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Unsere erste grosse Reise

Es war der 23. Juni 1989.

Unser Wartburg – ein schönes neues DDR „Genex“-Auto - war gepackt. Unser Reiseziel war Vilnius, die Hauptstadt vom heutigen Litauen – damals noch eine Großstadt in Russland.

O, mit welchen Artikeln hatten wir unseren Wartburg beladen!
Walter hatte in dem ohnehin schon sehr geräumigen Kofferraum noch zusätzlichen Platz geschaffen, damit wir alle Geschenke und nützliche Sachen, die es in der damaligen Sowjetunion nicht gab, gut unterbringen konnten. Da waren dabei:

Einige (viele) Flaschen Wodka, Bekannte und Freunde hatten uns gesagt, ‚das ist das Zahlungsmittel bei den Russen’, denn die Sowjets hatten ja damals noch das Sagen.
Weiter hatten wir geladen: Schokolade, Waschpulver, Seife, viele Strumpfhosen und noch viele Geschenke für unsere Freunde.

Ja, wir hatten Freunde in Vilnius. Regina und Vitas und Reginas Bruder Rimas, die schon einige Male in unserem Haus hier in der DDR - in Erfurt - übernachtet hatten. Sie hatten uns eingeladen und nach anfänglichen Schwierigkeiten ist es uns dann gelungen, ein Visum zu bekommen. Das war eine sehr seltene Angelegenheit und hat auch eine ganze Zeit gedauert.
Natürlich war unsere Reiseroute genau vorgeschrieben. Aber das war uns egal. Wir freuten uns, endlich auch einmal die Freunde in ihrer Heimat besuchen zu können.

Und so fuhren wir los!
Wie gesagt, es war der 23. Juni 1988. An diesem Tag fuhren wir über Frankfurt/Oder, überquerten dort die Grenze nach Polen (das war damals noch sehr kompliziert und kostete lange Wartezeit), und fuhren an diesem Tag irgendwo zwischen Lodsch und Warschau auf einen Campingplatz. Nach einer gründlichen Inspektion der Sanitäranlagen meinerseits wurde der Platz für gut befunden.

Ach ja, eine Zeltausrüstung hatten wir natürlich auch dabei. Denn als Eltern von 10 Kindern und schon Großeltern von 15 Enkelkindern konnten wir uns Hotelaufenthalte nicht leisten. Aber, da wir nicht sehr anspruchsvoll waren, hatten wir diese Variante des Campens gern gewählt. Der Platz war - wie gesagt - in Ordnung, und wir schliefen wunderbar in unserem Zelt.

Am 24. Juni in aller Herrgottsfrühe ging’s weiter. Wir besuchten in einem Dorf – nahe den Masuren – eine Bekannte, der wir liebe Grüsse von Freunden ausrichteten.
Weiter fuhren wir bis zum nächsten Campingplatz, nach Ostroda. Auch hier war alles sauber und ordentlich.
Wir ricvhteten uns ganz bequem ein. Die einzelnen Plätze waren abgetrennt durch sehr gepflegte Hecken, das Auto konnten wir nebenan abstellen, und nachdem wir unser Zelt aufgestellt hatten, kochte Walter uns ein leckeres Essen. Ich inspizierte indessen unsere Umgebung. Toiletten und Duschanlagen waren sauber und ordentlich, es gab einen kleinen Kiosk, den wir aber nicht brauchten, da wir alles an Bord hatten. Ich schlenderte noch ein bisschen über den Platz. Da sah ich eine Gruppe netter Menschen. Wie sich später herausstellte, alles polnische Mitbürger, die mich freundlich grüssten und mir bedeuteten, ich solle doch zu ihnen kommen. Ich machte den freundlichen Menschen klar, dass ich nicht allein hier sei und deutete auf unseren Platz.
Ich erzählte meinem lieben Mann von der netten Begegnung und nach unserem Abendessen, schlenderten wir in Richtung der Gruppe.

Wir sahen, dass die Camper inzwischen einen riesigen Scheiterhaufen errichtet hatten und schon in fröhlicher Runde dem Alkohol zu sprachen. Sie tanzten um das Feuer herum, an langen Holzspießen hielten sie Schinkenpolnische – Würstchen zum Braten – über das Feuer. Walter und ich bekamen auch gleich einen Fingerhut voll Wodka und einen Spieß mit einer Wurst als Begrüßung in die Hand gedrückt. Es wurde getanzt, gelacht, gegessen und getrunken.
Es wurde gefeiert. Es war der Tag der Liebenden – der Valentinstag.
Die Polnischen Freunde hatten uns mit Begeisterung in ihre Runde auf genommen. Ich musste auf meinen Walter aufpassen, denn auf ihn hatte es eine hübsche junge Frau abgesehen, und um mich hatte sich ein junger Mann bemüht; aber das waren ja nur nette Gesten. Wir feierten bis zum Umfallen. Aber dann gebot mein Mann Schluss, denn wir wollten ja am anderen Morgen in aller Frühe weiter. Wir hatten noch eine lange Fahrt vor uns.

25.06.1988

Mit der frühen Weiterfahrt klappte es nicht so. Es wurde etwas später, und alle unsere neuen Freunde kamen, um uns zu verabschieden. Der Abschied fiel allen sehr schwer. Besonders der jungen Frau standen die Tränen in den Augen. Ich glaubte nun doch, dass sie mit meinem Walter durchgebrannt wäre.

