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Impressum

Rabentod – Im Mondlicht gestorben

von Marcel Weyers

 

Band 4 der Raben-Saga

 

E-Book, erschienen im Mai 2015

Copyright © Marcel Weyers, 2015

www.marcel-weyers.de

info@marcel-weyers.de

 

Lektorat:

Christina Schuster

 

Covergrafik:

Elena Schweitzer ‑ Fotolia.com

 

Coverbearbeitung und -gestaltung:

BUCHGEWAND | www.buch-gewand.de

 

Marcel Weyers

Großenhainer Str. 135

01129 Dresden

 

Alle Rechte vorbehalten.

Sämtliche Personen und Geschehnisse in dieser Geschichte sind frei erfunden oder wurden fiktionalisiert. Jegliche Ähnlichkeiten sind rein zufällig.

 

Marcel Weyers ist ein Autor, Übersetzer, Lektor und Videospielentwickler. 2011 erschien mit „Schatten“ sein Debütroman, welcher Auftakt einer Trilogie war.

Für zahlreiche Videospielfirmen übersetzte er sowohl freie als auch kommerzielle Videospiele ins Deutsche, darunter insbesondere Visual Novels.

Seine Videospielserie „Sleepless Night“ wurde in über 10 Sprachen übersetzt. Für weitere Informationen besucht die Raben-Saga auf Facebook oder geht auf www.marcel-weyers.de.

 

Auch von Marcel Weyers:

Die Schatten-Trilogie

  1. Schatten

  2. Schattenjäger

  3. Schattenland

Depths of Forever

Prolog

Salem, Massachusetts

Ich muss hier weg! Kann ihr nicht mehr in die Augen sehen. Ich weiß, Julie war ihre beste Freundin und ich kann es ihr nicht vorwerfen, dass sie sie an meiner Stelle retten wollte. Aber der Schmerz ist trotzdem real.

Ich weiß nicht mehr, was ich tue. Laufe durch die Villa, muss hier raus. Ich sehe Emily und Abigail. Verwandle mich.

Krächz!

Im nächsten Augenblick steige ich zum blutroten Himmel empor. Meine Brüder und Schwestern sind an meiner Seite. Ich bin endlich einer von ihnen. Hier gehöre ich hin. Das ist meine Familie. Alle anderen haben mich betrogen und hintergangen.

Das Feuer lodert und legt Salem in Schutt und Asche. Ich lasse meine eigene Wut an einem hohen Gebäude aus; reiße das Dach mit meinen Krallen ein, hacke mit dem Schnabel auf alles, was sich bewegt.

Das tut gut. Das Adrenalin fährt durch meinen Körper. Endlich alles vergessen. Endlich wieder die Kontrolle haben. Kontrolle. Was ist das?

Dann fliege ich weiter. Hoch über der Stadt erspähe ich eine Präsenz. Sie ist dort. Sie wartet auf mich. Ich muss zu ihr. Elizabeth. Sie ruft nach mir. Halte ein! Ich komme, meine Meisterin.

Kapitel 1: Vater und Tochter

Die Tür fliegt auf. Ich nehme nicht wahr, wer den Raum betritt. Corvus ist weg. Er ist jetzt einer von denen. Ich hatte es nicht wahrhaben wollen. Wollte nicht glauben, dass das passieren könnte. Und das Schlimmste daran: Das alles ist meine Schuld.

Emily liegt blutüberströmt auf dem Boden der Bibliothek und erst als ich ihren reglosen Körper sehe, kehre ich ins Reich der Lebenden zurück. Der Nebel, der eben noch meinen Verstand verschleiert hat, ist gelichtet worden, und jetzt schlägt mein Herz unaufhörlich und pumpt Adrenalin durch meine Adern.

»Was ist hier los?« Die laute Stimme von Mr. Stoughton bellt mir entgegen, doch ich achte nicht auf ihn und eile an Emilys Seite. Ich muss ihr helfen! Sie darf nicht sterben!

»Emily? Emily!« Hektisch lege ich eine Hand auf ihren Körper, um sie mit meinen Kräften zu heilen. Ich konzentriere mich.

»Nicht, du törichtes Mädchen!« Doch ehe ich überlegen kann, weswegen Mr. Stoughton mich davon abhalten will, fährt ein starker Schmerz durch meinen ganzen Körper. Instinktiv ziehe ich meine Hand zurück.

»Was war das?«, frage ich mit zitternder Stimme. Ich kann mir nicht erklären, was da gerade passiert ist. Bisher haben meine Heilzauber doch immer geholfen.

»Cornelius hat sie verletzt, nehme ich an? Die Wunden, die eine Hexe durch ein Rabenwesen erleidet, können tödlich sein und sind nicht so einfach mit Magie zu heilen.« Er stößt mich grob zur Seite und hebt Emily vom Boden auf. Noch immer ganz leblos hängt sie in seinen Armen.

