FELDPOST für Anna
30 Briefe in die Heimat
Russland 1942/43
M S. Haunold
Copyright © 2014
Cover, Titel und Text
von
M S. Haunold
Autor Briefe: Franz Blach
Originalbriefe und Fotos im privaten Eigentum
Alle Rechte vorbehalten
Ich widme dieses Buch zwei besonderen Menschen
Anna und Franz Blach
1910 – 2000 1908 - 1982
Ihr seid schon dort – an jenem Ort
Doch seid ihr auch hier – tief in mir
Vorwort
Abschied von der Heimat
Brief 1
Fremde Erde
Brief 2
Brief 3
Brief 4
Brief 5
Brief 6
Brief 7
An der Front
Brief 8
Brief 9
Lazarett in Russland
Brief 10
Brief 11
Brief 12
Brief 13
Brief 14
Brief 15
Brief 16
Brief 17
Mitten im Krieg
Brief 18
Schwermut
Brief 19
Im Lazarett
Brief 20
Brief 21
Brief 22
Wiedersehen
Brief 23
Brief 24
Brief 25
1943
Brief 26
Brief 27
Brief 28
Brief 29
Hoffnung
Brief 30
28. April 2000
Ein warmer, sonniger Tag. Und auch ein trauriger Tag.
Endgültige Abschiede sind immer traurig, besonders ein Begräbnis.
Abschied von Anna Blach – von Mama.
Auch Abschied von der Heimat, den Wurzeln der eigenen Identität.
Was bleibt außer der Erinnerung und dem Gefühl der Verbundenheit?
Briefe!
Nach dem Begräbnis durfte jeder der kleinen Trauergemeinde etwas zur Erinnerung aus dem Haus mitnehmen. Ich griff spontan zu einer kleinen Pappschachtel, worin ich neben alten Fotographien die sorgfältig gebündelten Briefe fand. Für mich das Wertvollste, denn so konnte ich an einer Zeit teilhaben, zu der es mich in ihrem Leben noch nicht gab. Einer Zeit, wo der Krieg das Leben von Anna und Franz Blach bestimmte. Ich lernte eine Seite aus ihren jungen Jahren kennen, die mir sonst verschlossen geblieben wäre.
Sie waren beide über 50, als ich im Alter von 4 Monaten ihr Pflegekind wurde. Deshalb nenne ich sie hier „Mama und Vater“, weil sie das immer für mich waren. Ich verdanke ihnen eine glückliche und schöne Kindheit. Einfach, aber geborgen, ab und zu Schimpfe, aber nie ein lautes Wort. Zehn Jahre später mussten sie mich wieder hergeben, für uns eine leidvolle Erfahrung.
Inzwischen reiht sich in der eigenen Lebensgeschichte ein Kapitel ans nächste. Manchmal lese ich die Briefe, besonders wenn sich banale Sorgen als zu wichtig aufdrängen. Nach langer Überlegung entschied ich, diese - doch sehr persönlichen - Briefe zu veröffentlichen. Sie bezeugen nur ein Schicksal von so vielen zu jener Zeit. Abseits von Reportagen, Kriegsanalysen und Dokumentationen über Waffentechnologie und Manöverstrategie sollte man nie auf die Menschen vergessen.
Der Inhalt dieser Briefe zeigt die Realität des Krieges aus der Sicht eines einfachen Soldaten. Seine Ängste, Gedanken, Empfindungen und zwischen den Zeilen die grausame Absurdität. Berührend für mich ist jedoch eine Botschaft, die aus diesen Briefen spricht. Die starke Hoffnung, in einer von Zerstörung und Wahnsinn geprägten Welt. Und die Liebe, aus der sich zwei Menschen - tausend Kilometer voneinander entfernt - ihre Hände entgegenstrecken, sich festhalten und glauben.
Die Originalbriefe sind in Kurrentschrift verfasst und hier in ungekürzter Form wortgetreu übersetzt. Sie sind wegen des Schreibstils und der österreichischen Ausdrucksweise möglicherweise etwas schwierig zu lesen.
St. Pölten am 27. März 1942
Liebste Anna!
Grüße dich vorerst herzlich und hoffe, dass du gesund bist. Ich bin gesund und es geht mir gut. Liebe Anna, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen zum Abschiednehmen von der Heimat. Liebe Anna, Rosa* hat mir geschrieben, sie möchte ein Foto von mir, ich habe aber keines. Ich habe mich von einem Kameraden abnehmen* lassen, aber der ist nicht mit uns gekommen. Ich lasse welche machen und schicke Rosa ein paar.
Liebe Anna, morgen werden wir einladen und Sonntag 4 Uhr früh fahren wir weg nach Russland. Anna sei stark und weine nicht immer, es wird alles wieder recht. Werde, sobald es möglich ist, ein Lebenszeichen von mir geben. Nun behüt dich Gott, schöne Heimat, behüt dich Gott, liebes Annerl, lebe wohl auf ein gesundes Wiedersehen in der Heimat?
