Mark:
Allein. Dieses Gefühl mochte ich noch nie leiden. Seit Jahren war es trotzdem ein ständiger Begleiter, wie ein alter Freund, den ich noch nie leiden konnte und trotz aller Bemühungen nie los wurde. Oft fragte ich mich, warum diese Situation immer noch mein Leben beherrschte. Mein Alltag wurde tagtäglich von den gleichen Bildern bestimmt, Woche für Woche. Mein Leben langweilte mich zutiefst.
Dieser Tage genoss ich meinen Urlaub. Doch wusste ich mit meiner Zeit nichts anzufangen.
Oft saß ich den ganzen Tag gedankenverloren allein zu Haus. Nichts greifbares, was meinem Leben in diesem Moment noch Sinn gegeben hätte. Ich hatte nur wenige Freunde mit eher sporadischem Kontakt. Meine Filmsammlung kannte ich seit langem schon auswendig. Meine Bücher konnten mir auch keine neuen, aufregenden Abenteuer bieten und das Fernsehprogramm ließ ebenfalls zu wünschen übrig.
Um in meinem Leben etwas zu ändern und um die Langeweile zu vertreiben, beschloss ich, unter Leute zu gehen. Allein. Einfach so, ganz spontan. Leute kennenlernen und Spaß haben. Ein ganz und gar untypisches Verhalten für mich.
Aber, was konnte schon groß passieren? Im besten Fall lerne ich vielleicht einen süßen Jungen kennen. Und im schlimmsten bleibe ich weiterhin allein. Es gab für mich nichts zu verlieren, nur zu gewinnen.
Die Dunkelheit schaffte es gerade, den Himmel komplett zu überschatten als ich in mein Auto stieg. Erste Sterne funkelten bereits über mir als ich losfuhr.
Nach gut einer Viertelstunde kam ich auf dem großen Parkplatz des Bahnhofs an und parkte etwas weiter hinten, um mir noch ein bisschen die Beine vertreten zu können.
Schließlich gelangte ich zu der Bahnhofsunterführung für Fußgänger, wo auch die Ticketschalter bereit standen. Anschließend eilte ich die Treppen hoch.
Oben angekommen sah ich auf die Anzeige über mir, um festzustellen wann der nächste Zug einlaufen würde. In acht Minuten sollte es soweit sein. Auf der Suche nach einem geeigneten Warteplatz fiel mein Blick auf einen hübschen Kerl. Er traf ziemlich genau meinen Geschmack. Groß, etwas schlanker und schwarze Haare. Er trug verwaschene Jeans und dazu ein schickes T-Shirt. Kurz trafen sich unsere Augen. Ich lehnte mich an einen der vielen Pfeiler, der das Bahnsteigdach stützte, ihn genau im Blick! Ich versuchte abermals Augenkontakt herzustellen, aber er wich mir aus.
Hübscher Typ, dachte ich mir. Aber anscheinend etwas schüchtern. Oder auf eine Anmache von einem Kerl nicht gefasst. Vielleicht ist er aber auch einfach nicht an mir interessiert? Die Zeit verstrich. Jeden Augenblick sollte der Zug einrollen.
Kurz darauf war es auch schon so weit. Der Fahrtwind umspielte mich zärtlich und ich wartete bis der Zug zum Stehen kam. Ich stieg in den Zug ein und suchte mir einen freien Platz am Fenster, was wiederum nicht sehr schwer war. Das Abteil war kaum besetzt. Der Typ selbst stieg leider etwas weiter vorne ein. So hatte ich nun nichts mehr zum Gucken.
Gedankenverloren stierte ich aus dem Fenster.
Einige Zeit später passierte der Zug den ersten Bahnhof.
Ich sah mir die Fahrgäste an, die warteten, um einsteigen zu können. Nichts Aufregendes dabei, kurze darauf setzte sich der Zug wieder in Bewegung.
Wir kamen noch an mehreren kleineren Bahnhöfen vorbei. Nur einmal war ein hübscher Kerl auszumachen.
Dieser stieg aber leider hinten zu. Bei solchen Dingen hatte ich prinzipiell kein Glück, dass junge hübsche Männer genau in mein Abteil einstiegen. Geschweige denn, dass sie mir gegenüber Platz nahmen.
Endlich kam die S-Bahn dann an meinem Zielbahnhof zum Stehen. Die Türen öffneten sich. Da war ich nun: München Marienplatz.
Nur, was nun? Bis jetzt hatte ich noch keinen Plan, wie dieser Abend verlaufen sollte. Ich beschloss, erst mal nach oben zu gehen, vorbei an der Menschenmenge im U-Bahnschacht, wo viele Leute einfach immer genau dort stehen blieben wo ich entlang wollte. Ich schob und rempelte alle beiseite und ignorierte sämtliche Beschimpfungen.
Meine Beine trugen mich zum Viktualienmarkt, vorbei am Pschorr-Keller, Richtung Glockenbachviertel. Das bekannte Szeneviertel in München für Schwule. Ich wusste, dass in der Carmens, einer kleinen Szenedisco, vor Mitternacht nichts los sein würde. So besuchte ich erst mal eine Lounge, diese befand sich nicht weit weg von hier.
Als ich an der Bar Platz nahm, wurde mir eine Karte gereicht, von einem übrigens sehr gut aussehendem Barkeeper. Ich studierte die Karte und schnell wurde ein Favorit gekürt.
Raspberry Caipirinha!
Ich bestellte den Caipi sofort bei dem netten Kerl hinter der Bar und kurze Zeit später wurde mir das Getränk hübsch dekoriert serviert. Etwas zögernd probierte ich, ließ gleich darauf noch einen Strohhalm voll über meine Geschmacksnerven fließen. Herrlich!
Meine Blicke musterten den geschmackvoll eingerichteten Raum, währende mein Glas immer leerer wurde. Gleich rechts nach dem Eingang erstreckte sich der u-förmige Tresen, mit einem geschmackvollen, schönen braunen Holz. In regelmäßigen Abständen brannten kleine Teelichter einsam vor sich hin, die in einem Windlicht ihr kurzes Dasein fristeten. Auf der rechten Seite des U s saß ich, mit dem Rücken zum Fenster. Dort waren noch ein paar gemütliche Sitzreihen angebracht. Diesmal mit Tafelkerzen bestückt. Hinten in der Ecke erblickte ich eine Frau, die mich zum Lächeln brachte. Sie saß da, mit ihren ungefähr 35 Jahren und spielte Gameboy. Wieder jemand anderes saß da und las ein Buch des Autors Konsalik.
Links vom Eingang waren noch einige weitere Sitzgruppen untergebracht. Ich musterte die Gäste dort. Ein paar Pärchen die sich leise unterhielten und eine große Gesellschaft, die ihr Abendessen sichtlich genoss. Viel Lachen und lautstarkes Geschwätz drang zu mir herüber. An einem Zweiertisch saß dann ER. Der Typ vom Bahnhof. Wahnsinn. Groß, schlank, schwarze Haare, sein schönes Gesicht und Augen zum Versinken. Mein Blick blieb bei ihm hängen. Er sah auf sein Handy und schrieb sichtlich genervt eine SMS. Wahrscheinlich wollte er wissen wo sein Date oder ein Bekannter so lange blieb.
Er sitzt hier, nur wenige Meter weg. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Schnell trank ich einen Schluck, um mich abzulenken. Mir kam der Gedanke, ob ich ihm nicht dort an seinem Tisch Gesellschaft leisten sollte. Zumindest so lang bis sein Date auftauchte. Ich bestellte mir noch ein Glas meines Getränks, diesmal an seinen Tisch. Danach stand mein Körper auf und die Beine bewegten sich zu dem Tisch, an dem er hockte. Das alles geschah eigentlich gegen den Willen meines Verstandes. Mein Herz übernahm nun die Kontrolle. Als ich vor ihm stand, sah er auf. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Erkennen und ein bisschen Freude glitzerte in seinen Augen auf. Ich sah das als ein gutes Zeichen. Wunderte mich aber im selben Moment selbst über mein Tun. Woher nahm ich so plötzlich den Mut? Verzweiflung? Ich wusste es nicht.
