach. Er ist einfach ein ganz besonderer Freund für ihn. Er ist ihm bestimmt nicht mehr böse wegen eben. Christian kann niemandem lange böse sein. Das ist wohl die größte gute Eigenschaft, die Matthias so an ihm liebt. Er ist überhaupt nicht nachtragend. Matthias ist da ganz anders. Er ist wohl die nachtragendste Person, die er selbst kennt. Christian ist bei allen Frauen beliebt, aber als Freund will ihn nur selten eine. Es liegt wohl an seinen Pickeln. Bei ihm ist das wirklich schlimm, und nichts hilft. Er hat schon so viel ausprobiert. „Matthes, wir müssen gleich zum Bus, das ist dir klar, oder?“, spricht Pille ihn an. „Na klar. Ich komme ja schon.“ Matthias geht nicht mehr in den Bungalow, sondern direkt zum Bus. Er lehnt sich gegen denselben und schaut ins Leere. Langsam kommen alle anderen auch zum Bus. Er hat aber wieder nur Augen für Melanie, sie hat das auch schon wieder bemerkt und gibt sich besonders fröhlich und cool. Matthias macht das gar nicht so fröhlich, was er da sieht. Melanie flachst mit einem anderen Jungen aus der 8.1 herum. „Also macht sie das doch nicht nur bei mir“, denkt er und wirft dem anderen einen bösen Blick zu. „Man, wenn Blicke töten könnten!“, meldet sich Martina zu Wort. „Ach, lass mich in Ruhe!“ „Matthias, so toll ist die doch gar nicht!“, sagt sie lächelnd. „Habe ich dich nach deiner Meinung gefragt? Tschüß!“, mault er sie an. Martina dreht sich um und geht ein paar Schritte weg, dann wendet sie sich ihn noch mal zu und ruft: “Leck mich!“ „Blöde Kuh!“, sagt er leise zu sich. Die Bustüren öffnen sich, und Matthias setzt sich neben Hansi auf einen der Sitze. „Und? Erzähl!“, sagt er ungeduldig. „Daniela will mich, glaube ich, nicht mehr.“ „Ach, meinst du? Wie kommst du denn da drauf?“ „Sie hat es gesagt.“ „Das wird schon. Ganz bestimmt.“ „Hoffentlich!“ Der Bus bewegt sich in Richtung Trier. In Trier müssen sich die beiden eine Menge Kultur gefallen lassen. Vor allem alte Römerbauten. Die beiden halten sich den ganzen Tag mit dem Gedanken aufrecht, dass ja am Abend ein Lagerfeuer gemacht werden soll.
Erst am späten Nachmittag biegt der Bus wieder auf das Gelände der Jugendherberge ein. Alle sind sichtlich erschöpft. Am meisten aber die Lehrer. Es sind noch zwei Stunden bis zum Lagerfeuer. Die meisten nutzen diese Zeit, um sich auszuruhen. Matthias und Christian gehen runter in den Wald. Sie sind gerade am Waldrand angekommen, als ihnen ein Schüler aus der anderen Klasse entgegenkommt. „Ey, hört mal. Da unten sitzt der Uwe. Der will sich tot rauchen.“ Er kann sich bei diesem Satz ein breites Grinsen nicht verkneifen. „Was? Ist der bescheuert?“, brüllt Hansi. „Wie will er das denn machen?“, überlegt Matthias. Die beiden lachen sich kurz an und gehen, nun ein wenig schneller, in die Richtung, die ihnen der andere Schüler gezeigt hat. Sie finden Uwe auch sehr schnell. Das ist ja auch ganz einfach, sie brauchen nur der Rauchwolke entgegen zu gehen. Uwe sitzt in einer kleinen Lichtung, umgeben von recht hohen Gebüschen. „Na, Uwe, alles fit im Schritt?“, fragt Hansi. „Was hast du vor?“, fragt Matthias und schaut auf die Zigaretten, die Uwe lose neben sich hin gelegt hat. Zwei raucht er gerade. „Sag mal, stimmt was nicht!?