Cover



Tropf. Tropf. Tropf.


Der Menschliche Körper besteht zu 80% aus Wasser:
Tropf. Tropf. Tropf.


Ohne Wasser kann der Mensch nicht überleben.
Tropf. Tropf. Tropf.


Schmerz entsteht nicht an der Wunde, sondern im Kopf.
Tropf. Tropf. Tropf.


Gleiche seelischen mit körperlichem Schmerz aus.
Tropf.




20.07.2011, Montag.
Das Leben ist ein Strang verschiedenster Aktionen und Reaktionen, bestimmt durch Aufbau und Verfall. Es ist ein Marathon das Streben von Start zu Ziel, mit Umwegen, aber letztendlich doch zum Ziel. Es ist wie eine Rennstrecke, die von hohen Mauern umfasst ist. Kein Entkommen, der Beste gewinnt. Nicht der Schnellste, doch warum kann das keiner Verstehen? Die Welt besteht aus Hektik und Blinder Maschinerie. Die Distanz überwiegt und das Miteinander verliert an Bedeutung. Die Menschen hetzen, ihren eigenen Gedanken nachhängend, durch die Stadt. Kopfhörer im Ohr, gefangen durch ihre eigene Gedanken und Ängsten. Man steht wie ein unsichtbarer Schatten da. Tausende Menschen, Aktionäre, Köche, Schüler, Arbeitslose, Lehrer, Zugführer und Reinigungspersonal. Ihre Gedanken sind ergraut. Und dort, einsam und allein, steht jemand, der es nicht verstehen kann. Die graue Welt ist ihr fremd. Sie sollte vielgesichtig und bunt sein, doch das ist sie nicht. Starre Gesichter. Aktentaschen und Anzüge. Doch ihre Klischees sind schlimmer als ihr Individualismus. Alles, was nicht wie sie ist, ist anders, schlechter. Was sollen sie auch denken? Bunte Haare, Springerstiefel, Mantel und Zigarette. Die Leute halten mehr Abstand als zu anderen Mitmenschen, wenn das in der heutigen Zeit noch möglich ist. Keiner schaut auf den Charakter. Die Leute können das nicht verstehen. Ich kenne sie, sie ist meine Beste Freundin, doch sie hatte es nie leicht. Heute wollte sie einer älteren Dame den Platz anbieten, doch diese hat sie bloß angestarrt, Angst im Gesicht. Verrücktes Aussehen und verrückte Handlungen. Das zeichnete sie schon immer aus. Nichts wurde ihr geschenkt. Sie hat auch einen Freund. Er und ich sind ihre Familie. Sie hatte nie Familie, und auch sonst nichts Erwähnenswertes. Besitz war ihr nie wichtig.
Das ist Tagebucheintrag Nummer zweihundert dreißig. Sie bat mich dieses Tagebuch zu schreiben. Mal mehr und mal weniger habe ich täglich geschrieben. Ihre Bitte habe ich erfüllt, mein Tribut an sie, obwohl ich nicht genau wusste warum sie dies wollte, ich habe sie nie danach gefragt.
Heute hat sie offiziell ihre neue Wohnung. Sie will dass ich einen Zweitschlüssel bekomme, als Zeichen unseres Vertrauens, denn sie hat auch einen Schlüssel von meinem. Sie ist aufgeregt, ich kann es ihr nicht verdenken. Doch wie ich gerade sehe muss ich mich auf die Socken machen, sie wartet sicher schon.


08.08.2010, Sonntag.
Endlich ist der Umzug geschafft. Diese Plackerei war unzumutbar. Man kommt aus der Schule, sofort weiter zum Tapezieren und schleppen und aufbauen, und ist meist erst nach zwölf zu Hause. Die Stimmung hat sich verwandelt. Ich konnte es nicht erwarten, endlich ist die triste Stimmung verflogen. Zum Ende hin wurden wir angriffslustiger, böse Worte erfüllten das alte Gemäuer. Es ist zwei Uhr morgens, und ich habe nicht viel Zeit zu schreiben. Es gibt Tage, da schreibe ich zusammenhanglos, und über nichtige Themen. Doch in Zeiten wie diesen, wo man nicht über alltägliche Geschehnisse erzählt und herum palavert, dann wird man des öfteren nachdenklich und missgelaunt. Innere Meditation! Ich glaube das ist das heutige Schlagwort! Meditation... So ein kleines Wort, für so eine große Sache...


