Cover


Hallo :)
Ich schreibe jetzt schon seit über zwei Jahren an diesem Buch, und irgendwie geht es nicht voran. Aber ich will auch nicht aufhören, denn ich habe eine Idee und das Buch gefällt mir gut. Darum hatte ich nun die Idee, es hier hinein zu stellen und einmal zu schauen, ob vielleicht jemand von euch Lust hätte, mir beim Schreiben dieses Buches zu helfen. Wie genau ich mir das vorstelle weiß ich leider noch nicht, aber entweder habt ihr dazu sogar auch eine Idee, oder aber wir finden später gemeinsam eine :)
Also wenn jemand Interesse hat, kann er ja gerne mal den folgenden Anfang lesen (weiter bin ich noch nicht...), und wenn er dann immer noch interessiert ist, kann er sich gerne per Nachricht bei mir melden, am besten mit einer kurzen Beschreibung von sich selber, sprich Name, Alter, vllt ein paar Hobbies, man muss ja auch zusammen passen um zusammen zu schreiben ;), und am allerbesten wäre natürlich eine ganz kurze Leseprobe für mich, vllt hängt ihr einfach ein paar Zeilen an den Anfang von mir dran :) Ich guck mir das alles an und schreib dann zurück, wenn ich finde, dass es passt :)
Verbesserungs- und Änderungsvorschläge nehme ich natürlich auch an.
Ganz kurz zu mir: Ich heiße Marie, bin 18 Jahre alt und gehe noch zur Schule, meine Hobbies sind, wer hätte es gedacht, schreiben natürlich, ich mag Acrylmalerei und nähen, ich koche gerne und gehe gern spazieren :)
Wer mir heute noch schreibt, hat gute Chancen auch heute noch eine Antwort zu bekommen, ansonsten habe ich erstmal ca. 6 Wochen kein Internet, ich weiß nicht, ob ich dann vllt zwischendurch mal antworten kann oder sonst danach erst.

Ich bin gespannt auf euch und eure Ideen!


Kapitel 1
„Hier, ich hab eine!“, rief Danny mir aus dem Dickicht der Bäume zu und winkte aufgeregt mit den Händen. Widerwillig trottete ich in seine Richtung, überhaupt nicht scharf darauf, mir seine Beute anzusehen. Wie jedes Mal hatte ich mir gar nicht erst die Mühe gemacht, überhaupt nach einem menschlichen Wesen Ausschau zu halten. Ich fand den Gedanken immer noch abstoßend und widerwertig.
„Na, wie findest du sie?“ In Dannys muskulösen Armen hing ein schlaffer, zarter Körper. Ein junges Mädchen, nicht älter als 16, vermutete ich. Sie war hübsch und hatte etwa schulterlanges, braunes Haar. In ihrem Oberarm steckte noch die Giftspritze, die Danny ihr nur Minuten zuvor injiziert hatte. Ein Ekelgefühl machte sich in mir breit, während ich das arme Ding musterte. Als ich Dannys erwartungsvollen Blick bemerkte, nickte ich nur einmal kurz. Anscheinend reichte ihm dies als Bestätigung für seinen tollen Fang. Er war wirklich Sammler, mit Leib und Seele. Bei diesem Gedanken musste ich grinsen.
„Und, hast du schon was?“ Vorsichtig hievte er den leblosen Körper auf sein Pferd.
„Nein.“ Meine Antwort überraschte ihn nicht. Er war voll und ganz davon überzeugt, dass ich eine miserable Sammlerin war. Womit er nicht ganz Unrecht hatte. Nur dass ich mich nicht, wie alle glaubten, einfach nur zu doof anstellte, nein, ich versuchte gar nicht erst, auch nur eines dieser Menschenwesen umzubringen.
„Lass uns nach Hause reiten“, forderte ich ihn auf und schwang mich in den Sattel meines Pferdes. Er tat es mir nach, zufrieden mit seinem heutigen Fang. Gemeinsam ritten wir nach Kartika zurück.
„Faye, Faye …“ Seufzend ging er vor mir auf und ab.
„Es tut mir leid, Herr. Erlaube m…“
„Was mache ich mit dir?“ Er blieb direkt vor mir stehen, unsere Gesichter schienen sich beinahe zu berühren.
„Erlaube mir, Herr. Möglicherweise irrtest du, als du mir meine Berufung zuwiest.“ Schaudernd über unsere Nähe trat ich einen Schritt zurück. Er folgte mir.
„Ich irre nie.“
Seine Hände griffen nach den meinen und fuhren langsam meine Arme hinauf.
„Schade ist’s um dich.“ Er nahm mein Kinn in die Hand und drehte meinen Kopf so, dass ich ihm in die Augen schauen musste. Sie funkelten nur so von Garstigkeit.
„Schade deiner Schönheit wegen.“ Sein Mund presste sich auf meinen. Innerlich schüttelte es mich vor Abscheulichkeit.
Dann ließ er von mir ab.
„Faye.“
„Ja, Herr?“ Unbewusst bewegte ich mich wieder einige Zentimeter rückwärts.
„Faye, sage mir, erinnerst du, was ich dir das letzte Mal gesagt habe?“ Mein Blick fiel zu Boden und blieb an seinen Ledersandalen hängen.
„Ja, Herr, ich erinnere.“
„Nun, was gedenkst du mir zu raten, was ich jetzt mit dir anfangen soll?“ In dem Moment gewann meine Angst die Überhand. Meine Knie gaben nach und ich sackte auf den kalten Lehmboden. Alles begann sich zu drehen und mir wurde schwarz vor Augen.

