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Prolog




"Leben. Was heißt das? Für mich? Nichts. Warum lebe ich? Leben wir? Was ist Real? Was ein Traum? Und wer bestimmt das? Warum geben wir uns in unserem Leben so viel Mühe, wenn wir am Ende sowieso sterben werden? Wo ist der Sinn? Für mich ist es eine Strafe, am Leben zu sein. Mein Leben ist eine Qual, dass wird sich niemals ändern. Ich sehne mich nach dem Tod. Nach dem Tag an dem ich alles hinter mir lassen kann. Für immer. Meinen Frieden finden."


*


Ich saß auf meinem Bett, ohne mich zu bewegen. Ich konnte nicht. Ich hatte kein Gefühl in meinen Gliedern. Ich wollte etwas sagen, aber ich schaffte es nicht. Mein Mund öffnete sich zwar aber es kam kein Ton heraus. Ich wollte schreien.
Mein Körper fühlte sich an wie Blei, schwer und kalt.
Tränen stiegen in meine Augen und mein Blick wurde schleierhaft. Dann wurde alles schwarz und ich fiel auf mein Bett zurück.
Plötzlich war es still. Ich konnte meinen Atem hören, stockend und flach. Aber mehr nicht. Keine Menschenstimmen, die ich durch das offene Fenster hätte hören sollen. Kein Kinderlachen, kein Autohupen oder Straßenmusik. Alles war still. Aber nicht einfach still

. Es war unnormal, unreal. Diese Stille fühlte sich anders an. Falsch und gefährlich. Wieder wollte ich schreien, doch aus diesmal öffnete sich zwar mein Mund, was große Anstrengung und Konzentration erforderte, aber ich entlockte meiner Stimme dennoch keinen Ton.
Warum ich? Wieso passierte es immer mir?
Und wärend ich dachte, diese Stille würde nicht mehr aufhören, war da plötzlich ein Flüstern, ein Rauschen. Weit weg und doch so nah. Das raue, grelle Gekreische eines Raben zerstörte die Stille mit einem Mal. Angst durchzuckte mich. Was war das, und wo war das? Das Gekrächtse wurde lauter. Es kam näher. Ich wollte meine Augen öffnen aber ich schaffte es nicht.
Warum machst du das? Hör auf, flehte ich das Nichts um mich herum an.
Es folgte Stille und ich beruhigte mich und bekam meinen Körper langsam wieder unter Kontrolle.Ich horchte auf. Was es

noch da? Ich hört nichts ungewöhnliches. Langsam legte ich meine Hand neben meinen Kopf, um etwas bequemer zu liegen. Doch statt den weichen Baumwollbezug meines Kopfkissens zu spühren, fasste ich in etwas anderes

. Ich wusste nicht genau was es war, aber es war etwas warmes. Ich konnte nicht genau sagen, wie es sich anfühlte. Es war irgendwie plüschig

. Ich tastete weiter darauf herum. Waren das Federn? Es bewegte sich! Ich riss meine Augen auf und starrte für einen Moment in die Augen eines Rabens. Augenbicklich kehrte das Gefühl in meinen Körper zurück und ich sprang an das andere Ende des Bettes. Wo war er hin? Wie gebannt starrte ich auf die Stelle neben meinem Kopfkissen wo Sekunden vorher ein Rabe gewesen sein muss

. Aber er war weg! Panisch sah ich mich in meinem Zimmer um. Nichts.



Ich schaute auf meine Hand und erschrak. Blut! Es glitzerte wie Edelsteine in der schwachen Beleuchtung meines Zimmers. Mir wurde schlecht und meine Hände zitterten. Wo kam es her? Das konnte nicht mein Blut sein. Während ich krampfhaft darüber nach dachte, was ich tun sollte, hörte ich es

wieder. Das Rauschen. Ich sah auf. Da war er wieder, der Rabe. Er saß auf meinem Schrank und sah mit seinen pechschwarzen Augen auf mich hinunter. Mit einem Mal wurde mir klar, wo das Blut an meinen Fingern herkam. Die Federn des Raben waren geknickt und ausgefranzt. Sein Federkleid zeigte einige freie Stellen und auf der linken Seite konnte ich seine Rippen und einen kleinen Teil seiner Innereien sehen. Und Blut. Viel Blut!

Es tropfte an meinem Schrank hinunter und zeichnete ein verschlungenes Muster auf dem Holzboden. Außerstande etwas zu sagen oder mich zu bewegen, starrte ich auf das Blut. Wie konnte er noch so da sitzen? Er musste unheimlich stark verletzt sein. Eigentlich hätte er tot

sein müssen.
Im ganzen Zimmer verteilte sich der beißende, metalische Geruch von Blut. Ich schnappte nach Luft. Mir wurde schlecht. Ich fasste mir um den Hals.
Plötzlich bewegte er sich. Er flatterte mit den Flügeln und sprang vom Platz. Ich dachte schon, er wurde auf den Boden fallen doch kurz davor, breitete er seine Flügel aus und flog auf das Fenster zu, aber das Fenster war geschlossen! Er würde gegen die Scheibe fliegen. Ich fing an zu schreien, kniff die Augen zusammen und hielt mir die Ohren zu.
Draußen waren hektische Schritte zu hören. Jemand rannte auf mein Zimmer zu. Die Tür wurde aufgerissen. "Alice! Alice! Ist alles okay?!", fragte sie hektisch. Nervös schaute meine Mutter sich in meinem Zimmer um. "Was ist passiert?" Ich hob den Kopf und schaute sie verwirrt an. "Ähm... Ich...", begann ich. Doch ich wusste nicht recht was ich sagen sollte. Ich schaute auf meine Hände. Kein Blut.

