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13.30Uhr - Berlin - Hauptbahnhof, ruhige Minuten sind hier meist die Ausnahme, deswegen wollte ich auch nicht zwangsläufig danach streben. Das Klirren der Schienen, das Stoppen des Zuges und das Zischen der aufgehenden Türen ist für uns Alltag, doch wer hätte es geahnt? Niemand, ich insbesondere nicht, denn ich hatte Zeitdruck, Termine, den Tag verplant, der Kalender zeigte mir rot markierte Treffen für die Woche an , ich war völlig ausgebucht, völlig konfus im Kopf und vorallem vor einem Ende, doch meines war es definitiv nicht. Ich drückte wie gewohnt den Knopf, ließ die Menschenmenge an mir vorbeifluten und spürte einen Hauch von Erleichterung, als der Weg nach innen frei wurde. Ich kämpfte mich durch, um einen Platz zu ergattern, da war es egal, ob jemand im Weg stand - ich suchte mir einen Platz, er gönnte mir einige Minuten Schutz, Geborgenheit und das Gefühl, einen Platz in der Masse zu erlangen. Ich setzte mich auf die rote Stuhlgarnitur und lehnte mich zum Fenster. Rechts auf der anderen Seite schlief ein junger Kerl mit einem roten Rucksack, es setzte sich später ein junges Pärchen nebeneinander, zwei Männer wohl gemerkt. Es folgte eine gar winzige Oma mit Handtasche, die nach meinem Platz fragte. Meinen hätte ich ihr sicher nicht gegeben, da ich nicht aus dem Kochtopf der Zivilisten fallen wollte, aber ich machte ihr Platz für kurze Zeit, denn die liebe Dame verabschiedete sich recht schnell wieder, da sie das Geknutsche der beiden Männer für unwohl empfand. Es erzeugte ein Gefühl des Ekels in ihr, so wie sie mir das andeutete und verließ uns. Tragisch, diese Frau würde ich wohl niemehr sehen, aber was soll`s. Wer erinnert sich denn heute noch an die Sitznachbarin von gestern? Frau Elisabeth Kolber war ihr Name, das hatte ich mir gemerkt, aber mir war nicht bewusst, dass ich es mir überhaupt gemerkt hatte, es hatte für mich keinerlei Bedeutung. So saß ich eine Weile auf meinem Platz, betrachtete die Außenwelt und die vielen Menschen an den Bahnsteigen. Es war mir, als hätte ich die alte Dame rausgehen gesehen, aber warum dachte ich darüber nach? Was nützte mir dies, viel interessanter war doch ein liebenes Paar wie es Steve und Marko waren, die mehr ineinander hingen als auf ihren Stühlen. Ich unterhielt mich mit ihnen, fand beide direkt nett und sie waren froh unterhalten zu werden. Zwischendurch blickte ich wieder nach draußen und betrachtete die Welt außerhalb des fahrenden Metallbehälters. Es war eine schöne Aussicht, man konnte sich sovieler Dinge erfreuen. Andere würden sogar ein Abteil verlassen wegen eines schwulen Pärchens und ich? Ich saß hier, fand es gut, dass sich zwei gefunden hatten und wechselte den Blick wieder nach vorne. Irgendwann musste ich kurz eingenickt sein, fühlte mich müde und schläfrig, gähnte einmal kräftig und schaute auf die Uhr. Ich war nur kurz weggetreten und lehnte mich erneut gegen das Fenster. Das Pärchen war verschwunden, die Sitze waren frei und ich saß alleine in diesem Bereich. Es dauerte noch einige Minuten bis dieses junge Mädchen zu mir kam und fragte:"Ist der Platz noch frei?". Sie schielte, das fiel mir auf und trug deshalb eine Brille.Sie war modisch gekleidet und trug eine Handtasche. Dazu hatte sie langes, blondes Haar und schien ganz nett zu sein. Endlich kam die Durchsage für meine Haltestelle. Ich war so müde und fühlte mich ganz alt, packte meinen Koffer fast nicht, den ich zum Kongress mitholen sollte. Das Mädchen stand auf und half mir auf die Beine. Es führte mich sogar bis zur Tür. Ich dachte, mein Kreislauf wäre etwas zusammengebrochen, aber es war etwas ganz Anderes. Es war anders als sonst. Als sich die Tür öffnete und die Masse nach draußen drang, hatte ich Mühe mitzukommen. Ich schleppte mich, nahm alles nur halb wahr und packte meine Beine nicht. Ich schaffte es auf den Bahnsteig und machte einige Schritte. Weit kam ich nicht, ich brach zusammen und war innerhalb von Sekunden tot. Auch wenn ich dies nicht verstand, konnte ich noch einmal einen Blick in mein Abteil werfen. Ich schaute von draußen hinein. Sie saß noch da, das junge Mädchen. Sie lachte mich an, hielt mir einen Spiegel entgegen und ich erschrack. Ich sah gräßlich aus, war mindestens 90 Jahre alt und ganz dünn. Ich schaute nach hinten zur Menschenmenge, die sich um meine Leiche versammelt hatte. Da lag ich. Über 90 Jahre alt und tot. Erneut schaute ich zu dem Mädchen und erneut hielt es mir etwas an`s Fenster. Ich erkannte es nicht direkt, dann allmählich konnte ich den Zettel lesen. Es war nur ein Satz:"Ich heiße Elisabeth Kolber".

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Tag der Veröffentlichung: 20.01.2009

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