Stefan:
Heute soll es wieder auf die Piste gehen. Die ganze Woche hatte ich wieder hart schuften müssen. Ziemlich viele Zimmer haben wir die Tage neu gestrichen. Eigentlich liegt mir die phantasievolle, außergewöhnliche Gestaltung der Wände mehr. Diese Einheitsmalerei in Mietwohnungen ist immer langweilig. Aber dennoch nicht schlimm, das Geld stimmte auch. Doch nun ist Wochenende und Party angesagt. M-TV wurde eingeschaltet, ich sprang unter die Dusche und machte mich fertig. Die letzten Wochen kam ich leider gar nicht nach München. Heute wollte ich mich mit Dennis treffen, den ich im Internet kennen gelernt hatte. Mal wieder eine schöne Abwechslung. Nicht das mich mein Leben langweilen würde, nur ist es so, dass ich die letzten Wochen kein Date hatte. Kein Date! Kein Sex! So einfach ist das. Meine letzten Samstage hab ich mehr bei Freunden verbracht, mit Filme schauen, Spielabend und so. Aber jetzt wurde es mal wieder dringend Zeit für ein Date. War schon sehr gespannt auf Dennis. Die letzten Typen waren leider ein Griff ins Klo. Toll ausgesehen haben sie alle, aber irgendwie hatten die immer irgendwo eine Schraube locker. Oder sie waren im Bett nicht der Bringer. Dennis machte über den Chat einen guten Eindruck. Wie er meinte, hatte er mich angesprochen wegen meiner Beschreibung. 186cm, schwarze Haare und sportlicher Typ. Meine Hobbys waren sehr umfangreich. Vom Weggehen in allen möglichen Variationen, allein oder auch mit Freunden bis hin zum normalen zu Hause Sein, um ein Buch zu lesen. Natürlich hatte ich auch mein bestes Foto hochgeladen. Nach zwei Wochen ständigem Schreiben hab ich ihn dann gefragt, wie es denn mal mit einem Treffen aussehen würde. Dennis war sofort begeistert von der Idee und willigte ein. Diesem Samstagabend war es nun endlich soweit. Heute im Glockenbachviertel in München, in einer netten Lounge. Zu mir gehen gab es nicht. Ohne wenn und aber! Einen festen Freund wollte ich ebenfalls nicht haben.
Brauchte keinen Klotz am Bein. Ich genoss mein Singleleben. Zu Fuß benötigte ich lediglich ein paar Minuten zum Bahnhof, vorbei an den Ticketautomaten, da meine Monatskarte ihre Gültigkeit noch besaß. Ich sprang die Treppe hoch und wartete relativ weit vorn, wo meist weniger Leute standen. In zehn Minuten würde der nächste Zug einlaufen, der mich dann nach München bringen sollte. Noch schnell eine SMS an Dennis geschrieben: > Hey Dennis, bin auf den Weg. Bis in einer halben Stunde bin ich da. Freue mich. < Prompt folgte die Antwort: > Hallo Stefan. Bei mir wird es leider ca. eine Stunde später. < Na toll. Das fängt ja schon mal super an. Arsch! Ich dachte, ICH verarsche IHN... Ich überlegte kurz, ob ich gleich ganz absagen sollte um wieder nach Hause zu gehen! Nein. Zu Hause würde ich mich bloß langweilen heute. Und Langeweile kann ich gerade nicht gebrauchen. Noch acht Minuten. Was sieht mich den der Kerl da drüben so an? Eigentlich auch ein Hübscher. Aber leider hab ich ja heute schon ein Date. Noch fünf Minuten. Langsam wurde ich ungeduldig. Die Zeit verstrich nur langsam und der Typ begann mich von Minute zu Minute mehr zu interessieren. Und wenn er auch auf Männer stand, umso besser.
Haltestelle um Haltestelle zog vorüber. Schnell kamen wir am Stachus an. Noch eine Station entfernt vom Marienplatz. Bis jetzt stieg der Typ noch nicht aus. Vielleicht hatten wir am Ende das gleiche Ziel? Mein Handy kündigte mir eine eingegangene Nachricht an: > Hey Stefan. Also bei mir wird es zwei Stunden später. Ist das ok? Zum Party machen ist das ja noch nicht zu spät. Lg Dennis! < Pah? Was meint der eigentlich, wer er ist? Der kriegt später von mir noch einen Einlauf. Wenn es gut läuft, könnte ich die komplette Abendplanung über den Haufen werfen. Wir fuhren weiter. Wenige Augenblicke später erreichten wir dann den Marienplatz. Mittlerweile stand ich an den Türen. Stieg aus, und? Ja! Da stand er und überlegte. Ich beschloss ihm zu folgen, was in dem Gedränge nicht einfach war. Er ging hoch. Nicht die Rolltreppen nutzend, sondern die Treppen, und das nicht langsam. Na gut, ich bin ja auch nicht unsportlich. Aus den Augen verlieren wollte ich ihn nicht, nur weil ich zu faul sein könnte. Oben angekommen folgte ich ihm weiter. Hübsch ist er wirklich... und sein Hintern erst! Ich glaub, ich werde Dennis später endgültig absagen müssen. Der interessiert mich jetzt wirklich nicht mehr. Der neue schlenderte zum Viktualienmarkt. Vorbei am Pschorr-Keller Richtung Glockenbachviertel. Interessant! Hoffentlich ging er noch nicht in die Carmens. Dort war um die Zeit nämlich gar nichts los. Es überraschte mich als er die Lounge betrat. Dasselbe, in das ich mit Dennis wollte. Es schien mir angebracht erst mal einen Augenblick zu warten um zu sehen was passiert. Nicht das er hier noch ein Date hatte, und ich mir jetzt Hoffnungen machte, doch noch einen super Abend zu verbringen. Durchs Fenster sah ich, dass er an der Bar Platz nahm. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Zumindest für mich. Er machte auch keinen ungeduldigen Eindruck, so als ob er auf jemanden warten würde. Ich beschloss, ihm nachzugehen und setzte mich gleich links an den erstbesten Tisch. Zückte mein Handy, schmiss meine Tasche auf den Nachbarstuhl und begann Dennis zu schreiben. Zuerst wusste ich nicht was und wie ich schreiben sollte. Aber dann beschloss ich es kurz und knackig zu machen. Danach konnte ich mich voll und ganz auf den attraktiven Typen konzentrieren.
> Hallo Dennis. Hab keinen Bock mehr mich mit dir zu treffen. Werde heute Abend dann was anderes machen. Ciao, Stefan! <
Danach schaltete ich mein Handy auf lautlos, hob meinen Kopf und war überrascht als er auf meinen Tisch zu kam. Ich lächelte ihn an. Mark:
„Darf ich mich setzen?“, fragte ich ihn mutig.
„Ja, klar! Warum nicht. Wäre ja jetzt sonst allein. Und wer will schon allein sein.“ Er zwinkerte viel sagend und nahm seine Tasche vom zweiten Stuhl.
„Da muss ich dir Recht geben. Es gibt nichts Schlimmeres als alleine zu sein.“
Ich sah ihn an, fasziniert von mir selbst. Fasziniert davon, wie einfach das hier gerade ging. Normalerweise traute ich mich nicht einfach so jemanden anzusprechen. Heute bin ich anders.
Spontaner!
„Ich heiße übrigens Mark. Und du?“
Er verstaute sein Handy in der Tasche und rief den Kellner.
„Stefan. Freut mich, Mark. Machst du dass eigentlich öfters so, ich meine, dass du dich einfach so an einen Tisch setzt, wenn jemand allein dort sitzt? Ist das deine Art von Anmache? Auf gut Glück?“
Der Kellner kam, und Stefan bestellte sich ebenfalls einen Cocktail.
„Ehrliche Antwort? Nein. Wollte heute einfach mal Dinge tun, die ich sonst nie machen würde. Und ich wollte dich nicht allein sitzen lassen.“
„Aha. Bist also eher der Schüchterne? Ist das das Ganze nur ´ne Masche?“ Forschendes lag in seinen Blicken.
