„Lieben wir uns?“
„Ja.“
„Wie viel?“
„Ein bisschen viel.“
Heavenwards
„Draußen war ein tobendes Gewitter“, berichte ich mit aufgeregter Stimme.
„Hattest du Angst?“
„Oh ja, ich hatte furchtbare Angst!“, versichere ich ihr.
„Und was hast du dann gemacht?“
„Ich habe mich unter der Bettdecke verkrochen! Stundenlang lag ich zusammengekauert da und habe gehofft, dass Papa ganz schnell nach Hause kommt!“
Ich tue so, als würde ich mich zusammen kauern.
„Und dann?“
„Dann kam dein Papa und hat mich vor dem Gewitter gerettet!“
Ich decke meine Tochter zu und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Papi war ein toller Mann, stimmt’s?“ Dieselben wässrig-blauen Augen sehen mich erwartungsvoll an.
„Papi war ein ganz, ganz toller Mann“, sage ich.
Sie lächelt.
„Gute Nacht, mein Schatz.“
„Gute Nacht, Mami!“ Meine Tochter schließt brav die Augen und ich knipse das Licht aus. Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe, lasse ich mich auf die Couch fallen und werfe mir die Wolldecke über. Ich schaue zum Fenster hinüber und beobachtete einige Zeit das tobende Gewitter. Die Uhr zeigt 20:15 Uhr an. Ich weiß, heute wird er nicht nach Hause kommen. Er wird nie mehr nach Hause kommen.
„Weil Papi im Himmel ist“, flüstere ich. Weil Papi im Himmel ist.
14. April
„Ich wünschte, ich könnte fliegen!“, rief ich in den Wind, der vorsichtig meine Locken umspielte. Mit ausgebreiteten Armen wirbelte ich mich herum.
Aidan stand etwa zwei Meter von mir entfernt und grinste.
„Flieg mir nicht davon“, sagte er mit seiner dunklen Stimme.
Dann kam er auf mich zu und schnappte seine Arme um meinen Bauch.
Ich quiekte fröhlich und er hob mich hoch. Gemeinsam drehten wir uns im Kreis.
Das Licht wechselte auf grün.
Mein Lächeln verstummte und meine Fingernägel krallten sich in seine Unterarme.
„Lass mich los“, sagte ich kurz und versuchte, ihn abzuschütteln.
„Was ist los?“, fragte er, und bemerkte das grüne Licht nicht.
„Lass mich einfach los!“, schrie ich ihn an, hektisch und panisch.
Er ließ wortlos seine Arme von meinem Körper sinken und ich nutze den Augenblick und stürmte von der Brücke. Kaum hatte ich festen Boden unter den Füßen, begann die Brücke zu ruckeln und zu schaukeln und der Zug sauste mit Höchstgeschwindigkeit unter durch. Aidan stand noch immer auf der Brücke und sah dem Zug hinterher.
Ich wusste, er hielt mich für verrückt. Alle taten es. Angst vor Brücken, wenn ein Zug unter durch fährt. Angst vor Menschenmengen. Angst vor Gewässern, in denen ich nicht mehr stehen kann. Angst, Angst, Angst. An jeder Ecke lauerte irgendeine Angst. Ich wusste auch nicht, woher das alles kam. Es war einfach da, von jetzt auf gleich. Früher fuhr ich mit dem Rad über dieselbe Brücke, auf der wir jetzt standen, und es konnten noch so viele Züge drunter durch fahren, es ließ mich kalt. Früher kletterte ich auf Bäume und scherte mich einen Dreck um die Höhe und die Absturzgefahr.
Heute setzte ich keinen Fuß vor die Tür, wenn ich allein war.
„Elinor…“ Aidan kam langsam auf mich zu, die Stirn in Falten gelegt.
Ich wich seinem Blick aus, verschränkte die Arme vor der Brust.
„Es war doch überhaupt nicht schlimm.“
Seine Hand ruhte auf meiner Schulter und er drückte mir einen sanften Kuss auf die Wange.
„Alles ist gut.“
Er legte den Arm um meine Schulter und zog mich in Richtung Supermarkt weiter.
„Brauchen wir Eier?“, fragte er, zwei glänzend weiße Eier in der Hand.
„Nein, ich glaube nicht“, sagte ich nach einem kurzen Zögern und widmete mich sogleich wieder den weiteren Menschen hier im Supermarkt.
Ich wusste, dass mein Gehirn mir einen Streich spielte, wenn es mir sagte, alle würden mich anstarren. Aber das Gefühl war trotzdem schrecklich. Meine Augen huschten die Gänge hin und her und ich war jederzeit bereit, wegzurennen.
Da war eine ältere Frau, 60 vielleicht, mit gräulichen, kurzen Haaren. Sie wühlte in der Wurst herum und las sich die Haltbarkeitsdaten durch.
Weiter hinten stand ein junger Mann mit Glatze und studierte das Joghurtregal.