“, fragt Matthes noch mal. „Simone hat Schluss gemacht.“ „Ach, Uwe, du hast doch noch vor einer Woche gesagt, dass du Simone nicht mal mehr mit einer Kneifzange anfassen würdest.“, sagt Matthias und wartet auf eine Reaktion. „Komm!“, sagt Christian: „Dem ist nicht mehr zu helfen.“ Die beiden gehen gut gelaunt wieder zur Jugendherberge. „Was meinst du? Ob Melanie mich wohl doch will?“ „Wer weiß? Möglich.“ „Vielleicht bekomme ich ja noch hier einen richtigen Kuss.“ „Was heißt richtiger Kuss?“ „Na, so mit Zunge und so.“ „Wer weiß das schon?“ „Scheiße, ich kann das gar nicht.“ „No problem, ich hab eine Bravo mit. Da steht das drin.“ „Geil, die musst du mir unbedingt gleich sofort geben.“ „Mach ich.“ „Gib mir Fünf!“ Die beiden klatschen ihre rechten Hände aufeinander und setzen ihren Weg fort. Am Gelände der Jugendherberge angekommen, sehen sie, dass sich schon fast alle an der Feuerstelle versammelt haben. Die Lehrer machen gerade das Feuer an. „Ähh, willst du die Bravo jetzt haben?“, fragt Hansi. „Nein, dann nach dem Feuer.“, antwortet Matthias. Matthias und Christian gehen zusammen in Richtung Feuerstelle. Als sie an dem übergroßen Schachspiel vorbeikommen, stößt Hansi Matthias mit dem Ellenbogen an. “Komm, wir gucken hier kurz zu!“ , sagt er dabei „Ach, meinst du? Schach ist doch ein blödes Spiel“ „Ahh, haben wir mal wieder schlechte Laune?“ „Was du für eine Laune hast, weiß ich nicht. Meine ist jedenfalls super.“ Matthias sagt das so, dass man sehr wohl von schlechter Laune ausgehen kann. Er bleibt aber trotzdem stehen und wendet sich mit einem gequälten und gelangweilten Gesichtsausdruck dem Schachspiel zu, an dem Markus und Pille eine Partie spielen. „Guck mal, wenn Pille seinen Turm bis an die Grundlinie von Markus ziehen würde, könnte er den Läufer kassieren und den König so einengen.“, flüstert Christian ihm zu. „Na und?“, antwortet Matthes, ohne sich weiter Gedanke über das Spiel zu machen. Er dreht sich um, um durch die Büsche zu sehen, wer sich schon alles an der Feuerstelle versammelt hat. Melanie entdeckt er sofort. Sie sitzt mit ein paar anderen Mädchen auf einem der Baumstämme, die um die Feuerstelle herum gelegt wurden. Neben ihr ist noch ein Platz frei. „Soll ich mich einfach neben sie setzen?“, denkt er, während er sich wieder dem Spiel zuwendet. „Dann würde sie mir vielleicht sagen, dass da schon besetzt ist. Das wäre mir zu peinlich.“, überlegt er. Er schaut kurz zu Hansi rüber, aber der ist noch konzentriert beim Schachspiel. Das ist bei ihm immer leicht zu erkennen. Er hat dann die Stirn in Falten gelegt, die Arme verschränkt und die Augen starr auf das Spiel gerichtet. Matthes entschließt sich ihn nicht in seiner Konzentration zu stören, um ihn um Rat zu fragen. Er dreht sich um und geht zur Feuerstelle. Schüchtern stellt er sich erst mal zwischen zwei der zehn Baumstämme. Der Platz neben Melanie ist noch immer frei. Er sieht vorsichtig zu ihr rüber. Melanie beachtet ihn jedoch nicht. Uwe sieht Matthes da stehen. Er winkt ihm hastig zu und zeigt auf einen freien Platz neben sich. Matthes zögert, sieht noch mal vorsichtig zu Melanie rüber, als sie ihn immer noch nicht beachtet, geht er langsam zu Uwe. „Vielleicht hat sie mich nur nicht gesehen.