In einer fernen Zukunft ist die Welt nicht mehr das, was sie einmal war. Kontinente, Länder, Städte, wie sie lange Zeit gekannt wurden, gibt es nicht mehr. Die Natur hat ihren Tribut gefordert, nachdem sie jahrhundertelang von den Menschen geschändet wurde. Sie löschte alles Lebendige aus und ließ unbrauchbaren Boden zurück, auf dem nie wieder Leben entstehen kann. Nur zwei Länder haben dies überstanden. Zwei Mächte, die sich auf den Mittelpunkt der Erde gerettet haben, wo sie nebeneinander weiter existieren können.
Zum einen Famea – das riesige Stück Land mit ausgeprägten Landschaften, die so abwechslungsreich sind, dass man innerhalb weniger Kilometer Berge, Flachland, Wald, Steppe, Meer und Stadt beisammen findet. Die Vitalität der dort lebenden Menschen ist imposant. Sie sind leidenschaftliche Liebende, unerschütterte Kämpfernaturen, stolze Patrioten. Ihr Land halten sie für unbesiegbar und robust, denn Famea ist für sie zweifelsfrei beherrschend.
Zum zweiten Desala – ein genauso großes Land mit größtenteils flachen Ebenen, auf denen Platz für gigantische Versorgungszentren ist. Von dort aus fließt die neue, umweltfreundliche Energie zu den restlichen bevölkerten Flecken der Erde, so auch nach Famea. Die Bewohner Desalas schätzen die Nähe zu Tieren, sind kluge und scharfsinnige Denker, stolze Moralisten und ebenso ehrsinnige Vaterlandsverteidiger wie Fameaner.
Es ist mit unvereinbaren Differenzen zu begründen, dass nach langen Jahrzehnten der Zusammenarbeit ein Konkurrenzkampf zwischen den Mächten ausbrach. Ein Krieg, der brutaler und zerstörerischer nicht hätte sein können. Die neu gewonnenen Technologien ermöglichten es beiden Seiten, ihre Macht zu demonstrieren, bis keine dieser neuen Kampfmittel mehr übrig war. Sie wurden aufgebraucht, im Gefecht zerstört und schließlich unbrauchbar zurückgelassen, sodass der Krieg heute auf Techniken beruht, von denen alte Sagen erzählen. Legenden, in denen Menschen mit Bomben, Kanonen, Schrotflinten, Messern oder gar bloßen Händen ihren Feind zu erzwingen suchten.
Desalas Regierung unterbrach rasch die Energieversorgungsleitungen, die nach Famea führen. Diese Überlegenheit sollte den Desalanern den Gewinn sichern, denn ohne die wichtige Energie war Famea zurück in noch viel ältere Zeiten versetzt worden. Zeiten, in denen es weder autonome Fahrzeuge, energiebetriebene Türen, ferngesteuerte Apparate noch irgendetwas gab, das mit Energie belebt wird.
Die Hälfte Fameas wurde von Desala übernommen. Desalaner griffen in die Regierung ein, übertrugen ihr System und hinderten das fameanische Parlament an jeglichem Protest. Die Besetzung greift allmählich auf Teile des südlichen Fameas über, wo rebellische Bewohner im erbitterten Kampf versuchen, ihr Land für sich zu wahren.
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Der Regen peitschte unbeugsam in sein schmerzverzerrtes Gesicht. Er versuchte nach Luft zu schnappen, doch seine Lunge war mit Blut gefüllt. Es brachte ihn zum Husten, bis er sich zwang, still zu sein. Die Angst, dass sie ihn hören könnten, war tief in ihm verwurzelt. Sie waren ihm so nahe, dass sie vernehmen konnten, wie verzweifelt er versuchte, am Leben zu bleiben. Ab und zu sah er ihre Beine an seinem flachen Körper vorbeilaufen, als sie sich unbeugsam einen Weg durch den Haufen verwesender Leiber bahnten. Das verbrannte Fleisch stank selbst durch den Regen hindurch, welcher den Geruch und die Erinnerung wegtragen sollte. Doch er schaffte es nicht.
