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De erste Leich

Gekonnt flog der Pinsel in seiner linken Hand über die fest gespannte Leinwand derStaffelei. In der Rechten hielt Eduard seine Malpalette, auf der sich die Farbenteilweise recht bunt mischten.Den jungen Künstler störte das jedoch nicht. Eifrig, vom Rausch des Absinthsbeflügelt, vollendeten geschickt platzierte Pinselstriche soeben das Werk.Der Tag schritt schnell voran und so vergaß Eduard die Zeit in seinem Atelier. Großund geräumig war dieses. Nach Norden gerichtet bot sich ihm perfektes Licht zumMalen an der großen Fensterfront. Gegenüber befand sich mittig eine mächtigedoppelflügige Holztüre, welche zum Salon der Villa führte. Rechts und links davonstanden zwei riesige Regale, in der sich sämtliche Malerutensilien stapelten.Des Weiteren fand sich ein ausladendes Sofa im Zimmer. Seine wohlhabenden Elternbefürworteten das Künstlerleben ihres Sprösslings nicht, es wurde lediglich geduldet.Sie stellten ihm diesen Raum zur Verfügung, nachdem sie dieses Haus erstandenhatten und kauften ihm alles, was zum Start benötigt wurde. Sobald aber etwas zurNeige ging, musste sich Eduard selbst um Nachschub kümmern. Er respektierte seineEltern, doch waren sie sehr geizig, zumindest was die Unterstützung des Sohnesanging. Doch war er regelrecht begeistert, als seine Mutter ankündigte, sie würden indie Künstlerkolonie Dachau ziehen. Seine Freude, die eh schon kaum zu übertreffenwar, stieg nochmal an, als er die prächtige Villa beim Umzug zum ersten Mal sah.Eduard trat ein paar Schritte zurück, um einen letzten prüfenden Blick auf sein Bildzu werfen. Es war perfekt: Der dunkle Wald, ein Reh das zwischen den Zweigenhervorbrach. Vögel stoben davon, der untergehenden Sonne entgegen. Perfektgetroffene Farbtöne.            „Schee bist!“, sprach er zu dem Bild. „Fast schod, di zu verkafa.“Doch benötigte der junge Künstler dringend Geld, sonst würde er keine weiterenKunstwerke schaffen können. Einen Abnehmer hatte der Maler bereits im Sinn. EinHerr, Jäger aus Leidenschaft - Gönner seiner Kunst.Denn das Besondere an jenem Bild war die Perspektive. Wie so oft war er auf derSuche nach einem schönen Motiv, so wanderte Eduard durch die Dachauer Wälderund Moore. Auf seinem Streifzug bemerkte er schließlich einen wunderschönenHochstand. Oben angekommen schwirrten Ideenfetzen durch seinen Kopf. Dochkeine war gut genug für die Leinwand.Plötzlich peitschte ein Knall in der Ferne durch die abendliche Stille. Ein SchwarmVögel schoss kreischend aus dem Feld dem Himmel entgegen. Kurz darauf sprangein Reh aus dem dichten Wald hervor, es folgte ein weiterer Knall und das Tier brachletztendlich im hohen Gras zusammen. Ein Jäger musste wohl ebenfalls einenHochstand besetzt und das Wild erlegt haben. Eduard betrachtete die Szenerie mitSpannung, wartete auf den Hund des Jägers und da kam sie - die Muse. Ein Bildformte sich vor seinem geistigen Auge. Links sah man das Reh, welches aus demWald sprang. Mittig flogen die Vögel in die Höhe. Am rechten Bildrand sah derBetrachter einen Hochstand samt bewaffneten Jäger, der soeben den Schuss löste.Die Dramaturgie war nicht zu übersehen. So schön das Werk letztendlich wirkte, derTod war doch nah. Der junge Künstler pflegte stets ein Stück Tod in seinen Bildern zu verarbeiten. Seine Art, die hier so geschätzte Landschaftsmalerei umzusetzen. Ein kleiner Erfolg gab ihm Recht. Wenigstens reichte die Entlohnung bisher stets zumFinanzieren der geliebten Kunst. Kurz nach dem Abendbrot machte Eduard sich schließlich auf, sein Werk zuverkaufen. Er verließ die kleine Villa seiner Eltern, schlenderte gemütlich denKarlsberg hinauf in Richtung Kleiderhandlung. Der Besitzer, ein älterer Herr mithoher Stirn und weißen Rauschebart, hieß ihn mit seiner Schneiderschürze und einerSchere in der Hand willkommen. Im Geiste verglich er immer seinen Pinsel mit derSchere. Im Grunde zwei völlig verschiedene Werkzeuge mit dem gleichen Ziel.„Ja griaste Eduard.“„Grüß Gott, Herr Rauffer.“, begrüßte Eduard den Schneidermeister. Dieser kannteihn, da sein Vater und er sich kurz nach dem Umzug vor einem halben Jahr neueingekleidet hatten. Gemäß der Dachauer Tracht.„Wenn du den Thoma suchst, dann muas i di enttäuschen! Der is heit net do.“Der Schneider musterte Eduard neugierig durch seine Brille.„Wos hostn do in deiner Hand?“„Ach des. A Buidl für den Herrn Advokat. Wo is der denn?“„Der is heid beim Jong. In Kloaberghofen. Moan, dass er beim Rottenfußerwirt is.“„Ach so! Guat, dann probiers i do moi.“„Bist da sicher? Is fei scho a Stück do naus!“ Besorgt blickte der alte Mann seinGegenüber an.„Des geht scho. Mei Vater hod sie a Fahrrad kaft. Des gibt a mir bestimmt.“Eduard warf noch einen Blick Richtung Treppe, welche zum zweiten Stock in dieRäume von Thoma führte. Sollte er ihm das Bild einfach so hinlegen und an einemanderen Tag noch einmal kommen? Nein! Er brauchte jetzt Geld, um sich noch ein wenig Malerbedarf kaufen zu können. Also musste er los, wenn er vor der Dunkelheitwieder daheim sein wollte.„Also Dankeschön, Herr Rauffer.“, verabschiedete Eduard sich schließlich.„Pfiade Bua. Sog deinen Eltern bittschön an schener Gruaß von mir.“Eduard nickte dem Schneider freundlich zu und verließ die Schneiderei.Schnell ging der junge Künstler nach Hause, nahm sich das Fahrrad seines Vaters –natürlich ohne zu fragen – und fuhr zu Thoma, nach Kleinberghofen.Spät könnte es heute werden. Eduard war sich des Ärgers bewusst, welcher heuteNacht über ihn hereinbrechen würde. Zum einen kam er viel zu spät nach Hause, und zum anderen sah es sein Vater nicht gerne, wenn jemand ungefragt sein Fahrrad nahm.*** Der Mann wischte seine blutigen Hände am Mantel des Leichnams ab. Sein Messerzog er wieder aus der Brust seines Opfers, welche durch die 10 Messerstiche eher nurnoch eine einzige Blutwanne darstellte. Doch führten die Überlegungen des Mannesjetzt weiter. Wohin mit der Leiche? Liegen lassen, damit sich die Tiere darumkümmern? Aber so nah am Waldrand, wo jeder Fußgänger die Leiche sofort sieht?Nein, das muss anders gehen. Sein Blick schweifte umher, durch das Dickicht desWaldes. Lang musste nicht gesucht werden, bis ein passendes Versteck gefundenwar. Gleich neben dem Hauptweg war ein Bach. Gerade breit und tief genug, umdort eine Leiche verschwinden zu lassen. Ein bisschen Geäst darüber gelegt und dieSache wäre perfekt.So schleifte der Mann die tote Frau in den Graben und suchte daraufhin ein paargeeignete Äste und Blätter um sie zu bedecken. Danach kehrte er in die Gaststättezurück, um nicht zu spät zum essen zu erscheinen. Hoffentlich kamen die Weiber da drin auch mit einer weniger von ihnen aus.Sein zweites Ich wurde gerade gesättigt, mit einem Mord welcher ihn wieder zum eigentlichen Ich zurückbrachte. Doch für wie lange? Seine letzten Morde erfolgten in immer kürzeren Zeitabständen.                                                                         