„Wie sahen denn sonst deine Pläne für heute aus?“, wollte er wissen. „Vielleicht kann ich mich ja noch anschließen? Weiß auch grad nicht wirklich was ich tun soll.“
„Gute Frage. Das wollte ich heute ganz spontan entscheiden. Je nachdem, wer oder was kommt und passiert an diesem Abend. Und du? Deine Pläne für heute scheinen wohl gelaufen zu seien, wenn ich das richtig beurteile?“
Der Kellner brachte die Getränke und stellte sie vor uns ab. Allerdings genau verkehrt.
Stefan lächelte mich wieder an. Tauschte die Getränke und nahm einen Schluck seines Cocktails. Anschließend zündete er sich eine Zigarette an, zog genussvoll daran und ließ den Rauch über seinen Mund wieder sanft entgleiten. Seine Augen wurden dabei zu dünnen Schlitzen.
„Aber warum denn? Jetzt bist ja du da, Mark! Und nachdem du mich schon am Bahnhof vorhin so auffällig gemustert hast, bin ich dir einfach gefolgt. Und jetzt hoffe ich, dass du mein Date für heute wirst.“
Sehr direkt. Völlig verdattert sah ich ihn an: „Und dein eigentliches Date?“
„Bist wohl ein aufmerksamer Beobachter, was? Das hat sich gerade erledigt. Du schienst mir viel interessanter zu sein.“
So schnell konnte es gehen. Wir quatschten noch ein bisschen belanglosen Alltagsmist, tranken unsere Gläser leer und verließen das Lokal, nachdem wir bezahlt hatten.
Mark mit Stefan:
Mittlerweile war es schon fast halb zwölf Uhr durch. Immer noch zu früh, um sich in einen der zahlreichen Clubs in der Gegend zu stürzen. Angenehme Wärme herrschte in dieser Nacht. Nach den letzten, eher kälteren Tagen und Nächten in meinem Sommerurlaub hatte ich wohl heute etwas mehr Glück mit dem Wetter.
„Wollen wir vielleicht ein bisschen spazieren gehen?“, fragte er schließlich.
Ich willigte ein. So eine Nacht sollte man doch draußen verbringen. Wir gingen den gleichen Weg wieder zurück, den ich auf dem Hinweg genommen hatte. Und er wohl auch, als er mir folgte.
So streiften wir durch die Stadt. Sahen uns Schaufensterauslagen an. Lästerten über andere Leute, die uns begegneten, und fotografieren uns gegenseitig mit seiner Digitalkamera. Über uns sprachen wir eigentlich weniger. Bis jetzt wusste ich nur, wie er hieß, und dass er gut aussah. Was er wohl über mich dachte. Egal. Keinen Kopf machen.
Stefan wusste ebenfalls nur meinen Namen.
Er sah auf seine Uhr und meinte, dass es schon fast halb eins sei.
„So spät schon?! Wie die Zeit doch vergeht in so netter Begleitung.“ Diesmal lächelte ich ihn an.
„Hast du vielleicht Bock, auf den Kunstpark? ´N bisschen tanzen?“, fragte er.
„Wenn ja, dann müssen wir sehen, dass wir noch eine U-Bahn erwischen. Ich weiß nämlich nicht genau wann die letzte Richtung Ostbahnhof fährt.“
„Klar hab ich Lust!“
Irgendwann nach zwei Uhr trafen wir dann dort ein und suchten uns den passenden Club aus. Nach bezahltem Eintritt musste ich schon leicht mitwippen. Die Musik gefiel mir: House und Trance. Stefan sprang sofort auf die Tanzfläche. Gekonnt tanzte er zu den Rhythmen und schrie dabei. Ich beschloss, zu ihm zu gehen um mich ebenfalls den Klängen hinzugeben. Zögernd kam ich näher. Stefan bemerkte meine anfängliche Schüchternheit. Er nahm meinen Arm und zog mich an sich. Unsere Körper berührten sich. Stefan ging dem Beat folgend in die Hocke und zog sich wieder über meinen Hals nach oben. Meine Hände glitten an seine Hüften. Innerhalb kürzester Zeit schwitzten wir beide bereits ziemlich stark. Wie Öl lief der Schweiß unseren Körper hinab.
Er liebte wohl auch diese Musik. So, wie er sich dazu bewegte, war das mehr als eindeutig. Ich selbst fühlte mich auch immer besser und bald übernahm ich den aktiveren Part beim Tanzen, nachdem er diesen bis jetzt inne hatte. Wir vergaßen alles um uns herum. Wir hörten nur noch die Musik und sahen nur noch uns. So verstrich die Zeit.
Wir kamen uns näher... Mitten in der tanzenden Menge blieben wir einfach stehen. Es war ein hervorragender Kussaugenblick. Einige Leute neben uns begannen zu meckern. Aber uns war das egal. Wir sahen nur uns. Nichts anderes schien mehr zu existieren.
Ich wagte es nicht mit den Augen zu zwinkern. Aus Angst ich könnte aus diesem scheinbaren Traum erwachen. Seine Lippen bewegten sich auf meine zu, Millimeter für Millimeter. Die Zeit schien still zu stehen. Doch plötzlich....
Mark:
Eine heftige, laute Explosion erschütterte die Halle. Die Musik, zu der wir gerade noch so ausgelassen getanzt hatten, erstarb von einem auf den anderen Augenblick. Eine leichte Druckwelle umfing uns. Doch wir wurden von einer schier unglaublich, nicht enden wollenden Menschenmenge weggedrückt. Er in die eine Richtung zum Notausgang. Ich in die andere irgendwo hin. So sehr wir uns auch anstrengten, wir kamen gegen all die Leute nicht an. Laute Schreie! Panik machte sich breit. Ich sah aus den Augenwinkeln in der Nähe des DJ Pults die Flammen züngeln, die gierig alles fraßen, was sich ihnen in den Weg stelle. Meine Aufmerksamkeit war dennoch voll und ganz auf Stefan gerichtet. Er rückte in immer weitere Ferne. Unerreichbar im Moment für mich. Für meine Lippen.
Ich konnte nicht genau bestimmen wo mich die Menge hin drückte.
Einige panische Mädchen pressten mich beinah gen Boden. Die Masse schob mich einfach mit. Ohne das ich es vielleicht selbst wollte. In der Hoffnung, dass sie schon wussten wohin es ging, kämpfte ich nicht gegen sie an. Gedankenfetzen rasten durch meinen Kopf. Wie ging es Stefan? Werde ich ihn wieder sehen? Oder wartet er draußen auf mich? Darüber konnte und durfte ich aber gerade nicht nachdenken. Es ging im Moment nur um mich, danach wieder um uns.
Da stand ich nun. Es begann mittlerweile zu dämmern. Vor mir brannte mittlerweile fast das komplette Gelände. Ein Riesenaufgebot an Feuerwehr, Polizei, THW und Roten Kreuz tummelte sich auf dem Platz, unkoordiniert im Moment als geordnet.
Doch für das vor mir liegende erschreckende Szenario hatte ich keine Augen. Langsam entfernte ich mich Richtung U-Bahnhof. Die ersten Züge müssten schon wieder fahren. Hatte keine Verletzungen erlitten und es gab bestimmt auch genügend Zeugen für die Katastrophe. Zeugen, die mehr zu Protokoll geben könnten als: „Ich sah nur seine wunderschönen...“, oder etwa: „konnte ich seine ekstatischen Tanzbewegungen nicht...“
Niemand versuchte, mich aufzuhalten. So gelangte ich innerhalb weniger Minuten zur U-Station.
Ein Blick auf die Anzeige. Diese machte mir klar: Noch zwei Minuten.
Auf dem Bahnsteig sah ich teilweise verängstigende Jugendliche.
Noch eine Minute.
Ich stand am Rande der Fahrtschlucht. An den Gleisen huschten Mäuse und Ratten von Schatten zu Schatten. Lugten kurz aus Löchern hervor um gleich darauf wieder zu verschwinden.
Ein Pärchen machte Fotos. Gleich werden sie was Ekelhaftes vor die Linse bekommen. Noch eine halbe Minute.
Das Rauschen des Zuges holte Riss mich aus meinen trüben Gedanken.