Ich schaute auf den Schrank und auf den Boden. Kein Blut!

Ich schaute zum Fenster. Kein Rabe.

"Ich hab geschlafen", murmelte ich. Sie setzte sich zu mir auf das Bett. Legte mir eine Hand auf die Stirn. Schaute mir in die Augen und kontrollierte mindestens fünf mal meinen Puls. "Mum, mir geht es gut. Wirklich!", genervt schaute ich sie an. "Ich habe nur schlecht geträumt!" Nachdem sie fertig mit ihren Untersuchungen

war, schaute sie mich an. "Nur

geträumt? Alice, du hast das ganze Haus zusammen geschrien!", sagte sie. "Ich weis. Tut mir Leid.", flüsterte ich. Sie nahm meine Hand. "Du hast eiskalte Hände. Ist wirklich alles okay? Soll ich Dr. Wira anrufen?"
"Nein, nicht nötig. Ich muss doch morgen sowieso zu ihr. Du machst dir wirklich grundlos Sorgen!" Ich lächelte und gab mir große Mühe glaubhaft zu klingen.
Meine Mutter seufze. "In Ordnung." Sie umarmte mich. "Ich mache mir einfach nur Sorgen", flüsterte sie. "Ich weiß. Danke."
Eine Weile saßen wir einfach nur da. So friedlich. Bis jemand den Schlüssel in die Haustür steckte. Meine Mutter sah auf. Ich lächelte. "Geh schon", sagt ich.
Sie stand auf. "Dir geht es wirklich gut?" Ich verdrehte die Augen. "Ja!"
"Gut." Sie küsste meine Stirn. "Wenn es dir nicht gut geht, ruf mich einfach."
Sie öffnete die Tür und ging hinaus.

Meine Schwester Lilith quetschte sich an ihr vorbei und setzte sich vor meinem Bett auf den Boden. Lange sah sie mich an. "Nur

geträumt? So, so."


Eins




Regen prasselte auf das Autodach. Ich lehnte meinen Kopf gegen das Fenster und schaute hinaus, während Regentropfen die Autoscheibe hinunter flossen.
Draußen war nichts los. Nur wenige Menschen liefen, mit Regenschirmen bewaffnet, bei dem Unwetter herum und warfen unteranderem ihrem Hund böse Blicke zu. Ich konnte nicht recht verstehen, was alle an diesem Wetter so schlimm fanden. Normaler Weise liebte ich dieses Wetter, wenn es kalt war und nass.
Aber heute nicht. Heute war es mir ziemlich egal. Ich fühlte mich krank. Mein Kopf tat so höllisch weh, dass ich dachte er würde jeden Moment explodieren.
Mühselig stregt ich meine Hand nach dam Radio aus und machte die Musik leiser.
"Hey! Was soll das?", quängelte eine nervige Stimme hinter mir.
"Ich hab' Kopfschmerzen", knurrte ich leise.
"Ich aber nicht! Mach wieder lauter! Ich versteh' ja gar nichts."
Seufzent lehnte ich mich in meinen Sitz zurück und massierte meine Schläfen.
Mein kleiner Bruder, protestierte immernoch auf der Rückbank, bis sich meine Mutter endlich einsetzte. "Finley, Alice geht es nicht gut. Die Musik bleibt jetzt auf der Lautstärke. Du kannst später wieder lauter Musik hören", sagt sie mit ruhigen, aber bestimmenden Ton. Finley gab ein murendes "Ja, okay" von sich und war dann ruhig. Meine Mutter wante sich mir zu: "Ist es sehr schlimm? Deine Kopfschmerzen meine ich!" Sie klang fast hysterisch. Ich lächelte. "Nur

Kopfschmerzen. Davon stirbt man nicht." Obwohl ich mir dabei nicht so sicher war.
"Soll ich rechts ran fahren?" Aus dem Augenwinkel schaute sie mich kurz an.
"Nein, nein. Geht schon. Außerdem sind wir spät dran."
"Nur Kopfschmerzen! Davon stirbt man nicht!

", äffte Lilith mich nach. Ich seufze. Sie lacht. "Du bist echt glaubwürdig! Und sie

kauft dir das ab!" Ich erwiederte nichts. Schwieg einfach. Lilith kicherte immernoch. "Alice, Alice. Wieso fällt es dir so schwer zuzugeben, dass es dir verdammt Scheiße geht?!"
"Halt die Klappe", zischte ich.
"Mit wem sprichst du, Ally?" Meine Mutter schaute auf die Rückbank als wir an einer Ampel hielten. "Mit niemanden. Ich dachte, ich hätte was gehört", log ich.
"Mit niemanden? Niemanden!

Bin ich etwa ein niemand?

" Lilith verdrehte die Augen und schaute beleidigt aus dem Fenster.
Wieder seufzte ich genervt. Ich hatte keine Lust, mich mit Lilith Kindergartenphase

auseinander zusetzten.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben. Marcus Aurelius, (26.04.0121 - 17.03.0180; Römischer Kaiser)

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