„Papi, Papi, darf ich so einen?“, fragte ihn ein kleiner Junge, und hielt ihm einen Monte vor die Nase. Der Glatzkopf strich dem Jungen über den Kopf und nickte.
Eine Schwangere stritt sich mit ihrem Freund, ob sie Vollkorn- oder Weizenbrot nehmen sollten.
„Was willst du heute Abend essen?“, fragte Aidan hinter mir und ich schrak zusammen.
In binnen 10 Sekunden schnellte mein Puls in die Höhe und ich war kurz vor einem Panikanfall.
„Du hast mich erschreckt“, fuhr ich ihn an und merkte im selben Moment, dass dies falsch war. Er wollte mir nichts Böses.
„Tut mir Leid“, murmelte ich schuldbewusst und starrte zu Boden.
Aidan strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fragte nochmal.
„Was willst du essen?“
Er war so verständnisvoll.
Ich pustete die Wangen auf und zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht. Ist mir egal, such du dir was aus.“
Daraufhin verschwand er zu den Pizzatruhen und suchte darin herum.
Pizza heute Abend. Okay.
Ich folgte ihm.
„Hier, bitte sehr.“ Er reichte mir einen Teller mit Pizza, liebevoll zu Herzen zerschnitten.
Ich lächelte und gab ihm einen Kuss.
„Du liebst mich“, sagte ich.
Aidan nickte und verschwand kurz in der Küche. Als er wiederkam, setzte er sich neben mich, ebenfalls mit einem Teller voll Pizza. Seiner war voll mit den Schnittesten.
Im Fernsehen lief, wie fast immer, nur Schrott. Ich zippte gelangweilt durch die unterschiedlichen Programme, bis ich die Lust verlor und einfach ausschaltete.
„Was machen wir morgen?“, fragte Aidan kauend und schob sich ein weiteres Pizzastück in den Mund.
„Ich weiß nicht, worauf hast du Lust?“
„Worauf hast du Lust?“
Worauf hatte ich Lust? Ich gab die Antwort, die ich ihm immer gab, wenn er mir diese Frage stellte.
„Auf gar nichts.“
Er schluckte den Pizzaklumpen herunter.
„Elinor…“
Mein Kopf fiel nach hinten, ich drückte mich tiefer in die Sofalehne.
„Lass uns in den Wald fahren“, schlug Aidan vor.
Wald…
„Lieber nicht… ich habe Angst...“
„Du wirst keinen Anfall kriegen.“
„Und wenn doch?“
„Wirst du nicht.“
„Ich wette ich werde einen Anfall bekommen!“ Meine Stimme wurde langsam zickig.
„Elinor! Du kannst dich nicht für immer hier drin verkriechen!“ Auch seine Stimme hatte sich verändert. Sie war mit Enttäuschung gefüllt, und das entging mir nicht. Es tat mir doch auch Leid, dass ich immer zu allem nein sagte. Ich konnte nur nichts anderes sagen.
„Morgen Wald.“ Für Aidan war es beschlossene Sache. Er biss ein weiteres Mal von seiner Pizza ab.
Ich nahm meinen leeren Teller und ging in die Küche, wo ich mich dem schmutzigen Geschirr von 3 Tagen widmete. Es sammelte sich so einiges an bei uns. Schrecklich.
15. April
Am nächsten Morgen wurde ich schon früh von der Sonne geweckt. Ich hatte vergessen, am Abend vorher die Vorhänge zu zuziehen.
Mit offenen Augen lag ich im Bett.
Aidan lag neben mir, seelenruhig schlafend. Es konnte noch so hell im Raum sein, schlafen konnte er immer.
Die Uhr zeigte gerademal 8 Uhr an.
Vorsichtig schob ich die Decke von meinem Körper und setzte mich auf. Für einen ganz kurzen Augenblick wurde mir schwarz vor Augen, aber dann ging es und ich verschwand im Badezimmer.
Ich betrachte mein Gesicht im Spiegel.
Mir wurde oft gesagt, ich wäre hübsch, doch ich war da anderer Meinung. Mein helles Haar hatte widerspenstige Wellen und stand zu allen Seiten ab. Wenn es regnete und die Luftfeuchtigkeit höher war, war es ganz besonders schlimm. Dann kringelten sich meine Haare jedes Mal und waren nicht mehr glatt zu kriegen.
Meine Augen waren hellgrau mit einer winzigen Spur grün. Es war nicht die Art von Augen, in denen man gerne versinken würde.
Meine Unterlippe war etwas voller als die Oberlippe und auf meinem Kinn war ein kleines Grübchen.
„Arschkinn“ hatten sie in der Grundschule manchmal zu mir gesagt. Kinder konnten so grausam sein.
Hinter meinen Lippen glänzte eine silberne Zahnspange.
Meine Haut war ziemlich blass, fast schon weiß, und Sommersprossen tanzten auf meiner Nase und auf den Wangen.