Ich sah mich nochmal um. Kein hübscher Kerl, Groß und schlank mit schwarzen Haaren, mit diesen Blick!
Der Fahrtwind der ankommenden Bahn umspielte mich wieder zärtlich.
Ich machte einen Schritt nach vorn. Hinter mir ein Aufschrei. Sah aus den Augenwinkeln wie ER gerade die Rolltreppe verließ. Entsetzt sah er mich an. Es war zu spät. Ich sah noch in sein hübsches Gesicht mit den süßen Augen. Doch konnte ich nicht mehr zurück. Es war zu spät. Ich fiel vor die Ratten! Der Zug überwand die letzten Meter zu mir in kürzester Zeit und drückte mich unter sich.
Stefan:
Jetzt wollte ich ihn küssen. Da er wohl eher der Schüchterne war, musste ich wohl den ersten Schritt machen. Wir hörten auf zum Tanzen. Ärgerliche Tanznachbarn ließen ihren Unmut aus. Ich bewegte meine Lippen auf seine zu.... Auf einmal gab es einen riesigen Knall. Eine Explosion. Die Musik hörte sofort auf aus den Boxen zu hämmern. Auf den Kuss musste ich jetzt wohl noch ein bisschen warten. Die Druckwelle erfasste uns einen kurzen Augenblick später. Mir kam es trotzdem wie eine halbe Ewigkeit vor. Dann folgte die Panik und wir wurden von den ganzen, vor kurzem noch feiernden Menschen fast überrannt. Es brannte. Ich bemerkte das Mark immer weiter von mir weggedrückt wurde. Keine Chance gegen die flüchtende Menge anzukommen. Alle wollten so schnell wie möglich zum Notausgang. Ich wurde zu einem gedrückt und er zu einem anderen. Mit Gewalt versuchte ich mir einen Weg zu bahnen, Richtung Mark. Doch plötzlich verschwand er aus meinem Blickfeld. Verdammt! Die Flammen fraßen sich immer weiter vor. Beißender Qualm machte sich breit. Einige kamen hier bestimmt nicht lebend raus. Ich beschloss mich wieder der fliehenden Menschenmasse hinzugeben, um mich zum Notausgang schieben zu lassen. Draußen würde ich dann nach Mark suchen und ihn hoffentlich finden. Minuten später stand ich dann auf dem Gelände. Es begann zu dämmern. Die Einsatzkräfte waren mittlerweile vor Ort.
Nach kurzem Überlegen beschloss ich zum U-Bahnhof zu gehen.
Dort angekommen stand ich vor einem Problem.
War Mark jetzt schon mit einer vorangegangenen Bahn weg, oder kam er erst noch hierher? Dass, er irgendwie schwer verletzt bei dem Typen vom BRK sein könnte, kam mir nicht in den Sinn. Er war wohlauf, Das spürte ich. Aber wo war er?
Warum fragte ich mich das überhaupt?
Nur wegen der Nummer, die ich mir mit ihm versprach? Oder mochte ich ihn doch mehr als ich eigentlich zulassen wollte?
Ein Zug rollte ein. Ich stieg ein und fuhr Richtung Hauptbahnhof.
Dort angekommen sah ich mich nochmal um. Kein Mark.
Also rauf zu der S-Bahn Station. Aber dort war er auch nicht zu finden. Ich sah auf die Anzeige. In wenigen Minuten kam schon die nächste Bahn, die Richtung Heimat fuhr. Es war jetzt 5:02. Ich stellte fest, dass es laut Plan die erste an diesem frühen Morgen war. Als sie ankam, beschloss ich einzusteigen. Vergewisserte mich jedoch noch, dass Mark nicht irgendwo auftauchte.
Teilnahmslos verbrachte ich die Fahrt. Mir war kalt. Ich hätte mein Hemd doch behalten sollen. Egal. Station um Station ging wieder vorbei.
Was war das nur für ein Abend. Unfähig, das Ganze zu sortieren, gab ich es wieder auf. Ich packte meine Tasche, die ich komischerweise immer noch bei mir hatte. Dachte, ich hätte sie schon längst verloren in dem ganzen Chaos.
Ich zuckte mit den Schultern und kramte nach meinen Zigaretten, öffnete die Packung und stellte fest, dass ich keine mehr hatte. Nur noch mein Feuerzeug lag darin. Ganz allein. So wie ich gerade. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, so ganz ohne Rauchen, kam der Zug endlich dort an, wo ich aussteigen musste. Ich trat durch die Tür. Es nieselte mittlerweile. Dieser Umstand machte mir klar, dass ich ja immer noch T-Shirt los war. Mich fror.
Am Bahnhofsparkplatz angekommen hockte ich mich noch einmal hin. Meine Beine wollten nicht mehr. Trotz der Bahnfahrt haben sie sich noch nicht erholt. Viel Zeit verging bis ich es wieder wagte, weiter zu gehen. Meine Augen suchten nach einem Zigarettenautomaten und fanden ihn. Ich ging darauf zu, kramte passend das Geld heraus und zog mir meine Marlboros. Ich hob meinen Kopf, steckte mir eine Fluppe in die Mundwinkel und zündete sie an. Genüsslich inhalierte ich den Rauch. Schloss meine Augen für einen Augenblick und...
Mark:
Nein! So einfach werde ich es mir nicht machen. Es wird schwer, aber ich kann mein Leben wieder in richtige Bahnen lenken. Das hat mich der heutige Abend gelehrt.
Der Fahrtwind der Bahn ebbte ab und schließlich kam sie mit quietschenden Reifen zum Stehen. Ich öffnete meine Augen wieder, sah mich nochmal zur Rolltreppe um. Kein hübscher Kerl. Groß und schlank mit schwarzen Haaren. Seufzte, Atmete einmal kurz durch.
Niedergeschlagen und von verschiedenen Emotionen erschüttert nahm ich Platz. Dann ging es weiter Richtung Hauptbahnhof. Mein Kopf lehnte an der Fensterscheibe. So nah am Glück. Und ich wusste nichts von Stefan. Es sollte nicht sein. Er war einfach zu perfekt.
Der Zug rollte wenige Minuten später auch schon am Hauptbahnhof ein. Ich stieg aus, wandte mich zur Rolltreppe und fuhr zur S-Bahn hoch. Mein Anschlusszug zu meinem Ausgangsbahnhof kam sofort herein. Das nenne ich mal Glück! Ein kurzer Blick auf die Bahnhofsuhr verriet mir, dass es jetzt 5:29 sei. Ein Druck auf den Knopf, die Türen schwangen auf, ich nahm Platz. Hatte keine Augen für irgendwas bis jetzt gehabt, freute ich mich auf mein Bett. Vergessen werde ich diesen Abend nie. Nicht wegen dem Brand, sondern wegen ihm. Stefan.
Der Zug fuhr an und wurde langsam schneller. Wir ließen die Stationen hinter uns. Ich hatte keine Augen für die warteten Passagiere an den verschiedensten Bahnhöfen. Ungefähr nach einer halben Stunde war ich dann wieder am Ziel.
Total übermüdet und fertig mit meinen Nerven stieg ich aus dem Zug und marschierte zu meinem Auto. Es nieselte leicht. So merkte ich erst jetzt, dass ich eigentlich kein Hemd mehr an hatte. Auf dem Parkplatz dann am Zigarettenautomaten fiel mir ein junger hübscher Kerl auf. Mit Zigarette im Mund und ebenfalls ohne Hemd.
Groß, schlank, schwarze Haare. Mein Herz schlug bis zum Hals. Konnte....
Er schaute mich an...
Ich schaute ihn an...
„Mark?“
„Stefan?“
Wenige Meter trennten uns.
Mich fror und ich sehnte mich nach seiner zärtlichen, warmen und liebevollen Umarmung. Wir fielen uns in die Arme. Im war ebenfalls sichtlich kalt. Er klapperte mit den Zähnen.
Ich fragte ihn ob er zu Fuß hier sei oder mit einem Auto.
„Zu Fuß! Ich wohne nicht weit weg von hier.“
„Soll ich dich mitnehmen? Wie geht’s dir überhaupt? Wie...“
„Pst!“ Zärtlich legte er seinen Finger auf meine Lippen, strahlte mich an und holte nach, worin wir vorhin so jäh unterbrochen wurden.
