„Ich möchte dir eine Geschichte erzählen.“
„Die eine Geschichte?“
Ich zwinkerte ihm spielerisch zu und stupste ihn mit der Schulter an.
Er lächelte, dann schloss er die Augen und ließ sich der Länge nach ins Gras fallen.
„Die schönste Liebesgeschichte aller Zeiten.“
Die Sonnenstrahlen reflektierten auf seiner gebräunten goldenen, reinen Haut.
Die Konturen und feinen Züge seines Gesichts waren mir mehr vertraut als mein eigenes.
Ein leichter Wind wog die Grashalme zu einem stillen Tanz.
Ich vernahm meinen Herzschlag und jeder seiner Atemzüge.
Es war eine automatische Reaktion seiner Körperbewegungen nachzuahmen.
Ich legte mich neben ihn ins Gras und spürte die Wärme seines Körpers direkt neben mir.
Und ich fühlte mich in Frieden gehüllt und keinen Erwartungen ausgesetzt.
Es war okay, dass ich hier einfach neben ihm lag und ich selbst war.
Es gab kein muss und nichts, was ich tun könnte, um ihm zu gefallen.
Er mochte mich mehr als ich mich selbst gerne gehabt hätte.
Und er war auf natürliche Weise mit der Umgebung vereint, nie überkam ihn Unruhe, Zweifel oder Angst. Nichts konnte ihn enttäuschten, weder ich noch die Gesellschaft.
Die Welt fühlte sich mit ihm weniger real an, als sein Antlitz auf dieser Lichtung.
Es war mehr als ein Gefühl, das zu entflammen und zu zerstören mächtig ist.
Es war mehr als ein Gedanke, der die Realität verstehen und zu manipulieren gedenkt.
Es war mehr als eine Idee, welche zu Träumen inspiriert und auf Welten ohne Grund zu bauen versteht.
Mehr als meine Sinne zu verstehen geübt und doch dazu bestimmt sind.
„Bitte erzähl mir zuerst das Ende.“
Ich grinste wissend, schmiegte mich an seine Seite und konnte nicht genug von seiner Nähe bekommen.
Er legte einen Arm um meinen Bauch und zog mich noch näher an sich.
„Sie hat kein Ende.“
„Jede Geschichte hat ein Ende.“
Übernahm ich nur allzu gerne meinen Part dieser Unterhaltung.
Ich küsste ihn auf die Wange.
Er schmeckte nach Sehnsucht.
Mein Herz klopfte beschwingt. Nie würden mich seine Geschichten müde machen.
„Ich liebe Dich.“
Drei Worte, sie klangen vertraut in meinen Ohren und gleichzeitig durchströmte mich die Wahrheit mit neuer Energie.
Sie waren wahr, mehr alles, was ich wusste und liebte.
Mehr als das.
Sie waren ein Versprechen für die Ewigkeit und niemals würden diese Worte vergehen.
Der Wind könnte sie nicht aus meinem Herzen tragen.
Kein weiterer Atemzug aus meinem Leben nehmen.
Mein Herzschlag konnte niemals verklingen.
Es spielte keine Rolle, was ich tun würde, um diesen Worten zu entfliehen.
Denn er würde sich nicht verändern. Seine Liebe war gut und seine Taten waren nur zu meinem Guten bestimmt.
Ich lächelte und weinte gleichzeitig.
Verlegen wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht.
„Warum?“
Ich wusste es, ganz tief in mir vertraute ich ihm. Doch immer wieder wollte ich es hören.
„Weil du bist. Nichts kann mich darin hindern dich zu lieben. Weder das Leben noch der Tod.“
Er nahm meine Hand, umschloss seine Finger mit meinen und streichelte meinen Handrücken.
„Und wenn ich auf dich wütend bin und am liebsten etwas nach dir werfen würde? Wenn ich dich einen Lügner nennen würde?“
„Schon allein, weil du mir diese Fragen stellst, teilst du deine Sorgen mit mir.
Und teilen möchte ich alles mit dir und ich freue mich, wenn du etwas mit mir teilen möchtest, egal welche Gründe dich zu mir führen. Ich habe nur Gutes mit dir vor.
Dein Schmerz, dein Zorn und deine Einsamkeit sind mein, wenn sie dein sind.
Und meine Gedanken, meine Gefühle für dich, sind ebenso dein.
Lache, weine, brülle und flüster zu mir, ich höre dich und nie werde ich dich von dir stoßen.
Denn ich kenne dich und jeder Tag mit dir bereitet mir Freude.“
Ich richte mich auf, möchte am liebsten bis zu meinem Lebensende in sein schönes Gesicht schauen. Jedes seiner Merkmale einprägen und immer die Möglichkeit haben mit meinen Fingern über seine weiche Haut zu gleiten.
Seine Augen öffnen sich und seine Iris gleicht den Farben eines Regenbogens. Keiner Farbe angehörig und gleichzeitig jeder Farbe mächtig.
Sein Blick erfüllt mich mit Wärme und ich habe keine einzige Sekunde das Gefühl mein Angesicht vor ihm verstecken zu müssen.
Nein, das Verbergen meines Wesens war endgültig vorbei.
Seit ich wusste, dass er in mir etwas Besonderes und Liebenswertes sieht, obwohl er mich kennt, ließ mich auf sein Urteil vertrauen.
Ich wollte kein einziges Mal mehr an der Richtigkeit meiner Existenz zweifeln. und wenn mich jemand glauben lassen wollte, dass ich ein Funken weniger bin, als ich tatsächlich bin, würde ich mich an ihn wenden. Denn ihm vertraute ich.
Ich würde ihn fragen, wer ich bin und wohin ich mich sehnte.
Und er würde mich anlächeln, herzlich umarmen und immer wieder daran erinnern, dass ich an seiner Seite zuhause war.
„Bleibst du bei mir?“
Meine Hand in seiner geborgen strich über meine Stirn, Wange und über den Mund.
Seine Lippen formten sich zu einem geheimnisvollen Lächeln, das seine Augen zum Glühen brachte.
Und hatte er meinen Namen zuvor mit zarter Stimme umbettet, so sprach er nun feierlich:
„Ich liebe Dich. Nichts kann mich von dir fern halten, wenn du mich bei dir haben möchtest. Hörst du? Nichts kann mich von dir lösen.
Es ist dein freier Wille, ob du meine Liebe annimmst.
Und wie auch immer du dich entscheiden wirst.
Lieben werde ich dich immer.
Aber weil ich dich bedingungslos liebe werde ich immer wieder für dich Gelegenheiten schaffen mich zu lieben, weil du fort gingst und nun den Weg zurück zu mir mit mir als Begleiter finden wirst.
Bis zum Schluss werde ich mit allem Guten für dich kämpfen.“
Zufrieden seufzend bettete ich mein Kopf auf seiner Brust.
Die unterschiedlichsten Gerüche hafteten an ihm.
Exotische Pflanzen, deren Name ich nicht kannte und deren Herkunft mir fremd war, der Duft von Meer, frei und tief, frisch gebackenes Brot und ein Hauch meines Liebelingsgeruches, frisch gemahlener Kaffee.
Er personifizierte einen Spaziergang durch unterschiedliche Welten und in jeder Welt fühlte ich mich geborgen, denn er war an meiner Seite und ich gehörte zu ihm, wie mein Herzschlag und mein Atemzug mich am Leben hielten, so schien er mein Atem und mein Herz zu sein.
Wer hatte die Macht mich meines Atems und Herzens zu berauben und mich von seiner Seite zu entreißen?
Warum sollte ich das Herz aus meiner Brust und mein Atem aus meiner Lunge entreißen, wenn nur das mich leben ließ?
Warum sollte ich seine Liebe abweisen, die keine Bedingungen stellte, die nur Gutes im Sinne hatte und unabhängig von mir immer bestand und ihr Wesen niemals verändern würde.
Sie war vollkommen, klar und ohne Kompromisse.
„Unsere Geschichte ist so wunderschön. Und ich möchte sie immer wieder aus deinem Mund hören. Mein Leben lang.“
Ich umarmte ihn fest, küsste ihn auf die Lippen und öffnete sie, um seinen Lebensatem mit meinen zu vereinen.
Und ich wusste, dass es das Natürlichste aller Welten und Zeiten war ihn zu lieben.
Eine dunkle Wolke war über uns Schatten und verschleierte unsere ineinander verschlungenen Körper.
Ich war ihm so nah, ja ich glaubte seinen Atem auf meinem Gesicht und seinen Arm um meinen Bauch zu spüren.
Eine schwere Dunkelheit umgab die Lichtung, verschluckte alle Farben der Pflanzen und unsere Körper.
Plötzlich erkannte ich nicht einmal mehr unsere Umrisse und sein Atem auf meinem Gesicht fühlte sich unwirklich an.
Panik durchströmte mich, die Angst ihn zu verlieren übermannte mich und ließ mich erstarren.
"Ist das alles real? Oder stelle ich mir das alles nur vor? Ist es eine Wunschvorstellung, gewoben aus meinen tiefsten Gedanken und Gefühlen?"