»Aber … wie ist das möglich?« Gerade in dem Moment kommen die anderen in den Raum geeilt. Ling mit quietschbuntem Schlafanzug, die beiden Jungs nur in Boxershorts. Ich bin so froh, sie alle zu sehen.

»Abigail? Ist alles in Ordnung?«, fragt Ling und kommt auf mich zu. Bevor ich etwas sagen kann, umarmt sie mich und ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Nein, nichts ist in Ordnung.

Ich werde ohnmächtig.

 

Vor mir erscheint eine verschwommene Gestalt. Kann es denn sein …?

»Sarah? Bist du es wirklich?« Der Umriss wird klarer und ich erkenne sie. Es besteht kein Zweifel, dass sie es ist.

»Ja, Abigail. Ich bin es wirklich.«

»Was tust du hier, Sarah? Du bist doch … Du kannst nicht wirklich hier sein.« Ich weiß, dass es nicht möglich ist. Aber ich will es trotzdem glauben. Es wäre zu schön, wenn es wahr wäre. Dennoch steht sie vor mir, als wäre sie echt. Lebendig und in Fleisch und Blut.

»Ich bin hier, weil du vieles noch nicht verstehst. Weil du dir noch immer die Schuld gibst.«

»Aber es ist meine Schuld, Sarah. Alles ist …«

»Du gibst dir die Schuld am Tod deiner Mutter, an meinem und an Julies. Aber es ist falsch, Abigail. Du konntest nichts tun. Alle deine Freunde versuchen, es dir klarzumachen.«

»Sarah …« Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Einerseits will ich glauben, dass sie recht hat. Andererseits plagt mich mein Gewissen.

»Du musst dir bewusst darüber werden, Abigail. Elizabeth ist dafür verantwortlich. Und wenn du nicht damit aufhörst, wirst du eines Tages wie sie. Verbittert. Der Vergangenheit nachtrauernd. Böse.«

Nein, nein, nein! Ich will nicht, dass das passiert. Alles, nur das nicht. Ich will nicht wie sie sein. Niemals!

 

Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf einer Couch im Wohnzimmer. Die anderen haben heißen Kakao und Kaffee gemacht. So viel zum Thema „Ausruhen“. Immerhin haben die anderen es geschafft, Emilys Wunden zu verbinden. Ich hoffe, sie übersteht es. Ich kann nicht noch jemanden verlieren. Zitternd wische ich mir den Fiebertraum von der Stirn.

Später setzen sich alle ins Wohnzimmer zu mir und Emily, um sich anzuhören, was eigentlich passiert ist.

»Corvus ist weg«, bringe ich nur hervor. Alle anderen starren mich an, wollen vermutlich, dass ich weitererzähle. Aber ich bin nicht bereit dafür.

Nach einer unendlich langen Stille, ergreift Mr. Stoughton das Wort: »Nun, wie es aussieht, haben wir wohl nicht bis morgen Zeit.«

»Blitzmerker«, murmelt Jacob und reibt sich noch immer den Schlaf aus den Augen. Jeremiah stößt ihm mit seinem Ellenbogen unsanft in die Rippen.

»Sagen Sie uns, was Sie wollen.« Ich versuche, entschlossen zu klingen und verschränke die Arme. Doch plötzlich spüre ich, wie sich neben mir auf dem Sofa etwas bewegt. Emily ist aufgewacht!

»Emily! Es tut mir so leid, ich …«, setze ich an, aber sie schließt nur die Augen und schüttelt schwach ihren Kopf. Sie ist unendlich erschöpft.

»Lass uns später darüber reden, Abi. Ich will hören, was mein Vater zu sagen hat.« Sie hat die Augen noch immer geschlossen, aber sie hört gespannt zu. Es muss wohl sehr wichtig sein, was dieser Mann zu sagen hat.

»Nun denn. Mein Name ist Wilbur Stoughton und ich bin der erste Inquisitor und ein Hexer zugleich.« Allen anderen klappt die Kinnlade runter, aber ich mach ein abfälliges Geräusch und schüttle den Kopf.

»Man kann nicht beides sein«, rufe ich in den Raum, als würde ich mich mit all dem bestens auskennen.

»Ach? Hat dir das deine Mutter erzählt? Maria? War es schön, sie in der Vergangenheit zu besuchen?« Jetzt entgleiten auch mir die Gesichtszüge. Was weiß dieser Mann alles? Das kann doch nicht sein. »Lass mich bitte aussprechen, Abigail Willows. Als Elisabeth mich im Zorn in die Kreatur verwandelte, die ich so verachtete, beging sie einen fatalen Fehler.« Wieder breitet sich auf seinem Gesicht ein widerwärtiges Grinsen aus.