Liebevoll nahm er mich bei den Hüften. Legte seine Lippen auf meine. Schlagartig wurde mir heiß. Vergessen, der regnerische, sehr frühe Sonntagvormittag.
Ich erwiderte seinen Kuss.
Wir sahen uns tief in die Augen, gefolgt von einer innigen Umarmung.
„Ich hab dich sehr lieb, Mark! Und ich möchte dich sehr gern näher kennen lernen. Wie du so bist und was du so machst!“
Ich fühlte ihm gegenüber genauso.
Wir versanken in einem weiteren längeren Kuss.
Liebe gefunden?
Stefan:
Wir schlenderten ausgelassen zu seinem Wagen und stiegen frierend und klatschnass ein. Ich meinte, dass wir doch zu mir fahren könnten, schließlich wohne ich allein.
Ich dirigierte ihm den Weg und eine Viertelstunde später standen wir dann in meiner Wohnung. Es wurde eine schöne Nacht und ich war froh, nicht mit Dennis ausgegangen zu sein. Doch hatte ich mir nen Typen in mein Bett geholt. Eigentlich ein ´No go´. Ich und Beziehungen? Dafür bin ich nicht der Typ. Aber bei Mark hat irgendetwas ´Klick´ gemacht in mir. Ich könnte mir ein Leben mit ihm vorstellen. Aber ist der Preis dafür nicht zu hoch? Keine schnellen Nummern mehr mit irgendwelchen Kerlen. Rücksicht zu nehmen auf jemand anderes, jemand richtigen, in meinem Leben... Ich werde es feststellen. Mark bei Stefan
Schöne Wochen haben wir gemeinsam verbracht. Haben uns näher kennengelernt. Persönlich und körperlich. Ich wusste es zu genießen. Stefan ist nicht unbedingt der Wilde im Bett.
Eher der Romantische, Zärtliche, Sinnliche. Und doch nicht langweilig. Das gefällt mir. Er weiß wie man jemanden glücklich machen kann.
Mein letzter One Night Stand war furchtbar. Ein wildes Tier hat mich da angefallen.
Heute lagen wir noch in seinem Bett. Ein Samstag. Draußen regnete es, ein leichter Wind schlug sanft gegen die Jalousien.
Stefan hatte seine Arme um mich geschlungen. Ich schielte zur Uhr.
9:23 leuchtete es grün auf dem Display des Weckers.
Ich befreite mich aus seiner Umarmung, stand auf und sah zu ihm. Er öffnete seine Augen und fragte verschlafen: „Wo gehst du hin?“
„Ich mach uns schnell Frühstück, schlaf ruhig noch weiter.“
Als Antwort kam nur ein „Hm, ja!“ und schon schlief er wieder ein.
Ich ging in die Küche, drückte auf den Knopf seiner Padmaschine und buk ein paar Croissants auf. Butter und Marmelade noch auf das Tablett gestellt und zurück ins Schlafzimmer.
Ich schaltete den Fernseher ein und stellte das Tablett auf den kleinen Tisch neben dem Bett.
„Guten Morgen, Süßer, Frühstück.“, flüsterte ich in sein Ohr.
„Morgen.“ Er rieb sich die Augen. So verschlafen war er immer am süßesten fand ich.
Wir aßen unser Frühstück. Kuschelten und danach wieder ins Bett und genossen den regnerischen Tag vor dem Fernseher.
Nach etlichen Serien wurde es dann Zeit für uns, uns fertig zu machen. Eine schöne angenehme Dusche war jetzt genau das Richtige für uns beide.
Freunde von ihm luden zu einer Grillparty ein.
Mittlerweile hatte das Wetter aufgeklart. Die Sonne schien und es versprach noch ein gemütlicher Abend zu werden, bei milden Temperaturen.
Stefan:
Es lief gut auf der Grillparty. Meine Freunde mochten Mark auf Anhieb. Er war witzig und sympathisch. Melanie, meine beste Freundin meinte, dass ich da einen guten Fang gemacht hätte. Das wusste ich natürlich selbst. Nur dummerweise war auch jemand zu der Party eingeladen, den ich nicht kannte. Dominik, so hieß er, sah einfach super aus. Unsere Blicke trafen sich ein paarmal zu oft. Ich hoffte, dass Mark das nicht auffiel. Aber zum Glück unterhielt er sich immer recht gut und bekam so nichts mit.
Ich ging in die Küche um mir ein kühles Bier zu holen. Einen Augenblick später kam Dominik ebenfalls zur Tür herein. Einen Kopf kleiner als ich, blonde Haare, blaue Augen. Einfach ein Traum. Er lächelte mich an und fragte mich, wie es mir denn so ginge.
„Gut! An so einem klasse Abend.“
„Hast ´nen netten Freund.“
„Weiß ich. Er ist einfach süß.“ Warum fragt der mich so einen überflüssigen Mist?
„Wenn du mal Lust hast“, er legte eine kleine Pause ein und schrieb etwas auf einen kleinen Zettel, „hier meine Nummer für ´ne Nummer.“.
Dominik schob mir den Zettel in meine Hosentasche. Er sah mir dabei tief in die Augen. Ganz ernst und ohne irgendeine Regung in seinem Gesicht. Er wollte mich. Am besten gleich. Hier und sofort! Ich wollte ihn auch. Auf dem Küchenboden.
Seine Hand verweilte etwas zu lange in meiner Tasche. Er zog sie wieder raus und grinste mich verwegen an.
Ganz perplex sah ich im hinterher, als er die Küche verließ.
Ich sammelte meine Gedanken. Versuchte mich zu beruhigen. Mir war ganz heiß. Am Spülbecken spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und hoffte auf Abkühlung.
„Nein!!“
Ich fischte den Zettel aus meiner Hosentasche, um ihn wegzuwerfen.
Mülleimer auf, Zettel rein.
Theoretisch einfach. Praktisch gar nicht so einfach. Dominik ist einfach zu heiß.
Ich liebte Mark. Keine Frage. Gerade heute, als ich ihm was schenken wollte, wurde meine Liebe auf eine harte Probe gestellt.
Ich überlegte ein paar Minuten. Ich wollte Mark nicht verlieren. Das war klar.
Aber wie heißt es so schön. Was er nicht weiß, macht Dominik heiß! Oder: einmal ist keinmal.
Der Zettel wanderte wieder in meine Hosentasche.
Diese Möglichkeit konnte ich einfach nicht an mir vorbeiziehen lassen. Hoffentlich war er auch so gut im Bett wie er aussah. Ein etwas flaues Gefühl machte sich breit. Ich unterdrückte es. Vorerst.
Mark:
Seine Freunde mochten mich. Schnell lernten wir uns kennen und wir verstanden uns bestens. Insgesamt machte ich mit drei Leuten Bekanntschaft.
Melanie. Seine beste Freundin.
Rainer. Melanies derzeitiger Freund. Stefan meinte, bei ihr weiß man nie so genau wer grad der aktuelle Freund sei.
Und dann war da noch Dominik. Diesen kannte Stefan nicht.
Ich unterhielt mich bestens an diesem Abend. Wir spielten Karten und tranken ein paar Bier.
Es war eine angenehm milde Sommernacht. Wir hatten uns vorgenommen, solange wach zu bleiben bis die Mondfinsternis vorbei war, die für diesen Abend angekündigt wurde.
Wir hatten eine kuschelig warme Decke im Garten ausgebreitet. Jedes Pärchen seine eigene. Dominik war zum Glück mittlerweile verschwunden.
Nach einigen Stunden war es endlich so weit. Der Mond stand kurz davor verdeckt zu werden. Ein gigantisches Himmelschauspiel spielte sich über unseren Köpfen ab. Das besondere dabei war auch noch, dass es eine Vollmondfinsternis war.
Stefan saß hinter mir, ich lag mit dem Rücken auf ihm und mein Kopf weilte auf seiner Brust.