Wir setzten unsere Reise fort.

Es war schön mit unserem fast neuen Auto zu fahren. Polens Straßen waren sehr schön, wenn es auch keine Autobahnen gab, so waren sie sehr gut zu befahren.
Unsere Freunde hatten uns, als wir ihnen erzählt hatten, wohin wir wollten, gesagt, dass wir doch in Sowalki über die Grenze fahren könnten und nicht unbedingt bei Brest über die Grenze nach Russland fahren brauchten, denn bei Sowalki war die Grenze erst vor kurzem geöffnet worden. Walter beschloß, den Rat der Polen zu befolgen, denn konnten wir doch auf diese Weise Sprit sparen.

Bis dahin hatten wir nur 100 km zu fahren, während es bis zur Grenzübergangsstelle Terenspol/Brest noch mindestens 400 km waren.
Wir folgten dem Vorschlag unserer Freunde - aber es kam alles ganz anders!

Als wir an den Kontrollpunkt kamen, bedeutete uns der polnische Grenzbeamte, dass dieser Übergang nur für den „kleinen Grenzverkehr“ zwischen Litauen und Polen offen war, aber nicht für Autoverkehr und vor allem nicht für Touristen.

Na da hatten wir ja mit Zitronen gehandelt.
Nun mussten wir nicht nur 400 sonder 500 km bis Terenspol fahren.
Gott sei Dank waren auch diese Strassen gut, so dass mein lieber Mann ein bisschen zügiger fahren konnte. Nur – dieser Umweg kostete uns zusätzlichen Sprit und es gab weit und breit keine Tankstellen.
„Hoffentlich schaffen wir es mit unserem Benzin bis zum Grenzaübergang!“ Die Tankanzeige war beängstigend. Der Sprit wurde immer weniger und wir waren noch nicht am Ziel. Walter fuhr langsamer, um zu sparen. Mit Mühe und Not kamen wir bis zur Grenzstelle Terenspol.

Dann war er alle, der Tank war leer. Was nun? Auch hier gab es keine Tankstelle. Aber wir hatten erstmal eine Stelle zum Übernachten. Wir suchten und versuchten irgendwo Benzin zu bekommen.

Nichts!
Wir waren schon fast am verzweifeln.
Plötzlich trat ein freundlicher Mann auf uns zu. „Ihr habt kein Benzin mehr?“ Fragte er uns in gebrochenem deutsch. Walter bestätigte ihm unsere Misere und sagte, dass wir morgen nach Brest weiterfahren müssten. Der Mann schenkte uns einige Liter, so dass wir wenigstens bis zur nächsten Tankstelle hinter der Grenze kamen. Wir waren gerettet und schliefen nach der Anstrengung und Aufregung sehr gut in unserem Quartier.

Am 26. 06. befuhren wir das erste Mal russische Erde. Die Grenzkontrollen verliefen ohne Probleme. Es gab auch gleich hinter der Kontrollstelle eine Tankmöglichkeit. Das Tanken war auch ein Problem, denn der Wartburg war ein 2-takter und brauchte Gemisch. Das gab es aber in Russland nicht, so dass Walter selber dem Benzin Öl beimischen musste. Ein weiteres Problem war die Bezahlerei. Wir mussten in der DDR Bons zum Tanken kaufen, die wollten die Russen aber an der Tankstelle gar nicht, so dass wir unsere getauschten Rubelchen an der Tankstelle ausgeben mussten. Na ja, da mussten wir in den sauren Apfel beißen.

Walter wollte 60 Liter tanken und noch 20 Liter in einen Kanister. Er bestellt und bezahlte beim Tankwart, der hinter seiner Scheibe saß. Walter ließ 60 Liter in den Tank, wollte den Zapfhahn zu drehen, um die 20 Liter dann in den Kanister zu lassen. Doch zudrehen ging nicht, Benzin lief weiter.
„Schnell gib den Kanister her.“ Ich stellte den Kanister unter den Hahn. Gott sei Dank war nicht zu viel daneben gelaufen.

Nun waren wir so weit, um Russland zu erobern. Wir fuhren auf die Autobahn.

„O, Walter, schau, wir sind im größten Land der Erde.“ Ich war fasziniert. Die Autobahn war breit und soweit man sehen konnte schnurgerade. Rechts und links waren riesige Wälder. Weit und breit war kein Auto zu sehen. Städte schien es auch nicht zu geben. Jedenfalls sah man lange nur Autobahn.
Ab und zu kam mal eine Kurve und dahinter ging es wieder schnurgerade weiter. Einmal kam uns ein Ochsenkarren entgegen und tatsächlich auch einige Autos.

Es gab tolle Rastplätze rechts der Strasse mit Möglichkeiten sich etwas zu braten und gemütlichen Holztischen und –stühlen zum Verweilen.
Wir legten eine Pause ein. Lange wollten wir uns aber nicht aufhalten, denn wir mussten noch bis Minsk. Dort wollten wir noch einmal übernachten und am nächsten Tag weiter nach Vilnius.
Da wir die internationale Route einhalten mussten, mussten wir diesen riesigen Umweg fahren. Aber das war uns eigentlich relativ egal.
Als wir da so saßen und unsere Stärkung zu uns nahmen, schaute Walter unser Auto an und sagte: „Du darfst uns nicht im Stich lassen, denn du bist jetzt unsere Heimat.“ Ach du lieber Himmel, bis jetzt hatte ich überhaupt nicht daran gedacht, dass unser Auto evtl. kaputt gehen könnte. „O, mach nicht solchen Quatsch, warum sollte das Auto denn kaputt gehen, der ist doch neu und noch dazu ein "Genex-Auto"?“ Ich sah meinen Mann fragend an. „Na, weiß man’s?“
Wir packten unser restliches Essen wieder zusammen, packten alles ins Auto und fuhren los.