Ich stellte mich auf den Badewannenrand, um mich ganz im Spiegel sehen zu können. Ich war nicht sehr groß, immer die Kleinste von allen. Meine Schultern hingen schlaff herunter und meine Handgelenke sahen im Gegensatz zum Rest meines Körpers unnatürlich dürr aus.
Ich zog mein Shirt hoch. Mit meinem Bauch war ich soweit ganz zufrieden. Ein kleiner Leberfleck prangte links neben meinem Bauchnabel. Als ich 6 Jahre alt war, habe ich mal versucht, ihn heraus zu schneiden. Ich wusste nicht, wie sehr so etwas bluten konnte.
Die Badezimmertür ging auf und Aidan stand im Türrahmen.
„Was machst du da?“
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an. Ich stand noch immer auf dem Rand der Badewanne und rührte mich nicht.
Er kam zu mir herüber und legte seine Arme um meinen Rücken.
Langsam hob er mich auf den Fliesenboden und strich mir meine Haare hinter die Ohren.
„Elinor, du bist wunderschön.“
Anstatt ihm zu widersprechen, atmete ich nur hörbar aus.
„Wirklich“, verlieh er seiner Aussage Nachdruck.
Dann nahm er meine Hand und zog mich zurück ins Schlafzimmer.
„Lass uns weiter schlafen, es ist erst halb neun.“
Zum zweiten Mal an diesem Morgen weckte mich die Sonne. Sie blendete mich und tauchte meine Augenlieder von innen in ein leuchtendes Orange.
Diesmal drehte ich mich um und rüttelte an Aidans Arm.
„Aidan? Aidan!“
„Hmm?“, machte der und drehte sich auf die andere Seite.
„Aidan, bist du wach?“
„Nein“, brummte er und zog seinen Arm weg.
Ich stand auf und wühlte im Kleiderschrank.
„Soll ich das blaue Top anziehen?“, fragte ich den noch halb schlafenden Mann in meinem Bett.
„Oder doch lieber das weiße?“
Zehn Minuten später lag der halbe Kleiderschrankinhalt auf dem Teppichboden verteilt.
Und ich hatte immer noch nichts an.
„Zieh das weiße an. Ich mag das.“
Aidan hatte sich aufgerafft und blinzelte verpennt zu mir herüber.
Ich tat wie mir gesagt wurde und zog das weiße Top über. Es hatte drei kleine Knöpfe vorne am Ausschnitt, das gefiel mir.
Dazu die ausgeleierte Jeans und grüne Socken.
Aidan warf ich sein schwarzes T-Shirt mit dem roten Aufdruck zu.
Schwarz und weiß, das ergänzte sich gut.
„Also, wann fahren wir los?“, fragte Aidan kauend.
„Wie los? Wohin?“ Ich stellte mich absichtlich unwissend. Ich wollte nicht in den Wald.
„Na, in den Wald. Waldspaziergang. Wann fahren wir los?“
Ich zuckte anteilnahmslos mit den Schultern.
Die Schokocreme tropfte von meinem Toast auf meinen Finger.
„Lass uns das mal machen, das wird sicher lustig.“
„Ich will nicht“, war alles was ich noch sagte.
„Warte!“, rief er mir hinterher. Ich war schon die halbe Treppe rauf gehüpft, als er mich doch noch einholte und nach meinem Arm griff.
„Was?“, schnauzte ich ihn an.
Ich wollte nicht in den Wald. Ich wollte einfach hoch und den ganzen Tag in meinem Bett liegen. Wieder einen Tag überleben.
Erschrocken nahm er seine Hand weg und blieb stehen. Ich polterte die letzten Stufen hoch und knallte die Tür hinter mir zu.
Das Bett war noch ungemacht.
Ich ließ mich einfach der Länge nach drauf fallen und starrte an die Decke.
Heute war wieder so ein Tag. Ein Tag, an dem einfach gar nichts ging.
Die Sonne schien durchs Fenster auf meine blasse Haut, aber ich wollte nicht raus. Ich wollte nicht von ihr berührt werden. Ich wollte den Wind nicht in meinen Haaren spüren, und den Geruch nach Frühling nicht erleben.
Die Tür ging langsam und knarrend auf.
Aidan sah mich an, in seinen Augen eine Spur Verständnis und Entschlossenheit.
„Darf ich rein kommen?“, fragte er und machte einen Schritt auf mich zu.
Ich nickte kaum wahrnehmbar und zog die Beine näher an meinen Körper. Er setzte sich zu mir aufs Bett und griff nach meiner Hand. Seine Berührung fühlte sich gut an, auch wenn ich es nicht zugegeben hätte.
„Warum nicht?“, fragte er.
