Brbara goes Internet
Die Nöte einer Autodidaktin
Nun bestreite ich meinen Lebensunterhalt schon eine geraume Zeit mit Rente. Den Computer habe ich aber schon im Büro benützt. Buchhaltung, Steuererklärung, Banküberweisung, Korrespondenz und vieles mehr ohne die Hilfe des PC zu bewältigen, wäre undenkbar.
Aber Internet war eine andere Liga. Dafür fühlte ich mich entschieden zu alt. „Damit fange ich nichts mehr an. Warum auch, ich bin doch 60 Jahre ohne ausgekommen und lebe immer noch“. So habe ich jedenfalls ziemlich lange gedacht.
Dann erzählte meine Schwiegertochter immer wieder, dass ihr Mann im Internet schreibt. Mein Sohn wollte mir nicht verraten was. Er war da sehr listig und weil er mich gut kennt, hat er schließlich erreicht was er wollte.
Eines Tages habe ich beschlossen: ich gehe online. Wie soll ich das Herzklopfen beschreiben, das ich bis zum Hals spürte, als ich versuchte das richtige Modem zu wählen, noch ehe ich wusste, was ein Modem ist. Ich war konfrontiert mit so unbekannten Sachen wie Provider, Router, IP Adressen…
Oh Gott, welche Untiere wollten da auf mich zugreifen?!
Vor allem die drohenden Angriffe aus dem syberspace! Es soll da ja Trojaner geben und Würmer und Viren. Man muss sich unbedingt davor schützen mit Antivirus-Software. Gut – aber mit welcher und wie funktioniert das?
Fachbücher mussten her. „Internet für Senioren“ klang gut. Aber zur Sicherheit auch noch zwei weitere und auch den Kurs auf CD-Rom. Wenigstens verstand ich langsam die Bedeutung einiger Worte.
Also download und upload hatte nichts nichts mit LKWs zu tun. Ich war bei einer Spedition beschäftigt. Nein, da ging es um Datentransfehr. Webside und Sozialnetwork, Forum und Plattform, Avatar und User, Suchmaschinen und Provider, was gab es da nicht alles an neuen Begriffen und Funktionen zu lernen.
Aber jemand sagte zu mir: Nur Tote lernen nichts mehr dazu. Das war wieder die richtige Motivation. Lebendig tot wollte ich nicht sein.
Mit jeder Aktion, bei der ich irgendetwas anklicken sollte, zitterten mir nicht nur die Finger, sondern auch gleich die Knie. Trotzdem war ich total überrascht, als ich schließlich im Internet war. Ich hatte eine E-Mail Adresse! Welch ein Sieg über die Technik.
Mir brach so manches Mal der kalte Schweiß aus, wenn ich wieder mit ‚learning by doing‘ etwas ausprobiert habe.
Nicht nur einmal war alles was ich an Text eingegeben hatte einfach wieder verschwunden. Oder ich wurde genervt mit der Mitteilung: Das Passwort ist zu kurz; das Passwort muss aus Zahlen und Buchstaben bestehen; das Passwort sollte Groß- und Kleinschreibung enthalten und so weiter.
Erschrocken bin ich oft bei der Mitteilung: Passwort und Username passen nicht zusammen. Es hat lange gedauert, bis ich begriff, dass der Tippfehlerteufel mir dann mal wieder einen Streich gespielt hatte.
Genial war die Entdeckung der Funktion „kopieren und einfügen“. Endlich konnte ich das Risiko eines Tippfehlers bei der Eingabe von Internet- oder E-Mailadressen und Passpörtern minimieren.
Die nächste Herausforderung war, das Forum zu finden in dem mein Sohn seine Beiträge veröffentlichte.
Also, ich kenne meinen Sohn auch. In dem Forum „Allgemein“ bei dem Thema: „Sachen die keinen interessieren, aber trotzdem gesagt werden müssen“ oder in der Gruppe: „Benutze dein Handy nicht besoffen, du bereust es Morgen“ brauchte ich nicht zu suchen.
Aber Religion interessierte ihn und da wurde ich auch bald fündig. Ich kannte seinen Nicknamen nicht, aber seine Art zu sprechen. Es war gar nicht so schwer.
Ich glaube ich konnte ihn durchs Telefon grinsen sehen, oder einfach nur spüren, wie er sich diebisch gefreut hat, dass er sein Ziel erreicht hatte.
Dann hat er mir eine Seite bei Myspace eingerichtet.