Etwa 50 bis 60 km waren es noch bis Minsk.

Wir waren ca. 10 km gefahren – da – plötzlich ein Knall - ein tack-tack-tack – und unser Auto stand. Walter versuchte das Auto zu starten. Es sprang nicht an.
Na, nun saßen wir aber da.

Auf einer riesigen Autobahn, in einem fremden Land, ohne große Sprachkenntnisse. Walter konnte zwar noch ein paar Worte Schulrussisch, aber ich hatte nie in meinem Leben russisch gelernt. Denn ich war ein geborener Wessi.
Jetzt hieß es Nerven bewahren und durchhalten, wie auch immer. Wir winkten den jetzt – zur Feierabendzeit - mehr vorbeifahrenden Autos. Aber sie fuhren vorbei. Mindestens 90 – keiner hielt an.
Wir waren schon total am Verzweifeln. Da – plötzlich hielt ein Skoda neben uns. Der Fahrer stieg aus. In fast perfektem deutsch sprach er uns an. Er fragte nach unserem Problem. Walter erklärte es ihm und der nette Mensch meinte, „mach dir keine Sorgen ich schleppe euch ab nach Minsk“.

Na, wir waren froh, uns purzelte ein riesiger Felsbrocken vom Herzen. Walter fragte unseren Retter: „Wieso sprichst du unsere Sprache so perfekt?“ „Ich habe in der DDR
an mehreren Universitäten studiert.“ Er war super freundlich.

Unser Auto wurde an seins angekoppelt und ab ging die Fahrt. Walter meinte zu mir: „Guck mal, der fährt vielleicht ein höllisches Tempo.“ 90“ Sachen hatte er teilweise drauf.
Das war natürlich viel zu schnell. Das meinte auch die Verkehrspolizei, die uns stoppte.
„Ach du meine Güte, was wird denn das jetzt.“ Walter war nervös. Aber unser Engel kam und sagte uns, dass er zahlen soll, und ob wir etwas zum Bezahlen da hätten.
Klar, hatten wir. 1 Flasche Wodka hat der Spaß gekostet. Wie gesagt, damals war Wodka das beste Zahlungsmittel.

Die Fahrt wurde fortgesetzt. Es war nicht mehr weit bis zum „Motel Minsk“. Dort wollte uns unser Engel hinbringen, da dieses Motel ein Devisenhotel für Touristen – vor allem aus dem westlichen Ausland - war und dort sich auch eine Autowerkstatt befand.

Endlich waren wir angekommen. Unser Retter in der Not brachte unser defektes Auto noch auf den Motel Parkplatz. Wir dankten ihm und bezahlten ihn.
Nein- nicht mit Rubel – sondern mit Strumpfhosen für seine Frau, Schokolade für seine Kinder und Wodka und Zigaretten für ihn.
Er war zufrieden und meinte lachend, ‚Geld hätte er sowieso nicht genommen’.

Wir sahen uns um und gingen in die Rezeption des Hotels, in der Hoffnung, dass wir dort ein Zimmer bekämen, denn es war Sonntag.
Die Autowerkstatt war geschlossen, so dass wir erst am nächsten Morgen unser Auto dort reparieren lassen konnten.
Also benötigten wir ein Zimmer.
Aber wir bekamen kein Zimmer.
An der Rezeption befasste sich eine junge Frau mit uns. Sie hieß, wie sich später herausstellte, Tamara. Wir schilderten ihr unser Problem, sie sprach gut deutsch. Aber das half uns auch nichts, denn wir hatten nicht das richtige Zahlungsmittel. Sie wollte weder DDR-Mark noch Rubel. Was nun?
Wir sagten ihr: „Was sollen wir tun? Wir haben doch kein anderes Geld. Wo sollen wir denn übernachten?“ Sie hob die Schultern. DM waren hier gefragt.

Walter war am verzweifeln.
Ich sah, wie ein etwas fülliger Herr auf ihn zuging. Er war anscheinend mit einer Reisegruppe unterwegs. „Was habt ihr denn für ein Problem? Kann man euch helfen?“ „Uns kann keiner helfen. Wir kommen aus der DDR, unser Auto ist kaputt, wir können es morgen erst reparieren lassen, für ein Zimmer haben wir nicht das richtige Geld. Hier sind nur „harte“ Währungen gefragt.“

„Na, warte mal, meinte der Mann und ging zu seinen Leuten. „ Hört mal her, dort sind 2 aus der DDR, die brauchen DM, damit sie hier ein Zimmer bekommen, um Morgen ihr kaputtes Auto reparieren zu lassen. Sammeln wir?“
Sie haben gesammelt. Im Handumdrehen hatten wir genügend DM für ein Zimmer und noch mehr. Natürlich hatte Tamara nun auch gleich eine hübsche Unterkunft für uns.

