Der Drachen-Herrscher
Leon sprach: „Drache!“
Sein erstes Wort, auf das seine Eltern so lange gewartet haben, viel länger als bei anderen Kindern. Ein klein bisschen waren die Eltern enttäuscht, sie hätten lieber „Mama“ oder „Papa“ gehört, doch es kam wie es kam. Hauptsache, es war ein richtiges Wort, und es wurde unerwartet klar und deutlich ausgesprochen.
Leon konnte noch nicht richtig laufen, und traute sich nicht aus seinem schwebenden Kinderwagen. Er schaute gerne den anderen Kindern zu, wie sie unbeschwert spielen.
Er lächelte die Kinder an, die Kinder lächelten aber nicht zurück. Er rief nach ihnen - aber keiner kam näher. Er wusste, warum und dieses Wissen machte ihn traurig.
Aber als er mit dem Finger zeigte und sprach: „Drache!“ - da war er unbeschwert glücklich, er strahlte und die Sonne strahlte, und die Schuppen des Drachen strahlten mit flüssigem Gold. Der Drache ging neben seinem Menschen gemächlich, würdevoll, sein Kopf mit den typischen drei Hörnern trug er stolz auf seinem langen Schwanenhals, seine Pfoten waren stämmig, robust, sein Leib wohlernährt und den Schwanz schwenkte der Drache hin und her und mit jedem Schwenker glitzerte der Schmuckköcher an der Schwanzspitze mit allen Regenbogenfarben.
Ein Prachtexemplar! - Leons Vater flüsterte ehrfürchtig. - Ein besonders seltenes, mit dunklem Gold. Sein Besitzer muss ein VIP sein, steinreich!
Ach, diese Drachen sind ganz dumme Tiere, sie glänzen nur mit ihren Schuppen, stolzieren herum und fressen wohl eine Menge! Schau mal, wie der sich langsam bewegt, das ist doch zum wahnsinnig werden! Diese Goldidole kann ich nicht ausstehen! - die Mutter regte sich sofort auf.
Langsam? - fragte der Vater. - Langsam ist doch nicht das Schlimmste...
Die Mutter wurde rot, ihre Lippen bebten.
Sie bückte sich zu Leon und machte sein Jäckchen zu, gab ihm einen Schockriegel und schaute zu, wie er kaute. Langsam.
Die kleine Familie stand im großen Park unter den flüsternden Riesenerlen, die ihre Blätter auf den Drachen herunter flattern ließen als Zeichen der Begeisterung, der Drache schwenkte seinen Schwanz, neigte seinen Haupt und ging neben seinem Herrchen weiter.
Sein Herrchen war ein schwarz gekleideter kleiner alter Mann mit einer großen Mähne und einem wuscheligen Bart. Zwischen der Mähne und dem Bart blickten zwei saphir-blaue Augen, blickten scharf und, wie es Leon schien, lustig. Der Mann nickte dem Ehepaar mit dem kleinen Kind zu und ging weiter, der Mann ging wie sein Drache ohne Hast, flanierte durch den Park und genoss das trockene Wetter.
Leon schaute zu seinen Eltern hoch, lächelte die Mutter an und wollte ihr sagen, sie soll sich nicht so aufregen, doch der Gedanke in seinem Kopf wollte nicht zu einem Satz werden, der Gedanke wehrte sich dagegen, in die Welt geschickt zu werden, er wollte lieber im Kopf bleiben. Also lächelte Leon nur, das war ja einfach und erforderte keine Mühe.
Seine Mutter küsste seine Backe und auch die andere Backe. Leon küsste seine Mutter. Sein Papa schaute immer noch dem Drachen hinter her und sagte nachdenklich: „Seltsam, dass keiner weiß, woher alle diese Drachen stammen. Unsere ultramoderne Weltraumforschung konnte es nie herausfinden!“
Hat wohl jemand zufällig im Raumschiff ein Ei mit auf die Erde eingeschleppt! Wie eine Krankheit, wie die verdammte Pnosia! - sagte die Mutter und regte sich wieder auf.
Eine blaue Livia flog um ihren Kopf herum, ihre Flügel kitzelten am Gesicht der Mutter, sie versuchte den Schmetterling weg zu scheuchen.
Immerhin wurde nicht nur Übles eingeschleppt, - erwiderte der Vater - diese Livien zum Beispiel, sie sind doch schöne und harmlose Wesen!
Ich mag diese blauen Schmetterlinge nicht, dazu noch sind wegen dieser Viecher fast alle Insekten verschwunden, sie haben sie einfach aufgefressen!
Nein, Hanna, Livien sind doch sowieso keine richtigen Schmetterlinge, sondern eine Art Pflanzenkolonie, die ....
Lass es, John, du wirst mich überzeugen können, versuch es lieber gar nicht!
Leon wusste, dass wenn Pnosia einmal erwähnt wurde, war der Tag verdorben. Der Streit zwischen den Eltern wird in den Abend hinein dauern. Dabei wird seine Mutter nicht unerwähnt lassen, dass der Vater zu wenig Geld nach Hause bringt und viel zu lange auf seine Beförderung wartet, dass alle seine Studienfreunde schon längst Oberste und sogar Generäle geworden sind, und er, der Vater, immer noch ein Stabsfeldwebel. Wie lange noch?