Länger als vermutet war Eduard unterwegs. Bis jetzt kannte er das Radfahren nurvom Zuschauen, doch zum Glück war noch nichts Schlimmeres passiert, bis auf einpaar Stürze, die er gerade noch hatte auffangen können. Es herrschte nur noch trübes Licht, als Kleinberghofen vor ihm endlich auftauchte. Mit seinem Ziel vor Augen fuhr er gleich nochmal ein bisschen schneller und setzte seine letzten Kräfte frei.Doch dann passierte es: infolge der zu hohen Geschwindigkeit verlor der jungeMann das Gleichgewicht. Daraufhin geriet er ins Schlingern und driftete nach rechtsab, eine Böschung hinunter. Seine Fahrt endete schließlich abrupt in einem Graben, der ein wenig Wasser führte - mit dem Lenker voraus! Schlamm und Dreck spritztenhoch. Das Fahrrad gab ein knirschendes Geräusch von sich und ein paar Vögel flogenaufgeschreckt davon. Eduard stürzte vom Rad, fiel mit dem Rücken auf dieBöschung und blieb danach benommen liegen. Seine Beine hingen im Wasser deskühlen Baches. Das Kreischen der Vögel verebbte nach und nach. Es wurde ruhig umEduard, er hob seine Arme und sah die Lenkstange ohne Fahrrad in seinen Händen.„Sakrament.“, entfuhr es ihm. Dann stockte ihm der Atem. Wo war die Rollemit dem Bild? Zuletzt hatte sie sich auf seinem Rücken befunden, auf dem er nun lag.„Ah na! Deufelszeig, bleds!“, ließ er seinen Ärger freien Lauf, mit Blick auf dasdemolierte Fahrrad seines Vaters. Er schloss noch einmal die Augen, atmete kurz durch und stand schließlich auf.Zumindest hatte er es so geplant. Doch er rutschte aus und landete wiederum imMatsch des Baches. Beim zweiten Versuch benutzte Eduard das nun kaputte Fahrradseines Vaters – töten wird er ihn dafür,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 07.08.2016
ISBN: 978-3-7396-6792-8

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