„Deine Realität ist eine Stadt mit fast unüberwindbaren Mauern.
Aber kein Gestein ist für die Ewigkeit gebaut und der Zeit ein schwacher Gegner."
Er entglitt aus meiner Umarmung und erhob sich.
Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen bot er mir seine Hand an, die ich dankbar umfasste.
„Versuche dich zu erinnern. Für mich.“
Sachte strich er mir das Haar hinters Ohr und küsste mich auf den Mundwinkel.
„Erinnere Dich. Liebste.“
Die Dunkelheit nahm zu. Verschlang seine Gestalt und ließ mich alleine zurück.
Ich drehte mich um meine eigene Achse. Versuchte seine Hand zu ergreifen, da sie mir entwischt war. Doch ich konnte ihn nicht finden.
Kein Geräusch, kein Lachen aus seiner Kehle das mein Herz leicht machte.
Und dann wusste ich es. Wenn es nur ein Traum gewesen war, dann gab es keine Chance, dass wir uns wieder sahen würden. Aber vielleicht irrte ich mich. Und alles war tatsächlich geschehen.
Aber warum durfte ich mich nicht erinnern?
Warum wusste ich nicht, wann alles begonnen hatte und wo es enden würde?
Es ist nicht die Sonne selbst, die mich glauben lässt, dass sie aufgegangen ist
Sondern ihr Licht, das mich alles andere sehen lässt
Dann weiß ich den Schein des Nichts zu verstehen
Die Welt in aller Klarheit zu sehen
Prüfend glitt sie mit dem Zeigefinger über das Kuchenmesser. Das Metall drang durch ihre Hautoberfläche und grub sich in ihr Fleisch.
Es wies die maximale Schärfe auf, genau so, wie sie es sein sollte.
Ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust und ihr Atem beschleunigte sich.
Ein Bluttropfen fiel auf den Boden und hinterließ einen kleinen, runden Fleck auf den weisen Fließen.
Sie leckte das Blut von ihrem Finger, während ihr Blick durch das große Fenster hinaus in den frühen Abend fiel.
In der Ferne färbte sich der Himmel hell rosa, die Sonne würde in wenigen Minuten untergehen.
Sie konnte die frischen Blumen auf den Fensterbänken riechen und die letzten warmen Sonnenstrahlen an diesem Tag genießen.
In fünf Minuten Minuten würde der silberne Mercedes in die lange Einfahrt fahren.
Und zehn Sekunden später, nachdem er den Motor ausgestellt, die Bremse angezogen, seine Sonnenbrille aus dem Fach rechts am Armaturenbrett genommen und auf seine aristokratisch modellierte Nase gesetzt hatte, würde er aus dem Wagen steigen.
Dann würde Frau Margarethe Schönau ihn und zu ihrem Missfallen auch seine Verlobte zu einem Nachbarschaftsgrillen für morgen einladen.
Sie lag seit zehn Minuten auf der Lauer, jätete dicht an ihrem grünen Gartenzaun Unkraut und warf jede Minute einen neugierigen Blick auf die lange Einfahrt.
Sie trug ein gelbes knielanges Kleid, das blasse Haut zum Vorschein brachte. Ihre Beine waren untrainiert und gerade. Sie steckten für die Gartenarbeit in unpraktischen hohen Stiefeln mit Holzabsatz.
Ihre braune Lockenpracht lag offen über ihren breiten Schultern.
Sie mochte ihn, seit dem Tag, als er dieses Haus gekauft hatte, weil er sich geduldig und freundlich gab, wenn sie ihn nach der Arbeit vor seinem Haus in ein Gespräch verwickelte. Und all das nur, um in seiner Nähe sein zu können.
Alles lag im Zeitplan und war unter Kontrolle.
Ihre rechte Hand zitterte leicht, als sie das Messer neben den Schokoladenkuchen auf dem weiß gestrichenen Küchentresen ablegte.
Ihr Spiegelbild zeichnete sich an der sauber geputzten Fensterscheibe ab.
Ehrfürchtig strich sie mit den Händen über die weiche Seide ihres Kleides. Sie hatte es vor sieben Tagen für diesen Augenblick gekauft. Es leuchtete tief rot und würde seinen Zweck erfüllen.
Ein leichter Windstoß fuhr durch das halb geöffnete Fenster in die Küche und wog ihr Kleid sanft an ihre Oberschenkel.
Sie waren wohl geformt, von vielen Trainingseinheiten durchtrainiert und bereit.
Mit nackten Füßen glitt sie über das kalte, dunkelbraune Parkett, durchquerte einen breiten Flur und gelangte in sein Schlafzimmer.
Aus dem großen Eichenschrank, in der sich fein säuberlich und geordnet seine Hemden und Hosen befanden, holte sie eine braune Decke hervor und breitete sie auf dem Bett aus.
Sie hielt kurz inne, ihre Aufmerksamkeit galt dem Tagebuch auf seinem Nachtschränkchen.
Sie nahm es an sich und schritt zügig aus seinem Schlafzimmer Richtung Garagentür.
Knarrend öffnete sich die Tür und schlüpfte hindurch.
Kälte umgab sie, als sie über kalten Beton lief und um ihren altem Impala herum ging.
Sie schloss den Kofferraum auf, der sich vorne befand und prüfte den Inhalt.
Alles war dort, wo sie es aufbewahrt hatte.
Schnell warf sie das Buch hinein und klappte die Haube wieder zu und warf einen Blick auf den mit Leder besetzten Rücksitz.
Nachdem sie sich ihre Schuhe vom Rücksitz geglaubt hatte, kehrte sie ins warme Haus zurück.
Und in diesem Moment hörte sie das Knirschen von Reifen, die über den Splitt der Einfahrt fuhren.
Tief durchatmend und mit einem hektisch klopfendem Herzen schlüpfte sie in ihre hohen Schuhe und eilte in die Küche zurück.
Sie nahm das Messer in die rechte Hand. Mit geübtem Auge schnitt sie den Kuchen an.
Eine raue Stimme erklang und eine hohe Frauenstimme lachte.
Ein Blick aus dem Fenster genügte, um eine gewohnte Situation vorzufinden.
Ein junger Mann, ein viel zu gutaussehendes männliches Geschöpf der Höflichkeit gewogen, im maßgeschneiderten, schwarzen Anzug, hörte geduldig seiner Nachbarin zu, die sich mit dem Oberkörper über das Gartentor lehnte und seiner Perfektion mit Weiblichkeit entgegen zu kommen gesuchte.
Sein Aussehen war lächerlich berechenbar. Und ihre weiblichen Genen den natürlichen Instinkten der Lust unterworfen.
Ihr entglitt ein verächtliches Schnauben, als sie sich wieder ihrer Aufgabe widmete und ihren Schokoladenkuchen in perfekt gleichgroße Kuchenstücke schnitt.
Bald würde das Geplänkel sein Ende finden. Und sie würde dafür sorgen, dass ihre einfältige Art sicher sein würde.
Sie hörte, wie er ihr für morgen Abend zusagte. Er hatte sie nicht fragen wollen, ob sie mitkommen würde. Es würde selbstverständlich sein, dass er sie an seiner Seite vorführen konnte.
Der Splitt knirschte unter seinen teuren schwarzen Lederschuhen, als er mit großen Schritten zur Haustür ging.
Sie kontrollierte ihre Atemzüge, als sie das Messer zu einem weiteren Schnitt an der braunen Oberfläche ansetzte.
Ihr Körper spannte sich an, als er seinen Schlüssel ins Schloss steckte und ihn herum drehte.
Das Messer glitt durch den braunen Teig, ruhig und gleichförmig.
Die Tür wurde geöffnet und ein männliches, angenehm duftendes Aftershave füllte den Raum, noch bevor er in den Flur trat.
Sie mochte den Geruch, sie kannte ihn aus Kindheitstagen. Damals hatte sie ihn mit langen Spaziergängen und Kindergelächter verbunden.
Sie wusste, dass er seine Aktentasche auf dem Tisch unter dem großen Spiegel im Flur abstellte. Dann würde er sich seiner Schuhe entledigen.
Nachdem er sie ordentlich im Schuhschrank gestellt hatte, würde er kommen.
Und sie würde bereit sein. Sie war seit dem ersten Tag, als sie ihn begegnet war, bereit dafür gewesen.
Er verursachte nun kein einziges Geräusch mehr. Doch sie wusste, dass er sich ihr näherte.
Und sie umfasste den Griff des Messers fester.
Ihr Herz schlug kräftig in ihrer Brust und ihr kam das Bild mit dem Reh und dem Raubtier in den Sinn. Es hatte große braune Augen und ihnen konnte man die blanke Todesangst erkennen.
Vermutlich müsste sie sich wie das Reh in ihren Gedanken fühlen, als sie den letzten Schnitt tat, und sein Geruch mit jedem weiteren Schritt auf sie zu an Intensität zunahm.