„Hey, wach auf!“ Ich spürte etwas Kaltes auf meiner Stirn. Kalt und… nass! Mit einem Mal riss ich die Augen auf und saß kerzengerade in meinem Bett.
Ungläubig sah ich mich um. Warum…?
„Der Herr hat dir eine letzte Chance gegeben.“ Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus.
So fest ich auch davon überzeugt war, niemals ein Menschenwesen töten zu wollen, vor den Folgen hatte ich gewiss große Angst.
„Allerdings…“, setzte Danny an. Na toll. Es gab einen Haken. Natürlich gab es einen Haken.
„Was muss ich tun?“, fragte ich und stieg aus dem Bett.
„Er wird dir ein Menschenwesen suchen…“
„Er will sehen, wie ich es töte?“ Naja, das klang logisch. Vielleicht konnte ich es ein einziges Mal über mich bringen, wenn ich mein eigenes Leben damit retten konnte…
„In der Arena.“
„Was?!“ Mir klappte der Unterkiefer herunter. Warum tat er mir das an?!
„Wann?“
„Übermorgen.“ Mit einem Mal kehrte die Angst zurück. Vor dem Herr ein Menschenwesen töten, okay. Das hätte ich vielleicht noch hinbekommen. Aber in der Arena? Vor ganz Kartika? Niemals!
Ich drehte mich in Richtung Tür. Ich wollte alleine sein. Darüber nachdenken, was ich jetzt tun sollte.
„Faye? “ Ich war schon fast zur Tür heraus, als Danny zögernd zu mir rüber blickte.
„Ohne Gift.“

Super, eine Zwickmühle. Eine große Zwickmühle. Was machte ich denn jetzt nur? Ich konnte doch unmöglich ein Menschenwesen vor ganz Kartika ermorden! Andererseits… würde ich es nicht tun, ich würde verdammt. Ich erinnerte mich an die Worte des Herrn.
„Faye. Seit du hier ankamst und ich dir deine Berufung zugeteilt, brachtest du nicht einmal Beute mit daheim. Faye, so funktioniert das System nicht. Entweder, du machst dich hier nützlich, oder du wirst verdammt.“
Verdammnis. Das war die schlimmste Strafe, die man erhalten konnte. Verdammnis bedeutete ein ewiges Leben im Reich der toten Untoten. Das stellte ich mir gewiss nicht angenehm vor.
Also, was sollte ich jetzt tun? Töten? Mir blieb wohl nichts anderes übrig. Töten. Meiner Ansicht nach war Töten etwas unglaublich Schlimmes. Jemandem Unschuldigen einfach so sein Leben nehmen. Das ließ sich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Oh Herr, ich kann doch nicht vor ganz Kartika ein unschuldiges Menschenwesen töten!
Während ich verzweifelt an einen Baumstamm gelehnt saß und heulte, hatte der Herr sich sicher schon auf den Weg gemacht, um mir ein schönes Menschenwesen zu jagen. Was würde er mir bringen? Ohne Gift, sagte Danny. Das machte das Ganze noch schlimmer. Wie sollte ich das Wesen denn nur ohne Gift töten? Erwürgen? Erschlagen? Verbrennen? Ertränken? Ich schlug die Hände vors Gesicht. Wo war ich da nur hinein geraten?