Nicht alle seiner Kameraden waren tot. Er konnte sie hören. Vernahm, wie sie wimmerten, weinten, stöhnten. Ein paar entschlossene Aufrufe drangen durch das Prasseln des Regens, wenn sie sich ein letztes Mal gegen ihren Feind zur Wehr setzten. Er wusste, er musste ihnen helfen; ihnen beistehen und kämpfen. Doch sein Körper war gelähmt. Etwas hatte ihn am Oberkörper getroffen, eine andere Kugel ins Bein. Es kam ihm vor, als hätte sich seine zerfetzte Uniform so sehr mit Blut und Wasser vollgesogen, dass sie sein dreifaches Körpergewicht angenommen hatte. Auf keinen Fall konnte er aufstehen.
Ein Feind kam ein paar Meter neben ihm zum Stehen. Zwischen ihnen lag nur eine weitere Leiche. In seiner Hand baumelte ein Schwert, dessen scharfe Spitze unmittelbar vor dem Gesicht des nächsten verletzten Soldaten hing. Er hatte noch nie ein Schwert gesehen, kannte es nur aus alten Geschichten über Ritter, die vor abertausend Jahren gelebt hatten. In der Hand des Feindes machte es einen bedrohlichen Eindruck und er fürchtete sich vor dem Moment, wenn sich der Schwertträger zu ihm umdrehen und das Leben in seinen Augen entdecken würde.
»Bitte … Gnade«, hustete sein Kamerad zu den nassen Füßen des Feindes. Dessen Gesicht vermochte er in der verregneten Nacht nicht zu erkennen. Es richtete sich auf den gefallenen Soldaten und als dieser erneut seine aufgeplatzten Lippen öffnete, um ein Gnadenflehen hervorzubringen, durchtrennte ein kräftiger Schlag der Klingen seinen Hals.
Der stille Beobachter zuckte zusammen, obwohl sein Körper von Trägheit gelähmt war. Übelkeit überkam ihn, dabei war es bei weitem nicht das erste Mal, dass er jemanden sterben sah. Viele waren vor seinen Augen zu Grunde gegangen. Mit seinen eigenen Händen hatte er Blut vergossen. Er hasste sich dafür nicht weniger, wie er den Krieg verachtete. Bis heute hatte ihn der packende Wille, zurück nach Hause zu kommen, am Leben gehalten. Bis heute hatte er sich im Schutze seiner Kompanie durchgeschlagen. Aber er spürte, dass diese Zeit nun vorbei war.
Seine Augen fielen zu und er hielt den Atem an, als er auf den nahenden Moment wartete. Auf den Todesstoß durch ein Messer, auf den Schlag des Schwertes oder den Schuss einer Pistole. Er wartete und wartete, glaubte, die Ohnmacht würde ihn erlösen. Bei dem massigen Blut, das in den Fugen des Kopfsteinpflasters verrann, vermochte er sein Bewusstsein nicht mehr lange zu halten. Er sehnte sich den Augenblick herbei, wo er es verlor. Dann würden all die grausamen Bilder verschwinden, die ihn bis hierher begleitet hatten.
Doch er wurde nicht ohnmächtig. Ebenso wenig ermordet. Nichts geschah.
Sein Zeitgefühl sagte ihm, dass er eine Ewigkeit im Regen lag, bis irgendwann die Gewissheit, dass sie ihn vergessen hatten, über ihn hereinbrach. Es war ihr Fehler, dass sie ihn übersehen hatten, doch sein Pech. Schemenhaft tanzte der Regen vor seinen Augen, als er sie öffnete. Die Schar seiner toten Kameraden war noch da, aber die Feinde hatten diesen unheilvollen Ort verlassen. Alle waren tot. Bevor die Angreifer weitergezogen waren, hatten sie jedes Leben, das dem Anschlag entwichen war, ausgelöscht. Bis auf seines.
Erst dachte er, durch diesen Fehler bestraft worden zu sein, denn er musste nun darauf warten, dass ihn der Henker ohne fremde Hilfe abholte. Musste qualvoll im Regen daliegen und an seinem Blutverlust zu Grunde gehen. Dann packte ihn ein Gedanke: Was, wenn er nicht starb? Was, wenn er nach Hause gehen durfte? Was, wenn der Krieg für ihn endlich ein Ende gefunden hatte?
Er hielt es nicht für möglich, dass er sich bewegen konnte, doch die unermessliche Hoffnung, die plötzlich in ihm aufstieg, fachte seine Muskeln zum Kampf an. Sie stemmten ihn einseitig auf, trieben ihn kriechend über den nassen Boden. Er schliff sich über seine toten Kameraden, über gefallene Feinde und verharrte, als er vor einem toten Mann mit beinahe unversehrter Kleidung ankam. Es waren kaum mehr Gedanken, die seinen Kopf erfüllten, sondern reine Hoffnung auf das Ende des Horrors. Sie trieb ihn an, all seine Scham zu verlieren. All seine Menschlichkeit aufzugeben. Seine Ehre über Bord zu werfen.
