Die Sonne war am untergehen. Nicht wie einige es aus ihre Heimat kannten, dort verließ innerhalb von einigen Minuten das Licht die Erde und stürzte Land und Menschen und Tiere in tiefe Dunkelheit. Hier hinterließ die Sonne ein langes Glühen. Über Stunden leuchtete der Himmel blutrot bis langsam die Dämmerung einsetzte.
Lange Zeit waren sie schon unterwegs. Einige Tage dauerte die Anreise. In diese Jahreszeit waren die Straßen trocken und staubig und der Wagen war unbequem, hart und alt die Sitze und stickig und unvorstellbar heiß war es im Innern. Die Straßen hatten riesige Schlaglöcher und ihnen taten alle Knochen weh, doch keine wagte sich zu beschweren. Diesmal wollte die Reise kein Ende nehmen. Einzelne Hütten standen am Wegrand unterbrochen von undurch-
dringlichem Urwald.
Ihr LKW hinterließ eine lange rote Staubspur auf der trockenen Straße. Mühsam musste Kilometer um Kilometer erkämpft werden, endlose Wagenkolonnen von Lastwagen mussten in waghalsigen Manövern auf der schmalen zweispurigen Straße überholt werden.
Im Wagen befanden sich außer den fünf Mädchen, Donna Theresa, wie sie sie nannten, der Fahrer und der Beifahrer.
Es wurde wenig gesprochen auf dieser Reise. Manchmal flüsterten die Mädchen miteinander, doch sie wurden sofort von der Donna unterbrochen.
Die Mädchen waren noch sehr jung, magere dünne Dinger, Kinder noch. Wenn man sie nach ihrem Alter gefragt hätte, bekäme man wohl keine Antwort. Irgendwann waren sie geboren worden und aufgewachsen mit dem Kampf um die nächste Mahlzeit. Immer waren zu viele Kinder in den Familien und es gab zu wenig Nahrung um alle Mäuler zu stopfen.
Früh hatten die Kinder gelernt auf den Straßen zu betteln, doch das Ergebnis hatte nur wenig Erfolg, zu viele bettelten um einige Pfennige. Die Wege nach Hause wurden immer weiter und irgendwann schliefen sie ganz einfach da ein, wo sie standen oder suchten sich einen Hauseingang in irgendeiner ruhigeren Gegend. Sie alle hatten die gleiche Vergangenheit, obwohl sie aus verschiedenen Ortschaften kamen und nur der Hunger hatte sie in die Stadt getrieben.
Niemand vermisste sie, im Gegenteil, ein Kind weniger in der Familie bedeutete eine Erleichterung. Wie Katzen irgendwann in den Urwald liefen und zu Streuner wurden, kamen diese Kinder in die großen Städte und verloren sich in der Menge von Armen.
So hatte sie irgendwann Donna Theresa gefunden. Sie waren schon einige Monate mit Donna Theresa unterwegs. Sie gab Ihnen Kleidung und ein Minimum an Nahrung und ein Dach über dem Kopf. Sie waren näher zusammengerückt, waren eine Familie geworden.
Sie hatten schon in verschiedenen Häusern gewohnt für einige Tage, manchmal Wochen. Dann waren sie weiter gezogen. Nie kannten sie den Namen der Orte in die sie fuhren und die vorbeihuschenden Schilder konnten sie nicht lesen.
Sie waren voll und ganz abhängig von Donna Theresa.
Fast alle Häuser in denen sie übernachteten standen abseits der Ortschaft. Eine hohe Mauer machte den Blick nach draußen unmöglich.
Sie kamen immer in der Nacht an und fuhren auch in einer anderen Nacht wieder weg. Die Häuser waren sich alle ähnlich. Dicke gemauerte Wände hielten den größten Teil der Hitze des Tages ab, trotzdem sehnten sie immer die etwas kühleren Nächte herbei.
Der LKW hielt, sie waren angekommen. Das Haus war rosa gestrichen. Casa Blanca stand über dem Eingang, fast zum Spott. Fast alle diese Häuser trugen ähnliche Namen. Die Mädchen wurden ausgeladen.
FRISCHFLEISCH für eines der Bordelle, für die vorbei-
fahrenden Männer. In einigen Tagen oder Wochen würden sie wieder auf ihre Reise gehen, zum nächsten Bordell, ein funktionierendes System. Sie wussten was sie zu tun hatten, sie hatten keine andere Wahl. Ihren Körper zu verkaufen war die einzige Möglichkeit um etwas Nahrung in den Magen zu bekommen.
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2010
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