Ich suchte verzweifelt nach einem Punkt an der Wand, den ich anstarren konnte. Ich fand unser Foto. Eingerahmt in einem goldenen Bilderrahmen. Es zeigte uns beide, wie wir den Spielplatz weiter unten in unserer Straße unsicher machten. Ich stand auf der Schaukel und er drehte mich ein. Sein blondes Haar dabei vom Wind zerzaust und meine Jeans sandig. Wir sahen glücklich aus.
„Elinor?“
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.
Ich sah ganz kurz in seine Richtung, aber wie immer wandte ich den Blick sofort wieder ab. Blickkontakt war etwas Schweres. Auch jetzt, nach fünf Monaten, noch.
Seine Hand fuhr zu meinem Kinn. Er hielt es fest, sodass ich ihn angucken musste. Schnell schloss ich die Augen.
„Elinor. Sieh mich an.“
„Nein.“ Ich versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien.
Natürlich war er stärker. Wenn es um körperliche Auseinandersetzungen ging, hatte immer er die Hosen an.
Unangenehmes Schweigen stand in der Luft. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Komm“, brach Aidan schließlich die Stille und stand auf. Ich hatte verloren, ich wusste es. Murrend stand ich vom Bett auf und lies mich von ihm die Treppe runter führen. Unten warf er mir meine Schuhe zu.
Das Laub knisterte unter meinen Chucks, und ab und an zerbrachen ein paar Äste unter meinem Gewicht.
„Und, so schlimm ist es doch nicht, oder?“
Mein Blick war auf meine Füße gerichtet.
Nein, so schlimm war es nicht. Wir waren im Wald, und das war alles. Nichts Schlimmes.
„Mhh“, machte ich.
Aidan umgriff meine Taille und drückte mich an sich.
„Ich liebe dich“, flüsterte er mir ins Ohr, „Ich bin glücklich.“
Ich lächelte.
„Bist du auch glücklich?“ Seine wässrig-blauen Augen fixierten meine.
„Ja“, sagte ich und drückte meine Lippen auf seine. „Sehr sogar.“
Am Wegrand tauchte ein dicker, toter Baumstamm auf.
Aidan setzte sich darauf und zog mich neben sich.
„Nein, nicht, das ist kalt und nass und dreckig“, kreischte ich und wehrte mich.
Aber, wer hätte es gedacht – er war natürlich wieder stärker.
Zwei Minuten später saß ich auf dem Baumstamm. Durch meine Hose konnte ich die feuchte Kälte spüren. Sie kroch durch meinen Po in meine Beine und ließ mich erschaudern.
„Und jetzt?“, fragte ich.
Aidan drückte mich leicht zur Seite, bis ich auf dem Holz lag.
„Kuss“, grinste er und legte sein Gewicht auf mich.
Seine Zunge umspielte vorsichtig meine Lippen.
Mein Herz hüpfte und mein Magen tobte.
Es war ein verdammt tolles Gefühl, von Aidan geküsst zu werden.
Plötzlich tropfte etwas auf meine Nase. Ich schreckte hoch, und sogleich nieselte es los.
Regen war nicht gerade meins.
„Ich will nach Hause“, bemerkte ich und hielt mir die Hände über dem Kopf zu einem Dach geformt.
„Es ist doch nur Niesel-“
„Ich will nach Hause.“
16. April
„Aua.“ Wehleidig sah ich ihn an. Ich lag mit ausgestreckten Gliedern im Bett und rührte mich nicht. Mir tat alles weh.
„Hier“, sagte er und legte mir jeweils ein Kühlpack auf Knie und Ellbogen.
Die Kälte tat gut, sie fror die Schmerzen ein wenig ein.
Laute Regentropfen prasselten auf meine Dachfenster und es waren dunkle Wolken am Himmel.
Es war schlechtes Wetter.
Am Abend hatte ich einen Anfall gehabt.
Der Schmerz zog meine Gliedmaßen entlang und verwehrte mir Bewegung jeder Art. Ich hasste solche Tage.
„Kann ich noch irgendwas für dich tun?“
Ich schüttelte den Kopf und verzog gleich darauf das Gesicht.
Selbst das tat weh.
„Aua“, sagte ich wieder.
Aidan stand auf, drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn und machte sich dann auf den Weg zur Arbeit.
Ich blieb weiter im Bett liegen. Etwas anderes war mir ja nicht möglich.
Als ich sieben Jahre alt war, waren meine Eltern und ich im Urlaub in Schweden. Es war warm und sonnig und wir fühlten uns alle sehr wohl dort.
Als wir einen Tag in einem Café Kuchen essen wollten, gingen wir über einen großen Platz. Die Pflastersteine waren größer als meine Füße und uneben, was mir das Gehen erschwerte. Prompt stolperte ich und fiel nach vorne, auf Hände und Knie.
Es war ziemlich schmerzhaft, und meine Beine und Arme begannen schon Sekunden später zu zucken. Ich verlor das Bewusstsein und bis mir heftig auf die Zunge.