Nun konnten wir am anderen Morgen das Auto schon etwas beruhigter rüber zu der Werkstatt schieben.
Der Monteur sah unter die Motorhaube.
„N’jet. Motor kaputt. Nix Reparatur“. Es stellte sich heraus, dass unser Motor defekt war, und da unser Auto ein 2-takter war, konnte er hier in Russland nicht repariert werden.

Jetzt waren wir total am Ende.

Wir schoben das Auto wieder auf den Parkplatz. „Was nun?“ Walter war fertig mit den Nerven.

Tamara, die jetzt großes Mitleid mit uns hatte, sagte mir, wo ich überall anrufen könne, damit uns geholfen würde.

Bereitwillig stellte sie die Verbindungen her.
1. zum deutschen Konsulat in Minsk. Dort meldete sich eine Mitarbeiterin in perfekten deutsch, ich glaube, es war gar eine Deutsche. Ich schilderte unser Problem. „Ist Personenschaden?“ Ich verneinte. „Dann können wir ihnen auch nicht helfen. Einen Rücktransport gibt es nicht“.

Prima, das war ermutigend.

Tamara stellte eine Verbindung mit der Deutschen Botschaft in Moskau her.

Ein junger oder alter, was weiß ich, Mitarbeiter informierte mich, dass auch er uns nicht helfen könne. Wir sollten die Vertretung der Transportfirma Deutrans anrufen, ob uns evtl. ein Lastwagen mit zurücknehmen könne. Deutrans war die DDR-Firma, die Ex- und Importe von der DDR in die SU und umgekehrt machte.

Aber auch hier: Fehlversuch, Hilfe nicht möglich!

Die LKW-Fahrer, die inzwischen auf dem Parkplatz eingetroffen waren, um hier Zwischenstation zu machen, boten uns an, uns mit zu nehmen, unser Auto bis nach Deutschland ab zu schleppen und und und…
Das war alles gut gemeint, aber unmöglich. Auch mit der Bahn zurückfahren ging nicht. Tickets gab es nicht, mussten mindestens ein halbes Jahr vorher bestellt werden.

Was nun?

Da kam mir die leuchtende Idee. „Ich rufe jetzt zu Hause an bei unseren Kindern. Sie müssen uns einen Motor schicken. Kannst du den einbauen?“ „Was soll denn das. Das ist doch wohl unmöglich. Klar einbauen könnte ich ihn, habe ja sonst alle Ersatzteile mit, nur keinen Motor.“

Ich ging in die Rezeption zu Tamara. Sie stellte mir tatsächlich eine Verbindung nach Deutschland zu unserer Tochter Nr. 2 Angela (wir haben 8 Töchter und 2 Söhne), her. Angela war am besten zu erreichen. Und siehe da, es klappte auf Anhieb.

„Hallo, mein Mädchen, hier ist Mutti. Was ich dir jetzt erzähle, glaubst du nicht.“

Ich schilderte ihr unser Problem.
„Also, wenn ihr uns wieder nach Hause haben möchtet, müsst ihr sehen, dass ihr uns einen Motor schickt. Unser Motor ist kaputt, wir liegen hier fest und können weder vor noch zurück. Wir sind hier im Hotel Minski, also noch ca. 300 km von Vilnius weg und nichts geht mehr. Euer Vater ist total fertig.“

„Ach du lieber Himmel, Mutti, was wird denn nun.“ Angela war entsetzt. „Na, ich hab es doch gesagt, ihr müsst uns einen Motor schicken. Papa kann den einbauen.“
„Mutti, das machen wir! Ich setze mich sofort mit allen meinen Schwestern und Schwagern in Verbindung. Die müssen alle helfen. Beruhige Papa erstmal. Wir werden das Kind schon schaukeln.“

Und sie schaukelten es!

Nach einiger Zeit kam ein Rückruf. „Mutti, ich habe mit Alexander und Uwe gesprochen. Sie haben schon einiges in die Wege geleitet. Uwe und Alex werden diese Nacht noch einen Motor zusammen bauen. Und eine Autofirma ist auch schon gefunden worden, die nach Moskau einen Transport hat in den nächsten Tagen, die nimmt den Motor mit. Macht ihr nur euren Urlaub. Wir melden uns wieder.“

„Wir haben Kinder, was mein Schatz?“ Aber Walter war noch nicht so davon überzeugt, dass das alles klappen sollte. Ich hatte inzwischen Regina und Vitas von unserer Lage informiert. „Wir holen euch morgen“, hatte Regina gesagt, „ihr bleibt dann so lange bei uns, das wolltet ihr ja sowieso.“

Und das taten sie. Am Montag, den 26. Juni, holten sie uns mit Sack und Pack nach Vilnius. Nur unser Auto blieb zurück auf dem Parkplatz vor dem Motel Minski.

Wir verbrachten bei Regina und Vitas eine wunderschöne 1. Urlaubswoche. Sie unternahmen sehr viel mit uns, um uns von unserer Misere abzulenken. Wir fuhren nach Kaunas, die verbotene Stadt. Das war sie damals, weil sich 2 Studenten aus Protest vor der russischen Besatzung vor einer Kathedrale verbrannt hatten. Regina und Vitas und Rimas und seine Frau, sowie die Kinder fuhren mit uns zum Segeln auf den Trakaier Seen, wir besuchten ein Natur Museum und fuhren an einen riesigen See zum Baden.
Als wir in Kaunas waren, besuchten wir eine wunderschöne Kirche. Von der Wand sahen uns die 12 Jünger und Jesus in Marmor gehauen, entgegen. Es war wunderschön.