„Hier, versuch es damit.“ Danny drückte mir den Griff einer langen silbernen Klinge in die Hand. Ungläubig starrte ich das Schwert an. Noch nie hatte ich eines in der Hand. Glaubte er wirklich, ich würde damit ein Wesen ermorden können?!
„Los jetzt, versuche es doch einmal“, drängte er und sah mich eindringlich an.
Ich stellte mich vor das Versuchswesen, die Füße leicht auseinander, um einen besseren Stand zu haben. Langsam hob ich das Schwert und wollte zustechen, doch dann ließ ich es genauso schnell wieder sinken.
„Danny, ich…. Ich kann das einfach nicht.“ Klirrend fiel das Schwert zu Boden. Danny kam auf mich zu und legte seine Arme tröstend um mich.
„Faye…“ Tränen rollten meine Wange hinab. Er seufzte, hob das Schwert vom Boden auf.
„Hör zu, Faye. Ich liebe dich. Und ich will, dass du jetzt verdammt nochmal dieses Stück Holz kleinmetzelst.“ Er nickte in Richtung des Versuchswesens. „Ich will dich nicht verlieren, hörst du?“
Nun seufzte auch ich. Ich nahm ihm das Schwert aus der Hand und stellte mich erneut in die Ausgangposition. Ich hob den Arm mit der Klinge, dann kniff ich die Augen zu und ließ ihn pfeilschnell nach unten schießen, bis ich merkte, wie er sich durch das widerspenstige Holz grub. Ich öffnete die Augen leicht, es war nur ein Blinzeln, aber weit genug, um zu sehen, dass Danny begeistert in die Hände klatschte.
„Siehst du, es geht ganz einfach!“ Er nahm meinen Kopf zwischen seine Finger und drückte mir einen Kuss auf den Mund.
Ich blinzelte noch immer ungläubig den durchbohrten Holzklotz an. Hatte ich das gerade echt getan?
Nervös lief ich den düsteren Gang hinunter. Ich kannte ihn mittlerweile so gut wie meine Westentasche, so oft lief ich hier schon entlang, um dem Herrn einen Besuch abzustatten. In meinem Bauch machte sich ein ungutes Gefühl breit. Würde er mir heute das Wesen vorstellen, gegen das ich morgen kämpfen würde? Bitte, dachte ich, bitte lass es mich vorher einmal sehen. Dann wüsste ich zumindest, auf was ich mich vorbereiten musste. Ich trat durch die große Eisentür und blieb einige Meter vor dem Thron des Herrn stehen.
„Tritt näher, Faye.“
Ich schluckte schwer. Seine Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich machte einen Schritt näher, was ihm anscheinend nicht genügte. Er stand auf und kam auf mich zu. Unweigerlich bewegte ich mich wieder in Richtung Tür.
„Aber Faye, habe keine Angst!“
„Warum hast du mich herbestellt, Herr?“ Meine Stimme klang zittrig. Ich spürte seine Hand auf meinem Arm ruhen und schauderte ein weiteres Mal.
„Ich nehme an, Daniel hat dir von den Bedingungen berichtet?“
„Ja, Herr.“ Ich versuchte unauffällig seiner Berührung zu entkommen, was mir aber nicht gelang.
Seine kalten Finger strichen mir übers Haar und den Unterkiefer entlang.
„Gib dir Mühe, Faye, es wäre wirklich zu schade, wen so hübsches zu verlieren.“
Ich nickte. Er betrachtete mich wie ein Pferd auf dem Markt. Abschätzend. Wertend. Interessiert.
Mir wurde übel.