Ich musste den Rest des Urlaubes im Bett verbringen, da mir alles weh tat.
Als ich auch zu Hause einen solchen Anfall bekam, ging meine Mutter mit mir zum Kinderarzt, der uns mitleidig zu einem Neurologen überwies. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht einmal, was das war.
Zwei Monate und viele, viele Ärzte später stand die Diagnose.
Absence-Epilepsie.
‚Absence‘ ist Französisch und bedeutet ‚Abwesenheit‘. Im Grunde ist das einfach eine Bewusstseinstrübung, die 5 bis 20 Sekunden andauert.
Meine Hand arbeitete sich langsam bis zum Nachttisch vor, wo sie eine Packung Schmerzmittel fand. Ich nahm zwei Tabletten und schloss dann die Augen, um die Wirkung zu spüren.
Das Einzige, was ich damals gut an dieser Diagnose fand, war die Befreiung vom Sportunterricht. Sport war noch nie mein Ding.
Aber wie gesagt, das war auch schon das Einzige.
Ich musste von da an Tabletten nehmen, nicht gerade kleine. Ich konnte nicht mehr alleine nach draußen gehen, konnte nicht mehr ordentlich schreiben, und hatte regelmäßig weitere Anfälle mit Schmerzen danach und teilweise Fieber. So wie jetzt.
Als ich die Augen wieder aufmachte, war es draußen bereits dunkel. Der Regen hatte nachgelassen und die Wolken waren weiter gezogen.
Ich sah auf die Wanduhr und erschrak. Es war bereits acht Uhr abends.
Die Kühlpacks auf meinen Gelenken waren schon lange nicht mehr kalt.
Die Schmerzen waren aber weg.
Ich stand auf und ging die Treppe herunter. Unten in der Küche fand ich Aidan am Herd stehen.
„Ich mach Chili für uns“, sagte er und gab mir einen Kuss zur Begrüßung.
„Geht es dir besser?“
Ich nickte und setzte mich auf den Küchentisch.
Aidan hatte diese furchtbare Schürze um. Sie war babyblau und hatte vorne eine kleine, rotkarierte Tasche. Ich mochte sie nicht. Sie ließ Aidan einfach viel zu weiblich aussehen.
„Die Ferien fangen ja nicht so toll an“, bemerkte er.
„So ist das mit Ferien.“ Ich lachte, obwohl mir nicht danach zu Mute war. Es tat mir jedes Mal leid, wenn ich einen Tag im Bett verbrachte. Es waren jedes Mal verlorene Tage, die man nie wieder bekommen würde.
„Meinst du, wir können morgen irgendwas machen?“
„An was hast du gedacht?“
„Wir könnten ins Kino. Der neue Film läuft heute an.“
„Oh nein, dieser Alienfilm“, stöhnte ich. Aidan stand total auf Aliens. Weltraum, Aliens, fremde Planeten. Ich persönlich konnte damit eher weniger anfangen.
Letzten Monat hat er mich mehr oder weniger gezwungen, alle Star Wars- Teile zu gucken.
Den ersten hab ich noch gut überstanden, aber dann wurde es mir langweilig.
Was ich mochte, das waren Filme wie Titanic. Viel Liebe und ein wenig Kitsch.
„Ja, genau der.“ Aidan stand direkt vor mir und grinste mich an. Seine Zähne waren so unnatürlich weiß. Man hätte meinen können, sie wären gebleicht. Er hätte Zahnpastawerbung machen können.
Ich setzte meine Augen ein. Blinzelte ein wenig.
„Muss es wirklich der Alienfilm sein?“, fragte ich und zog ihn näher an mich heran.
Für einen Augenblick dachte ich, ich hätte es geschafft, doch dann griff er meine Handgelenke und legte mir meine Hände auf den Schoß.
„Du bist so klein, und trotzdem so böse.“
Wieder grinste er.
„Ja, es MUSS der Alienfilm sein.“
Ich seufzte.
„Die haben die Bank woanders hin gestellt“, sagte Aidan empört, als wir auf das Spielplatzgelände traten.
„Wollen wir sie wieder zurück stellen?“ Ich lachte und lief ihm hinterher. Es war unser erster Nachspaziergang seit langer Zeit.
Aidan drehte sich um und durchbohrte mich mit seinen wunderschönen Augen. „Wollen wir?“
Er ging um die Bank herum zu dem einen Ende und hob sie vorsichtig an.
„Sie ist nicht fest gemacht.“
Der Spielplatz wurde nur vom Mond beleuchtet. Der Sand glitzerte leicht und es wirkte wunderschön verlassen und still.
Ich setzte mich auf die Bank.
„Aber ich befürchte, die andere Seite wird sich unter meinen Armen nicht heben.“
„Hmm, stimmt.“
Er setzte sich zu mir und wir beobachteten den Himmel.
Er war wolkenlos und mit zigtausenden von Sternen behangen. Der Mond leuchtete dick und rund direkt über unseren Köpfen.
