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Sie stand am Fenster und schaute hinaus in die dunkle Nacht. Warf einen Blick über den kleinen Bach auf die andere Straßenseite, wo im großen Haus noch Licht durch das kleine Fenster schien. 
Sie bewunderte die Menschen, die da wohnten. Den riesigen Garten mit den vielen Sträuchern und Bäumen, die von Frühling bis Ende Sommer ihr prachtvolles Blütengewand anzogen. Im Herbst konnte man beobachten, wie sich langsam die Blätter der Bäume verfärbten und immer weniger wurden.

Und jedes Jahr zur gleichen Zeit schmückte die Besitzerin ihr Haus mit vielen Leuchtketten und Figuren. Dann wusste man, dass es Adventszeit war. 
Leicht blies der Herbstwind durch die Bäume, Blätter flogen davon und tanzten in der Luft, bis sie leicht auf den Boden schwebten. Sie kamen Nina vor wie ihre Erinnerungen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie schnell wieder wegwischte. Sie wandte ihren Blick vom Fenster ab und blickte sich im Zimmer um. Sah das Bild ihrer geliebten Großmutter, und auf einmal war sie wieder das kleine Mädchen, das sie vor 25 Jahren gewesen war.

Erwartungsvoll blickte Nina unter ihrer Bettdecke hervor und strahlte, als endlich ihre Großmutter dass Zimmer betrat. 
„Schlaf schön, kleine Nina“, waren stets ihre Worte, bevor sie ihr einen Kuss gab, ihre Bettdecke schüttelte und ihr die kühle Seite nach innen legte.
 Nina genoss dies immer sehr. Es war ihr kleines Ritual.Dann ging die Großmutter aus dem Zimmer hinaus und hielt die Türe immer noch einen kleinen Spalt geöffnet, so dass vom Wohnzimmer her ein kleiner Lichtschein ins Zimmer drang. An manchen Abenden, wenn Nina nicht schlafen konnte, schlich sie heimlich zu der Türe und zog sie vorsichtig auf, dass kein Knarren zu hören war. 
Hinter dem Türvorhang des Wohnzimmers versteckte sie sich und blickte mit klopfendem Herzen gespannt ins Zimmer rein, wo der Fernseher lief. Wenn dann auf einmal der Kater schnurrend um ihre nackten Beine schlich, um sie zu verraten, eilte sie mit leisen Schritten in ihr warmes Bett zurück, wo sie bald einschlief.

Nina stand auf der schmalen Terrasse, die halb um das Haus herum führte. Neben der Terrasse hatten die Großeltern mit viel Liebe Blumen und Erdbeerbeete angesetzt. 
Nina sah den vielen schwarzen Ameisen zu, die auf dem grauen Beton herum liefen. Ab und zu kamen auch ein paar rote vorbei. Sie machte daraus ein Spiel und versuchte, die roten Ameisen mit ihren Schuhen tot zu treten. 
Dieses Spiel mochte sie. Langsam stieg sie die kleine Treppe in den Garten hinunter. An dem kleinen Biotop vorbei zu der Schaukel. 
Sie liebte es, zu schaukeln und sich dabei den Wind durch die Haare wehen zu lassen. Nach einer Weile sprang Nina von der Schaukel und lief zu der grossen Tanne, die inmitten von Farnen und Sträuchern stand. Da suchte sie oft nach Tannenzapfen, mit denen sie spielte, die sie ins Wasser legte und wartete, bis sich dieses rot färbte.

„Nina, was machst du da?“, rief der Großvater, der am Fenster stand.

„Nichts, nur Tannzapfensuppe“, gab Nina zur Antwort, und ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie mit einem Zweig darin rührte.
 Der Großvater stand oft am Fenster, schaute raus in seinen Garten und rauchte dabei eine Zigarette. Nina winkte dem Großvater zu und ging rüber auf die große Wiese. Setzte sich in das weiche Gras und pflückte ein paar Blumen. Zwei Schmetterlinge flogen verliebt vorbei. Kater Rudi schnurrte um Nina herum und ließ sich dann neben sie ins Gras fallen. Zärtlich strich sie über sein glänzendes, orange schimmerndes Fell. Auf einmal packte Rudi mit seinen Pfoten nach seinem wuscheligen Schwanz, fiel dabei auf die Seite und rollte über den Rasen. Nina kicherte, machte einen Purzelbaum im Rasen und blieb dann auf dem Rücken liegen. Sie schloss die Augen und horchte, wie die Vögel sangen und die Hunde beim Nachbar bellten. Dann blickte sie in den Himmel und betrachtete die weißen Wolken. Wie sanft diese über den blauen Himmel schwebten.
Nina schloss die Augen und genoss die Wärme der Sonne auf ihrer Haut. Auf einmal juckte sie etwas hinter dem Ohr. Erschrocken öffnete sie die Augen und erblickte Felix, den Nachbarjungen, mit einem Grashalm in der Hand. Der kicherte, doch bevor er noch etwas sagen konnte, schnappte sich Nina seine Mütze und rannte los. 
„Na, Felix. Jetzt lachst du nicht mehr!“ Er rannte ihr durch den Garten nach, aber sie war einfach zu schnell. Lustlos blieb er stehen, zog dann aus seiner Hosentasche ein Päckchen Kaugummi hervor. Setzte sich auf den Boden und steckte sich einen davon in den Mund. Dann schaute er zu Nina „Kaugummi gegen Mütze, Nina?“ 
„Ja!“, sagte Nina und setzte sich neben Felix.
 Sie nahm sich einen Kaugummi aus dem Päckchen und gab Felix seine Mütze zurück.
 Der Nachmittag war noch lang.Und so entschlossen sie sich, ihn zusammen zu verbringen. Was sie meist taten, da sie beste Freunde waren. „Wie wäre es mit einem kleinen Abenteuerspiel?“, fragte Felix.
 Nina nickte und fragte: „Piraten oder Indianer?“
 „Piraten natürlich“, schrie Felix lachend zurück.
 Nun stand dem Piratenspiel der beiden nichts mehr im Weg. Die Wiese von Ninas Großeltern wurde zum Meer, die Bäume darauf zu Palmen, und der Sitzplatz bei Felix Eltern war die Insel. So segelten die zwei über das weite Meer, überstanden einen schlimmen Sturm und landeten zuletzt auf einer einsamen Insel mit vielen Palmen.
 Auf einmal hörte Nina, wie ihre Großmutter nach ihr rief. Es war schon spät und Zeit, um rein zu gehen.
 Nach dem Abendbrot und Zähneputzen lag Nina in ihrem Bett und wartete, dass ihre Großmutter kam, um Gute Nacht zu sagen. Die Decke aufschüttelte und die kühle Seite nach innen legte.

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Tag der Veröffentlichung: 17.11.2010

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