Es war der 30. Juni. An diesem Tag sollten wir Angela wieder anrufen. Sie wollte uns sagen, ob alles geklappt hat.

Walter rief sie an. Strahlend kam er vom Telefon zurück. „Am Montag ist der Motor ins Minsk, da müssen wir dort sein.“ Ich fiel ihm um den Hals. „Na Gott sei Dank.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Regina sagte gleich, dass sie uns hinfahren würden, und wenn Walter den Motor eingebaut hätte, wir dann noch eine Woche zu ihnen kommen sollten.

„Ja, aber nur, wenn alles gut geht.“ Walter war immer noch skeptisch. Wenn ich ehrlich sein soll, ich auch. Aber etwas ruhiger war ich schon.

Am Sonntag fuhren uns Vitas und Regina wieder nach Minsk zu unserem Auto. Von Tamara wurden wir herzlich begrüßt, denn sie war uns nach den ersten Schwierigkeiten, die sie ja auch nicht ändern konnte, denn das Motel Minski war nun mal ein Durchgangs- und Touristen Hotel für Menschen aus den westlichen Ländern, und nicht für welche wie wir, die zwar für die „Deutsch-Sowjetische-Freundschaft“ bezahlten, aber für dieses Motel nicht die richtige Währung hatten, zu einer guten Freundin geworden.

An der Rezeption stand ein Deutscher und telefonierte. Ich hörte, dass er sagte: „Ja, ich suche die Familie Kaufmann, die hier festliegt, ihr Auto ist kaputt, ich habe den Motor auf meinem LKW.“ Walter hatte das auch gehört und war sofort bei ihm.
Wenn ich mich recht erinnere sind wir ihm beide um den Hals gefallen, dem LKW Fahrer aus Nordhausen. Er erzählte uns, dass unsere Kinder alles Mögliche in die Wege geleitet hätten, um uns den Motor für unseren Wartburg zu schicken, und da er – Paulchen – so hatte er sich bei uns vor gestellt, eine Fracht nach Moskau hatte mit Zwischenstation im Motel Minski, hat er sich bereit erklärt, den Motor mit zu nehmen. Er war nämlich sehr neugierig auf die 2 DDR Bürger, die so ein Wahnsinnspech hatten.

„Paulchen, wo hast du den Motor?“ Walter war ganz ungeduldig. Er wollte den Motor so schnell wie nur möglich einbauen. „Na, auf meinem LKW habe ich den. Aber, der ist verplombt. Wir müssen erst zum Zoll in Minsk die Plombe öffnen lassen, damit wir den Motor abladen können.“

Wieder ein Problem. Aber unsere Freunde waren ja dabei. Vitas meinte, er wolle mit mir nach Minsk zum Zoll fahren, Paulchen mit seinem LKW hinter uns her, und Walter könne in der Zeit den alten Motor ausbauen und alles für den Einbau des neuen vorbereiten. Gesagt – getan. Wir fuhren los, in der Hoffnung, dass wir das Zollamt schnell finden würden und die Plombe geöffnet wurde.

Aber – von wegen schnell! Wir hatten vergessen, dass wir im Osten waren. Vitas hatte gehofft, das Amt schnell zu finden, dem war aber nicht so. Wir fuhren kreuz und quer durch Minsk, fragten unzählige Passanten, niemand wusste, wo der Zoll war, und Paulchen fuhr mit seinem schweren LKW immer hinter uns her. Unzählige Einbahnstraßen, viele Plätze und Parks bildeten ein übriges Hindernis.

Dann, nach gut einer halben Stunde hatte Paulchen die Nase voll. Er war sauer, stieg aus und wir hielten an. „So, jetzt fahrt ihr hinter mir her. Es wäre doch gelacht, wenn wir das verdammte Amt nicht finden würden!“ Er fuhr los. Vitas hinterher. Paulchen fuhr ohne Rücksicht auf verbotene Plätze und Einbahnstraßen - und tatsächlich fand er die Straße, in der sich das Zollamt befand.
Na, endlich! Mir fiel ein Stein vom Herzen und Vitas auch. Wir fuhren hinter Paulchen her durch ein Tor auf einen großen Hof. Aus dem Gebäude trat ein dicker, mürrisch aussehender Mann. Paulchen erklärte ihm in seinem fast perfekten russisch unser Anliegen.