„Heb doch bitte mal deinen Kopf kurz an, Schatz.“, flüsterte Stefan mir zärtlich ins Ohr. Ich tat es und dachte mir, dass er es sich vielleicht nur kurz gemütlicher machen wollte. Aber es passierte etwas ganz anderes. Plötzlich merkte ich, wie er mir eine Kette um den Hals legte.
„Ich liebe dich Mark!“, flüsterte Stefan mir zärtlich ins Ohr. Ich sah an mir herab. An meinem Hals baumelte nun eine silberne Kette. Einfach, aber doch wunderschön.
Ein leidenschaftlicher Kuss folgte, als ich mich umdrehte und somit auf ihm lag. Der Mond war nun komplett verdeckt. Ich meinte, seine Erregung deutlicher spüren zu können als sonst. Mittlerweile waren wir auch allein.
Ein perfekter Augenblick.
Stefan.
Tat ich das Richtige? Mein Blick war auf das Display meines Handys gerichtet. Dort stand sie. Die Nummer von Dominik. Einen Knopfdruck war ich noch entfernt, um ihm meine SMS zu schicken. *Wünsche mir eine heiße Nacht mit dir. Stefan!*
Mein Herz sagte: „Tu es nicht!“
Mein Verstand: „Tu es nicht!“
Mein bestes Stück: „Tu es! Tu es! Tu es!“
Ein Knopfdruck: „Nachricht löschen?“ erschien auf dem Display.
Ich überlegte noch einmal. Meine Gedanken schossen hin und her.
Hätte nie gedacht, dass es so schwer sein könnte.
Bei anderen habe ich nie gezögert, ganz schnell Schluss zu machen wenn jemand geileres kam. Aber bei Mark war das anders. Bei ihm war mehr im Spiel.
Einige Wochen waren seit dem Grillabend vergangen. Und wir verstanden es gut, das richtige Mittelmaß zu finden. Wir sahen uns oft. Aber nicht zu oft. Jeder lebte sein Leben. Wir machten Dinge getrennt und auch gemeinsam. Unsere verschiedenen Leben wuchsen trotzdem stetig zusammen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir den nächsten Schritt wagen konnten:
Zusammenziehen. Er liebte mich. Keine Frage. Und ich liebte ihn auch.
Aber mir fehlte etwas. Ich brauchte ein Abenteuer.
Die Nachricht wurde nicht gelöscht. ich drückte den Knopf für senden.
Einen Augenblick später stand geschrieben:
*Nachricht erfolgreich gesendet*
Noch kein Gefühl des bereuen. Aber auch nicht der Vorfreude.
Ich lag auf der Couch und zappte mit meiner Fernbedienung durch die Kanäle. Es war jetzt sieben Uhr. Klar, nichts Interessantes bot sich mir im Fernsehen. Minuten verstrichen. Ständig geriet mein Blick aufs Handy. Wann würde endlich Antwort kommen?
Schließlich, nach ein paar weiteren Minuten, meldete sich mein Handy.
Ich drückte auf „Lesen“. Die Message kam von ihm. Scheinbar hat er mich nicht vergessen.
* Hey Stefan. Dann kommst am besten sofort zu mir. *
Ich notierte mir Dominiks Adresse. Schrieb im zurück, dass ich bis in einer halben Stunde bei ihm sein könnte.
* Freue mich schon auf deinen heißen Body *, kam prompt als Antwort zurück.
Immer noch kein Gefühl des bereuen. Vorfreude? Fehlanzeige.
Ich sprang unter die Dusche und machte mich fertig.
Gut, dass Mark heute nicht auftauchen konnte. Er wollte Freunde besuchen und er meinte, dass es länger werden könnte.
Ich zog meine besten Shorts an. Meine schönsten Jeans, mein engstes T-Shirt. Eigentlich brauchte es das alles nicht. Schließlich hatte ich nicht vor, meine Klamotten für länger anzubehalten.
Langsam freute ich mich doch auf das kleine Abenteuer. Mark existierte diese Nacht nicht. Er war nicht hier.
Dominik wohnte am anderen Ende der Stadt. Ich benötigte eine ganze Weile dorthin. Länger als vermutet. Herzklopfen stellte sich bei mir ein. Ich betätigte die Klingel an der sein Name stand. Kurz danach folgte auch schon das Summen, das mir die Tür zum Abenteuer öffnete.
Er wohnte im dritten Stock. In einer überraschend schönen Wohnung, mit zwei Zimmern.
Ich bekam aber erst mal nur die Diele und sein Schlafzimmer zu Gesicht.
Viel musste ich bei Dominik nicht ausziehen, da er eh nur in Boxershorts vor mir stand. Und er sah einfach nur super aus. Unbeschreiblich.
Genau so war auch der Sex mit ihm…
Danach trafen meine Blicke die seinigen. Er kam noch einmal zu mir rüber und küsste mich.
„Du bist echt Hammer. Können wir doch öfter machen, so ein Sexdate... Mark muss es ja nicht mitbekommen, oder?“ Meinte der das jetzt ernst? Für mich war das eine einmalige Sache.
Mark? Wieso musste er jetzt diesen Namen erwähnen?
„Nun. Ich denke nicht.“
„Sehr schade. Aber wir sehen uns wieder. Einmal ist kein Mal. Und bis jetzt wollte mich jeder noch mal haben...“
Dominik grinste mich an. Dessen war es sich anscheinend sicher.
Arrogantes Arschloch. Was mich angeht, so glaube ich nicht, dass ich ihn je wieder sehen werde, um ihn zu ficken. Auf einmal fand ich ihn nicht mehr so toll. Der Zauber war verflogen. Ich kam mir dreckig vor. Beschmutzt von diesem Arsch. Ich suchte meine Sachen zusammen, zog sie an und verließ die Wohnung mit einem etwas mulmigen Gefühl, ohne ein weiteres Wort zu reden.
Draußen war es mittlerweile dunkel geworden.
Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich ganze drei Stunden bei Dominik ´verschwendet´ hatte. Ich stutzte. So lang?
Nachdem das Abenteuer vorbei war, kam jetzt das Gefühl des Bereuen. Auf einmal wurde mir schlecht. Ich lief die Treppen hinab, öffnete die Tür und übergab mich kurzerhand in die schönen Blumen des Gartens.
Was ist bloß los mit mir? Normalerweise ist mir das scheißegal, wenn ich jemanden betrogen habe. Aber Mark betrügen...hm! Was hab ich nur getan?
Nur weil Dominik geil war und ich ihn unbedingt wollte? Für mein Ego?
Mark:
Vor gar nicht allzu langer Zeit hab ich mir noch vorgestellt vom Zug überrollt zu werden, ich fand mein Leben für „Nicht Lebenswert“.
Dennoch habe ich nicht aufgegeben und nach dem Strohhalm gegriffen, und alles wurde besser.
Es ist schon bemerkenswert, wie ein einzelner Mensch das Leben eines anderen verändern kann.
Liebe ist mächtig. Eines der schönsten Gefühle auf Erden. Leider aber auch eines der traurigsten Gefühle, das ich mir vorstellen kann. Aber meine große Liebe hat mich komplett verändert, alles wurde besser.
Den Abend mit Freunden, zu dem Stefan leider nicht mitkommen wollte genoss ich. Leider ging der Abend früh zu Ende, da einer der Gastgeber morgen Früh raus musste. Doch was tat ich nun noch in dieser noch nicht allzu fortgeschrittenen Nacht?
Ich beschloss, Stefan anzurufen. Er hatte heute nichts Besonderes vor und blieb vermutlich bei sich zu Hause.
Es tutete! Nach wenigen Freizeichen ging die Mailboxtussi ran.
Ich setzte mich wieder ins Auto und fuhr heim. Auf halber Strecke probierte ich es nochmal bei Stefan. Mailboxtusse.
Vielleicht schlief er ja schon. Aber so früh?
Als ich endlich bei mir angekommen war, versuchte ich es nochmal bei Stefan.
Alle guten Dinge sind drei: Es tutete wieder und... Mailboxschlampe.
Ärger stieg hoch. Sollte ich zu ihm fahren? In kontrollieren?
Nach kurzer Zeit war ich auch schon bei ihm. Sein Auto stand nicht da. Licht brannte auch keines. Also musste er unterwegs sein. Ich fuhr weiter zur Videothek um mir eine DVD auszuleihen. Danach ging´s zum Burger holen.