Seine Mutter wird über den Weltraum schimpfen und über die perversen Aliens, die sich nicht an die irdische Gesellschaft anpassen wollen und ihre scheußliche Flughäuser in den Parks einrichten, die für die Allgemeinheit eingerichtet wurden. Auch seien die Gewohnheiten einiger Aliens übel, bei Nacht ihre Feste zu feiern und warum können sie es nicht tagsüber tun. Der Vater widersprach ruhig - er blieb immer ruhig: „Sie schalten doch den Schallschutz ein, und sie singen ja schön!“
Die Mutter blieb unerbittlich, später weinte sie und ging früh schlafen.
Leon wollte gerne seine Eltern beruhigen, die Mutter trösten, doch er schaffte es immer nicht. Denn er war langsam, sehr langsam. Er entwickelte sich langsam, er bewegte sich langsam, er dachte langsam und er redete noch langsamer. Und bis sein Gedanke zu Wort wurde, vergingen Minuten, manchmal Stunden. „Unsere Welt ist zu schnell für dich!“ Das sagten seine Eltern, das sagten alle um ihn herum, das wusste er selbst: er war an der seltenen Tewi-Lähmung erkrankt, genannt nach dem ersten Kind, bei dem diese Krankheit festgestellt wurde.
Der arme Tewi ist im Alter von zwölf Jahren gestorben.
Allen modernsten Medikamenten zum Trotz wurde das nächste kranke Kind ebenso zwölf Jahre alt. Älter wurde keines.
Leon sollte bald acht werden. Erst acht. Nein, schon acht!
Auch wusste er, dass er vermutlich deswegen krank wurde, weil seine Mutter die Pnosia hatte, als er noch in ihrem Bauch war, die Pnosia, eine ansteckende leichte Traurigkeit, ein Spleen aus dem Weltall. Eine an sich harmlose Krankheit, doch nicht für ungeborene Kinder.
Leon dachte die ganze Nacht durch, er wälzte schwere Gedanken in seinem Kopf, unförmige Worte bewegte er in seinem Mund.
Am Morgen, beim Frühstück, formten seine Lippen das erste Wort: „Ich“. Die Blicke seiner Eltern richteten sich sofort auf ihn, die Eltern hörten auf zu kauen, es schien, sie atmeten nicht einmal mehr. Sie mussten sich gedulden, denn das nächste Wort folgte erst einige Minuten später: „Will“. Nach dem Wort folgte eine ganz lange Pause, der Vater musste zur Arbeit gehen, sein rundes Fahrzeug schaukelte vor der Tür und blinkte immer ungeduldiger.
Leon schaute traurig seinem Vater hinter her, wie er leicht in seinen Glider sprang, wie er mit einem Schwung das Fahrzeug auf die vorgeschriebene Höhe brachte und davon sauste.
Leon aß sein Brot zu Ende, trank aus seiner Flasche und sprach: „Drachen!“
Was - Drachen? - fragte die Mutter, die dabei war, den Putzroboter für den Tag zu programmieren.
Ich...will...Drachen! - kam diesmal etwas zugiger, weil geübt, aus Leons Mund.
Ach, Schätzchen! - die Mutter unterbrach ihre Beschäftigung und setzte sich.
Leon blickte sie erwartungsvoll an.
Wie schön du schon reden kannst! - sagte endlich die Mutter und weinte.
Leon verstand nicht, warum seine Mutter weint und noch weniger war ihm klar, warum er keine Antwort auf seine Bitte bekam; er hat sich das anders vorgestellt: er spricht seinen langen Satz - und seine Eltern bringen ihm am Abend ein Ei. Vielleicht nicht gleich heute, vielleicht erst zum Geburtstag - in einer Woche also. Das wäre ein tolles Geburtstagsgeschenk!
Da es keine Reaktion folgte, wiederholte Leon seinen Versuch später, als sein Vater bereits zu hause war.
Ich...will...Drachen...haben! - diesmal wurde der Satz noch länger, und Leon war stolz auf sich. Die Eltern erstarrten beide, der Vater umarmte Leon und setzte ihn sich auf den Schoß.
Mein Sohn, ich schenke dir einen ganz tollen Drachen, den besten der Welt! Warte nur ab.
In der Nacht vor seinem Geburtstag konnte Leon nicht einschlafen, das war die erste durchwachte Nacht in seinem Leben. Er saß auf seinem Bett, das an der Glaswand stand und hörte, wie die Aliens singen. Ihre Gesänge waren fremdartig, doch melodisch und immer traurig, eine Dauerklage. Die Aliens lebten in ihrer glorreichen Vergangenheit, wo sie einst viele Kriege führten und sie immer gewannen, im Unterschied zu ihrem letzten Krieg. Diesen Krieg haben sie verloren, denn die Feinde waren zu viele, und zu niederträchtig, und zu grausam, und breiteten sich wie eine Flechte aus, und vernichteten alles und ließen niemanden am Leben außer denen, die flüchten konnten. Das konnten aber nur wenige, und so beweinten die grünen kleinen Aliens, die niemand ernst nahm und denen niemand zuhörte, die weniger nach Menschen, sondern eher nach Fröschen aussahen, ihre gefallenen Kameraden und sich selbst, und die Welt, und...