»Es ist also wahr …«, murmelt Emily so leise, dass nur ich es hören kann.

Wilbur erzählt weiter: »Ein Hexer zu sein, gab mir die Kraft, die Magie für meine eigenen Zwecke einzusetzen. Und es gelang mir – wie auch Elisabeth – ein neues Wesen zu erschaffen: Inquisitoren. Stark genug, um den Hexen Einhalt zu gebieten.« Das ergibt durchaus einen Sinn.

»Aber eins verstehe ich nicht«, wirft Ling mit gerunzelter Stirn in den Raum, »Wenn Sie sowohl Hexer als auch Hexenjäger sind, warum wollen Sie die Hexen dann vernichten? Das ist doch der Sinn und Zweck der Inquisitoren, oder etwa nicht?« Gute Frage; ich werde hellhörig und setze mich aufrecht.

»Versteht mich nicht falsch. Ich verstehe, dass auch die Inquisitoren eine Perversion der Natur sind. Nach Abschluss meiner … Mission, werde ich auch dafür sorgen, dass die Inquisitoren von der Bildfläche verschwinden.« Was soll das heißen? Nachdem alle Hexen tot sind, will er sich selbst umbringen? Das fällt mir schwer zu glauben. Andererseits … die Inquisitoren sind immerhin bekannt für ihre drastischen Mittel.

»Das ist also dein Ziel, Vater?« Emily hustet und instinktiv will ich eine Hand auf ihre Schulter legen, doch ich erinnere mich an die Sache mit der Rabenverletzung und tue dann doch nur so, als wollte ich eine Haarsträhne aus dem Gesicht streifen.

»Du warst schon immer ein schlaues Kind, Emily. Eine Schande, dass du auch eine von diesen Kreaturen bist. Aber ja, mein Ziel ist es, eine eigene Armee aufzubauen.« Als ich die Worte höre, wird mein Gesicht blass und ein Schauer läuft eiskalt über meinen Rücken. Wir stehen kurz vor einem Krieg. Und egal ob Hexe, Inquisitor oder Rabenmensch – ich befürchte fast, keiner wird da lebend wieder rauskommen.

 

Die Villa kommt einem so verlassen und einsam vor ohne Corvus. Ein richtiges Zuhause war es nach allem nicht wirklich für mich, aber ohne Corvus ist es noch viel schlimmer.

Ich fühle mich, als gehöre ich nicht hierher. Als wäre ich ein Eindringling. Eine Fremde in einer Welt, die nicht meine ist. Vielleicht ist es auch so. Ich bin in all das mehr oder weniger freiwillig hineingestürzt. Kopfüber im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich hatte in letzter Zeit nicht viel Gelegenheit, über diese Dinge nachzudenken. Um ehrlich zu sein: Seitdem das alles passiert ist, hatte ich für nicht viele Dinge mehr Zeit.

Die Monate sind wie im Flug vergangen. Als ich damals von Corvus Raven erfahren habe … von der Tatsache, dass er ein Rabenmensch ist, hatte ich es erst nicht geglaubt. Hatte es nicht wahrhaben wollen.

Dazu kam dann noch die Tatsache, dass ich eine Hexe bin. Anfangs noch aufregend und wortwörtlich magisch, ist mir schnell klargeworden, dass ich das eigentlich nicht will.

Ich will nicht zaubern können, ich will nichts Besonderes sein. Ich will einfach nur Abigail sein. Doch hier stehe ich nun. Mitten zwischen zwei Fronten und ich weiß nicht, welche die „richtige“ ist.

Was denke ich da eigentlich? Natürlich stehe ich auf der Seite meiner Freunde und Corvus. Aber nun da wir den Preis für all das kennen … wie werden wir uns entscheiden? Was werden wir tun? Wer werden wir sein?

Kapitel 2: Draußen

Eine Stimme verfolgt mich durch das kalte Gemäuer. „Du gehörst jetzt mir. Endlich gehörst du mir.“ Kalte Asche liegt auf den Zinnen und eine frische Brise weht durch mein Haar.

Der Glockenturm läutet. Nicht mehr lang bis zur finalen Stunde. Die Zeit ist fast gekommen. Wieder die Stimme: „Wer bist du? Was willst du hier?“

Meine Schritte hallen auf dem Gesteinsboden wider; meine Hand fährt über die Steine in der Wand. Wo bin ich hier? Das ist nicht real.

Hoch oben steht das Schloss über der Stadt. Eigentlich gehört es hier nicht hin. Weder in diese Zeit noch in die Vergangenheit. Wessen Schloss ist es?

Vergiss nicht, wo du hingehörst.“ Wo gehöre ich hin? Wem gehöre ich? Wem diene ich?

Der Königin.

 

Irgendwann hat mich der

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 13.05.2015
ISBN: 978-3-7368-9462-4

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