Doch sie verspürte nur Aufregung, einen angenehm Adrenalinschub, der ihre Sinne ausbildete und sie zu einer Frau machte, die stark und mutig für das Leben anderer kämpfte. Menschen, die sie brauchten, um auf dieser Welt in naiver Glückseligkeit an das Gute glaubten.
Und dann, dann umfassten zwei große Hände ihre Hüfte.
Sie zog das Messer mit ruhiger Hand das letzte Mal durch die dunkle Schicht, als sein kalter Atem ihre Wange streifte.
„Du siehst hinreisend aus, Lilly.“
Sie formte ihre rot gemalten Lippen zu einem leichten Lächeln. Schüchtern wollte sie für ihn sein, weil sie wusste, dass er es so mochte.
Ein muskulöser Arm legte sich um ihren Bauch und sie ließ es geschehen, dass er sie an seine Brust zog.
„Und du riechst nach einem warmen, süßen Frühlingsabend.“
Sein Gesicht vergrub sich in ihren Haaren und seine linke Hand legte sich über ihren Unterleib.
„Ich habe dir einen Kuchen gebacken. Schokoladenkuchen, ich weiß, dass du ihn so magst.“
Sie legte das Messer ab und ließ ihre Hände auf dem Tresen liegen.
„Nehme es mir nicht Übel, meine Schöne. Aber im Moment sehne ich mich nach etwas viel Sättigendem.“
Ein raues Seufzen entglitt seiner Kehle und er umfasste ihre Hüfte fester, als er sie dichter an sich schmiegte und seine Lippen kalt über die Innenseite ihres Halses zu gleiten begannen.
Sein athletisch gebauter Körper spannte sich an. Sie wusste, dass sie ihn dazu gebracht hatte.
Sie hatte ihn warten lassen, hatte seine Geduld auf die Probe gestellt und seine Lustgrenze auf das Äußerste ausgeweitet. Und jetzt waren sie an dem Moment angelangt, auf den sie zugesteuert hatte.
Sie spürte seine weichen Lippen an ihrem Hals, wie die Spitze seiner Zunge über ihre Haut fuhr.
Dort, wo ihr Puls raste, hielt er inne.
Und sie ließ ein mädchenhaftes Kichern erklingen. Sie wand sich aus seiner Umarmung und drehte sich zu ihm herum.
Hell blaue Augen leuchteten in ihre Richtung. Seine feinen Gesichtszüge waren angespannt.
„Du warst ein Gentleman. Danke, dass du mir Zeit gegeben hast.“
Sie strich mit den Fingerspitzen sachte über seine Lippen. Sie zitternden erregt.
„Aber jetzt bin ich bereit für den nächsten Schritt. Ich vertraue dir.“
Seine Augen nahmen einen dunkleres Blau an und musterten ihr Gesicht.
„Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mir leicht gefallen wäre auf diesen Moment zu warten. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.“
Zart strich er mit den Fingerkuppen über ihre nackte Schulter.
Mit einem Lächeln auf den Lippen trat sie dicht an ihn heran. Er überragte sie um einen halben Kopf und sie legte ihren Kopf in den Nacken, als sie ihre Hände unter seine Sakko schob.
„Ich vertraue dir, Liebster. Ich stehe hier vor dir, in einem Kleid. Und habe dir einen Kuchen gebacken. Deinen Lieblingskuchen. Dafür habe ich sogar deine Mutter angerufen.“
Ein verschmitztes Lächeln legte sich auf seine blassen Lippen und seine Hände schoben sich in ihre schwarze Lockenpracht.
„Du hast meine Mutter angerufen?“
„Genau.“
Sie legte ihren Kopf zur Seite und strich sachte mit ihren Lippen über seine Schläfe.
„Wenn man sie nett um das Lieblingskuchenrezept ihres Prinzen bittet, kann sie sogar etwas mütterliche Liebe zeigen.“
„Du hast meine Mutter angerufen und hast mir einen Kuchen gebackenen.“
Er warf einen Blick über ihre geschwungenen Schultern.
„Er sieht essbar aus.“
Sie boxte ihn an die Schulter.
„He, ich verspreche, dass er vorzüglich schmeckt. Sei also nett, und koste ein Stück.“
Er umschloss ihre rechte Hand, die ihn zuvor geschlagen hatte und betrachtete sie liebevoll.
„Mit diesem Händchen hast du also einen Kuchen gebacken und mich geschlagen? Dabei sieht sie so unschuldig und sanft aus.“
Sie hielt kurz inne, als seine blauen Augen ihr Gesicht musterten.
Manchmal war sie nicht sicher, was sie hinter dem blauen Meer zu erkennen glaubte.
Konnte er sie mögen? War er dazu in der Lage?
„Wenn du nicht endlich meinen Kuchen probierst, wird sie vielleicht wieder auf unschöne Gedanken kommen.“
Sie küsste ihn auf die Nasenspitze und drehte ihm den Rücken zu.
„Na schön, meine Liebe. Dann erst die Arbeit und danach das Vergnügen.“
Er zwickte ihre spielerisch in die Seite und zog sich seinen Blazer auf, den er über einer der vier Stühle am Esstisch legte.
Dann ließ er sich auf ihn nieder und betrachtete ihr Kleid.
„Es ist mir unbegreiflich, warum du eine chronische Abneigung gegen Kleider hast. Du siehst unübertrefflich schön aus, Lilly.“
Sie stellte ihm einen Teller mit Kuchen auf den Tisch und legte ihre Hände auf seine muskulöse Schulter.
„Kleider sind unpraktisch und für den Alttag ungeeignet. Allerdings zeigt unsere Nachbarin gewiss, dass Kleider ebenso gut zur Gartenarbeit anzuziehen sind .“
Er lächelte und umfasste ihren Arm, als sie sich von ihm abwenden wollte.
„Bist du etwa eifersüchtig auf sie, Lilly?“
Sie verdrehte die Augen, als sie sich von ihm auf seinen Schoß ziehen ließ.
„Unsinn. Ich habe keinen Grund dazu, oder etwa doch?“
Sie tastete sich über das weiche, dunkel blaue Hemd hinauf zu seinem Kragen und öffnete die obersten Knöpfe.
Blasse, glatte Haut kam zum Vorschein.
Er schluckte und sein Kehlkopf bewegte sich.
„Du hast völlig Recht.“
Seine dunkle Stimme färbte sich noch dunkler..
„Dann iss“, sie tat etwas Kuchen auf die Gabel und hielt sie ihm vor den Mund.
Seine Augen schienen sie verschlingen zu wollen, doch stattdessen öffnete er seine Lippen und ließ die Gabel in seinen Mund gleiten.
Vorsichtig zog sie ihm das Eisen aus dem Mund und beobachtete, wie seine Lippen sich bewegten.
„Und?“
„Köstlich“, sagte er nur, dann umschlangen seine festen Arme ihren Oberkörper und er küsste sie auf den Mund.
Sie konnte die Schokolade auf seinen feuchten Lippen schmecken. Und als er seine Lippen öffnete gewährte sie seiner Zunge Einlass.
Seine Zunge tastete ihren Mund ab, leckte gierig über ihre Lippen.
Es musste geschehen.
Langsam schob sie sich rittlings auf ihn, sodass ihr Kleid sich bis zu ihren Oberschenkeln hinauf schob und ihre Beine seine Hüfte umschlossen. Seine raue Anzughose rieb über ihre Haut.
Sie spürte ein Prickeln über ihren Körper fahren und schloss die Augen. Sie musste sich konzentrieren. Auf keinen Fall durfte sie in diesem Spiel die Oberhand verlieren.
Seine Hände glitten suchend, findend über ihren Körper hinab zu ihrem Hinterteil.
Er fasste sanft in ihr Fleisch und zog sie näher an sich heran. Seide schob sich über ihren Bauch und sie spürte die kalte Schnalle seines Gürtels unterhalb ihres Bauchnabels.
Der Kuss wurde leidenschaftlicher. Gierig sog er ihren Atem ein und seine Hände glitten besitzergreifend über ihre nackten Oberschenkel.
Ihre Haare lagen weillig über ihren Schultern, klebten an ihrer erhitzten Haut.
Mit einem Seufzen ließ sie von seinen Lippen ab und blickte über seine Schulter hinweg durch das Küchenfenster.
Sie stand dort, wie sie es geplant hatte.
Und sie sollte sehen, wie er in Wahrheit war.
Sie hatte sich über das Gatter gelehnt und beobachtete ihre Nachbarn auf unsittliche Weise.
Sie sah sie nicht. Doch sie, die Frau auf seinem Schoß, konnte die Frau im gelben Kleid sehen.
Mehr noch, sie hatte sie benutzt, für diesen Augenblick.
Denn sie würde die einzige Zeugin sein.
„Was ist?“
Sein Atem kam stockend, als seine Finger den roten Stoff ihres Kleides hoch schoben. Sie glitten über ihr Fleisch, streichelten die empfindliche Innenseite ihrer Beine.
Sie betrachtete sein Gesicht. Ein Schweißfilm zog sich über seine gemalten Züge.
Unter seinen dicht schwarzen Wimpern betrachtete er sie.
