Neulich beim „Grillen“
Neulich war ich geladen bei einem guten Freund – Baseball im Fernsehen stand an, dazu das obligatorische Bier und natürlich Barbecue. Die heimischen Reds (Cincinnati)spielten gegen die Braves (Atlanta)und es war ein wichtiger Abend für einen jeden Baseballfan, denn es standen wichtige Qualifizierungen für ein Weiterkommen auf dem Programm.
Nun bin ich kein expliziter Fan des Baseball´s, aber seitdem ich regelmäßig einige Zeit hier drüben in meiner zweiten Heimat verbringe, scheint es gegeben, sich den Riten und Vorlieben meiner hier gewonnenen Freunde anzupassen, wenn man ein wenig Zeit mit eben jenen verbringen will. Für einen Amerikaner ist das Mitfiebern vor dem Fernseher bei einem Baseballspiel eines der wichtigsten Kulturhappenings – wenn er denn nicht American Football oder Basketball favorisiert, was dann aber nur die Prioritäten in Bezug auf die Vorlieben des Sportart verschiebt.
Also kurzum – ein lustiger Abend schien auf uns zuzukommen.
Rechtzeitig trudelten alle vor Spielbeginn ein, und es wurde sich freudig begrüßt und lautstark verkündet, das eigenen Team müsse die Punkte unbedingt sicher einfahren und so weiter und so fort...man kennt das ja noch aus Deutschland, wenn das Thema auf Fußball kommt.
Nach einer Weile - es war noch ein wenig Zeit bis zum Spielstart - fragte Steve, so der Name des Gastgebers, auch schon bald, ob wir denn nicht einmal einen Blick auf seinen neuen Barbecue-Smoker werfen wollten. Dort lagen schon seit einiger Zeit die Spareribs, Steaks und Würste auf dem Rost bereit, um pünktlich bei Spielbeginn ihren Weg zu den Teilnehmern dieses illustren Abends zu finden.
Nun kenne ich die Kultur des Grillens ja auch von zuhause, aus der Heimat her. Wenn man sich dort dem Grillen hingibt, dann wird in der Regel ein Gestell zusammengebaut, welches auf 3 wackeligen Beinen daherkommt, schnellstens montiert und mit Kohlen bestückt wird. Und diese Geräte werden auch meist zuhause benutzt, auf dem Balkon oder der Terrasse, nicht nur bei einem Grillabend am Strand oder unterwegs im Stadtpark.
Aber als ich sah, was Steve mir da präsentierte, konnte ich nicht anders als ein erstauntes „Wow“ ausstoßen.
Dieses Gerät war in meinen Augen kein Grill mehr, nein, was sich da meinen Augen offenbarte, war eine Geräteschaft, die einen beträchtlichen Teil der Terrasse einnahm und eher an eine dieser Gulaschkanonen aus den Weltkriegen erinnerte denn an einen Grill. Es hatte irgendwie die Form und das Aussehen einer kleinen Lokomotive.
So nahm ich dieses Ding einmal genauer unter die Lupe, und natürlich erkannte ich gleich den eigentlichen Pit, also die Garkammer – dort brutzelte munter unser Fleisch auf dem dafür vorgesehenen Gitterrost.
Nun hatte dieser Barbecue-Smoker eine weitere Kammer, und zwar tiefer, etwas seitlich versetzt. Dort war das Brennmaterial eingelegt, in unserem Fall glühende Kohlen.
Stolz erklärte Steve mir bei dem Gewahrwerden meines Interesses, dass dieser Abschnitt „Side-Fire-Box“ genannt wird.
Tief beeindruckt konnte ich nur zustimmend mit dem Kopf nicken.
Auf der Rückseite der Garkammer führte dann auch ein kleiner Schornstein nach oben, der den Rauch nach außen leitete.
Des weiteren waren Hebel angebracht, mit welchen man einige Klappen bedienen konnte, zuständig für die Regulierung der Sauerstoffzufuhr und Rauchgasabfuhr.
Soso, dachte ich mir...das nennt man hier also Grillen...
Warum scheint es mir immer so, dass in Amerika alles eine Nummer größer ist als daheim in Europa?
Die Straßen sind (viel) breiter, die Parkplätze vor den Einkaufszentren sind so groß, dass man nicht von einem Ende zum Anderen schauen kann (die Einkaufszentren natürlich auch), die Autos sind es sowieso (das ändert sich zum Glück gerade seit Beginn der Wirtschaftskrise). Es wird hier standardisiert, dass Wohnungen mindestens 2, besser sogar 3 Badezimmer haben sollten (wenn nicht mehr), die Kleiderschränke im Main-Bedroom sind Zimmer für sich selbst, und eine Klimaanlage gehört sowieso zum Standard.
Man kann hier noch viele Beispiele bringen – also warum dann nicht kleine Garküchen auf Rädern, die lapidar als „Grill“ bezeichnet werden.
Im Laufe meiner Zeit hier drüben sollte ich feststellen, dass dieses durchaus Usus ist. Es ist eine Art Identitätskultur in Amerika, einen großen Grill zu haben und damit im Mittelpunkt des Abends zu stehen.
Die Feuerwache in unserer Straße, gleich am Hyde Park Square, veranstaltet gleich jeden Tag ein Barbecue, so dass man in gemütlicher Runde die Zeit zwischen den Einsätzen verbringen kann. Es ist für jeden eine Ehre, „master of the roast“ zu sein – steht man im Ansehen dann doch weit über dem Chief, wenn das Fleisch gut gegart den Teller erreicht, somit Seele und auch Magen besänftigt und dem Arbeitstag seine Strenge nimmt.
Um zum besagten Abend zurückzukehren....
Die Reds hatten das Spiel verloren, zu viele „Home Runs“ der Braves verhinderten einen Sieg.
Allerdings konnte der Abend gerettet werden; die Emotionen schlugen keine allzu großen Wellen. Unser "Master of the Roast" hatte seinen neuen Barbecue-Smoker gut im Griff und ich denke, es war dem köstlich gegartem Fleisch zu verdanken, welches durch das Zurücklassen eines Völlegefühls und des angenehmen Nachgeschmacks (dieses sei aber den Soßen zuzuordnen) eine gewisse Trägheit und ein Wohlgefühl zutage brachte.
Texte: Copyright für Text und Coverbild by Marco Dietrich
Tag der Veröffentlichung: 19.02.2010
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