24.12.2010, Freitag, Weihnachten.
Es ist Weihnachten, doch mir ist nicht danach. Wenn ich hier alleine in meinem Keller sitze, dann denke ich mir sämtlichen Müll und werde depressiv. Alles hat sich verändert, nach außen hin scheinen wir beste Freunde zu sein, ich und das kleine Mädchen mit den bunten Haaren. Doch dem ist nicht so. Ich muss mit ihr reden, uns geht es schlecht. Ein Schatten liegt über ihrem Gesicht, die Freude scheint entschwunden zu sein. Das läge an dem tristen Mehrfamilienhaus, sagt sie immer. Doch das stimmt nicht. Sie hat sich verändert, wir haben uns verändert. Ihr Gesicht ist gehetzt, kaltes Starren in ihren Augen, die sämtliche Farbe verloren haben. Manchmal denke ich, sie altern, die Gespräche sind erzwungen, ich rede mit ihr wie zu einer Fremden. Dabei fing Weihnachten vielversprechend an. Die Welt ist eine Märchenlandschaft, Schnee der von Furchen hüpfender Vögel zerrissen ist, sanfte Schneeflocken, die schmeichelnd das Haus umspielen, Duft nach Plätzchen und Weihrauch und das Klirren in der Luft, welches die Vorfreude wiederspiegelt. Kein fahles Lciht von Neonröhren und LED-Lampen, sondern Kerzenschein, der warmes Lciht in den Raum wirft. Statt der üblichen Rock und Pop-Musik erklingen sanfte Melodien stimmungsvoller Weihnachtslieder. Mit einem Abend mit der Familie wurde gut gemacht, was Jahre nicht hätten schaffen können. Dieser alles verändernder Moment, gab mir Hoffnung im Leben. Er hat mir gezeigt, dass es im Leben nicht auf die großen, sondern viel mehr auf die kleinen Dinge ankommt. Gib Acht, kleines Mädchen mit den bunten Haaren, die Zeit vergeht und was übrig bleibt ist der Schlüssel zum Glück.


07.01.2011, Freitag.
Die Letzten Tage sind wie Rauch an mir vorbeigezogen, etwas großen bahnt sich unaufhaltsam den Weg durch den wolkenverhangenen Tag. Die Erkenntnis kommt und wird mich treffen, die Welt spielt verrückt. Letzte Zeit umzukehren, doch das Gefühl, der Zug sei schon abgefahren, ergreift Besitz von mir. Das Gefühl ist unbestimmt und unbeständig, dennoch merke ich es. Erkenntnis, das Hauptwort dieses tristen Tages.


08.01.2011, Samstag.
Angst. Das ist die Überschrift dieses Textes. Denn ungeahnt, was passieren könnte, bin ich noch wach und bin unruhiger als jemals zuvor im Leben. Tag und Nacht verschwimmen und es mag um drei oder halb sieben sein, Schlaf finde ich nicht. Genau in diesem Moment passiert etwas dort draußen.
ANHANG
Mit dem letzten Wort des vorherigen Absatzes bin ich in einen finsteren Traum gefallen, in dem Angst und Schrecken herrschten. Das erste mal in meinem Leben empfing mich der Sonnenaufgang mit Furcht und Angst. Doch was ist passiert? Woher kommt dieses Gefühl? Ich kann es nicht sagen. Vielleicht altere ich genau wie meine Freundin, das kleine Mädchen mit den bunten Haaren. Mein Zeichen für diesen Tag ist die weiße Taube in meinem Vorgarten. Gute Zeiten werden bald anbrechen. Der Tag ist gekommen, an dem ich reden muss! Ich breche nun auf ins Ungewisse, wie jeden Tag, jedoch heute mit dem festen Gedanken daran. Start und Ziel, der Sinn des Lebens und die wahrscheinlich grauenvollste Erkenntnis meines Lebens.

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Kein Datum, denn die Tage sind ohne Bedeutung. Mein Name ist Adrian Remke. 15 Jahre alt. Mein Leben prägt sich durch Höhen und Tiefen. Es ist der erste Tag, an dem ich den Füller wieder in die Hand nehmen kann, denn schwer war die Zeit. Dieses Tagebuch endet hier. Symbolisch gesehen ließ ich das Datum weg. Den Abschiedsbrief fand ich neben ihr, das Blut klebte auf den Fliesen. Ihr Freund ist abgehauen, fort, in den Westen. Er hatte sie verlassen, deswegen lag sie nun mit aufgerissenen Armen in der Badewanne. Ich werde ihn nie wiedersehen. Noch in meinen Armen hat sie mich angesehen, kein Grau, keine Trostlosigkeit, sondern Hoffnung auf ein besseres Leben im Himmel. Ihre letzten Atemzüge spüre ich noch auf meiner Haut. Langsam erschlafften ihre Muskeln, und ihr wundervolles Gesicht, das mir so weit weg schien, erblasste. Tränen benetzen dieses Papier, ich weine nicht, ich weine nie. Es sind nicht meine Tränen, sondern die einer gestorbenen Seele, gefangen in meinem Körper. Ich kann nur eines sagen: Dieses Tagebuch wird später die Erinnerung an sie sein. Zu guter letzt kann ich sagen, sie hatte Mut, auch wenn es nicht der richtige Weg war. Ich bin froh, ihr bester Freund zu sein. Das Bild, dieses wundervollen Menschen, verfolgt mich, und nie werde ich sie vergessen: Das kleine Mädchen, mit den bunten Haaren...

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Impressum

Texte: Copyright by Adrian Remke
Bildmaterialien: http://img.wallpaperstock.net:81/messer-und-blut-wallpapers_3170_1600x1200.jpg
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für die Person, die zu schnell die Weiten des Himmels erblickte

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