Beim Anblick der zigtausenden von Zuschauern wurde mir flau im Magen. Ich hatte noch nie gerne im Rampenlichtgestanden, doch die Tatsache, dass ich in wenigen Minuten ein Menschwesen ermorden sollte, machte das Ganze hier um Längen schlimmer. Ich schluckte. Nervös blickte ich auf meine zitternden Hände hinab. Wie sollte ich mit solch einem Zittern vernünftig mein Schwert halten können? Ich spürte förmlich, wie die Angst durch meinen ganzen Körper floss. Ich war schon wieder kurz vor einer Ohnmacht, was in diesem Moment mehr als unpraktisch war. Ich starrte gebannt auf die Tür am anderen Ende der Arena. Aus genau dieser Tür würde in einigen Sekunden mein Menschenwesen heraus treten. Ich schluckte abermals.
Und in diesem Moment drückte wer von Innen die Klinke herunter. Meine Beine begannen, bedrohlich wackelig zu werden. Nicht umkippen, Faye, flüsterte ich mir zu, immer und immer wieder. Das Atmen fiel mir schwer. Gleich würde ich sehen, wen ich ermorden sollte. Die Tür öffnete sich. Gebannt starrte ich die Gestalt an, die soeben zum Vorschein kam. Es war ein Menschenwesen von männlicher Statur, etwas größer als ich, aber scheinbar mager und nicht sehr muskulös. Er trug einen dunkelbraunen Umhang, mit Kapuze, die sein Gesicht vor mir verbarg. Er wirkte gefasst, viel zu gefasst für solch eine Situation. Ob er wusste, was hier mit ihm geschah?
Mit kleinen Schritten kam er auf mich zu. Sein Gang war elegant und weckte in mir Respekt. Das war schlecht.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Verzweifelt versuchte ich, dieses Gefühl zu unterdrücken, zu vergessen. Er ist nur ein Menschenwesen, ein einfaches Wesen ohne Seele und Herz, nur in toter Form nützlich, versuchte ich mir einzureden. Diesen Satz hatte Danny mir vor ca. 2 Stunden gefühlte zweitauend Mal eingeflößt.
Als ich erneut aufschaute, stellte ich mit kurzem Schrecken fest, dass er bereits vor mir stand. Die braune Kapuze hing ihm noch immer tief ins Gesicht, doch ich meinte, sein markantes Kinn erkannt zu haben, ebenso wie die Spitzen tiefschwarzer Haare.
Ruhe kehrte bei den Zuschauern ein. Alle warteten gebannt auf das Startsignal, alle freuten sich auf einen blutigen Kampf.
Und ehe ich mich versah, ertönte ein lautes Dröhnen, welches mir sagte, dass ich das Wesen vor mir jetzt so schnell wie möglich umlegen sollte. Meine Hand glitt zum Griff meines Schwertes, doch sie zog es nicht heraus. Sie verweilte auf dem hölzernen Griff.
Mein Gegenüber führte langsam, aber gezielt, seine Hände zu seiner Kapuze. Als ich freie Sicht auf sein Gesicht hatte, blieb mir die Luft weg. Sein dunkles, schwarzes Haar reichte ihm bis zum Kinn und hatte leichte Wellen. Im Licht der Sonne schien es nahezu zu funkeln und zu glänzen. Seine Lippen waren zu einem dünnen, geraden Strich geformt, seine Augen fixierten mich. Ich war wie in seinem Bann. In seinen Augen spiegelten sich Schmerz und Leid, aber auch Stolz und Stärke. Ich war wie gelähmt, konnte das Schwert nicht aus der Scheide ziehen. Mein Magen drehte sich, ein komisches Gefühl machte sich in mir breit. Die Zuschauer und die Arena waren vergessen, ich war völlig in den Augen des Menschenwesens versunken.
„Reich mir deine Hand.“ Seine Stimme war gerade laut genug für mich. Sie war tief und männlich, selbstbewusst und irgendwie auch traurig.
Ich weiß nicht warum, vielleicht war es das Dümmste, was ich je hätte tun können, doch ich streckte meine Hand aus. Er schloss seine Finger um meine und zog mich zu sich heran. Seine Berührung schickte eine wohlige Wärme durch meinen Körper, hatte etwas Beruhigendes an sich, etwas Schönes.
Im nächsten Moment wurde ich aus meiner Trance geweckt. Der Boden unter meinen Füßen verschwand und ich wurde in die Luft gezogen, schnell, zu schnell! Mir wurde schon wieder übel!