„Flechte“ - dachte Leon. - „schlechte Flechte“. Er wartete auf den Drachen, er hoffte, seine Eltern kommen ganz früh am Morgen in sein Zimmer und bringen ihm das golden schimmernde Ei. Dann wird er lachen, dann wird er sich um das Ei kümmern und warten, bis ein kleiner Drache daraus schlüpft, und dann...
Dann heulte Leon, er winselte, er schluchzte, er zog seine Decke über dem Kopf und bewegte sich nicht mehr. Denn an seinem Bett standen die Eltern, beide haben sich für den Tag schön gemacht, der Vater nahm sich heute dienstfrei, und jetzt hielt er einen süßen glänzenden Drachen in den Händen, einen kleinen feinen niedlichen Drachen, der mit den Flügeln flatterte und seinen Schwanz schwenkte und sogar lächelte.
Warum weinte denn Leon? Ach, er wollte ja kein Spielzeug! Auch solch einen schönen intelligenten Roboter-Drachen wollte er nicht. Er wollte unbedingt und sofort einen echten lebenden Drachen - nein, zuerst einmal ein Ei!
Die Eltern waren ratlos. Verärgert. Sie wussten nicht weiter.
Leon lag noch lange im Bett, und weinte. Ganz leise und langsam weinte er und wollte nicht den Drachen anschauen, und nicht mit ihm spielen.
Schätzchen, - seine Mutter setzte sich zu ihm aufs Bett - Leon bewegte sich ein Stück weg von ihr. - Schätzi, ein echter Drache ist zu groß für unsere Wohnung, er würde sich hier nicht wohl fühlen, er braucht viel Bewegung...
Nein! - kam gedämpft aus Leons an das Kissen gedrücktem Mund.
Na ja, aber das ist ein Riesentier, und...
Leon, - jetzt setzte sich auch der Vater an die Bettkante. Leon schob sich so weit wie es nur ging in die Ecke, zur Wand. - Leon, mein lieber Sohn, ich sage es dir ehrlich: wir können uns einen Drachen nicht leisten, ein Drachenei, auch von der einfachsten Sorte, kostet so viel, wie ich in zehn Jahren verdiene. Wir tun alles für dich, aber das - das können wir nicht. Verzeih uns! Bitte!
Wenn du ein General wärest, hätten wir uns das leisten können, und auch eine größere Wohnung, und nicht hier, unten, sondern in den obersten Luft-Schichten, hoch wo die VIPs wohnen und dein Studienfreund Herbert auch, und...! - die Mutter regte sich wieder auf, und wurde kurzatmig.
Vielleicht war es die Pnosia, die Jahre später ihr Herz so empfindlich machte? Oder die immer währende Traurigkeit um ihren Sohn?
Leon gab auf. Tief in seinem Inneren tobte ein Sturm, er wollte seinen Eltern so gerne erzählen, wieso er unbedingt einen Drachen braucht und dass er ohne einen Drachen unglücklich sein wird, und dass er sich um den Drachen kümmern wird, und dass er - vielleicht - gesund wird dank dem Drachen. Es wollte es erzählen, es sollte aus ihm nur so sprudeln - doch die Worte wollten sich nicht bilden, und es hatte sowieso keinen Sinn, denn Geld... Vom Geld hat er schon oft hören müssen: davon, dass es nie reicht, und davon, dass „wenn wir Geld hätten, dann... - aber wir haben es nicht.“ Sackgasse.
Der Roboter-Drache wurde von der Firma abgeholt, die Rechnung für einen Tag Nutzung bezahlt. Die Familie ging spazieren, was blieb denn übrig? Leon saß in seinem Schwebe-Kinderwagen, den er von dem Staat bezahlt gekriegt hat, sein Fahrzeug glitt leise neben den Eltern.
Leon liebte den großen Park mit seinen verschlungenen Wegen, mit verwunschenen und auf ihre schaurige Weise verlockenden Ecken, mit seltenen Bäumen und Vögeln, eine Ausbeute von zahlreichen riskanten Weltraumexpeditionen der letzten Jahrhunderte. Und auch die Livien, allgegenwärtig, überall auf der Erde anzutreffen, an den unerwartetsten Orten, flatterten leise herum. So leise, wie nur die Livien allein konnten.
Die Verzweiflung von heute morgen wurde fast vergessen, und die Stimmung war nach dem Essen a-la Andromeda entspannt geworden.
Und dann... Es kam ein Glanz auf die kleine Familie zu, es schien, als ob ein Berg aus purem Gold sie gleich überrollt. Leons Wagen blieb abrupt stehen, Leon fiel fast heraus, doch eine starke Hand hielt ihn fest.