„Ich will schaukeln“, sagte ich nach einer Weile und stand auf.
„Wer zuerst da ist!“ Aidan sprintete los und überholte mich mit Leichtigkeit.
Er erreichte die erste kleine, blaue Schaukel und lies sich darauf fallen.
Ich nahm die zweite.
Ein Vorteil am Kleinsein ist, dass man die Beine beim Schaukeln nicht permanent nach vorne strecken muss, um den Boden nicht zu berühren.
Ich erreichte als Erste den Punkt, an dem man nicht mehr höher kam. Als Kind denkt man, wenn man nur lange genug weiter schaukelt, würde man sich schon mit der Zeit überschlagen. Und dann bekommt man Physik in der Schule und der Traum vom Überschlag zerbricht an der Zentrifugalkraft.
„Mit Absprung?“, riss mich Aidan mal wieder aus meinen Gedanken.
Als ich verstand, was er meinte, schüttelte ich heftig den Kopf.
„Warum denn nicht?“, lachte er, „Mann, bist du langweilig.“
„Vielen Dank auch.“
Ich bremste mit den Füßen ab und stand auf.
Ich hasste es, wenn er das sagte. Ich wusste zwar, dass er es nicht ernst meinte, aber es versetzte mir jedes Mal wieder einen unangenehmen Stich im Herzen.
Ich hatte das Gefühl, ich gab ihm viel zu wenig.
Aidan bemerkte meinen veränderten Gesichtsausdruck.
Er sprang von der Schaukel und landete dicht neben mir.
„Tut mir leid, Kleine“, sagte er und legte dabei seine Hände an meine Wangen.
Seine Handinnenflächen waren rau von den Schaukelketten und kalt von der Nachtluft, aber meinetwegen hätten sie für immer dort liegen bleiben dürfen.
„Alles okay?“
„Ja.“
„Klettergerüst?“
„Klettergerüst.“
Ich war zuerst auf der Plattform angekommen.
„Ällebätsch“, sagte ich, als ich mich sicher hingesetzt hatte und streckte Aidan meine Zunge entgegen.
„Na warte!“
Er kletterte so schnell wie irgend möglich das Netz hinauf und schmiss sich auf meinen Körper. Ich schrie unter seinem Gewicht auf und bekam für einen kurzen Augenblick keine Luft mehr. Aber nach fünf Monaten war ich daran längst gewöhnt.
Aidans Finger suchten nach meinem Bauch, und als sie ihn fanden, kitzelte er los.
Meine Schreie mussten in der gesamten Umgebung zu hören sein.
Es war eine sehr schöne Nacht.
17. April
„Warum nicht?“ Aidans Stimme wurde lauter. „Warum denn nicht?!“
Ich saß mitten im Zimmer auf dem Fußboden und kam mir unendlich klein vor.
Aidan lief vor mir auf und ab und gestikulierte wild mit den Armen.
„Es geht dir doch gut! Es ging dir gestern gut, es geht dir heute gut. Warum nicht?“
„Vielleicht…“, stammelte ich, „Vielleicht geht es mir heute Abend nicht gut…“
Mein Blick war nach unten gerichtet. Ich wusste nicht, mit welchen Argumenten ich ihm kontern sollte. Ich hatte keine.
„Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“ Aidans Gesichtsausdruck war die Verzweiflung anzusehen. „Elinor. Du kannst nicht immer alles an ein bedeutungsloses Vielleicht hängen.“
Meine Lippen begannen zu zittern.
‚Vielleicht‘ war mein Wort für jede Situation.
Vielleicht treffen wir uns nachher.
Vielleicht mach ich irgendwann mal das und das.
Vielleicht habe ich heute Abend einen Anfall.
Als ich nichts erwiderte, kniete Aidan sich neben mich.
„Elinor!“
Ich sah ihm in die Augen, den Tränen nahe.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich und unterdrückte ein Schluchzen.
Er beugte sich zu mir herüber und nahm mich in den Arm.
„Heute Abend Kino, Elinor.“
Es fühlte sich an, als würde mein Körper einknicken. Als würde mir mein Herz in die Hose rutschen.
Ich sagte nichts.
Vielleicht würde mir im Laufe des Tages ja doch noch etwas einfallen, wie ich dem Kino aus dem Weg gehen konnte.
Schon wieder vielleicht.
„Wir nehmen den Bus um halb sechs, okay?“
Ich nickte stumm.
Im Bus suchte ich uns schnell Sitzplätze, während Aidan noch die Tickets kaufte.
Eine Gruppenkarte war am günstigsten, wenn man zu zweit irgendwo hin und zurück fuhr.
Leider kam ich mittlerweile nicht mehr als 14-Jährige durch. Und Lügen war nicht gerade meine größte Stärke.
Aidan setzte sich auf den Platz neben mir.
„Alles gut?“, fragte er.
