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Eidechsenjagd

Es war ein wunderschöner Sonntagmorgen. Die Sonne weckte die Brüder schon sehr früh. Sie sah fröhlich ins Kinderzimmer hinein und kitzelte die beiden Jungens mit ihren Strahlen, dass sie niesen mussten.
"Komm, wir wollen uns schnell waschen und die Zähne putzen," sagte Hans zu Peter. "Wenn wir fertig sind, wecken wir den Vati."
Peter sprang mit beiden Beinen gleichzeitig aus dem Bett und rief: "Hurra, Vati geht ja heute mit uns wandern."
"Eine Menge Tiere werden wir bestaunen können. Zu dieser Tageszeit sind die Tiere noch nicht so scheu," wusste Hans.

Als sie fertig waren, wollten sie die Eltern wecken. Die Mutter war lange vor ihnen aufgestanden und packte schon alles ein. Der Korb war voll. Lauter leckere Sachen waren darin sorgfältig eingepackt. Der Vater ging ins Bad, derweil die Mutter das Frühstück zubereitete.
Der Kaffee roch durchs ganze Haus. Durch den Duft angelockt stürmten die Kinder fröhlich ins Esszimmer und begaben sich an den gedeckten Frühstückstisch.
"Hans, soll ich die Steinschleuder mitnehmen und..."
"Halt," sprach Vati mit strenger Stimme.
"Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir wollen wandern gehen und dabei die Tiere beobachten, aber ihnen doch kein Leid zufügen."
Peter und Hans sahen sich betroffen an und meinten: "Also gut, keine Steinschleuder."

Sie aßen ihr Frühstück und brachen dann zusammen auf.

Fröhlich wanderten sie über Stock und Stein, über Wiesen und Felder. Alles fanden sie schön. Sogar Blumen und Gräser. Ja, einfach alles wurde bewundert. Rehe und Hasen, sogar die Eichhörnchen hatte keine Scheu. Ganz nahe kamen sie heran und liessen sich bestaunen.

Es war einfach herrlich in der Natur.
Langsam gingen sie weiter, den Berg hinauf. Oben angekommen blieben sie eine Weile stehen und sahen ins Tal. Die frische Luft tat ihnen gut.
Sie vespürten Hunger. Vati entschied, hier zu rasten.

Sie breiteten die Decke aus. Der Vater teilte die guten Sachen aus. Sie aßen mit großem Appetit. Nach dieser guten Malzeit streiften sie mit Vatis Erlaubnis ein wenig umher. Der Vater genoss die Ruhe und den ganzen Zauber dieser schönen Landschaft.

"Hans, Hans," rief plötzlich Peter ganz aufgeregt, "sieh nur, eine Eidechse!"
Hans kam vorsichtig näher.
Er wollte das Tier nicht erschrecken. Die beiden Jungen staunten: Eine buntschillernde Eidechse saß auf einem Stein und streckte ihr Köpchen in die Höhe. So, als wollte sie sagen: "Guten Morgen ihr Kinder. Ist es nicht schön hier? Wollen wir Verstecken spielen?" Und schon war sie hinter dem Stein verschwunden und schaute vom nächsten Stein herunter.

Die Buben spielten eine Weile dieses Spiel mit. Aufeinmal waren sie nicht mehr sie selbst.
"Komm, wir gehen auf Eidechsenjagd," riefen sich die Kinder zu.
"Wie gut, dass ich die Zigarrenschachtel mitgenommen habe," sagte Peter. Wie im Fieber jagten sie hinter der Eidechse her.
"Hier, Peter, ich hab sie," rief Hans. Der Bub eilte mit der Zigarrenschachtel zu ihm. Dieser legte das schöne Tierchen vorsichtig in die Schachtel und klappte den Deckel zu, damit die Eidechse nicht weghuschen konnte. Sie freuten sich schon insgeheim auf ihr Terrarium, wo das niedliche Tierchen einen schönen Platz bekommen sollte.
Sie gingen zum Vater zurück, der dasaß und sich an der Landschaft freute.
"Hört doch mal, wie die Vögel so schön zwitschern und überhaupt, diese Ruhe.
Hier könnte ich es eine Weile aushalten."

Durch das viele Staunen und Beobachten, hatten sie gar nicht bemerkt, dass es schon Abend geworden war. Hans presste die Zigarrenschachtel fest an sich, damit dem Tierchen nur ja nichts geschah.
"Hoffentlich reichen die Gräser, die ich in die Schachtel gegeben habe, damit die Eidechse keinen Hunger leidet," dachte er.

So maschierten sie heimwärts. Jeder dachte über das Erlebte nach.
Die Mutter wartete schon mit dem Abenbrot auf ihre drei Wandersmänner.
"Es war herrlicher Tag heute," so wurde sie von ihnen begrüsst. Sie freute sich, dass es ihrem Mann und den Kindern so gut gefallen hatte. Die drei machten sich schnell etwas frisch und begaben sich hungrig an den Tisch. Mit großem Appetit wurde das Abendbrot gegessen. Danach gingen sie ins Bad, duschten und putzten sich anschließend die Zähne. Als sie endlich im Bett lagen, kamen die Eltern noch um ihnen eine gute Nacht zu wünschen. Peter schlief sofort ein. Nur Hans konnte nicht einschlafen. Immerzu musste er an die Eidechse denken. Als die Eltern ebenfalls zu Bett gegangen waren und alles still war im Haus, schlich sich Hans auf nackten Füssen, um ja niemand aufzuwecken, in die Küche.

Dort hatte er die Eidechse versteckt.
Vorsichtig holte er die Schachtel unterm Schrank hervor und stellte sie auf den Tisch.
"Muss doch mal nachsehen, ob sie noch da ist." Sein Gewissen plagte ihn. Hätte er doch nur auf Vati gehört. Denn sie hatten nun doch ein Tier gefangen.
"Es raschelt, da ist ihr auch nichts geschehen," sprach er erleichtert zu sich selbst. Ganz vorsichtig hob er den Deckel hoch, damit sie nicht entwischen konnte.

Plötzlich huschte die kleine Echse an den Rand der Zigarrenschachtel und schaute sich neugierig um.

Der Junge bekam einen großen Schrecken und klappte dabei den Deckel fest zu.
Dann bleb er wie angewachsen stehen. Der Atem stockte ihm, und es wurde ihm übel.
Er schaute auf die Eidechse: Diese sah ihn mit großen traurigen Augen an, als wollte sie sagen, "Warum bloß habt ihr mich gefangen? In der Freiheit war es doch so schön. Warum klapptest du den Deckel zu? Ich wäre nimmer entflohen."

Die Mutter war leise in die Küche gekommen. Sie sah die ganze Not in den Augen des Jungen. Sie nahm ihn in die Arme. Da weinte er bitterlich und sagte: "Nie wieder will ich ein Tier fangen und wenn es mir noch so gut gefällt. Von nun an, will ich alle hilflosen Tiere beschützen. "Dies soll mir eine Lehre sein."


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Tag der Veröffentlichung: 28.09.2009

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