„Nichts. Ich bin nur etwas aufgeregt“, sagte sie und nahm sein Gesicht in ihre Hände.
„Du musst keine Angst haben. Lass uns ins Schlafzimmer gehen.“
Er schob sie vorsichtig von seinem Schoß auf die Füße.
Dann wollte er aufstehen, doch sie legte eine Hand auf seine Schulter.
„Nein. Hier ist es perfekt.“
Er schaute sich verwirrt um.
„In der Küche? Bist du dir sicher?“
Sie dachte an die Fließen.
Sie beugte sich vor, wissend, dass ihr Ausschnitt gewagt war, und ihm einen Blick auf ihre halb nackten Brüste gewährte.
„Absolut, ja!“
Sie packte sein Hemd und riss es auf. Die Knöpfe schossen lose durch die Küche und fielen klirrend auf die Fließen.
„Wie es ihnen genehm ist, Madam“, brummte er.
Langsam zog er sie zwischen seine Beine.
„Ich möchte dich überall berühren.“
Seine Finger gruben sich in die Seide, die ihr Hinterteil umgab.
„Wir sollten es ausziehen.“
Plötzlich stand er auf, und ließ seine Hände in ihren Rücken gleiten.
Doch er hatte Schwierigkeiten mit dem Reißverschluss, weil sie ihn präpariert hatte.
„Vielleicht solltest du es mich versuchen lassen“, sie schob seine Hände weg und hantierte am Reißverschluss herum.
Dabei schoben sich ihre Brüste weiter aus dem Kleid. Sein Blick schweifte über sie.
Und er unterlag seiner Begierde sie zu berühren.
Sanft umschlossen seine Hände ihre Brüste, und sie lehnte sich mit weiter geschlossenem Kleid an die Küchentheke direkt neben dem Fenster.
Ihr Hinterkopf stieß an den Schrank und die Gläser klirrten, als seine Lippen ihre umschlossen und er sich gegen sie drängte.
Sein Körper lag hart auf ihrem, presste sie gegen sich und begann sich aufreizend langsam an ihr zu reiben.
Ein sinnliches Geräusch entkam seiner Kehle.
Und als er seine Hose aufknöpfte, wusste sie, dass die Zeit gekommen war.
Mit einer schnellen Bewegung rammte sie ihm das Messer ins Herz.
Wenn ich den Anfang meiner Geschichte aussuchen dürfte, würde ich vermutlich nicht an einem Ort wie diesem beginnen.
Nicht mit dieser endgültigen Handlung und ganz gewiss nicht in seiner Gegenwart.
Gerne hätte ich mit einem erfreulichen Moment meines Lebens begonnen.
In einer Zeit, als ich noch ich selbst gewesen war.
Als alles noch einfach schien, und niemand zu Schaden kam.
Doch diese Art von Leben schien mir heute ferner, als ich je für möglich gehalten hätte.
Mit dem Messer in der Hand und die Blutlache auf dem alten Teppich seines Wohnzimmer, damit hätte ich am aller wenigsten gerechnet.
Er starrte sie mit aufgerissenen Augen an.
Sie starrte zurück und wartete auf das, was niemals passieren dürfte.
„Warum?“
Sein Atem streifte ihr Gesicht.
„Weil ich es kann.“
Sie zuckte mit den Schultern und hielt seinem entsetzten Blick stand.
Er wankte, seine Hände ließen von ihr ab. Dann brach er in sich zusammen.
Leblos lag sein Körper zu ihren Füßen.
Und sie dachte an ihren Ersten.
Sie beugte sich über ihn und zog mit einem Ruck das Messer aus seinem seit einer halben Ewigkeit nicht mehr schlagendem Herzen.
Es hatte viele dieser Tage gegeben. Und nun war es Zeit für das Leben danach.
Sie wusch sich über der Spüle das Blut von den Händen. Das Messer ließ sie in der Spüle liegen, als sie durch die Küche ins Schlafzimmer trat.
Die Polizei würde in wenigen Minuten hier sein. Sie musste verschwinden.
Sie nahm die Decke vom Bett und schritt in die Küche zurück.
Ohne ihn ein weiteres Mal anzuschauen, warf sie die Decke über den leblosen Körper.
Alles war wie geplant verlaufen. Weil sie gut war, perfekt indem was sie tat.
Sie brach ein Stück vom Schokoladenkuchen ab und genoss die Schokolade, während sie aus der Küche schlenderte.
In der Ferne erklangen die ersten Sirenenlaute.
Das gelbe Kleid spielte zuverlässig seine Rolle und sie wäre enttäuscht, wenn es dieses Mal anders verlaufen würde.
Sie trat in die Garage, stieg in den Wagen und setzte ihre Sonnenbrille auf.
Die Garagentür glitt auf und mit einem schnurrenden Geräusch kam der Motor zum Laufen.
Sie fuhr langsam die Einfahrt hinunter, und bog nach links ab. In zehn Sekunden würden die ersten Streifenwagen eintreffen. Und sie kamen aus der Innenstadt.
Sie blickte in den Rückspiegel, als sie sich den frühen Abendverkehr Richtung Autobahn einreihte.
Blaulichter blitzten auf, sie rasten die Auffahrt hinauf.
Die Sonne kitzelte auf ihren nackten Schultern und ein erleichtertes Lächeln glitt auf ihre Lippen.
Immer fragten sie, warum sie es tat. Niemand stellte die viel wichtigere Frage.
Für wen sie es tat.
Als sie das alte Anwesen erreichte und den Motor ihres Impala abstellte, kroch die Sonne bereits im Osten aus ihrem Versteck.
Müde von der langen Fahrt, öffnete sie die Fahrertür und stieg mit schmerzenden Gliedern aus dem Wagen. Die alte Villa lag in der Dunkelheit. Nichts deutete darauf hin, dass sie unegebetene Gäste aus ihrem Heim vertreiben musste.
Endlich konnte sie ausatmen und sich für das Leben danach vorbereiten. Sie holte ihre Tasche aus dem Kofferraum und lief zum Haus. Die Dielen auf der Veranda knarrten leise, als sie zur Tür eilte und sie aufstieß.
Drinnen herrschte Stille. Staub kroch in ihre Nase und der Geruch von Alkohol nebelte sie ein. Obwohl ihre Arme schmerzten und sie lieber ins Bett gefallen wäre, begann sie die Fenster nacheinander zu öffnen. Als sie im ganzen Haus für angenehmere Luft gesorgt hatte und die Bierflaschen und anderweitige alkoholische Getränke im Müll entsorgt hatte, nahm sie sich eine Wasserflasche aus dem fast leeren Kühlschrank und ging hinaus auf die Veranda. Dort ließ sie sich auf die Holzdielen sinken und betrachtete den Sonnenaufgang und die Landschaft, die sich ihr bot.
Eine halbe Ewigkeit musste vergangen sein, jedenfalls fühlte es sich für sie so an, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. Sie wusste noch genau, wo sie mit ihrer Schwester im Sandkasten gespielt hatte. Und an welchem Baum die Schaukel gehangen hatten. Und wo ihre Hund begraben lag. Sie kannte diesen Ort besser, als sie sich selbst kannte.
Sie nahm einen großen Schluck aus der Wasserflasche und genoss die bunte Farbenpracht am Himmel, das Vögelgezwitscher und den lauwarmen Wind auf ihrer Haut.
Doch die friedliche Stille verging so schnell, wie sie gekommen war.
In der Ferne erklang das Geräusch eines Motors. Sie sprang auf die Füße und eilte ins Haus. In ihrer Tasche hatte sie einige Waffen für den Notfall gepackt. Schnell zog sie zwishen ihrer Unterwäsche und Hosen eine Glock und entsicherte sie, während sie hinaus auf die Veranda schritt. Sie wusste, wer sie besuchte und ihr keine Ruhe spenden wollte.
Sie kannte das Geräusch seines Wagens nur zu gut. Als der schwarze Jaguar sich auf dem schmalen Weg zwischen den hohen Laubbäumen und dem Gestripp hindurch schlängelte, wünschte sie sich, sie wäre ihm niemals begegnet. Dann wäre ihr Leben vermutlich niemals so entgleist.
Er parkte direkt neben ihrem Wagen und stieg aus, ohne Deckung zu suchen, oder eine Gefahr von ihr zu erwarten.
Was, wenn sie ihn einfach tötete? Wenn es ihr möglich wäre, ihn zu töten. Dann wäre vermutlich alles vorbei. Doch er wusste, wie er seine Feinde und seine Leute unter Kontrolle brachte. Es gab einen ganz einfachen Weg, wie er sie an sich band.
Furcht war es, die größte Waffe unter vielen, und die wirkungsvollste. Niemand konnte ihm etwas anhaben, denn im Gegensatz zu seiner Gefolgschaft musste er sich nicht fürchten. Denn für ihn gab es nichts zu verlieren, außer Geld. Und Geld war leicht zu beschaffen, wenn man die richtigen Beziehungen pflegte.
"Ich dachte, ich sollte dir persönlich für deinen erfolgreich ausgeführten Auftrag gratulieren."