Wieder nickte ich einfach nur. Seit einer Stunde sprach ich jetzt schon nicht mehr. Er dachte sicher, ich sei beleidigt oder wütend, dabei hatte ich einfach nur nichts zu sagen.
„Wirklich?“ Sein Blick durchdrang mich fast.
„Ja, wirklich!“ Diese zwei Wörter kamen genervter rüber, als sie sollten.
„Tut mir leid“, fügte ich schnell hinten dran.
„Hmm.“ Aidan rutschte auf seinem Platz hin und her. „Kino wird toll, versprochen.“
„Okay.“
Im Zug roch es nach Pommes. Aber es war weit und breit niemand mit Pommes zu sehen.
Der Geruch bewirkte bei mir, dass ich Hunger bekam.
„Wann werden wir wieder zu Hause sein?“, fragte ich.
„Uff. Der Film fängt um 20 Uhr an, circa zwei Stunden… rechne mal mit 23 Uhr.“
„Okay.“
Viel zu spät, dachte ich.
Wären meine Eltern zu Hause gewesen, hätte ich gar nicht mitgedurft. Nach zehn Uhr durfte sich eine 17-Jährige in ihren Augen nicht mehr draußen aufhalten.
Aber sie waren ja nicht zu Hause. Ich hatte nichts zu befürchten. Sie würden es wahrscheinlich niemals erfahren.
Im Kino war es viel zu voll. Ich verstand nie, warum er immer dieses Kino aussuchte. Immer das Größte, immer das mit dem meisten Gedrängel. Ich blieb dicht an ihm kleben und hielt seinen Arm fest umklammert. Ich hasste so viele Menschen auf einem Haufen.
„In welchen Saal müssen wir?“, schrie ich, doch er hörte es nicht. Es war zu laut und meine Stimmbänder nicht kräftig genug. Außerdem war die Frage nicht so wichtig, er führte mich ja gerade hin. Also eine überflüssige Frage. Ich fragte nur, um das erdrückende Schweigen zwischen uns zu brechen und mich auf andere Gedanken zu bringen.
Als wir den dritten Kinosaal betraten wurde es schlagartig leiser. Die Ruhe war Entspannung pur für meine Ohren und ich traute mich endlich, Aidan loszulassen.
„Danke“, lachte er, als meine Krallen sich lockerten. „Ich krieg sicher blaue Flecken davon.“
„Entschuldige“, murmelte ich und folgte Aidan zu unseren Plätzen. Reihe H, Plätze 40 und 41.
Ich setzte mich auf 41. Auf Platz 39 saß schon eine dicke Frau mit kurzen, braunen Haaren. Auf Platz 42 saß noch keiner. Ich hoffte, dass das so bleiben würde.
„Ich geh kurz Popcorn holen“, sagte Aidan und stand auf. Als ich auch aufstand, drückte er mich vorsichtig zurück in den Polsterplatz.
„Pass auf unsere Plätze auf.“
Und dann war er auch schon weg.
Wieder eine Situation, die ich nicht mochte. Die dicke Frau starrte mich an. Wie immer flogen tausende Gedanken durch meinen Kopf. Was sie wohl dachte. Unwillkürlich fuhr meine Hand zu meinem Kopf und bürstete leicht über meine Haare. Wahrscheinlich machte ich meine Frisur damit aber eher kaputt, anstatt sie zu verbessern. Bestimmt waren meine Haare auch gar nicht der Grund, weshalb sie mich so ansah.
Ihr Blick machte mich zunehmend nervös und ich sah sehnsüchtig zur Tür, doch von Aidan noch keine Spur. Sicher war die Schlange beim Popcorn ellenlang.
Nervös wackelte ich mit den Füßen auf und ab.
„Hey“, rief die Frau und ich fuhr herum.
Meine Wangen liefen rot an und ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Ich wünschte, Aidan hätte heute auf das Popcorn verzichten können.
„Hey.“ Diesmal eine Stimme hinter mir. Wieder drehte ich den Kopf. Ein Mann. Ebenfalls dick, wie die Frau, zwängte sich an den hochgeklappten Sitzen vorbei auf uns zu.
„Hier, für dich“, sagte er, als er bei der Frau angelangt war und reichte ihr eine Tüte Haribo.
In dem Moment wurde es mir klar. Es war nicht ich, die angestarrt wurde. Es war der Mann. Ich Vollidiot.
Meine Wangen wurden noch roter, und zum Glück wurde es genau in dem Moment dunkler. So sah zumindest niemand meinen hochroten Kopf.
Aidan kam wieder und stellte eine große Tüte Popcorn auf die Armlehne zwischen uns. Er reichte mir eine Flasche Wasser und trank selbst durch einen Strohhalm Cola.
„Auch mal?“, fragte er und deutete auf den Strohhalm.
„Danke, nein.“
Werbung wurde auf die Leinwand projiziert. Zahnpastawerbung, die, die auch im Fernsehen immer lief.
