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Jana ist froh, demnächst diesem „Molloch“ von Großstadt den Rücken kehren zu können.
Sicher hat man hier alle Möglichkeiten und natürlich kann man hier JEDEM Hobby nachgehen, aber sie ist einfach nicht der Typ Mensch, der sich in diesem Dschungel der Möglichkeiten wohl fühlt.
Ihre neue Stelle in Süddeutschland, für die sie sich noch nicht einmal an neue Kollegen und eine neue Chefin gewöhnen muss, ist ihre Zukunft.
Zu ihrem neuen Gebiet gehört das Allgäu, die schwäbische Alb, der wunderschöne Bodensee und die größten Städte sind die Patrizierstadt Augsburg und die Münsterstadt Ulm. Das sind doch Aussichten!
Momentan bekommt sie schon jedes Mal Migräne, wenn sie zu Terminen in die Wolkenkratzerschluchten eintauchen muss. Schrecklich! Und ihr Freund, der momentan alles nur Erdenkliche gegen diese Beziehung unternimmt, trifft sich heute Abend mit der Clique am westlichen Mainufer, um das Eröffnungsspiel der Fußball-WM in der eigens eingerichteten Fan-Arena anzuschauen. Darauf hat sie so gar keine Lust.
Allerdings möchte sie den Abend auch nicht alleine verbringen.
Da sie arbeiten muss, haben ihr die Anderen versprochen, einen Platz für sie frei zu halten und eine halbe Stunde vor Anpfiff findet sie in der völlig überfüllten und vom Fußballfieber pulsierenden Stadt einen Parkplatz.
Zwei SMS später weiß sie zu welchem Eingang sie muss, wo aber vor lauter Fußballverrückten kein Durchkommen mehr ist.
Jana sucht sich einen Platz auf der Mainbrücke, von wo aus sie wenigstens noch das Spiel auf den übergroßen Leinwänden verfolgen kann und wird von wildfremden Menschen sofort mit schwarz-rot-goldenen Streifen auf der Wange und einer kühlen Cola versorgt.
Ihr Freund macht auch nach der dritten SMS keine Anstalten sich zu ihr zu bemühen, woraufhin sie ihr Handy ausschaltet und sich mit den Fußballfans um sich herum unterhält und den Abend genießt.
So langsam erscheint diese Stadt in Janas Gedanken in einem völlig anderen Licht. Vom Umschlagplatz für Drogen aller Art und bezahltem Sex, wandelt sich die Metropole in ihrem Kopf in ein Karussell der Nationen, die alle freundlich und offen aufeinander zugehen.
Auch zu den weiteren Spielen kommt Jana hierher, ohne auch nur einmal einen Platz in der Fan-Arena zu ergattern. Den braucht sie alleine auch nicht.
Sie jubelt und schreit, bangt und hofft mit Klinsis Crew und den vielen fremden und doch so vertrauten Menschen um sich herum und kann die Atmosphäre gar nicht in Worte fassen.
Im letzten Spiel der Deutschen um Platz drei gegen Portugal erreicht der Rausch seinen Höhepunkt. Die Deutschen gewinnen und die Mainmetropole ist ein einziges Fest. Man könnte meinen Deutschland wäre Weltmeister geworden.
Jana war wieder alleine unterwegs und hat mit Argentiniern, Polen, Russen, Italienern, Schweizern und vielen mehr getanzt, gefeiert, auf französisch, englisch, deutsch und mit Händen und Füßen palavert und ist mit einer sich zufällig zusammen gefundenen Clique durch die Kneipen und Clubs gezogen.
Morgens um halb sechs läuft sie am Mainufer in Richtung geparktes Auto und sieht die Sonne über dieser Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten aufgehen und sagt leise: „Danke, Frankfurt“

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Tag der Veröffentlichung: 11.04.2009

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