“, denkt er enttäuscht. Er setzt sich auf den freien Platz und schaut immer wieder zu Melanie herüber. Das Feuer brennt inzwischen, als Hansi mit den beiden Schachspielern kommt. Die drei sind in eine ausgiebige Diskussion vertieft, was der eine oder andere hätte besser machen können. Melanie winkt Hansi zu sich. „Das kann ich jetzt nicht glauben.“, flüstert Matthes Uwe zu und deutet mit den Augen auf Melanie und Christian, der sich gerade neben sie setzt. Uwe sieht die beiden einige Sekunden an und dreht sein Gesicht wieder zu Matthias. „So ein Arsch!“, faucht Uwe ihm zu. Matthes nickt nur, ohne seinen Blick von Melanie und Christian abzuwenden. Die beiden unterhalten sich angeregt und schauen immer wieder zu Matthes hinüber. Matthes wendet sich ab und versucht so auszusehen, als ob ihn das alles nichts ausmacht. Nach einigen Minuten, die sich Matthes mit einer eher langweiligen Unterhaltung mit Uwe vertrieben hat, steht Hansi vor ihnen. Matthias mustert ihn mit einem wütenden, durchdringenden Blick. Christian beugt sich vor und flüstert ihm ins Ohr: „Mach mal den Platz frei und gehe rüber zu Melanie!“ Matthes schaut ihn verstört an. Hansi grinst und flüstert: „Na los! Ich soll dich hin schicken.“ Matthes’ Herz fängt wieder an zu trommeln, und mindestens tausend Schmetterlinge fliegen ganz plötzlich durch seinen Bauch. Er steht auf, dreht sich um, so dass Melanie ihn nicht sehen kann, dann nimmt er einen tiefen Luftzug und atmet ganz langsam aus. Er zwinkert Hansi, der sich inzwischen auf Matthes’ Platz gesetzt hat, lächelnd ein Auge zu, dann geht er cool, wie immer, zu Melanie. „Hi!“, er legt eine kurze Pause eine und fragt dann: „Darf ich mich setzen?“ Ohne ihr die Möglichkeit zu geben zu antworten, setzt er sich hin. „Na klar!“, sagt sie laut, beugt sich dann zu ihm herüber und flüstert: „Darauf habe ich ja die ganze Zeit gewartet, aber du musstest dich ja zum Uwe setzen.“ Ohne äußerlich auf das Gesagte zu reagieren, schaut er verträumt ins Feuer. Innerlich ist er total aufgedreht, denn ihr Geruch, den er riechen konnte, als sie sich zu ihm rüber beugte, ist einfach wunderbar für seine Nase. „Ich habe mich nicht getraut, mich neben dich zu setzen.“, gibt er nach einer kurzen Pause zu. Während er das ausspricht, wendet er seinen Blick nicht von dem Feuer ab. Erst nach ein paar Sekunden traut er sich sie anzusehen. Sehr langsam dreht er seinen Kopf zu ihr. Sie hat ihr niedlichstes Lächeln aufgesetzt und schaut ihn mit ihren funkelnden Augen an. „Du bist blöd!“, sagt sie und streichelt ihm mit ihrer Hand über die Wange. Matthias merkt, wie ihm die Röte ins Gesicht steigt. Schnell wendet er sein Gesicht wieder dem Feuer zu, damit sie es nicht bemerkt. Natürlich hat sie es schon längst gesehen. Vorsichtig rückt sie ein kleines Stück näher, so dass sich ihre Oberschenkel und Schultern berühren. Sie greift nach seiner Hand, hält sie ganz fest und legt ihren Kopf an seine Schulter. Die Welt um sie herum scheint zu stehen. Sie schauen beide verträumt in das Feuer und haben die selben Gedanken: „Lieber Gott! Bitte lass diesen Abend nie zu Ende gehen!“ Matthias schaut zu Hansi rüber,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2016
ISBN: 978-3-7396-6760-7
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