Sie blieb auf der Veranda stehen. Ihre rechte Hand umfasste ihre einzige Waffe, die jedoch nichts gegen diese Art Mann bewirken konnte. Und doch fühlte sie sich mit ihr stärker.
"Kain. Ich hatte nicht erwartet, dich nach meinem letzten Auftrag noch einmal zu sehen."
"Nun, wie könnte ich dich ziehen lassen, ohne dir für deine Arbeit in den letzten Jahren zu danken?"
"Dein Dank ist bei mir angekommen, Kain."
Er lächelte, schlenderte auf die Veranda zu und blieb einige Meter vor ihr stehen. Seine Gestalt war weder besonders muskulös, noch war er überdurchschnittlich groß. Allerdings besaß er ein attraktives Äußerses. Goldene Haut, braune Augen und braun, leicht gelockte Haare und feine, überdurchschnittliche schöne Gesichtszüge. Beinahe übernatürlich schön war er und das machte zum größten Teil sein gefährliche Art aus. Niemand vermutete auf den ersten Blick eine große Gefahr von einem hübschen Geschöpf wie er.
Er trug wie immer dunkle Jeans, die locker auf seiner schmalen Hüfte saß und eine Lederjacke, die beinahe etwas zu groß für seinen atheltisch schlanken Oberkörper war.
Sein Blick war konzentriert auf sie gerichtet. Auf seinen blassrosa Lippen lag ein leichtes Lächeln.
"Nettes Plätzchen hast du dir hier ausgesucht. Es hat mich einige lästige Telefonate gekostet, bis ich wusste, wo ich dich finden konnte. Du hast mir nie erzählt, dass du deine Sommerferien bei deiner Tante verbracht hast."
"Wir sind keine Freunde. Es ist nicht mein erstes Anliegen, dir mein Herz auszuschütten, wenn ich dich sehe. Vielleicht wäre es meine letzte Handlung, bevor du es mir aus der Brust reist."
Er lächelte spöttisch und ließ sich neben ihr auf der Veranda nieder.
"Du hast einen sehr seltsamen Blick auf die Dinge. Du solltest auf jeden Fall deine Sicht auf meine Handlungen dir gegenüber überdenken."
Sie rückte ein wenig von ihm ab und legte die Waffe neben sich.
"Ich denke, ich sehe die Sache aus dem richtigen Blickwinkel, Kain. Wenn du hier bist, um mich zu rekruitieren, muss ich dir ein klares nein geben. Falls ich denn eine Wahl habe."
"Natürlich hast du eine Wahl. Jeder hat eine Wahl. Nur möchten die meisten eurer Art ihre Wahl für etwas viel Größeres eintauschen. Stimmrecht gegen Macht, Unabhängigkeit gegen Ansehen, Menschsein gegen Schönheit und so weiter. Das traurige Dilemma des menschlichen Lebens."
Sie betrachtete ihn von der Seite. Sein Blick schweifte über die Landschaft, als würde er die Aussicht genießen. Er, der alles zerstörte, was das Leben ausmachte.
"Als würdest du uns tatsächlich die Wahl lassen. Du köderst uns wie Hunde und behandelst uns wie Ratten. Wenn ich eine Wahl gehabt hätte, hätte ich mich niemals deiner Truppe angeschlossen."
"Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, deine Handlung, mich zu demütigen, würden von einfältigen Gedanken geleitet. Du glaubst mich hassen zu müssen, um deine Gefühle weiterhin in dein persönliches Gefängnis zu ketten. Du fürchtest dich vor dem, was du tatsächlich brauchst. Aus diesem Grund tust du so, als wäre ich der Bösewicht in deinem Leben. Aber du bist dein größter Gegner in deinem Leben, Kleines."
Sie schnaubte verächtlich. "Ich habe drei Jahre mit dir zusammen gearbeitet. Ich kenne deine verschlagenene Tricks die Menschen um dich herum mit deinen Worten zu beeinflussen und in die Irre zu führen. Du bist das einzige dunkle Problem in meinem Leben. Und wenn ich tatsächlich die Wahl habe, dann wünsche ich, dass du mein Grundstück verlässt und du dich von mir fern hälst."
"Wie du wünschst."
Er stand auf. Und sie traute ihren Augen nicht, als er tatsächlich auf seinen Wagen zuschritt.
Ihr Herz begann aufgeregt zu schlagen. War es möglich, war es tatsächlich möglich, dass sie von ihm frei war?
Er öffnete den Kofferraum seines Wagens und holte etwas Kleines heraus. Dann, zu ihrem Grauen, kam er zu ihr zurück. Direkt vor ihr blieb er stehen und reichte ihr mit glühenden Blick eine kleine Schachtel.
Sie starrte die Schachtel an. Rührte sich keinen Zentimeter.
"Nimm sie, Lilly."
Sie schaute zu ihm, schüttelte den Kopf.
"ich will keine Geschenke von dir. Ich sagte doch, du sollst verschwinden. Das ist das Einzige, was ich will."
"Richtig. Und das werde ich auch tun. Wenn es weiterhin dein Wunsch ist. Aber zuvor tue mir ein Gefallen und öffne die Schachtel."
Sie betrachtete das kleine Schächtelchen in seiner Hand. Seine schmalen Finger lagen um die samtige blaue Farbe.
"Na schön!"
Sie riss es ihm aus der Hand und öffnete es schnell. Kein Grund, um diesen Moment länger hinaus zu zögern.
Als sie sah, was sich darin befand, stockte sie.
Sollte sie schreien? Wegrennen? Oder ihn sogar schlagen?
"Das ist ein übler Scherz!"
Sie warf die blaue Schachtel ins Gras und richtete sich auf.
"Verschwinde endlich! Und lass mich in Ruhe, Kain!"
Sie lief an ihm vorbei und marschierte Richtung See. Er sollte gehen und sie alleine lassen. Sie hatte alles getan, um ihre Schuld bei ihm zu begleichen. Und nun spielte er wieder Spielchen mit ihr.
"Seltsame Art legst du an den Tag, wenn dir ein Mann Schmuck schenkt. Vielleicht sollte ich dir das nächste Mal lieber ein Happy Meal mitbringen."
Er lief ihr hinterher durch das hohe Gras.
Sie blieb stehen, wand sich ihm zu und deutete auf die Villa.
"Ist dir eigentlich bewusst, wie viel mir dieser Ort bedeutet?"
Bevor er etwas sagen konnte, fuhr sie ihm ins Wort.
"Natürich weißt du das nicht! Weil du dich nur für dich selbst ineterssierst. Wie du deine Macht ausweiten und wen du als Nächstes manipulieren kannst. Das hier." Sie fuchtelte mit den Armen umher. "Das alles hier hat einen besonderen Wert. Nicht weil es vielleicht besonders viel Geld einbringen würde, sondern weil es Erinnerungen in sich trägt. Weil es Leben in sich trägt."
"Ich bin nicht hier, um dich zu manipulieren oder anderweitig umzustimmen, Lilly."
"Klar. Du bist nur hier, um mir einen blöden, alten Ring zu schenken. Sicher. Weil du nie Hintergedanken hast, wenn du etwas tust."
Er trat näher an sie heran.
"Ich bin hier, um dich zu warnen."
Sie schnaubte verächtlich.
"Also doch eine Drohung. Was ist es dieses Mal? Willst du meine Schwester aufspüren und sie entführen?"
Seine Augen formten sich zu Schlitzen.
"Ich werde dich nicht bedrohen. Vielelicht ist es dir nicht aufgefallen, aber in letzter Zeit unterlasse ich es deinen Willen, mit welchen Mitteln auch immer, zu beugen."
"Na, wie nett von dir, Kain! Vielen Dank, dass du mich ein Mensch sein lässt."
"Schluss jetzt damit!" Er packte sie am Arm, bevor sie zurück zucken konnte und zog sie an sich heran.
"Ich bin nicht hier, um irgendwelche Spielchen zu spielen, Lilly! Danilo DeVano hat jemanden auf dich angesetzt, um dich zu töten."
Sein schneller Atem streifte ihr Gesicht. Sie lehnte sich von ihm weg. Starrte ihn perplex an.
"DeVano lebt?"
Er ließ sie los und richtete seine Lederjacke.
"Wir wissen beide, auf was für einen Handel er sich eingelassen haben muss, um von den Toten wieder aufzuerstehen. Besser gesegt, mit wem er einen Handel abgeschlossen hat."
"Das kann nicht sein." Sie drehte sich von ihm weg. Blickte zum See und zur Bucht.
"Wir sollten schnellstens von hier verschwinden. Er wird bereits wissen, wo er dich finden kann. Ich habe dich immerhin auch gefunden."
Sie blickte ihn düster an.
"Wir? Es gibt kein wir. Du tust, was auch immer du tust. Und ich werde verschwinden."
Sie schob sich an ihm vorbei zur Villa.
"Das ist dein gradioser Plan? Du läufst vor deiner letzten Chance zu Leben davon? Man könnte fast meinen, dein Leben wäre dir mehr Wert, nachdem du drei Jahre um deine Freiheit gekämpft hast."