Vor ihnen standen der Drache und sein Herrchen, der kleine Mann in Schwarz. Der Drache landete exakt vor Leon, trotz der Langsamkeit waren seine Bewegungen präzise und graziös. Der Drache neigte seinen Haupt und bevor Leons vor Schreck erstarrte Eltern nur ein Wort sprechen konnten, hob der kleine schwarze Mann das Kind hoch, setzte es auf den Drachenrücken, sagte: „Wir sind gleich wieder da“, schwang sich mit einer für einen alten Mann unerwarteten Geschwindigkeit ebenfalls hoch und schon breitete der Drache seine Flügel aus und stieg hoch hinaus.
Leon hielt sich an eine Art Geschirr fest und fühlte sich wie in Vaters Fahrzeug, nur viel cooler, denn hier fehlte die durchsichtige Abdeckung und somit jede Sicherheit. Der Drache flog nicht schnell, doch sehr hoch, höher als die Flugbahn der Ultraschall-Busse und sogar höher als das tausendstöckige Gebäude des Verteidigungsministerium, von wo ein vorsichtiger Aufklärungsstrahl sie leicht gestreift hat und ist gleich weiter gezogen, weil nichts Verdächtiges bemerkt.
Das ist dein Geburtstagsgeschenk, dieser Ausflug. Gefällt es dir? - fragte der Mann.
Leon nickte - das heißt, er senkte wie in Zeitlupe seinen Kopf und hob ihn genau so langsam wieder.
Ich weiss, dun kannst nicht so schnell reden, doch du kannst einfach denken, Doen und ich werden es verstehen, keine Sorge.
„Wer ist..?“ - fing Leon einen Gedanken an.
Ja, ich, - der dreifach gehörnte Kopf bewegte sich auf dem langen Hals, ein gelbes Auge mit der schwarzen Pupille schaute zu Leon hin.
Leon ließ beinahe das Geschirr los, und schon wieder hielt ihn eine starke Hand fest. Merkwürdig, wie stark der kleine zierliche Mann doch war!
Doen und ich wissen, was mit dir los ist. Wir wollen dir helfen, Leon, mag sein, wir schaffen das.
Doen... - sprach Leon und streichelte zärtlich über die Schuppen des Drachens. Die Schuppen fühlten sich unerwartet weich, irgendwie schutzlos.
Hier sind keine Livien, - sprach der Mann. - Sie hören sonst immer alles, sie wollen alles wissen.
Warum?
Ach, Leon, das ist eine traurige Geschichte. - meldete sich Doen.
Ich heiße eigentlich Theophilus. - sprach der schwarz gekleidete Mann. - Und bin Freund von Drachen.
Von allen, allen Drachen?
Von allen-allen, ich kenne alle Drachen, die hier auf der Erde Zuflucht gefunden haben.
Zuflucht? - das Wort hat Leon noch nie gehört.
Sie mussten einst aus ihrer schönen Heimat fliehen, denn dort gab es einen Krieg, - sagte der Mann.
Genau wie bei grünen Aliens, - meinte Leon.
Genau. - sprach Doen bitter.
Auf unserer Erde ist es schön! - sagte Leon stolz.
Ja, sicher, - antwortete Treophilus mit einer dumpfen Stimme.
Sie flogen schon über die Vororte der großen Stadt, wo einzelne Schlösser der VIPs ragten, jedes mitten in einem riesenhaften Garten, in jedem Garten weit unten flatterten Livien, ein pulsierender Teppich aus blau-lila Schwingen.
Hier und da - eine Siedlung der Aliens, runde Hütten aus etwas Lehmartigem, um jede Siedlung - ein unsichtbarer Zaun, undurchlässig für Lebewesen jeglicher Art.
Jenseits des majestätischen Flusses - Lichter und Bussbahnen der Nachbarstadt, wo Leon nie gewesen war und von der er nicht einmal den Namen kannte.
Grün, herrlich grün war die Erde um diese Jahreszeit, die Natur erwachte nach ihrem Winterschlaf, sogar in diese schwindelerregende Höhe reichten Düfte von unzähligen Blüten.
Es begann zu dämmern, Leon hat gar nicht gemerkt, wie die Zeit verflogen war.
Doen legte eine steile Kurve an, bei der Theophilus Leon festhalten musste und flog zurück. Leon dachte an seine Eltern, die er so plötzlich verlassen hatte.
„Mach dir keine Sorgen, Kind, für sie war es nur ein Augenblick gewesen, nur eine kurze Schrecken-Sekunde“ - antwortete sein Begleiter auf die unausgesprochene Frage. Und auf eine weitere Frage, die Leon nicht einmal in seinem Kopf zu Worten gefasst hat, kam eine Antwort: „Ja, ich kann das. Ich kann viel, sehr viel - doch leider nicht alles. Du wirst es später verstehen.“
Und dann flüsterte Theophilus Leon ins Ohr: „Du hast dir einen Drachen gewünscht. Du bekommst einen Drachen!“
„Psst! - flüsterte Theophilus, als Leon einen lauten Freude-Schrei herauslassen wollte. - Livien dürfen es auf keinen Fall erfahren. Nie! Solange der Drache im Ei ist, ist er in größter Gefahr. Livien sind nicht gut, aber sie tun dir nichts, wenn du dein Geheimnis gut aufbewahrst.“
„Darf ich Mama und Papa auch nichts sagen?“ - bildete sich der Gedanke in Leon Verstand.