Wieder so eine Zumutung. Ich sollte da auch schreiben? Unmöglich! Monatelang habe ich zwar immer wieder die Seite aufgerufen und mich umgesehen, aber schreiben, nein, das getraute ich mich nicht. Andererseits mein Sohn hat mir Schritt für Schritt gemailt, was ich machen sollte. Es war doch ganz einfach.
Seufz – ich konnte ihn doch nicht so enttäuschen.
Zaghaft aber schwitzend und mit Herzklopfen versuchte ich den ersten Blog. Wow! Ich hatte es tatsächlich geschafft.
Ich bekam Freundschaftsangebote. Als ich von meiner Unsicherheit und Unerfahrenheit berichtete hat mir ein Freund eine Liste geschickt mit Erklärungen zu Text-smilies und Stimmungsfloskeln die man zwischen Sternchen setzt.
Ich musste herzlich lachen über den Satz: „Das Sternchen findest Du auf der Tastatur rechts neben dem „Ü“, auf der Taste mit dem „+“. Du brauchst nur gleichzeitig auf die Hochstell (Großschreibe) Taste drücken und voila: *“ (Also nicht um anzugeben, nur zur Information warum ich lachen musste, ich kann seit etwa 50 Jahren mit zehn Fingern und blind schreiben.)
Von da an wusste ich aber, hier darf ich sein, hier kann ich bleiben. Ich habe eine neue Welt entdeckt. Eine besondere Art des Miteinander und Füreinander. Ich erfuhr Zuwendung, Ermutigung und Wärme von Menschen, die mir nicht verpflichtet sind und trotzdem bereit sind selbstlos Gefühle zu investieren.
Mit der Zeit wurde ich mutiger und habe mir auch andere Seiten angesehen. Bei Facebook fand ich die Einladung an einem Wettbewerb für „Drabbles“ teilzunehmen.
Ja, dachte ich, das wäre ein Spaß. Ich machte mich sofort an die Arbeit. Drei Drabbles zu je genau einhundert Worten. Ich schrieb Episoden aus dem richtigen Leben.
Ich rief die Website auf und las die Wettbewerbsbedingungen. Ok, drei Geschichten in einem Buch präsentieren.
„Sie können diese Funktion nicht nutzen, wenn sie nicht registriert sind. Jetzt registrieren“. Gut, mache ich. Ich fülle das Formular aus und schicke es ab. „Der Username ist leider schon vergeben“.
Das Ganze also wieder von Vorne mit neuem Namen. „Das Passwort ist zu kurz“. Also nochmal von Vorne. Wieder bekomme ich zitternde Hände. Aber diesmal hat es geklappt.
Also nochmal bei der Seite mit dem Wettbewerb melden. „Sie müssen eingeloggt sein, um die Funktion nutzen zu können“. Raus aus der Seite und zu login gehen. Dazugelernt: Registrieren und einloggen sind zweierlei.
Erneuter Versuch, sich für den Wettbewerb zu registrieren. „Erstellen sie das Buch“. Das geht relativ einfach, wenn man die Vorgegebenen Vorschläge übernimmt.
Gehe zur Miniaturansicht.
Oh, da ist ein Tippfehler in meinem Namen und die Überschriften sind nicht auf der richtigen Seite. Ich würde auch gerne noch zusätzliche Absätze einfügen. Aber wo ist die Taste für die Korrektur?
Bevor wieder alles verloren geht, will ich erst mal speichern. Ich drücke auf den Button „Speichern“ und upps, alles ist verschwunden. Nach hektischer Suche mit Schweißausbrüchen finde ich mein „Buch“ „That’s live“ auf meiner neu registrierten Seite wieder. Samt Tippfehler, verrutschten Überschriften und fehlenden Absätzen.
Jedoch gab es keinen Hinweis darauf, dass es als Wettbewerbsbeitrag registriert ist.
Ich raufte mir die Haare und tröste mich am Ende mit der Erkenntnis: Dafür, dass ich einen völlig unbekannten Berg erklommen habe ist der Verlust eines „a“ noch ein relativ geringer Schaden.
So kam es also, dass Brbara ins Internet reiste.
Der Support bei BookRix war aber sehr freundlich. Ich bekam die nötigen Erklärungen wie es richtig geht.
Der zweite Versuch hat dann schon ganz ohne Probleme Funktioniert. Mein Wettbewerbsbeitrag hat den Titel: „Schule des Lebens“.
Vielleicht zaubert er ja bei einigen Lesern ein kleines Lächeln ins Gesicht. Dann hat sich mein Mühe schon gelohnt.
Tag der Veröffentlichung: 18.02.2010
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