Sie ignorierte ihn und erreichte die Veranda. Sie brauchte ihre Sporttasche. Dort hatte sie alles Nötige für eine Flucht verstaut. Sie wusste, wie man flüchtete. In den letzten Jahren hatte sie gelernt zu Überleben. Sie brauchte keinen eingebildeten und arroganten Nachtwandler.
Als sie die Küche erreichte, hörte sie Schüsse fallen. Und im nächsten Augenblick hallten Schritte auf den Holzbalken neben ihr wieder.
"Runter!" Sie wurde zu Boden geworfen. Ein schwerer Körper lag plötzlich der Länge nach auf ihr.
"Scheiße, Kain. Sofort runter von mir!" "Still!" Zischte er ihr ins Ohr und drückte sie an den Schultern zu Boden.
Weitere Kugeln schossen durch die Luft durch das Holz der Villa und bliebem im Kühlschrank stecken.
"Diese Bastarde. Sie sind schneller, als ich für möglich gehalten habe. Ich dachte, ich hätte mehr Zeit." Er packte sie am Handgelenk und zerrte sie ins Wohnzimmer zum Fenster, das in den Wald führte.
"Los, klettere ins Freie. Ich werde dir Zeit verschaffen zu verschwinden!" Überrumpelt von seiner Hilfe, tat sie wie ihr geheißen und kletterte durch das Fenster ins Freie. Ihre Sporttasche flog durchs Fenster und landete direkt neben ihr im hohen Gras.
"Mach schon. Verschwinde!"
Weitere Schüsse fielen. Dieses Mal erhielten sie eine Antwort. Ein Sturmhagel von Schüssen flog in ihre Richtung.
Lilly lief in den Wald hinein. Sie stolperte über Wurzeln, fiel auf den Boden und sprang wieder auf die Füße. Niedrige Äste schrammten über ihre nackte Haut und rissen ihre Haut auf. Als sie einige Minunter gelaufen war, konnte sie den Schusswechsel nicht mehr hören.
Vielleicht war der Kampf vorbei. Oder sie war bereits zu weit entfernt, um die Schüsse zu hören.
Eine gefühlte halbe Ewigkeit lief sie durchs Unterholz, bis sie die Landstraße erreichte. Als sie Motorengeräusch vernahm, versteckte sie sich hinter einem Haufen aufgestapelter Holzblöcke.
Kains schwarzer Jaguar bretterte über den uneben Weg und hielt wenige Meter von meinem Versteck entfernt.
Sie zögerte, wagte sich nicht aus ihrem Versteck.
"Wir haben nicht ewig Zeit, Lilly."
Seine Stimme klang belustigt.
Sie groch aus ihrem Versteck hervor und zog die Sporttasche mit sich.
"Ich habe alles im Griff. Ich brauche deine Hilfe nicht."
Sein linker Arm lag lässig am offenen Fenster der Fahrerseite.
"Vielleicht habe ich ewig Zeit. Aber wenn wir hier noch ein paar Stunden verharren, werden neue Auftagskiller auf dich jagd machen. Vielleicht sollten wir verschwinden. Nur ein Vorschlag. Natürlich ist es deine Entscheidung."
"Super! " Sie riss den Kofferraum auf und warf ihre Sporttasche hinein. "Bring mich zu meinem Impala. Alles weitere erledige ich dann."
Als sie sich auf den Beifahrersitz plumpsen ließ, genoss sie seinen abschätzigen Blick auf ihre schmutzige Jeans.
"Oh. Da tue ich deinen Ledersitzen wohl keinen Gefallen."
"Auf der Rückbank liegt eine Decke."
Er nahm natürlich an, dass ich seine indirekte Anweisung sofort nachkommen würde. Weil es jeder tat.
"Fahre mich zu meinem Wagen und dein Wagen wird meiner Gesellschaft nicht weiter ausgesetzt sein, Kain."
Er schnalzte mit der Zunge. Das tat er immer, wenn sein Blutdruck in die Höhe schoss und er weiterhin gelassen wirken wollte.
"Dein Wagen existiert nicht mehr. Sorry Kleines."
Sie fuhr zu ihm herum. "Was soll das bitte schön heißen? Hast du ihn in die Luft gejagt?"
"Kriege verlangen Opfer. Da mein Wagen um einiges schneller und teurer als deiner ist, dachte ich mir, es wäre schlauer deinen zu opfern, als unser einziges Fluchtauto in die Luft zu jagen."
"Du hast meinen Impala in die Luft gejagt!" Sie boxte ihm in die Schulter. Doch er zuckte nicht einmal zusammen.
"Richtig. Aber wie gesagt, zu deinem Besten. Ansonsten wären dir jetzt weiterhin vier Auftragskiller auf den Fersen. Ich habe uns Zeit verschafft um unterzutauchen."
Sie konnte es nicht fassen. Ihr geliebter Wagen existierte nicht mehr. Und nun saß sie mit ihrem Exboss in seinem dämlichen Jaguar und bretterte durch den Wald.
"Es gibt kein wir!" Beharrte sie nun schreiend. "Als wäre ich so krank, um mit dir gemeinsame Sache zu machen. Was auch immer du im Schilde führst, ich werde dich ganz bestimmt nicht wieder auf deinen irren Feldzügen begleiten!"
"Vielleicht solltest du dich erst einmal beruhigen. Und schrei nicht herum. Ansonsten höre ich nichts. Und das wäre für unsere momentane Lage sehr schlecht!"
Er schob sich eine Pilotenbrille auf die Nase und schob eine CD in seinen CD-Player. Wenige Minuten später ertönte Jazzmusik aus den Lautsprechern.
Das war jetzt nicht sein ernst. Lilly schaute ihn entgeistert an. Ein Saxophon spielte eine langsame Musik. Das konnte einfach nicht sein ernst sein. Ihr Herz schlug fest gegen ihre Brust und Adrenalin schoss weiterhin durch ihre Venen.
"Gefällts dir?" Er drehte seinen Kopf in ihre Richtung, während sie hinaus starrte und nicht glauben konnte, was gerade geschah. Vielleicht hatte sie einen Albtraum.
Statt ihm zu antworten, wies sie mit dem Zeigefinger auf ihre Stirn.
"Ich dachte, du brauchst Ruhe, um etwas "zuhören"."
"Jazz lenkt mich nicht ab. Aber dein hysterisches Geschrei bringt mein Hörvermögen aus dem Gleichgewicht."
"Ich schreie nicht." Schnappte sie und verschränkte die Arme übereinander.
Er lächelte leicht, trommelte mit seinen langen Fingern auf dem Lenkrad und wählte auf seinem Handy eine Nummer.
Sie hatte ihn noch nie auf diese Art und Weise leben sehen. Eigentlich war er immer sarkastisch, belächelte jeden und alles, was auf der Welt geschah und zog seine Blutdurchdrängten Kriege gegen seinesgleichen ab. Nie hatte sie ihn in einer Situation wie dieser erlebt.
Als er in sein Handy zu sprechen begann, konnte sie keines seiner Worte verstehen. Er redete ungarisch, und sie hasste es, dass sie die Sprache in ihren drei Jahren bei ihm nicht gelernt hatte. Denn dann wüsste sie nun, was genau für ein Plan er mit seiner Rettungsaktion verfolgte.
Als er auflegte und auf die Autobahn auffuhr, durchbrach sie die Stille zwischen ihnen.
"Also, was genau wirst du nun mit mir anstellen? Wirst du mich in einem Motel um die Ecke bringen? Oder habe ich das Vergnügen einer deinergleichen zu werden, um ein weiterer Soldat deiner kleinen Armee zu werden?"
Er lachte wieder dunkel und schaltete die Scheinwerfer seines Jaguars an. Draußen begann es zu regnen.
"Weder noch. Eigentlich wollte ich es dir überlassen zu entscheiden, was du mit deinem zweiten Leben anfangen möchstest. Allerdings hätte ich einige Tipps für dich, falls du überlegen möchtest."
Skeptisch betrachtete sie sein Profil. Lächerlich, wie gut er aussah. Wer konnte nur annehmen, dass er dieses Aussehen bekommen hatte, ohne einen großen Preis dafür zahlen zu müssen.
"Ich habe bereits Pläne für mein zweites Leben. Aber die werde ich dir ganz gewiss nicht auf deine aristikratische, arrogante Nase binden."
"Wie du meinst. Aber du solltest auf jeden Fall deine Haare verändern. Ein Kurzhaarschnitt würde dir sicherlich gut stehen."
Sie starrte ihn an. "Was? Bist du noch zu retten? Nicht jeder will aussehen wie James Dean, Mr. Beautiful."
"Das nehme ich mal als Kompliment. Vielen Dank, Ms Immerschlechtgelaunt."
"In deiner Gegenwart zu lachen, wäre eine zu große Zumutung für meine Stimmbänder!"
"Ich amüsiere mich." Er grinste schief und wechselte den Song seiner CD.