„Doch, und ich werde dafür sorgen, dass sie es keinem weiter erzählen. Du aber musst selbst den Mund halten - über dich habe ich, ein alter Magier, keine Gewalt.“
„Warum?“
„Weil du etwas Besonderes bist!“ - lachte Theophilus.
Am nächsten Tag brachte ein unscheinbares Fahrzeug, schnell und grau, ein Packet für Leon. Das erste Packet, was Leon in seinem Leben erhalten hat. Zusammen mit der Mutter holte er ehrfürchtig ein Ei, groß wie sein Kopf, ein unerwartet unscheinbares weißes, schweres, durch eine warme durchsichtige Kunsthaut geschützt.
Der Sichtschutz an den Fenstern wurde vorsorglich auf die höchste Stufe hochgefahren, es wurde auch kein Word über das Ei verloren. Das Letztere war Leon auch ganz recht.
Er saß stundenlang und beobachtete das Ei, obwohl es unverändert blieb. Leon weigerte sich, in den Kindergarten zu gehen und wartete ab. Er fühlte sich vom Ei hingezogen, mit ihm verbunden mit unsichtbaren Banden.
Seine Eltern erwähnten das Ei mit keinem Wort, als ob es nicht da war, aber sie versuchten auch nicht, Leon von seiner Beschäftigung abzulenken.
Ein Mal sah Leon eine Livia vor dem Fenster fliegen, sie blieb eine Zeitlang in der Luft stehen, ihre Fühler bewegten sich rasch. Dann sauste sie weiter und Leon hat gemerkt, dass er für einige Sekunden seinen Atem eingehalten hat.
Es geschah in der Nacht. Leon schlief unruhig, wie oft in der letzten Zeit. Er träumte von einer blass-blauen Ödnis, und versuchte seinen Blick dafür zu schärfen, was diese blass-blaue Schicht sei, aber das Bild blieb unscharf, doch es ekelte ihn vor dieser Ödnis und vor den dunkel-blauen Livien, die überall herum flogen.
Eine setzte sich auf sein Gesicht und er spürte ihre Berührung, er wollte sie abstreifen, doch seine Arme gehorchten ihm nicht, sie waren - wie immer - viel zu langsam. Er wollte nach Hilfe schreien und konnte nicht, er war verzweifelt - und plötzlich kam jemand auf ihn zu, jemand Flauschiger, jemand Glänzender. Ein Freund...
„Freund“ - mit diesem Gedanken wachte Leon auf und sah ihn. Er lag neben ihm auf dem Bett und schlief. Er war so groß wie Leon, eine lange Schnauze mit drei weichen Hörnchen, ein kurzer Schwanz, vier durchsichtige Flügel, gelbe Schuppen. Er schlief zusammen gerollt, die Schnauze auf dem ausgestreckten Hinterbein; die Augen mit faltigen Lidern bedeckt.
Leon betrachtete ihn und ein glückseliges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht. Seine Welt war nun perfekt, ihm fehlte nichts mehr.
Der Drache wachte auf und wedelte mit dem Schwanz wie ein Hund, und leckte Leons Gesicht, und in Leons Gehirn klang es: „Mein Herr, mein werter liebster bester Freund!“
Vier Flügel spannten sich und machten einen Schwung, noch einen und schon machte das Drachen-Kind eine Runde im Raum, streifte kurz Leons Spielschloss, dass herunter krachte und in seine fünf Tausend Teile zerbarst. Der Drache flatterte zu Leon aufs Bett und zitterte in seinen Armen.
„Keine Angst, Flatti, ich lasse dich nicht im Stich!“ - dachte Leon und hörte: „Ich dich auch nicht, mein Herr!“
***
Es vergingen drei Jahre. Drei Jahre treuer Freundschaft zwischen Mensch und Drache, drei Jahre Entwicklung und Wachstum. Flatti wurde in dieser Zeit ein hübscher Teenager-Drache, Leon wurde auch größer und sogar ein bisschen stärker. Er war immer noch langsam, doch inzwischen wurde ein neues Medikament entwickelt, von dem die Ärzte Wunder erwarteten.
Leon lernte laufen und seine Eltern waren überglücklich. Er begann, eine Schule zu besuchen. Er durfte zusammen mit gesunden Kindern lernen, und auch das freute seine Eltern. Er durfte sogar Flatti zur Schule bringen, wo er seinen glänzenden langen geschmeidigen Körper im kühlen Innenhof in Kreise legte und sich sich in der Sonne wärmte oder auch mal zuschneien ließ. Nichts regte ihn auf, keine Neckereien der Schulkinder, keine Kälte, keine Hitze, kein Lärm. Nur wenn eine Livie sich auf seinen Schuppen nieder lassen wollte, schüttelte er sich immer kräftig und versuchte nach ihr zu schnappen.