In Kartika ist es ganz einfach. Jeder neue Bewohner bekommt von unserem Herrn seine Berufung. Ich bin Seelensammlerin geworden. Töten ist nicht meins, ganz und gar nicht. Ich kann es nicht ertragen, den Wesen Schaden zuzufügen. Sie tun mir nichts, ich tue ihnen nichts. Ich bin weder scharf auf ihr Blut, noch will ich ihr Fleisch. Ich will auch keine Ketten aus ihren Knochen tragen.
Nun heißt meine Berufung aber Seelensammlerin. Ein paar Mal die Woche muss ich losziehen, die sicheren Stadtmauern Kartikas verlassen und unschuldige Wesen abschießen. Diese werden dann von Schlachtern auseinander genommen und an Händler verkauft, und schließlich von den Kartikanern verspeist.
Es ist genau so grausam, wie es sich anhört.
Manchmal, wenn es besonders hübsche Wesen sind, oder ein Kartikaner verstorben ist, werden die Wesen zu Seelen gemacht. Sie werden neue Stadtbewohner und stehen von nun an unter dem Herrn.
Aus Kartika kann man sich nicht befreien. Die Stadtmauern sind streng überwacht. Versucht man, während der Jagd zu fliehen, verläuft man sich in den endlosen Weiten des tiefen Waldes und verkommt kläglich.

Als ich die Augen aufmachte, war alles schwarz. Scheinbar war es mitten in der Nacht. Ich setzte mich vorsichtig auf, darauf bedacht, keinerlei Geräusche zu machen. Doch leider spielte das Lattenrost unter mir da nicht mit. Es knarrte laut in die Dunkelheit und ich hörte ein leises Knurren.
Mein Herz pochte. Ein Wunder, dass man es nicht hören konnte.
„Schlaf weiter!“, brummte eine tiefe Stimme links von mir.
Ich schrak zusammen.
„Wo bin ich hier?“, piepste ich. Jetzt konnte ich meine Angst nicht mehr im Zaun halten. Ich zittere am ganzen Körper und presste mich an die kalte Wand.
„Faye!“
Meine Brust hob und senkte sich unregelmäßig.
„Woher… woher k-kennst du meinen N-Namen?“
Und dann war es soweit. Meine Beine gaben nach und mein Körper sackte nach unten. Vor meinen Augen drehte sich die Dunkelheit und vermischte sich mit der dunklen Stimme, die jetzt besorgt meinen Namen rief. Mein Gehirn schaltete aus.