"Dein Humor ist sowieso erschreckend einfältig. Schneiden wir dem erst besten Vamp die Kehle durch, ha ha ha. Zum Spaß können wir ja gleich einmal eine alte Frau auf dem Weg zum Supermarkt aussagen, ha ha ha."
Sein Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Miene. "Du solltest an deinem Taktgefühl arbeiten, Schwester."
"Und du dein Essverhalten auf eine Portion Beutelblut reduzieren, Opa."
"Ich bin 28 Jahre alt, Schwester."
"Und ich bin Heidi Klum."
"Leider nicht", entgegnete er und biss die Zähne aufeinander. Sie konnte die spitzen Eckzähne zwsichen seinen Lippen aufblitzen sehen.
"Ja, ich hätte auch lieber Ian Somerhelder als Gesellschaft. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Stattdessen sitze ich mit Dracula in einem hässlichen Sportwagen und muss mir seine arroganten Kommentare über das Leben anhören."
"Rede nicht so über meinen Wagen. Ansonsten darfst du auf der Rückbank Platz nehmen, Baby." Ich spürte seinen warnenden Blick hinter den dunklen Gläsern.
"Erwartest du jetzt, dass ich mir vor Angst in die Hose mache?" Sie seufzte und lehnte sich gegen das Leder. Zugegebenermaßen saß man recht gut in den Sitzen, dachte sie.
Die Reifen quietschten und der Wagen machte eine Vollbremsung. Was kam jetzt? Sie hielten an einer Tankstelle. Irgendwo in der Prärie.
"Ich brauche frische Luft."
Mit diesen Worten stieg er aus und nahm den Schlüssel mit. Als wüsste sie den Motor nicht ohne Schlüssel zu starten.
"Ich dachte du musst nicht atmen", rief sie ihm hinterher, als er Richtung Natur schritt. "Aber pissen!"
Ihre Wangen wurden ganz heiß. Denn außer ihnen stand ein älteres Ehepaar mit ihrem Ford an der Tankstelle und blickte neugierig in unsere Richtung.
"Wie menschlich!", grummelte sie und stieg ebenfalls aus dem Wagen. Ihre Glieder schmerzten und ihre Augenlieder brannten. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so müde gewesen war.
Sie öffnete den Kofferraum und holte aus ihrer Sporttasche etwas Geld. Dann ging sie in die Tankstelle und schritt durch die Regalreihen. Sie brauchte unbedingt was Essbares und etwas zu Trinken. Etwas Starkes, ansonsten würde sie in den nächsten Minuten aus den Latschen kippen.
Als sie den Bereich mit Chipstüten und Gummibären erreichte, griff sie nach einer Chipstüte, extra scharf und einen lustigen bunten Mischung Ostereierbärchen. Als sie an die Kasse schlenderte, sammelte sie außerdem ein Sixerpack Bier und eine Flasche Wasser ein.
Den ganzen Kram ließ sie auf die Theke fallen, hinter der ein faltiger, braun gebrannter alter Mann mit Kappe stand. Er betrachtete ihre Beute misstrauisch.
"Vierter Monat?"
Sie schaute ihn verwirrt an. "Entschuldigung?"
Er wies mit seinem stoppeligen Bart in die Chipsrichtung.
"Meine Tochter hat vor wenigen Tagen ein Kind bekommen. Während ihrer Schwangerschaft hat sie auch alles gefuttert, was nicht auf zehn auf den Baum war. Ist ihnen morgens auch übel? Ganz schwierig ist allerdings die Zeit, wenn ihre Brüste beginnen zu schmerzem. Am besten nehmen sie.. ."
Sie starrte ihn nur an. Der Tag konnte nicht verrückter werden, aber peinlicher. Denn die Tür der Tankstelle schwang auf und Kain trat ein. Er trug weiterhin seine Sonnenbrille und ein selbstgefälliges Lächeln auf seinen Lippen.
"ist etwas nicht in Ordnung?"
Er musterte mich argwöhnisch. Dann fiel sein Blick auf meine Beute und er verzog angewiedert das Gesicht.
"Ich sage ja immer, manchmal verstehe ich einfach nicht, was das Besondere daran ist ein Mensch zu sein. An einem Zuckerschock zu sterben, wäre nicht meine erste Wahl, wenn ich meinen Tod aussuchen dürfte."
Der Verkäufer betrachtete Kain neugierig. "Sind sie der Vater?" "Wie bitte?", fragte er höflich und gleichzeitig überrascht, dass dieser Mann ihn einfach ansprach. Ja, was dachte er sich eigentlich? Lilly rammte ihm den Ellebogen in die Seite.
"Nein. Und es existiert auch kein ungeborenes Baby. Ich esse nun mal gerne Süßes. Ich wüsste nicht, dass ich dabei gegen ein Gesetz verstoße."
"Ein Baby? Du?", er lachte auf. Als wäre die Vorstellung, dass sie ein Kind bekommen könnte, total an den Haaren herbei gezogen.
"Was soll den das wieder heißen?" Sie starrte ihn wütend an und verschlang die Arme über ihrer Brust. Der Verkäufer betrachtete die beiden neugierig. Endlich bekam er in seiner Langweile etwas geboten.
Kain legte seinen Kopf schief. Er war ein Arsch, dachte sie. Warum sollte er glauben, dass sie keine Kinder wollte, irgendwann?
"Was? Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber ich bin eine Frau. Und nur weil ich mich städnig mit deinen dunklen Problemen herum schlagen muss, heißt das noch lang nicht, dass ich irgenwann einmal ein ganz normales Leben mit normalen Problemen führen werde."
"Okay. Wenn das dein Wunsch ist." Sie runzelte die Stirn. Seine Stimme klang weder wie gewöhlich sarkastisch, noch lächelte er herabfällig.
"Super."
Sie warf die Scheine auf den Tresen und griff nach der Chipstüte und den Gummibärchen.
"Das Bier hat keine Superkräfte und kann nicht schweben. Vielleicht hilfst du ein wenig nach."
Damit trat sie aus der Tankstelle und fisierte den Jaguar an. In der Sonne blitzte er tief schwarz und wirkte umso protziger.
"Hey, Babygirl."
Kain tauchte neben ihr auf und hielt ihr die Beifahrertür auf.
"Wohin nun des Weges?"
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu.
"Ehrlich jetzt? Du lässt mich entscheiden, wohin wir flüchten?"
Er grinste schief. Seine Augen funkelten.
"Vielleicht sollten wir einen Kompromiss schließen.
Ich werde dir versprechen, dich sicher zu deinem ominösen Ziel zu begleiten, wenn du dir deine Kraft für die bösen Junges aufsparst."
Sie sunzelte die Stirn. "Was hast du von diesem Kompromiss?"
"Schönere Haut." Er schloss die Tür und ging um den Wagen herum.
Als er sich hinter das Lenkrad schob, blickte sie ihn umso misstrauischer an.
" Warum sollte ich wollen, dass du mich begleitest? Schon vergessen? Ich hasse Dich.
Die letzten drei Jahre hast du mir die Hölle auf Erden bescherrt. Ich sollte dich köpfen und verbrennen."
"Das wäre weniger vorteilhaft für dich. Du solltest eine Therapie machen. Um deinen ganzen Frust loszuwerden.
Aufgestaute Gefühle sind nicht gut. Irgendwann explodierst du."
"Wenn ich dich zuerst im Klo runter spülen darf, ist es mir nur Recht."
Er startete den Motor und fuhr zurück auf den Freeway.
"Du brauchst mich, Babygirl."
"Wenn du mich noch einmal so nennst, ramme ich dir ein Pflock in dein erbärmliches Herz."
"Ach ja. Der Hass ist eine sehr interessante Gefühlsregung. Manchmal verwandelt er sich in ein mörderisches Monster. Nicht zu unterschätzen, Kleines."
"Und ich brauche dich nicht. Okay, du warst vielleicht hilfreich. Aber ich war diejenige, die in den letzten drei Jahren deinen Dreck beseitigt hat."
"Sichtlich weniger erfolgreich, als wir beide erwartet hätten. Nicht wahr? Ansonsten säßen wir jetzt nicht in meinem Wagen und würden flüchten."
"Ich flüchte! Außerdem habe ich ihn umgebracht und somit meinen Job erledigt.
Konnte ja keiner ahnen, dass er einen auf Faust miemte, und einen Pakt mit dem Teufel schließen würde."
"Nicht ganz. Ich hatte so etwas geahnt. Er ist ein fuchsiges Kerlchen."
Sie schnaubte verächtlich. "Ihr solltet zusammen einen Kaffee trinken. Ihr würdet euch sicher gut verstehen. Der Beginn einer gruseligen Freundschaft."
"Borboun Wiskey, meine Liebe. Eine sehr amüsante Gesellschaft, das Kerlchen. Der Abend war ein historisches Ereignis."
Sie verdrehte die Augen und holte tief Luft. "Woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst und mich nicht übers Ohr haust, sobald ich dir mein Ziel nenne?"
"Erstens haue ich niemanden übers Ohr, wie du es so schön formulierst. Ich verhandle und das ist etwas völlig anders. Mein Verhandlungspartner erhält einen fairen Preis für seine Dienste."