Es grüßt und küsst dich nochmals herzlich Dein Franz. Ich werde dich nie vergessen.
*seine Schwester * fotographieren
Fremde Erde
Russland am 12. April 1942
Liebes Annerl!
Grüße dich recht herzlich und hoffe, dass du und Vater gesund seid. Ich bin gesund und es geht mir derzeit sehr gut. Es ist sehr kurzweilig hier, wir sind in russische Häuser einquartiert. Sind ganz elende Hütten. Der Schnee ist schon weg jetzt unter ein paar Tagen, aber Dreck gibt es hier bis zu den Knien. Von einer Straße gar keine Rede, nur Dreck. An das Schießen habe ich mich auch schon gewöhnt. Schlafe ganz gut und ruhig. Mir gefällt es besser als in Nickelsburg, es ist schöner als die Ausbildung, man ist freier und der Drill ist auch nicht so, bin schon ganz zu Hause hier. So zirka 50 m vom Haus entfernt, wo ich schlafe, stehen Geschütze und haben gestern abends geschossen und ich habe gar nichts gehört, bin gar nicht wach geworden. So gut habe ich geschlafen, man gewöhnt sich daran.
Sind im Donezlager, der Donezfluss ist ziemlich groß und beiderseits Sumpf. Es wird aber bald trocken werden, wenn es so bleibt und die Sonne immer höher geht, wird es jetzt warm. Wenn es nicht zu viel regnet, wird der Boden bald fest, da das Wasser schnell versiegt, weil es lauter Sandboden ist. Das Dorf, wo wir sind, ist ziemlich groß. Aber ein Haus gleicht dem anderen, wie man es in der Wochenschau sieht. Um 4 Uhr wird es schon licht* hier, aber auch dafür früher Nacht. Habe es mir in meinem Leben nie träumen lassen, dass ich je einmal so weit nach Osten kommen werde. Ich möchte nur so 20 Joch von dem Grund, wie er hier ist, zu Hause haben, dann wäre ich ein Bauer. Werden jetzt wieder wo anders zugeteilt, der Dienst fängt jetzt wieder an, ist nicht so eine Kraftanstrengung und so ist es leicht zum Aushalten. Die Leute, wo wir einquartiert sind, sind ganz nett zu uns, sie müssen wohl, das ist gut so.
Anna, möchte wünschen, dass du nur einen Tag hier sein könntest, du würdest staunen. Die Menschen sind arm hier, man bemerkt weit und breit nichts von dem Kommunismus gepriesenem Paradies der Arbeiter und Bauern. Nur Elend sieht man. Möchte, dass der Eglseer sehen würde, wie es hier aussieht. Wir dürfen Gott danken, dass der Kommunismus nicht zu uns ins Reich eingedrungen ist. Um das friedliche Leben, wie es in Deutschland ist, wäre es aus gewesen. Die Verpflegung ist ausgezeichnet jetzt, drum brauchst du dir keine Sorgen machen um mich. Wir werden schon durchdringen und die Russen besiegen, der Russe kann nicht unbedingt siegen, das muss einer selbst sehen. Es sind schon viele übergelaufen.
Was gibt es zu Hause Neues? Ist der Bastner schon einmal auf Urlaub hier gewesen? Weiß Fanni nicht, bei welchem Truppenteil er ist? Wenn sie es weiß, schreib es mir, vielleicht kann ich ihn einmal treffen. Man kann es nicht sagen, es ist alles möglich. Habe gestern, als wir über eine gesprengte Brücke gegangen sind, den Strohmayer Johann von Weidorf getroffen. Man freut sich, wenn man einen Bekannten trifft.
Es grüßt und küsst dich dein Franz
PS: Auf Wiedersehen und Gruß an Anton und Bekannte
*hell
Bei den erwähnten Personen handelt es sich um Nachbarn, Bekannte und Freunde. Man muss sich vorstellen, dass in den dünn besiedelten Ortsteilen Häuser und Höfe sehr verstreut lagen. Besuche waren aufgrund der langen Wegstrecken eher selten. Kam doch mal jemand vorbei, wurde er mit Freude und Erwartung empfangen. So wurden Nachrichten, Neuigkeiten und Tratsch ausgetauscht.
Während Vaters Leben praktisch in jeder Sekunde ausgelöscht werden konnte, verrichtete Mama zu Hause ihr Tagewerk. Und das war von früh bis spät beschwerlich. Sie lebte im Haus des strengen Schwiegervaters, die Schwiegermutter war verstorben und so lastete ihr die gesamte Arbeit an. Still und duldsam fügte sie sich den Umständen, die Trennung von
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 06.02.2014
ISBN: 978-3-7309-8138-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für zwei besondere Menschen