Kapitel 2
Ich rannte und rannte und rannte. Der schwarze Schatten hinter mir kam immer näher. Meine Beine wurden müde und ich lief beinahe auf der Stelle. Meine Angst wurde immer größer. Gleich würde er mich eingeholt haben.
„Faye?“
Mit einem Ruck riss ich die Augen auf.
Mein Kleid war nassgeschwitzt und klebte an meiner Haut. Das Gefühl lies mich die Nase rümpfen.
Ich lag in einem Bett. Es war nicht gerade gemütlich, wie mir auffiel. Meine Schultern taten weh und mein Nacken war verspannt. Vorsichtig streckte ich Arme und Beine aus.
„Faye?“
Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Erst jetzt bemerkte ich den Mann, der neben meinem Bett saß. Er legte den Papierfetzen, den er in der Hand hielt, auf den Nachttisch und wandte sich mir zu.
„Hi“, sagte er.
Ich wollte etwas sagen, aber die Worte kamen nicht aus meinem Mund.
Wo war ich hier eigentlich? Wer war ich? Was…?
Mit einem Mal überkam mich Panik. Ich setzte mich auf und sah mich verzweifelt um. Irgendwas musste mir doch bekannt vorkommen!
Der Mann kam auf mich zu und umfasste meine Handgelenke.
„Faye.“
Ich reagierte nicht. Meine Gedanken drehten sich, ich suchte verzweifelt nach Anhaltspunkten, die mir meine Identität verrieten.
„Faye!“
Er drückte mich an die Wand, sodass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Ich war gezwungen, ihm ins Gesicht zu schauen. Er hatte etwa kinnlanges, schwarzes Haar, das sich ganz unten leicht lockte. Seine Gesichtszüge waren sehr männlich, er hatte schmale Lippen und ein markantes Kinn. Seine Augen waren tiefblau und fixierten mich. Sie wirkten vertraut auf mich. Ich fühlte mich wohl in seinen Augen und mein Herzschlag beruhigte sich.
„Was ist passiert?“, fragte ich schließlich.
Er drückte mich sanft aufs Bett und setzte sich neben mich.
„Kannst du dich an irgendetwas erinnern?“
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. Da war nichts mehr.
„Na toll.“ Er stand auf und verschwand durch die Tür.
Ich blieb zurück, alleine in einem fremden Zimmer.
Wie war ich hier her gekommen? Was hatte ich überhaupt an?
Ich blickte an meinem Körper herunter.
Ich trug ein kurzes, dunkelblaues Kleid. Hässlich, dachte ich.
Meine Füße waren nackt. Das fiel mir erst jetzt auf. Und erst jetzt merkte ich auch, dass ich fror. Es war kalt hier. Der Boden war kalt.
Die Tür ging auf und der Mann kam wieder herein.
Er setzte sich wieder neben mich aufs Bett und starrte mich an.
„Also“, sagte er, „Ich bin Six.“
Er hielt mir seine Hand entgegen. Nach kurzem Zögern ergriff ich sie. Sie war warm und kräftig.
„Und du bist -“
„Faye“, beendete ich meinen Satz. Meinen Namen hatte er vorhin oft genug wiederholt.
„Ja.“
„Wo bin ich hier?“
„Mandalus, eine kleine Stadt im Norden.“
Der Name sagte mir nichts.
Er beantwortete eine weitere Frage, die in meinem Kopf herum spukte.
„Du hattest einen Unfall. Bist vom Pferd gefallen.“
„Also lebe ich hier?“
„Ja.“
„Wir kennen uns?“
„Ja, genau.“
Er wich meinem Blick aus. Irgendwie war er komisch.
Er wirkte nervös und angespannt.
Warum konnte ich mich nur nicht an ihn erinnern?
„Habe ich Familie?“ Die Frage kam mir als nächstes.
„Ähm…“ Wieder stand er auf und ging. Diesmal stand auch ich auf. Meine Knie waren wackelig und knickten beinahe um.
Ich folgte ihm zur Tür.
Als ich durch den Türspalt lugte, fiel mein Blick auf … den Marktplatz?
Menschen kamen und gingen, alles war voll, hier und da hatten Händler ihre Stände aufgemacht und verkauften Obst, Säfte und allerlei andere Dinge.
Ringsherum standen kleine, süße Häuser, zwischen denen Seitenstraßen abgingen.
Doch wo war Six? Meine Augen suchten den kompletten Platz nach ihm ab, doch ich konnte ihn nirgends entdecken.
„Was machst du da?“, fragte eine Stimme hinter mir und ich wirbelte herum.
Da stand Six, wie aus dem nichts.
„Komm mit.“
Er griff nach meinem Handgelenk und zog mich zur Tür heraus auf den großen Platz.
Sobald die Sonne meine Haut berührte wurde mir wärmer.
Unter meinen Füßen spürte ich den körnigen Sand.
„Hab ich keine Schuhe?“, fragte ich.
Six‘ Blick wanderte an meinen Beinen hinab bis zu meinen nackten Füßen.
„Oh“, sagte er nur und zog mich weiter. Wir bogen in eine der kleinen Seitenstraßen ein.
Die Straße war von Häusern gerahmt, eines schöner als das andere.
„Wo gehen wir hin?“