"Gut. Dann verhandeln wir."
Sie wollte wissen, was er vor hatte. Und zwar sofort.
"Wie du möchtest, meine Liebe."
"Du möchtest ein Deal? Mit mir? Eben noch sagtest du, dass", sie unterbrach ihn.
"Ja, ich weiß, was ich eben gesagt habe. Aber am besten legen wir die Karten gleich auf den Tisch. Wenn ich eines in den letzten Jahren von dir gelernt habe, dann, das es für mein Plan zu überleben besser ist, wenn ich nicht mit dir pokere."
"Schlaues Mädchen", er grinste und fuhr sich durch sein schwarzes Haar. "Nennen wir es den unbändigen Wunsch nicht zu sterben. Zumindest nicht in deiner Gesellschaft. Du bist kein besonders angenehmer Zeitgenosse."
"Dabei habe ich es mir zur Lebensaufgabe gemacht, die niemals enden wollende Zeit zu genießen", er zwinkerte mir zu. "Du könntest noch viel von mir lernen. Wie man das Leben zum Beispiel genießt, anstatt ständig für das Gute zu kämpfen."
"Ich versuche nur die Menschen vom Aussterben zu bewahren. Ist dir eigentlich bewusst, dass, wenn du weiter wahrlos Menschen aussagst, irgendwann keine einziger mehr übrig bleibt, an den du dich ernähren kannst. Was wird dann mit dir geschehen? Hoffentlich stirbst du nicht einsam und allein. Und trocknest aus wie eine alte Pflaume. Das wäre ja schrecklich!" Sie konnte den Sarkasmus in ihrer Stimme nicht unterdrücken.
"Dein Mangel an Einfallsreichtum ist erschreckend. Vielleicht sollte ich deine Fantasie etwas anregen. Was meinst du?"
Seine rechte Hand legte sich auf ihren Oberschenkel. "Wenn du das starke Gefühl verspürst, an einem Spieß über einem Lagerfeuer zu hängen, dann sei getrost, ich habe dich nur aufgespießt und werfe dich den Flammen zum Fraß vor. Pfoten weg, Vampir!"
Er lachte, schüttele den Kopf und nahm die Hand von ihrem Bein.
"Also ein Deal? Mit Blutaustausch und allem drum und dran?"
"Eine andere Methode für einen kleinen Jungen, der gerne die Spielsachen anderer klaut und seine Sandburg auf dem Grund anderer Sandburgen baut, fällt mir im Moment nicht. Also ja."
"Schön, also was willst du?" Er zog seine Brille von der Nase und betrachtete mich, während er weiterhin über den Highway fuhr.
"Ein Eid von dir. Ich nenne dir mein Ziel und du wirst mich hinfahren und solange am Leben lassen, bis ich weiß, in was für ein Schlamassel meine Schwester und ich stecken. Dann wirst du ihr Immunität beschaffen. Sie soll ein normales Leben führen. Ohne Vampirprobleme." Sie blickte aus dem Fenster. Die Mittagssonne strahlte zwischen den weißen Wolken hindurch. Es könnte ein schöner Tag sein. Sie öffnete die Chipstüte und begann an einem Kartoffelchip zu knabbern.
"Klingt für mich nach sehr viel Arbeit. Was erhalte ich für meine Dienste einen Menschen unter meinen Schutz zu stellen? Ich wusste nicht, dass du im Lotto gewonnen hast."
"Geld ist nicht alles, was du zum Leben brauchst, Kain." Sie nahm eine handvoll Chips aus der Tüte und betrachtete die salzigen Kartoffeln nachdenklich. "Glaubst du etwa, ich gehe mit dir ein Deal ein, ohne ein Ass im Ärmel zu haben?"
"Bleibt abzuwarten." Er sie seine Sonnenbrille um seine Finger kreisen. "Was ist deine Geheimwaffe, Karate Kid?"
Als sie schwieg, grinste er breit. "Lass mich raten. Ein Pflock in deiner Sporttasche? Gemeine Schimpfwörter aus deinem kleinen Mund, extra für mich definiert und ausformuliert? Ich spüre schon, wie mir die Angst in den Nacken kriecht."
"Ich weiß, woran dein totes Herz hängt." Sie nahm zwei Kartoffelchips aus der Tüte und aß sie auf.
"Das bezweifle ich." Er betrachtete sie genauer. "Es sei denn, du hast mein Herz irgendwo herum spazieren sehen. Hat es unanständige Dinge mit dir angestellt?"
"Kannst du eigentlich einmal ernst bleiben? Oder nimmst du alles auf den Arm, was nicht schnell genug von dir gefressen wurde?"
"Ist das ein Angebot?" Er schob sich die Sonnenbrille auf die Nase und klappte die Sonnenblende hinunter. Die Sonne strahlte hell ins Innere des Wagens.
"Ich sterbe lieber an irgendeinem Tumor, als zwischen deine Zähne zu geraten."
"Du hattest noch nie das Vergnügen zwischen meinen Zähnen zu sein. Es würde dir vielleicht gefallen."
"Ich weiß, wo du deine Mutter versteckst." Endlich war es raus und sie fühlte sich erleichtert.
Der Wagen machte einen Schlenker, bervor er auf die Seitenstraße abwich und stehen blieb. Dabei wirbelte Staub auf und umringte wie eine dunkle Wolke den Wagen.
"Was?" Er nahm seine Brille von der Nase und zwei türkisfarbene Augen fokusierten sie eindringlich. Sie konnte das dunkle Wesen in ihnen sehen. Denn die blaue Farbe war nichts weiter als eine Maske. Sie hatte seine wahre Augenfarbe bereits gesehen. Blutrot war ihre normale Farbe, wenn er hunger verspürte oder ein anderes Gefühl ihn übermannte.
In diesem Augenblick wurden seine Augen dunkler. Und sein hübsches Gesicht nahm markante, scharfe Züge an.
"Du hast mich verstanden, Vampir. Wenn du mich jetzt töten möchtest, nur zu. Du solltest allerdings wissen, das außer mir noch eine Person Bescheid weiß. Und wenn sie von mir keine weitere Anweisungen erhält, dann wird sie es deinem Feind erzählen. Ich denke, DeVanco hätte vermutlich großes Interesse daran, deine Mutter kennen zu lernen. Vor allen Dingen, weil jeder deiner Kollegen glaubt, sie sei tot."
Als er tief durchatmete, obwohl er auf diese Körperreaktion nicht angewießen war, schnallte sie sich ab. Falls er sie tatsächlich töten wollte, musste sie die Chance haben sofort davon zu rennen. Auch wenn der Versuch lächerlich wäre. Ihm konnte sie nicht entkommen.
"Ist dir klar, wie sehr ich gerade den Drang verspüre, meine Zähne in dein Fleisch zu rammen?"
"Jeder von uns muss mit überflüssigen Gefühlen kämpfen. Ich würde dich auch am liebsten köpfen, aber im Moment spielt es keine Rolle, was ich will. Meine Schwester ist mir viel wichtiger."
Er biss seine Zähne zusammen. Seine Hände zitterten. Sie hatte ihn aus der Fassung gebracht. Ihn, der Boss der größten Untergrundgesellschaft des 21. Jahrhunderts.
"Reife Leistung, Kleine. Ist schon eine Weile her, dass jemand meine Selbstbeherrschung auf diese Weise auf die Probe gestellt hat. Erstaunlich, dass du immer noch neben mir sitzt und mich mit deinen unschuldigen Augen anschauen kannst."
"Ich könnte gehen." Schlug sie vor und griff nach dem Knopf, um die Beifahrertür zu öffnen. Er war schneller. Seine Hand umfasste ihr Handgelenk. Sie spürte, wie ihre Knochen knackten. Es tat weh, aber gebrochen hatte er sie nicht.
"Du lässt erst so eine Bombe platzen und dann willst du gehen? Und du glaubst, ich würde dich einfach gehen lassen? Nachdem du mir offenbart hast, dass du über meine Mutter bescheid weißt?" Er lachte hart und ließ ihre Hand los. Sein Blick lag weiterhin auf ihr.
"Niemand wird diesen Wagen verlassen, bis wir unseren Deal mit Blut abgeschlossen haben, klar?"
Als sie nicht antwortete, griff er nach ihrem Kinn und lenkte ihr Gesicht in seine Richtung.
"Ob das klar ist?"
"ich bin ja nicht schwerhörig, Vampir!", schnappte sie und schob seine Hand weg.
"Und nenn mich gefälligst beim Namen. Für meinen Geschmack hört sich das Wort Vampir aus deinem Mund zu sehr wie ein Schimpfwort an."
"Sehr scharfsinnig, Sherlock", entgegnete sie. "Ich bemühe mich nur, mich deinem sinkenden Niveau anzupassen, Watson."
"Bleiben wir beim Thema, Sherlock. Du gewährst meiner Schwester Schutz und ich verrate niemandem, dass deine Mutter noch unter uns weilt. Wir wollen ja keine schlafenden Hunde wecken."
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
In Liebe für meine Geschwister