Ich hoffte, dass mich ein guter Film etwas ablenken konnte.
Dominik:
„Eines ist ja wohl klar! Der kommt wieder... Im besten doppelten Sinne.“
Stefan ging gerade zur Tür hinaus. Ich stellte mich ans Fenster, um ihm nachzusehen. Was machte er denn da unten im Garten? Egal. Es war geil mit ihm. Nicht die beste Nacht, die ich je erlebt hatte, aber immerhin.
Ich wusste um mein Aussehen. Und diese Tatsache spielte ich voll aus. Selbstbewusst und zielsicher. Die wenigsten konnten mir widerstehen. Einige sind sogar an mir zerbrochen.
Beziehungen haben unter mir gelitten.
Beziehungen? Eine der dämlichsten Einrichtungen überhaupt. Zwei Menschen, die sich ewige Treue schwören. Schwachsinn!
Früher oder später erliegt einer der beiden den Reizen eines anderen. Um ihr gewissen rein zu halten, tun sie es unter dem Vorwand, ein bisschen Abwechslung in ihr Liebesleben bringen zu wollen. Der andere müsse es ja nicht erfahren.
Es sei denn, ich will es so!
Für die entsprechenden Beweise sorgte ich dann schon.
Ich drehte mich vom Fenster weg. Bezog auf die Schnelle mein Bett neu, um nicht auf feuchten Untergrund liegen zu müssen. So etwas konnte ich nicht ausstehen.
Auf einmal fiel mein Blick auf den Boden. Und dort lag es. Ich wusste noch nicht wie ich diese Trumpfkarte ausspielen sollte, aber ich hob das Handy auf, und stellte mit Freuden fest, dass es noch eingeschaltet war. Daraus ließe sich doch was drehen.
Ich trank noch einen Schluck Wasser und ging anschließend zu Bett.
Mit dem Handy von Stefan in der Hand suchte ich mir eine bestimmte Nummer raus. Nebenbei löschte ich noch die drei entgangen Anrufe. Danach schrieb ich eine SMS mit meinem Telefon. Natürlich mit unterdrückter Nummer, so dass diese nicht auf dem Display des Empfängers erschien. Ein paar Tricks hatte ich auf Lager, selbst bei einer SMS konnte meine Nummer nicht erscheinen konnte.
Stefan:
So ein beschissenes Gefühl hatte ich, so glaube ich zumindest, noch nie verspürt. Mein Gewissen meldete sich nun doch zu Wort, nachdem ich meinen Spaß gehabt hatte und langsam erkannte, was ich da für einen Mist gebaut hatte. Am besten vergaß ich die Angelegenheit ganz schnell.
Mark weiß nichts davon und er wird er auch nie erfahren.
Wie auch?
Den Kopf voller Gedanken fuhr ich los. Zunächst irrte ich völlig Sinnlos in der Stadt umher. Nach einiger Zeit merkte ich, dass ich in die Gegend gekommen war in der Mark wohnte. So fuhr ich an seiner Wohnung vorbei und sah, dass er daheim war. Warum?
Hat er mich belogen? Genau so wie ich ihn belügen müsste, wegen meines heutigen Abends, wenn er mich danach fragen würde?
Niedergeschlagen fuhr ich heim. Entsetzt über diesen Abend.
Morgen, würde ich alles aufklären. Vielleicht würde er mir ja verzeihen. Aber hätte ich es verdient? Zuhause angekommen fiel ich auf meine Couch und schlief ein.
Mark:
Kurz vor dem Einnicken, während einem mehr als langweiligen Film, piepte mein Handy.
Ich schrak auf. Mit einer Hand griff ich nach dem Handy und las die Nachricht.
* Pass auf was dein Freund tut *, stand dort nur. Keine Nummer.
Sehr merkwürdig. Ich wurde sofort hellwach.
Meine Augen lasen die Nachricht wieder und wieder. Und das Gehirn setzte das Gelesene gekonnt in Szene. Was war los? Gab es einen guten Grund warum Stefan heute Abend überhaupt nicht erreichbar war? Vielleicht nahm ich das Ganze jetzt auch nur zu ernst.
Aufgrund solch einer SMS werde ich auf alle Fälle keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Trotzdem werde ich in Zukunft mehr Acht geben müssen.
Stefan:
Ich klingelte an seiner Haustüre. Es war früh am Morgen und die Sonne war vor wenigen Stunden aufgegangen. Als sich nach kurzer Zeit die Tür nicht öffnete, klingelte ich noch einmal.
Ich hörte Schritte aus der Wohnung. Die Türe öffnete sich und Mark sah mich verschlafen an.
„Hab ich dich geweckt, Schatz?“
„Ja. Irgendwie schon! Wie spät ist es eigentlich?“
„Ungefähr halb neun.“ Ich hielt die Tüte vom Bäcker in die Höhe. „Ich hab Frühstück mitgebracht.“
Ich lächelte Mark an und drückte ihm erst einmal einen Kuss auf seinen Mund.
Seine Augen blitzten glücklich auf und ich trat ein. Wir gingen in die Wohnküche und bereiteten uns ein schönes Frühstück.
„Wie war es bei deinen Freunden?“, fragte ich ihn beiläufig aber gezielt.
„War toll bei ihnen. Leider zu kurz. War schon recht früh wieder zu Hause.“
Klingt plausibel. Warum sollte er mich auch anlügen, wo er weiß, dass ich das jederzeit nachprüfen könnte, es aber nie machen würde. Ich sah ihm an, dass er die Wahrheit sagte.
Jetzt wird es Zeit, dass ich im meinen Fehler gestehe.
Mein Gewissen plagt mich zu sehr, als dass ich dieses Spielchen lang durchhalten könnte.
Mark:
Wie ich es hasste. So früh klingeln konnte nur der Postbote, oder der Schornsteinfeger. Aber an einem Sonntag? Ich ignorierte es. Ein zweites Mal wurde der Knopf an der Türe gedrückt, den ich jetzt am allerliebsten unter Strom gesetzt hätte.
Egal, was soll´s. So stand ich also auf. Total übernächtigt und fertig mit der Welt. Ich öffnete die Türe und sah Stefan vor mir. Er wollte frühstücken.
Aber ich sah ihm schon an, dass er irgendetwas auf dem Herzen hatte.
Mein Freund wollte anscheinend mit mir reden. Zuerst fragte er mich, wie es denn gestern bei meinen Freunden gewesen wäre. Ich antwortete ihm wahrheitsgemäß.
„Und du? Hast du deinen Abend Genossen?“
Ich spürte, dass dieses Gespräch nicht gut enden würde. Stefan sah mich an und fand anscheinend kaum die richtigen Wörter. Ich beschloss ein wenig nach zu helfen und suchte mein Handy raus. Rief die Nachricht von gestern Abend auf und hielt sie ihm vor die Nase!
„Hilft dir das vielleicht ein bisschen weiter? Kommen da wieder irgendwelche Erinnerungen hoch?“
„Ich... äh... ich... war gestern bei Dominik!“, kam es leise und zögerlich aus ihm heraus.
Mir verschlug es die Sprache. Viel hatte ich erwartet. Aber das Stefan gestern Abend bei diesem Schönling war, dass konnte ich ihm wahrscheinlich nie verzeihen.
„Und jetzt hoffst du, dass wenn du ein Frühstück bringst, alles wieder in Ordnung ist? Ich kann dir doch nach solch einer Aktion nicht mehr vertrauen.“ Tränen stiegen mir in die Augen.
Er hat zwar nicht ausgesprochen was genau passiert ist, aber ich konnte mir schon denken, dass die zwei ihren Spaß hatten.
Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen schmiss ich ihn aus der Wohnung. Jedes Wort, dass er oder ich jetzt sagen würde, wäre zu viel. Er sollte mir keine Erklärungen abgeben. Er hatte mich betrogen. Der größte Vertrauensbruch, den ein Mensch in einer Beziehung begehen konnte. Das einzige was ich ihm zugutehalten kann ist, dass er es mir am nächsten Tag beichten wollte. Ich knallte die Tür hinter ihm zu und brach zusammen.