Leons Vater wurde zum Oberst befördert, blieb allerdings bei den Truppen; einen lukrativeren Posten im Verteidigungsministerium hat er trotz entschiedener Proteste seiner Frau abgelehnt. Daher gab es in der kleinen Familie weiterhin oft Streit.
Leons Mutter hat nicht gelernt, den Flatti zu lieben. Sie fütterte ihn mit dem besten Drachen-Markenfutter, sie rieb seine Schuppen mit dem teuren Drachen-Öl, sie hat sogar gelernt, seine spitzen Krallen - auf jedem der vier Pfoten sieben. Aber sie liebte ihn nicht. Sie redete nicht mit ihm, sie streichelte ihn nie, sie beschwerte sich nur ständig, dass Leon zu viel Zeit mit dem „Tier“ („Flatti ist kein Tier, er ist ein Mensch, wie ich!“ - sprach einst Leon nach langem Mühen aus) verbringt und zu viel auf den „kleinen Mann“ hört.
In der Tat verbrachte Leon viel Zeit in der Gesellschaft von Theophilus und von Flatti, er lernte viele der Drachen kennen, die auf der Erde lebten, denn einmal im Jahr trafen sie sich in den grünen Bergen des Südens, in der Abgeschiedenheit, denn Theophilus sorgte dafür, dass kein Mensch und keine Livie sie findet.
Leon hat erfahren, dass böse Kräfte im All wüten, die schon viele Planeten verwüstet haben. Auch die wunderschöne erdähnliche Fennida, wo Drachen mit ihren Herren gelebt haben. Die grausamen Angreifer haben die Fennida in eine Ödnis verwandelt, die mit giftigen Flechten bedeckt wurde, die Flechten aber verbreiteten den Tod, denn niemand konnte in der Nähe dieser Pflanzen aushalten. Niemand, außer den Feinden und Livien, den listigen Spioninnen.
Auf einen Planeten, den die Feinde angreifen wollten, kamen zuerst die Livien, sie flogen umher, sie horchten, sie lasen Gedanken, und nach einiger Zeit wussten sie alles. Danach kamen die Feinde in einem riesenhaften Raumschiff und säten die Flechten, die alles Lebende zu sich selbst machten: Pflanzen, Tiere, Menschen. Es gab kein Mittel gegen die Flechte: weder Flammen, noch Kälte, noch Metall, und nicht einmal Kernkraft. Wer nicht floh, war zum Tode verurteilt.
Die Drachen flüchteten, ihre Herren kämpften bis zuletzt und starben alle. Alle, außer dem Theophilus, denn er half seinen Drachen bei der Flucht. Die Drachen nahmen es den Menschen nicht übel, als Tiere behandelt und zu werden. Sie lebten aber in Erwartung, dass sie einmal wieder ihren Planeten besiedeln werden. Doch wann? Keiner wusste es. Dafür wussten die Drachen, dass der Erde eine Gefahr droht, denn überall waren die Livien, sie wurden immer mehr.
Auf dem letzten Drachen-Bergtreffen wurde darüber beraten, ob die Menschen gewarnt werden sollen. Es wurde beschlossen, es sei sinnlos: Menschen werden von ihren Haustieren keine Warnungen ernst nehmen. Es wurde beschlossen abzuwarten.
Und noch wurde es beschlossen, auf dem nächsten Treffen Leon in ein großes Geheimnis einzuweihen.
Zum nächsten Treffen kam es nicht mehr...
Es kam zum Krieg.
An einem heißen Sommertag, als alles den wohltuenden Schatten suchte, als die Blumen eine besonders starken Duft verbreiteten, als das Gras angefangen hat, zu verwelken, und als Flatti den müden Leon nach der Schule nach Hause trug, blieb der Drache in der Luft stehen. Aus seiner Kehle ertönte ein hoher Pfeifton, den Leon noch nie von ihm gehört hat.
Sieh da! Unter uns!
Leon schaute herunter und sah nur gelbes welkes Gras und noch irgendwelche hell-blaue Blumen dazwischen.
Das ist sie! Es geht los! Wir müssen sofort Theophilus Bescheid sagen!
Und dann sah auch Leon: zwischen dem Gras, unter dem Gras, mitten auf den Blumenbeeten - die Flechte! Kleine Flecken, die aber mit jedem Augenblick größer wurden, mit einander verschmolzen und alle anderen Pflanzen zu sich selbst machten. Und schon bald war anstelle eines prächtigen Rosenstrauches ein bläulicher Hügel, der in sich zusammen sackte und in alle Richtungen zerfloss, bis er einen weiteren Busch erreichte und unter sich begrub.
Flatti stieg inzwischen höher und höher, Leon hielt sich fest, denn er kannte schon die Art des Drachenfluges.
Flatti, was wird jetzt passieren?
Ich weiß es nicht, doch es sieht nicht gut aus.
Flatti sagte nichts mehr, bis sie vor dem Schloss von Theophilus landeten. Hier gab es keine Livien, und keine Spur von Flechten.
Doch der Theophilus wusste schon Bescheid. Doen und er eilten ihnen entgegen, hießen sie willkommen. Jeden Augenblick landeten hier weitere Drachen, viele kannten Leon bereits und neigten ehrfürchtig ihre Köpfe und ließen ihn ihre Hörner berühren - das Zeichen der besonderen Ehrfurcht, das sie bisher nur vor Theophilus erwiesen haben. Leon wunderte sich, doch er war zu besorgt, um weiter daran zu denken.
Er hielt sich an Flattis Hals fest und spürte, wie sein Freund zitterte. Er selbst fing an zu zittern und wollte am liebsten sich in einem fensterlosen Raum verstecken, wo niemand jemals hinein kommt um ihn schlechte Nachrichten zu überbringen. Doch wo gab es solche Räume?
Plötzlich landete direkt vor Leon ein riesenhafter Drache, auf dessen Rücken sich ein Drachenkind festklammerte und an das Drachenkind hielt sich ein Mädchen fest. Solche smaragdgrüne Augen hat Leon noch nie gesehen!
Daran, wie sich der Mund des Mädchens langsam zu einem breiten Lächeln verzog, und daran, wie viel Zeit das Kind brauchte, um ihren Arm zu einem Gruß zu heben, erkannte Leon seine Leidensgefährtin.
Und schon klang in seinem Kopf eine Stimme wie ein helles Glöckchen: „Ich heiße Liz, ich weiß - du bist der Leon. Theophilus hat von dir erzählt!“
„Liz“ - wiederholte Leon wie im Traum - „Ein schöner Name!“
Bald waren Tausende Drachen angereist, sie kamen von allen Kontinenten der Erde, sie haben ihre Menschen verlassen, um bei einander zu sein und zu entscheiden, ob sie in den Krieg gegen die starken Gegner ziehen oder die Erde verlassen, um einen neuen Zuflucht zu suchen.
Alle Drachen haben sich in einer Halle versammelt, dort, wo schlanke goldene Säulen mit Gold verziert waren und wo die durchsichtige Decke so hoch war, dass es schien, der Himmel steht offen.
Meine Lieben, - sprach Theophilus zu ihnen. - Unsere Feinde haben uns wieder eingeholt. In drei Stunden wird ihr Raumschiff auf der Umlaufbahn unweit der Erde liegen, in drei Tagen wird alles Lebende auf der Erde von der Flechte vernichtet sein, danach greifen die Feinde an.
Wir können jetzt fliehen, oder wir können versuchen mit den Menschen gemeinsam kämpfen. Die Entscheidung sollen wird jetzt gemeinsam mit unseren neuen Herrschern treffen.
In diesem Augenblick richteten sich alle Blicke auf Leon und Liz.
Ja, - sagte Theophilus. - das sollte erst auf unseren nächsten Treffen geschehen, doch das Schicksal wollte es anders. Ihr Kinder, Liz und Leon - ihr seid nicht krank, sondern ihr seid neue Drachen-Herrscher. Überall, wo Drachen leben, werden immer wieder Drachen-Herrscher geboren: Menschen, die ihre Drachen lieben, sie beschützen und sie führen. Diese Menschen sind daran zu erkennen, dass sie in unserem Rhythmus leben, einem Rhythmus, der anderen Menschen als krankhaft langsam erscheint. Und ein weiteres Zeichen der Drachen-Herrscher ist, dass sie sich zu uns Drachen hingezogen fühlen und ihren Drachen-Freund unablässig suchen!
Nicht gleich habe ich heraus gefunden, dass es hier auf der Erde sogenannte Tewi-Kranke gibt, die Drachen-Herrscher sein könnten. - setzte Theophilus fort. - Die Livien wollten es unbedingt verhindern, dass die Drachen ihre Herren bekommen, denn ohne ihre Herrscher sind Drachen hilflos. Endlich habe ich unter den langsamen Tewis euch zwei finden dürfen, euch, neue Drachen-Herrscher!
Leon und Liz schauten einander an und sahen beide in den Augen des anderen Stolz, aber auch Furcht, denn sie fühlten sich klein und schwach und gar nicht wie gewaltige Herrscher.
Liz und Leon, - meldete sich nun Doen zu Wort. - Ich weiß, wie es euch jetzt geht. Doch ihr müsst eine lebenswichtige Entscheidung treffen: sollen wir fliehen oder sollen wir kämpfen?
Ich will heim zu Mama und Papa, - heulte Liz los.
Ich auch, aber erst kämpfen wir! - sprach Leon entschieden.
Sie sahen den Krieg kommen: auf dem blut-roten Himmel erstrahlten Hunderte böse Sterne und ein Schatten des gigantischen Raumschiffes bedeckte die Erde.
Raketen schossen hoch zu dem schwarzen Schatten und Kampfflieger rasten zu ihm - und fielen zurück auf den Boden und explodierten. Der Schatten aber wurde dunkler und es wurde kalt auf der Erde.
Dann sagte der älteste Drache: „Seit unserem Kampf gegen die Feinde habe ich viel nachgedacht, sehr viel. Und ich habe alte Schriften studiert, sehr alte Schriften. Und ich habe einen Fluch gefunden, der gegen diese Art Feinde helfen kann, doch um zu wirken, soll es in die Nähe des Schiffes gebracht werden. Ich würde gerne selbst dorthin fliegen, doch ich bin zu alt dazu. Es soll jemand tun, der klein und wendig ist.
Ich tue es, - rief Leon. Er rief es laut, ohne vorher überlegt zu haben, er rief aus seinem Herzensgrund.
Dann helfe ich Dir, mein Herr! - sprach Flatti.
Ich lasse euch ungern in den Krieg ziehen, - meinte Theophilus, - doch ich werde nie so nahe an das Schiff kommen können, um den Fluch zu sprechen: die Feinde kennen mich und haben besondere Sperren gegen mich und Doen aufgestellt. Nun fliegt hin, ihr Mutigen, aber seid der großen Gefahren gewahr, die euch drohen, denn die Feinde benutzen unsichtbare tödliche Strahlen, die niemand sieht und erst dann bemerkt, als es bereits zu spät ist.
Vom alten Drachen bekam Leon eine Kugel ausgehändigt, die schwärzer als die schwärzeste Nacht war, und in der Kugel war der böseste Drachenfluch aller Zeiten.
„Wenn die Kugel das Raumschiff der Feinde berühren wird, dann werden alle Feinde sich vor Schmerz auf dem Boden wälzen und werden nur eins wollen: so schnell wie nur möglich weg von hier sein!“ - sagte der alte Drache. - „Seid tapfer und seid vorsichtig!“
Und dann starteten Leon und Flatti zum Schiff. Sie flogen einen weiten Bogen und kamen von oben auf das Raumschiff hin, das mit seinem Schatten bereits die halbe Erde bedeckt hat. Leon hielt die Kugel fest in der Hand und wollte es schon auf das Schiff fallen lassen, doch in diesem Augenblick schrie Flatti auf und verlor das Gleichgewicht. Leon sah, dass ihm seine Flügelspitze fehlte, Blut, blaues Drachenblut spritze aus der Wunde heraus, und Flatti flog nicht weiter, sondern fiel herunter, direkt auf das Raumschiff, und schon schickte das düstere Raumschiff einen neuen dünnen silbrig schimmernden Strahl in ihre Richtung. Noch ein Augenblick - und dann sind Leon und Flatti tot.
Wenn wir sterben müssen, dann stirbst du auch! - rief Leon und schleuderte die dunkle Kugel gegen die graue Metallhülle des Raumschiffes.
Gleich wird der tödliche Strahl zwei Leben auslöschen, bevor er selbst von dem Fluch ausgelöscht wird. Doch was ist das? Ein wendiger weißer Glider raste direkt auf den Strahl hin, stellte sich zwischen dem Raumschiff und den Schutzlosen. Der Glider wurde von dem Strahl zerschnitten, er zerfiel in Tausend Splitter, doch ehe es geschah, sah Leon einen goldenen Stern mit der blauen Mitte auf den Flügeln des kleinen Kampfflugzeuges - das Militärabzeichen seines Vaters.
***
Es war vorbei. Die Flechten waren vertrocknet, die Livien - verschwunden. Der Ein-Tag-Krieg war beendet, seine Gefallenen beerdigt, sein Held geehrt: der mutige Oberst, der das Monster-Raumschiff in die Flucht gejagt hat und dafür mit seinem Leben bezahlt hat.
Sie standen unter dem schwarzen Obelisk: die Witwe in Schwarz, der Sohn in Schwarz und der Drache in seinem Goldkleid, das er so gerne gegen ein schwarzes gewechselt hätte.
Du darfst nicht gehen! Nicht jetzt, Leon!
Liz und ich müssen gehen! Wir wollen Fennida wieder aufbauen!
Das haben diese Tiere dir alles eingeredet! Diese gemeine Geschöpfe, diese Drachen! Du bist kein Drachen-Herrscher, du bist nur ein krankes Kind!
Hier bin ich krank, dort - gesund!
Hier gibt es neue Medikamente!
In einem Jahr bin ich hier tot!
Nein!!!
Doch, Mama! Bitte! Ich liebe dich, aber ich kann nicht bleiben! Verzeih mir!
Mutter und Sohn fielen einander in die Arme, sie weinten und sie wussten: jetzt, genau jetzt sehen sie einander das allerletzte Mal. Sie werden beide noch lange Leben haben, und es wird kein Tag vergehen, ohne dass sie an einander gedacht haben. Doch sie werden für einander unerreichbar sein, denn Fennida liegt in einer anderen Welt, für Menschen unerreichbar und nur für Drachen zugänglich - und für deren Herrschern.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir
Bildmaterialien: Wikimedia
Tag der Veröffentlichung: 08.04.2012
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