Der Mann sah ihn an und fragte: „Wo Papiere?“ Der Mann war ziemlich grimmig. Sicher hatte er keine Lust zum Arbeiten. „Welche Papiere?“ fragte Paulchen. „Na, Papiere vom Auto.“ „Ach du meine Güte, “ Paulchen sah mich an, „Weißt du was der will? Der will von eurem Auto die Papiere, sonst macht der uns die Plombe nicht auf. Ruf mal im Motel an und sag Walter, er soll die Papiere her bringen.“ Ich war geschockt, was kam denn noch? Vitas stellt die Telefonverbindung zum Motel Minski her. Tamara war am Apparat. Ich erklärte ihr, was los war. „Mach dir nicht Sorgen, ich schicke Walter.“ Sie holte ihn ans Telefon, Ich erzählte ihm in kurzen Worten, wie es uns bisher gegangen war, und was wir nun brauchten.
Er war auch sauer. Aber Tamara half. Sie hatte schon eine Taxe bestellt, die meinen lieben Mann in 10 Minuten – wo wir eine gute halbe Stunde gebraucht hatten – zum Zollamt brachte. Walter gab dem mürrischen Russen die Papiere und Paulchen wollte sich an der Plombe zu schaffen machen. Aber – so glatt konnte es ja nicht gehen, wir waren ja in Russland. Die Plombe blieb zu! Ein junger Zollarbeiter wurde beauftragt, mit dem gesamten Konvoi zurück zum Motel zu fahren, um dort die Plombe zu öffnen. Wir zogen los.
Walter fuhr jetzt mit in Vitas` Auto zurück und Paulchen hinter uns her. Ich fasste das ganze als absolute Schikane auf, aber Paulchen sagte:“ du musst hier ganz ruhig bleiben. Mach dir aus all dem nichts“. Der hatte die Ruhe weg, aber er kannte dies ja auch auf das Beste von seinen vielen Transportfahrten in die SU.
Wir kamen schnell auf dem Parkplatz vorm Motel an. Walter hatte den alten Motor bereits ausgebaut. Er wollte sich natürlich gleich daran machen, den neuen einzubauen. Die Plombe wurde entfernt, der Motor herausgenommen. Aber gleich einbauen ging nicht, Der Russe hatte ein riesiges Sortiment an Papieren dabei, auf dem ich unterschreiben sollte und was er abstempeln wollte. Aber er hatte zwar einen Stempel mit, aber kein Stempelkissen. Der Stempel war natürlich knuspertrocken.
Gott sei Dank hatten wir Paulchen. „Paulchen hat alles an Bord – er ist immer auf derartige Situationen eingestellt.“ Er zauberte aus seinem Führerhaus ein Stempelkissen und schon ging die Stempelei los. Nun war alles erledigt. Walter hatte unseren Motor. Sofort machte er sich an die Arbeit.
Alles war perfekt, mein Mann mit seinem Multitalent brauchte gar nicht mal lange. Der Motor war drin. Jeder LKW Fahrer – inzwischen waren einige auf diesem Parkplatz zum Zwischenstopp gekommen – wollten mithelfen, eine Schraube anziehen, gute Ratschläge geben und so weiter. Aber Walter ließ sich nicht beirren, er hatte alles im Griff. Dann war es soweit, der Motor sollte gestartet werden. „Los, lass ihn an!“ Die Fahrer waren genauso gespannt, wie Walter und ich.
Walter startete den Motor. Tack, tack, tack – nichts ging. „Mensch, der kann doch noch gar nicht anspringen, da muss doch erstmal Benzin durch die Leitung laufen. Neuer Startversuch – und siehe da – er schnurrte – er lief.
Niemand kann sich vorstellen, wie meinem Mann und mir in diesem Moment zu Mute war. Ein Stein, nein riesige Felsbrocken waren gefallen. Wir konnten wieder fahren! Wir konnten unseren Urlaub fortsetzen!

Regina und Vitas hatten nicht gewartet, bis der Motor drin war. Sie waren wieder nach Hause gefahren, hatten uns erklärt, wie wir nun nach Vilnius – allein – fahren konnten.
Wir wollten eine Nacht noch im Motel bleiben und uns ein bisschen von den ganzen Strapazen erholen.
Wir bekamen für diese eine Nacht wieder unser Zimmer.

Wir suchten unser Zimmer auf. Paulchen kam mit. Wir wollten ihm die Gelegenheit für eine reinigende Dusche geben. Das durften die Fahrer nämlich sonst hier nicht. Paulchen durfte.
Dann wurde gefeiert mit allen, die um uns waren. Wodka floss in Strömen. 100 g dann fiel ich fast vom Stängel. Walter hatte mehr intus, und Paulchen noch mehr. Einer der „Helfer“ hatte eine schicke Russin kennen gelernt und abgeschleppt. Am nächsten Morgen sah der noch ganz blass und abgekämpft aus.

Uns ging’s auch am anderen Morgen noch nicht so gut. Aber wir wollten fahren, und das taten wir auch.

Draußen standen die LKW Fahrer Spalier. Mit einem Wahnsinns Hupkonzert wurden wir verabschiedet. Paulchen wurde von uns innig umarmt. Wir bedankten uns tausendmal für seine Hilfe. Uns standen die Tränen in den Augen.

Wir fuhren los. Juhu! Es ging in Richtung Vilnius.
Ich stellte fest, so einfach, wie Regina gesagt hatte, war es gar nicht nach Vilnius zu kommen.
Ich hatte eine russische Landkarte auf dem Schoß. Es war meine Aufgabe, Walter den Weg zu sagen. Gar nicht so einfach! Mit einer russischen Karte, ohne russisch Kenntnisse! Die einzige Stadt, die ich definieren konnte, war LIDA, die hatte nur 4 Buchstaben. Aber dahin wollten wir ja nicht. Wir fuhren Autobahn. Eigentlich hätte ich ja noch von unserer 1. Fahrt, in der vorige Woche nach Vilnius mit Vitas und Regina wissen müssen, wo es lang geht. Aber, wenn man nicht selber fährt und nur daneben oder gar hinten sitzt, merkt man sich nicht gleich alles so genau.