Meine große Liebe war verloren. Verzeihen kam für mich nicht in Frage.
Stefan:
Die Türe knallte hinter mir so heftig zu, dass ich dachte das Holz würde splittern. Es ärgerte mich, dass er mir keine Gelegenheit gab, zu erklären. Klar konnte ich ihn ein wenig verstehen.
Wenn er mich betrogen hätte, wüsste ich selbst nicht, wie ich reagieren würde. Also trat ich erst einmal den Rückzug an.
Es gab da noch etwas zu klären. - Mit einem gewissen jemand.
Ich setzte mich in mein Auto und fuhr los. Jetzt wusste ich wenigstens sicher, wo sich mein Handy befand, das ich heute Morgen schon vermisst hatte. Mein Weg führte zu Dominik, das zweite Mal innerhalb weniger Stunden.
Dominik machte mir sogleich auf als ich unten klingelte. Abermals begab ich mich die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Er stand schon an der Türe und wartete grinsend auf mich.
„Ich wusste doch, dass du mehr von mir willst!“, sagte er in einem verführerischen Ton und fuhr mit einer Hand seine Nackte Brust hinab. „Aber so schnell?“
„Ja... Wer kann dir schon widerstehen?“, hauchte ich ihm ins Ohr und drückte mich zu ihm in die Wohnung hinein.
Er grinste mich an und freute sich sichtlich darüber, dass ich nochmal aufgetaucht bin.
„Hast du zufällig mein Handy gesehen? Könnte sein, dass ich es hier liegen gelassen habe.“ Suchend wanderten meine Augen durch das Schlafzimmer, in dem ich mittlerweile stand.
„Oh ja, dein Handy! Das hab ich hier.“
Er öffnete eine Schublade am Nachttisch und kramte es hervor.
„Das musst du dir aber zuerst verdienen.“ Neckisch blickte er mich an.
Ich trat auf ihn zu und tat so, als ob ich mich ausziehen würde. Vor ihm stehend holte ich mit meiner Rechten aus und versetzte Dominik einen Hieb, der in auf´s Bett taumeln ließ. Halb nackt und aus der Nase blutend schrie er mich an. Seine weiße Wäsche war jetzt ruiniert. Das war mir aber mehr als egal.
„Was soll der Scheiß, Mann?“
„Das war für die SMS an Mark und dass du offensichtlich mein Handy benutzt hast. Durch dich konnte er sich schon gestern denken, was ich ihm heute beichten wollte.
Und du bis noch lange nicht so gut im Bett wie du vielleicht glaubst. Ich hoffe deine Nase wird nicht mehr so perfekt gerade.“
Mit offenen Mund starrte er mich an. Das Blut lief immer noch auf seine weißen Laken.
„Ich werde dich anzeigen, du Arsch. Ich bring dich vor Gericht.“, brüllte er voller Zorn. Anscheinend wollte er nun keinen Sex mehr haben. War mir auch egal.
„Das kannst du gerne tun.“, erwiderte ich ihm gelassen. Ich drehte mich um und verließ die Wohnung. Dominik ließ ich mit seiner gebrochenen Nase blutend auf dem Bett zurück.
Mark:
Wieder allein. Dieses Gefühl kannte ich bereits. Heulend saß ich nun auf der Couch. Meine Liebe war verloren. Im Laufe der Zeit hatte ich mich immer mehr in ihn verliebt. Schwer wird die Zeit des Vergessens werden. Ich wollte ihm keine Chance mehr geben, sich zu entschuldigen. Das, was er getan hat, war unverantwortlich und zeuge von Dummheit.
Selbst wenn er mich wirklich liebte, dürfte er an so etwas nicht einmal denken.
Jetzt ist es vorbei und ich spürte, wie jegliche Kraft mich verließ. Meine Verbundenheit mit ihm war zu groß geworden, als dass ich in den nächsten Monaten an anderes denken konnte als an Stefan.
Stefan:
Die nächsten Wochen wurden hart. Als Folge dessen, dass ich Dominik die Nase gebrochen hatte, wurde ich vom Gericht dazu verdonnert Sozialstunden im Altersheim zu leisten.
Als ich den Gerichtssaal verließ, kam ich an Dominik vorbei, der mich mit seiner schiefen Nase so dermaßen saublöd angrinste, dass ich ihm am liebsten noch eine verpasst hätte. Ich beließ es aber selbst bei einem Grinsen und deutete mit einem Finger auf meine eigene heile Nase.
Mittlerweile war es kurz vor Weihnachten. Im Altersheim zu arbeiten machte mir großen Spaß. Das lag daran, dass dort ein süßer Kerl arbeitete, der mir sehr sympathisch war. Mark konnte und wollte ich zwar nicht vergessen, aber er hat total geblockt. Jeder Versuch Kontakt mit ihm aufzunehmen scheiterte. Er zog sich immer weiter zurück und mied sogar unsere gemeinsamen Freunde.
Jede SMS und jeder Anruf blieb unbeantwortet.
So kam es, dass ich allem überdrüssig wurde und die Hoffnung aufgab, dass er mir vielleicht verzeihen könnte. So brach der Kontakt ab und ich wünschte ihm in Gedanken alles Gute für seine Zukunft.
Am Neujahrsmorgen wünschte ich, ich hätte mehr für ihn getan.
Mark:
Silvester. Mitternacht.
Ich suchte mir aus der Packung Silvesterknaller die größte Feuerwerksrakete raus. Anschließend stellte ich eine leere Flasche auf den Boden und steckte die Rakete hinein. Aus meiner Jackentasche fischte ich die Kette, die mir Stefan damals im Sommer geschenkt hatte.
Sie bedeutete mir sehr viel. Doch um ihn loszuwerden musste ich symbolisch mit ihm Schluss machen. Jetzt im neuen Jahr konnte vieles besser werden. Durch Stefan bin ich ein anderer Mensch geworden. Seit der Trennung hab ich mich zurückgezogen, doch nun wollte ich im neuen Jahr neu angreifen, das Gespräch mit ihm suchen und einen neuen Freund finden.
Ich verschnürte die Kette an der Rakete, sodass sie bei der Explosion in tausend Stücke gesprengt werden würde.
Ich nahm das Feuerzeug zur Hand und hielt es an die Zündschnur. Kurz darauf zischte der Funken gen Dochtende.
Ich drehte mich um. Ein paar Meter weiter wollte ich zusehen wie meine Vergangenheit in den klaren Nachthimmel flog.
Hinter mir ein dumpfes Klirren. Ich drehte mich und sah dass die Flasche umgefallen war. Anscheinend war das Gewicht der Kette zu groß gewesen. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass die Rakete jetzt allerdings genau auf mich zielte. Der Funken hatte das Dochtende nun erreicht und die Rakete zischte mit einem schrillen Ton genau auf mich zu.
Stefan:
Früher Morgen. Der Tau hielt sich hartnäckig auf den Gräsern um die Gräber. Dieser Januartag kam mir besonders kalt vor. Gestern wurde Mark beigesetzt. Nichts und niemand konnten mich dort hinbewegen. Konnte es nicht sehen, wenn der Sarg hinabgelassen wird.
Zu schwer lag die Last auf meinem Gewissen. Ich versuchte damit zu leben. Es gelang ganz gut. Nur gab es immer wieder diese ruhigen Momente, an denen ich intensiv an Mark dachte, in denen ich mich ihm nahe fühlte.
Jetzt steh ich hier allein an seinem Grab. Nahm Abschied im Stillen Gedenken. Zusammen mit all den frischen Blumenkränzen, der frischen Erde vor mir und der Kälte um mich herum.
Der Wind wehte zärtlich um mich, so als wollte er mich trösten und spielte mit den Schneeflocken, die auf meiner Haut schmolzen.
Alles war ruhig. Kein Laut war zu hören.
Nur mein Herz schlug in stetigen Rhythmus, dazu vernahm ich meine Gedanken. Leise wisperten sie in meinem Kopf.
War unterwegs. Hab ihn gefunden. Und doch habe ich meine Liebe verloren.
Tag der Veröffentlichung: 15.12.2014
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