„Für ein strahlend weißes Lächeln“, sagte ich zeitgleich mit der wunderschönen Frau in der Werbung und Aidan lachte.
„Und jetzt auch für unterwegs: Zahnweißkaugummis!“
Als der Film begann wurde es dann auch endlich ganz und gar still im Raum. Nur noch ab und zu ging ein Stöhnen, Lachen oder erschrockenes Piepsen durch die Reihen.
Der Film war langweilig und unrealistisch, aber ich hatte nicht vor, Aidan das zu sagen. Er freute sich wie ein kleines Kind darüber, dass ich wirklich neben ihm saß und wir gemeinsam Aliens beim Kämpfen gegen fremde Universen beobachteten. Und ich freute mich darüber, dass er sich freute. Ich freute mich immer, wenn ich ihm mal eine Freude machte. Er tat so viel für mich, und ich hatte immer das Gefühl, was ich ihm gab, war einfach nicht genug.
In der Bahn nach Hause schlief ich an seiner Schulter ein. Das leichte Schaukeln machte müde und draußen war es so dunkel, dass man nicht mal mehr die Bäume direkt neben der Bahnstrecke sehen konnte.
Ich hatte keine Anfall , nicht mal ein leichtes Armzucken. Aber es hätte ja sein können. Vielleicht…
„Nein, Sie kommen hier nicht rein!“ Der Mann baute seinen muskulösen Körper vor mir auf.
„Zutritt nur für hübsche Personen.“
Er hielt mir seine Handfläche vor die Nase um seinem Nein Nachdruck zu verleihen.
„Aber warum komm ich nicht rein? Ich bin hübsch!“, pöbelte ich ihn an.
Es war kalt hier draußen und es war schon 7:50 Uhr, der Unterricht hatte schon begonnen.
„Sie sind hässlich.“
„Aber ER hat gesagt, ich bin hübsch!“, schrie ich und zeigte auf Aidan, der am Schulbrunnen lehnte. Er hatte die Arme verschränkt und trug eine dicke Sonnenbrille, sodass ich seine Augen nicht sehen konnte.
„Er lügt.“
Ich war verzweifelt.
„Ich BIN hübsch! Guck!“ Ich zog meinen Pulli aus. Darunter kam ein enges, weißes Top zum Vorschein.
Der Türsteher zog die Augenbrauen hoch und musterte meinen Körper.
„Ich bin noch nicht überzeugt“, brummte er.
Meine Hände glitten zum Saum meines Tops. Ich zog es hoch, doch es hakte. Ich zog fester… und fester…
„Elinor?“
„Ich bin hübsch“, murmelte ich noch einmal. „Lass mich rein.“
„Elinor!“
„Hm?“ Erschrocken riss ich die Augen auf.
Der Zug fuhr in einen Bahnhof ein. Ich konnte das Schild nicht sehen, es war noch alles ganz verschwommen.
Es war kalt hier.
Ich suchte nach meinen Jackenärmeln.
Erst jetzt merkte ich, dass ich keine Jacke mehr anhatte. Ich fasste mir an die nackten Arme und lies den Traum plötzlich Revue passieren.
Eine Träne sammelte sich in meinem Augenwinkel und hinterließ eine salzige Spur auf meiner Wange.
„Er hat gesagt, ich bin hässlich“, schluchzte ich und warf mich in Aidans Arme.
„Was? Wer..? Du – Elinor, du bist nicht hässlich! Du bist wunderschön, du bist meine kleine Süße!“
Aidan legte hilflos seine Arme um mich.
Ich weinte in seine Schultern.
Es war das vierte Mal, dass ich diesen Traum hatte. Er kam immer wieder. Nur die Umgebung wechselte. Mal war es die Schule, in die ich nicht hereinkam, mal das Einkaufzentrum.
„Du bist nicht hässlich“, wiederholte Aidan noch einmal.
An manchen Tagen waren die Anfälle so schlimm, dass ich einfach nicht in die Schule gehen konnte.
Ich lag dann den ganzen Tag im Bett und wollte mich nicht bewegen, nicht fernsehen, nicht die Augen aufmachen. In den letzten Jahren wurde das immer häufiger, meine Fehlstunden vervielfachten sich. Anfangs war das noch in Ordnung, es war kein Problem, den Schulstoff nachzuholen. Aber mit steigender Klassenstufe kamen immer mehr Schwierigkeiten dazu. Ich verpasste zu viel, und die Lehrer waren nicht gewillt, mir den fehlenden Stoff zu erklären. Ich verhaute eine Arbeit nach der anderen und kam einfach nicht mehr mit.
Und nun war ich in der 11. Klasse und kurz davor, eine Ehrenrunde zu drehen.
Texte: Alle Rechte am Text liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 10.04.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
„Lieben wir uns?“
„Ja.“
„Wie viel?“
„Ein bisschen viel.“