Welche Autobahnabfahrt mussten wir runter? O, die erste, die zweite? Ich war mir fast sicher, die erste. Also fuhren wir auf mein Kommando die erste Abfahrt von der Autobahn runter. War das richtig? Ich konnte die Städtenamen nicht lesen. Aber wir waren guter Dinge. Wir unterhielten uns und freuten uns, dass unser Auto wieder ganz war, und der Motor lieblich surrte.

Einige Kilometer waren wir schon auf der Landstraße unterwegs. Da sah ich plötzlich auf einem Straßenschild 4 verräterische Buchstaben. „Walter, wir sind hier falsch. Wir fahren nach Lida. Da müssen wir nicht hin!“ „Siehst du, da sind wir doch falsch abgefahren. So ein Mist. Konntest du nicht besser aufpassen.“ Jetzt war mein Schatz sauer auf mich, und wie.
Wir kamen an eine Straßenkreuzung. Ein Mann mit einem Karren kam uns entgegen. Wir hielten und fragten: „Nach Vilnius? Wo geht es nach Vilnius?“ „Da, da,!“ Das hieß „ja, ja“. Das wollte ich nicht wissen. Aber dann verstand er uns doch und zeigte uns, wo wir lang fahren sollten. Weiter in Richtung Lida, dann kämen Schilder nach Vilnius. Wir fuhren und fuhren und hatten Hunger und Durst. In einem kleinen Dorf, das fürchterlich nach tiefstem Russland aussah, suchten wir nach einem Geschäft, um uns Getränke zu kaufen. Das Dorf war grauenhaft. Kleine Hütten, Fernsehantennen gab es hier nicht. Es sah aus wie im tiefsten Mittelalter. „Jetzt ist mir auch klar, “ sagte ich zu Walter, „warum wir hier eine internationale Strecke vorgeschrieben bekommen. Hier soll kein westlicher Tourist Einblick bekommen.“ Wir fanden einen kleinen Laden. An Getränken gab es nur Kefir. Aber das war mir egal, den trank ich gern. Zu Hause setzte ich mir immer einen Kefirpilz selbst an. Das schmeckte lecker. Also tranken wir Kefir. Etwas zu essen hatten wir noch aus dem Hotel mitgenommen.

Nach einer kurzen Pause ging es weiter. Wir kamen an eine Straße und standen plötzlich vor einer Baustelle. Ich glaube, ich hatte mal wieder ein Schild „Umleitung“ nicht für voll genommen. Da hing nämlich eines ziemlich unten an einem Zaun. Rechts und links neben uns stand je ein Bagger. Es wurde ein tiefer Graben gebaggert. Zwischen den Baggern war noch ein Stück Weg. Ein Bauarbeiter bedeutete uns darüber zu fahren, denn gegenüber war die Straße, auf der wir weiterfahren mussten. Er war ein sehr freundlicher Mann. Er lachte, weil wir uns so geirrt hatten.

Unser Tank wurde leer. Wir brauchten dringend eine Tankstelle. Wir fanden in einem der nächsten Dörfchen eine. In einer Hütte, hinter einem vergitterten Fenster saß der Tankwart, der Schlauch zum Tanken hing an einem ziemlich hohen „Galgen“. Walter sagte dem „Tankwart“, wie viel Benzin er brauchte und tankte und mischte dann das mit gebrachte Öl dazu. Walter wollte wieder mit den Bons bezahlen, die wollte der Tankwart aber nicht. Es wurde mit Rubel bezahlt. Wir fragten den Herrn noch nach dem Weg, er sagte uns aber den falschen, wir bemerkten es sehr schnell, drehten um und waren nach relatief kurzer Zeit auf der Straße nach Litauen. Gott sei Dank, jetzt konnte ich alles lesen, denn hier wurde mit lateinischen Buchstaben geschrieben.
Wir verließen Weissrussland – damals Russland – und fuhren in Litauen ein. Na, und Ruck-Zuck waren wir in Vilnius.
Hei, das war eine Begrüßung. Unsere Freunde nahmen uns freudig in Empfang. Wir packten unsre Sachen aus und vor allem die Geschenke, die wir mitgebracht hatten für Vitas, Regina und ihre Tochter. Wir bezogen für eine Woche das Schlafzimmer unserer Freunde. Sie selber waren mit in das Zimmer ihrer Tochter gezogen.
Aber ich kann euch allen versichern, viel geschlafen haben wir in der ganzen Woche nicht.
Es gab viel zu Essen und zu Trinken, jeden Abend wurde gefeiert, jeden Abend kam Vitas mit der „letzten“ Flasche Wodka heim; jeden Abend gab es zu Essen, was es eigentlich „gar nicht gab“. Unsere lieben Freunde hatten alles organisiert. Sie hatten Fleischmarken von ihren Freunden und Bekannte gekauft, um uns versorgen zu können. Bei Einkäufen in Vilnius, bei denen wir sie begleiteten, hatten wir gesehen, dass vor allem die Fleischgeschäfte sehr leer waren. Aber auch andere Artikel, wie Farben und Tapeten zum Renovieren gab es nur auf Zuteilung. Litauen war alles in allem damals ein sehr schlecht versorgtes Land.
Mit Regina gingen wir in das große Centrum-Warenhaus, das damals mit dem heimatlichen Centrum-Warenhaus in Verbindung stand. Dort kauften wir Goldschmuck ein, der war ausreichend vorhanden. Was lustig war, an jeder Rolltreppe stand unten eine ältere Frau, die aufpasste, dass niemand stürzte und oben stand auch eine, und somit war das Problem Arbeitslosigkeit gelöst.
Es gab noch etwas, das in Deutschland(DDR) nicht möglich gewesen wäre.
An manchen Straßenecken standen Kübelwagen, die mit Bier gefüllt waren. Ab 14:00 Uhr verkaufte hier aus diesem Wagen eine Russin oder Litauerin Bier an Männer. Meist gab es nur ein Glas, das wurde weitergereicht, denn jeder bekam auch nur ein Glas. Das fand ich irgendwie lustig? Oder auch deprimierend. Ach, ich fand es einfach unmöglich.

Aber abgesehen von diesen unwesentlichen Nebenerscheinungen war und ist Vilnius eine sehr schöne Stadt. Wir besuchten einige der vielen Kirchen, die den Litauern erst vor kurzer Zeit von den Russen zurückgegeben worden waren. Diese hatten die Kirchen teilweise als Lagerräume und dergleichen genutzt. Aber jetzt war schon eine Zeit des Umbruchs in diesem Land zu erkennen.

Ja, wie gesagt, unser Urlaub war wunderschön, unsere Freunde hatten wirklich dafür gesorgt, dass wir alle Probleme dieser Reise vergessen konnten.

Nach einer Woche machten wir uns dann auf die Heimreise. Unser Auto war wieder sehr voll gepackt, denn wir mussten den defekten Motor wieder mit in die DDR nehmen, ansonsten hätten wir Zoll auf den neuen Motor zahlen müssen. Das wäre dann aber doch zu weit gegangen.

Als wir dann in Brest an den Grenzübergang zu Polen kamen, stieg Walter aus, gab die Pässe an eine Kontrolleurin und meinte: „Wir haben ein Problem.“
Die Frau sah sich unsere Papiere an und sagte: „o, nix Problem, wo ist Motor.“
Denn die Grenzer waren schon bestens informiert worden. Da kommt ein Wartburg aus der DDR, der hat einen defekten Motor an Bord. Walter zeigte den Motor und alles war gut. Wir durften ohne Probleme weiterfahren.

Wir machten noch einmal Station in Warschau, übernachteten dort auf dem Campingplatz und fuhren dann weiter in Richtung Frankfurt/Oder.

Auch dort wurden wir an der Grenze einer gründlichen Kontrolle unterzogen. Der Pole reichte unsere Papiere an seinen deutschen Grenzkollegen weiter, die zwei saßen nebeneinander, getrennt durch eine transparente Wand. Der Deutsche sah sich unsere Papiere an und rief seinen Kollegen zu: „ seht mal, die Kaufmanns sind wieder da!“ Bis hierher hatte sich unsere Misere mit unserem Auto bereits herumgesprochen. „Habt ihr den Motor mit?“ wurden wir gefragt. „Klar, haben wir den mit,“ sagte Walter, „sonst hätten uns die Freunde doch gar nicht wieder raus gelassen.“ „Na, dann kommt erstmal herein und erzählt, was euch so widerfahren ist.“ Das taten wir, und die Zöllner lauschten gespannt.

Nach unserem Bericht machten wir uns dann aber schnellstens auf die Heimfahrt. Wir hatten Sehnsucht nach unseren Kindern und Enkelkindern, und die warteten schon sehnsüchtig auf uns.

Natürlich bedankten wir uns nachdem wir glücklich wieder zu Hause angekommen und von unserer abenteuerlichen Reise allen Verwandten und Bekannten ausgiebig erzählt hatten, auch herzlich bei allen Helfern bedankt.

Am 1. August 1989 erschien in der damaligen Tageszeitung „DAS VOLK“
Der folgende Artikel:

"Hilfe, die nicht auf der Strecke blieb"
Am 23. Juni starteten meine Frau und ich mit unseren 353er Wartburg
zu einer Urlaubsreise nach Vilnius. Bis kurz vor Minsk ging alles gut.
Dann blieb unser Auto mit Motorschaden stehen. Alle Versuche, wieder in
Gang zu kommen, schlugen leider fehl. Nun blieb uns nur noch eines übrig:
Unsere Kinder in Erfurt anrufen, und sie zu bitten, einen neuen Motor zu
besorgen. Sie erreichten das Unwahrscheinliche. Dabei haben in bewunderns-
werter Weise viele geholfen, so die Firma Rühl in der Nordhäuser Straße, das
Wohnungsbaukombinat, der Intertransport Deutrans, der den Kraftverkehr in
Nordhausen, Betriebsteil Leinefelde, beauftragte, den Motor mitzunehmen,
der Kraftfahrer Paul Röhrig und schließlich die Zollverwaltung Erfurt, Abteilung
Binnenhandel, die schnell alle notwendigen Unterlagen ausstellte. Am sechsten
Tag unseres Aufenthaltes traf der Motor im Motel Minsk ein. Sofort fanden sich
zahlreiche dort haltmachende Kraftfahrer ein und halfen, ihn einzubauen.Dadurch
war es uns möglich, trotz aller Schwierigkeiten einen schönen Urlaub in Vilnius
zu verleben.
allen Helfern gilt unser herzlichstes Dankeschön.
Walter Kaufmann, iga-Blick 60


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.02.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Werk widme ich allen, die uns damals unterstützt haben, damit wir unbeschadet nach Hause kommen konnten.

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