„Nach Hause.“
„Zu mir nach Hause?“
„Zu uns.“
„Sind wir…?“
„Ja.“
„Oh.“
Ich hatte also einen Freund. Mann. Mann oder Freund.
Dabei kam er mir so fremd vor.
Vor dem letzten Haus blieb Six stehen.
Das Haus war mit rotem Putz verputzt, es hatte ein Flachdach und kleine, runde Fenster.
„Mein Haus…“, flüsterte ich.
Six zog einen großen Messingschlüssel aus seinem Mantel hervor und drehte ihn im Türschloss herum.
In unserem Haus roch es muffig. Fast schon ekelig.
Es war geräumiger, als es von außen aussah. Da war eine kleine Ecke mit einem Kamin und einem Tisch, um den 3 Stühle standen.
„Drei Stühle? Haben wir ein Kind?“ Diese Frage hörte sich so absurd an. Aber wenn ich von meinem Mann nichts mehr wusste, dann konnte ich mich an mein Kind sicher auch nicht mehr erinnern.
Six drehte sich einmal hilflos. „Ähm, nein. Rhys. Rhys Antoni. Er wohnt hier. Bei mir. Uns. Er wohnt bei uns.“
Meine Lungen entspannten sich. Zumindest hatte ich kein Kind, welches ich vergessen konnte.
„Wer ist Rhys?“, fragte ich.
Mir war, als hätte Six die Augen verdreht.
„Ein alter Freund von mir. Er ist gerade zur Arbeit, du wirst ihn später kennen lernen.“
„Was arbeitet er?“
„Er arbeitet ein paar Straßen weiter im Labor. Sucht nach Möglichkeiten, unsere Nahrung länger haltbar zu machen.“
Ein Forscher also.
Ich sah mich etwas im Haus um. Als ich unser Schlafzimmer fand, suchte ich im Kleiderschrank nach einem sauberen Kleid, konnte aber keines finden.
„Six?“, rief ich in den Flur. „Six?“
Eine halbe Minute später stand er in der Tür: „Was ist denn?“
„Wo sind meine Kleider?“
„Deine Kl – oh shit. Warte hier!“
Und weg war er. Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Es war hart und unbequem. Das ganze Haus war ungemütlich. Ich fühlte mich nicht wohl hier. Wie konnte ich hier Jahre lang leben? Es war alles so fremd. Vor den Fenstern hingen rote Gardinen, die gefielen mir gar nicht. Die Wände waren in ein hässliches braun getaucht.
Etwa eine halbe Stunde später war Six wieder da. In seinen Händen ein Stapel Kleider und hinter ihm ein kleiner Mann.
„Rhys Antoni“, lachte dieser, als er sah, dass ich ihn bemerkt hatte, und streckte mir seine Hand entgegen. Sie war rau und schwitzig, aber ich ergriff sie kurz.
Dann nahm ich Six den Stapel Kleider ab und legte ihn vor mich auf das Bett.
„Sind das meine Kleider?“
„Ja.“
„Wieso sind die nicht in meinem Kleiderschrank?“
In Six Blick lag etwas Verzweiflung. Ob ich ihn nervte?
„Ich habe die Kleider von Iona.“
„Der Nachbarin“, fügte Rhys hinzu, als er meinen fragenden Blick bemerkte.
„Dann sind es Ionas Kleider…“, flüsterte ich.
„Jetzt sind es deine!“ Six schlug mit der flachen Hand gegen die Bettkante und ging dann zur Tür heraus.
„Habe ich ihn wütend gemacht?“, fragte ich Rhys, der noch immer vor mir stand. Er war ungefähr eine Handbreit kleiner als ich und trug das Haar ebenso lang wie Six, nur war seines heller, fast schon blond.
Der kleine Mann sah mich bloß an.
„Rhys?“, hakte ich noch einmal nach.
„Wieso sind meine Kleider weg?“
Rhys drehte seinen Kopf zur Tür, dann wieder zu mir.
„Wir… äh … wir haben sie… verbrannt. Genau. Wir haben sie verbrannt.“
Meine Augen wurden groß.
„Ihr habt meine Kleider verbrannt?!“
„Nein, äh, ja, weil… wir dachten, du wärst … tot.“
Ich schluckte, dann drehte ich mich den Kleidern zu.
„Dass ich mit euch zwei zusammen lebe! Wie kann man nur die Kleider von jemandem verbrennen, weil man denkt, derjenige sei tot!“

Als ich am Abend ins Wohnzimmer schlurfte, saßen Six und Rhys schon am Tisch. Ich hatte mir das Hübscheste von Ionas Kleidern rausgesucht, jedoch gefiel mir selbst dieses nicht. Es war moosgrün und hatte gelbe Nähte an Ärmeln und Rock. Iona musste einen schrecklichen Geschmack haben.
Ich setzte mich auf den freien Stuhl.
„Faye“, begann Six, „hör, es tut mir leid, dass ich wütend wurde. Du musst verstehen, es ist nicht einfach, dir das alles zu erklären. Es ist anstrengend.“
Ich sagte nichts und füllte meinen Teller mit Suppe. Wenigstens die Suppe schmeckte mir, das erste, was mir heute hier gefiel. Ihr Geschmack kam mir bekannt vor. Ingwer mit Tomate.


Impressum

Texte: Alle Rechte am Text liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 22.11.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /