Die Bäume
KRACH-
Das war der Erste.
Ich liege im Wohnzimmer auf den Holzdielen, denen das Haus gesagt hat, sie sollen mich trösten.
Es ist zwar hart, aber warm, und ich fühle mich noch immer zuhause, obwohl schon alles leer
geräumt ist.
Ich lausche. Ein Stück heller ist es mit dem ersten, der gefällt wurde, schon geworden.
Ich weiß, Mama würde es hassen. Sie ist extra weggefahren als das Sägen angefangen hat,
weil sie das Wohnzimmer nicht so sehen will. So hell, klinisch weiß und hell,
sodass man allen Schmutz und Staub erkennen kann. Und mal unter uns gesagt,
wer will das schon sehen.
KRACH
Das war der Zweite. Mehr Licht flutet durch das Wohnzimmerfenster, das jetzt nur noch halb
verdeckt ist. Nun sieht man auch das Rot des Fleckes an der Decke, da hat meine Schwester
mal vor Lachen ihre Suppe an die Decke geprustet und Mama hat sich furchtbar aufgeregt.
Nicht wegen dem Fleck, sondern weil sie fand, dass es nicht zum Lachen war. Ich weiß aber
nicht mehr worüber sie geredet haben, will ich garnicht wissen.
Ich fühle das Haus seufzen, es spürt den Verlust der Bäume und der Gemütlichkeit des
Wohnzimmers, das ein wenig zu dunkel gewesen ist. Aber so hat man den Schmutz
und den Staub nicht so sehen können, wisst ihr.
Das Fenster ist auf und ich kann die Nadeln riechen, die die Sonne immer nur ein bisschen
durchgelassen haben.
Ich warte-
KRACH
Jetzt ist es wirklich schon sehr hell in dem Zimmer, die weißen Wände reflektieren das Licht.
Man könnte so den Staub und den Schmutz in den Ecken bestimmt gut sehen, aber ich schau nicht
hin. Mir kommt die neue furchtbare Wohnung mit dem braunen Teppich in den Sinn, in die ich nie wollte
und sonst auch niemand und drücke meine Hände auf die warmen, harten Dielen. Sie drücken zurück.
Schrecklich klinisch weiß sieht es aus.
Papa legt sich neben mich, und ich merke, dass er weint. Er liebt dieses Haus trotz der Ecken, die ich
immer absichtlich übersehe. Er kennt sie und auch alles Andere, weil er schon so lange hier ist.
Ich höre seine Tränen auf das Holz tropfen, so still ist es. Immer zwischen Sägen und Krachen
ist es still, ich denke mal, damit man Zeit hat um es zu verstehen, oder vielleicht auch, weil einem
das Krachen dann noch viel lauter erscheint und die Bäume einen gebührenden Abgang haben.
Jetzt ist gerade so eine Ruhe vor dem Sturm oder wie man das nennt und wir wissen alle was kommt.
Der letzte Baum, der einzige, der sich noch bemüht das Fenster mit seinen riesigen Ästen abzudecken
und uns das blendend weiße Wohnzimmer zu ersparen versucht.
Der größte, älteste Baum und Papa, ich und das Haus, zusammen atmen wir tief ein-
KRACH
Es macht einen sehr lauten Schlag, und es ist so hell, dass ich blinzeln muss.
Still bleib ich liegen, fast ohnmächtig von dem Gedanken, dass es jetzt wirklich so weit ist.
Ich sehe wie Papa zur Tür geht, in der Mama und meine Schwester stehen und mir winken,
ich soll endlich kommen. Ihre Gesichter sind kaum zu erkennen, so hell ist das Licht dass durch das
Fenster auf sie fällt.
Ich drücke ein letztes Mal die Dielen, danke dem Haus, dass es uns beigestanden hat und richte mich
auf, gehe vorbei an den Staubecken, dem Fleck und den weißen weißen Wänden, die ich kaum
wiedererkenne, vorbei an dem Fenster, durch das nun so viel Licht scheint, dass es mich blendet.
Zum Schluss danke ich den Bäumen, mit denen alles viel schöner war.
Dann schließe ich die Tür hinter mir, und erwähnt in Zukunft jemand mein Haus,
werde ich ihm sagen, das es mein Leben gewesen ist.
(Maria Müller)
Tag der Veröffentlichung: 07.01.2009
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Widmung:
eine Kurzgeschichte
meinem alten Haus gewidmet