Kraftlos riss er sich die Fetzen seiner Uniform vom Leib, um sie gegen jene Lumpen zu tauschen, die der tote Mann trug. Für den Fall, dass er überlebte, musste er Vorkehrungen treffen, um nicht zurück ins Soldatenlager geschickt zu werden. Er musste sichergehen, dass er nicht in einem anderen Bataillon kämpfen musste. Er wollte nichts mehr als zurück nach Hause.
Der Mann wechselte die Kleidung unter unermesslichen Schmerzen und schleppte sich fort, bis er nicht mehr konnte. Als er regungslos zusammenbrach, glaubte er zu sterben. Doch es war ihm egal, denn nun starb er zumindest nicht mehr als Soldat. Der Gedanke spendete ihm Trost, als er der Ohnmacht erlag.
✥ Sam
Schon immer hatte ich über ein ausgeprägtes Erinnerungsvermögen verfügt. Das war ganz praktisch, würde man meinen. Manchmal jedoch machte es mir Angst. Durch all diese Erinnerungen kamen schrecklich reale Träume, die mich jede Nacht plagten. In diesen träumte ich von den Ereignissen, die mein Leben geprägt hatten, und so wachte ich jeden Morgen mit der Wut im Bauch auf, die mich einerseits antrieb und mir andererseits klares Denken unmöglich machte. Sie ließ mich aufbrausend werden, ungezügelt, zerstörerisch.
Jetzt in diesem Moment war sie wieder da - diese Wut. Während ich den Wachmann in seiner grünen Uniform anstarrte, mit den schweren schwarzen Stiefeln und der Mütze, die ihm einen Tick zu groß war. Der Jähzorn grollte in meinem Bauch umher wie ein Zug, den ich aus alten Filmen kannte. So einer mit schwarzem Lack und durch Dampf betriebene Räder, die auf den unebenen Schienen ein stetiges Ra-tssssch Ra-tssssch machten. Schon lange gab es so etwas nicht mehr, aber in meinem Bauch lebte dieses unsaubere Verkehrsmittel weiter. Ich brauchte nur daran zu denken, was für ein Unmensch dort am Tor stand, mit den Händen in den Hosentaschen, als würde er sich zu Tode langweilen. Es war kaum auszudenken, was in seinem Gehirn vor sich ging, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er glücklich darüber war, dort stehen zu dürfen. Damit war er der Gefahr entflohen, die draußen auf den Straßen wartete. Blöd gelaufen, mein Freund, dachte ich sarkastisch, hier bin ich und ich werde dich töten.
»Verschwende keinen Gedanken daran«, ertönte eine Stimme neben mir. Die dazugehörige Hand fasste mich vorsichtig am Ellbogen und wollte mich wegdrehen, damit ich ihr folge. »Niemand kommt durch das Tor. Und selbst, wenn du es anstrebst - erst musst du deine Aufgaben erledigen und dich als tüchtig und würdig erweisen, wieder in die Gesellschaft freigelassen zu werden.«
Ich entzog mich der Berührung und sah die Frau an, die seit heute Morgen - seit man mich hierher gebracht hatte - an meiner Seite war und mir das Gelände zeigte. Sie hatte meinen Blick sofort verstanden. Ich glaubte kaum, dass ich nicht an diesem einen schwachen Wachmann vorbeigekommen wäre, erwiderte jedoch nichts, sondern folgte ihr schweigend an der hohen Mauer entlang, die uns auf dem riesigen Gelände einschloss.
Dabei betrachtete ich, wie sich Unkraut durch die ungleichen Steine der Mauer zwängte. Auf meiner gegenüberliegenden Seite, wo die hohe Wand des Klosters in den Himmel emporragte, schien es an unbrauchbarem Gestrüpp ebenso wenig zu mangeln, obwohl überall fleißige Arbeiterinnen und Arbeiter herumliefen, die versuchten, die Ernte der Beete zu retten. Nerilia, wie sich mir meine Begleiterin vorgestellt hatte, schien ebenfalls tagtäglich solche Tätigkeiten zu verrichten, wenn sie nicht gerade dabei war, ein gefangen genommenes Mädchen wie mich herumzuführen. Ich hatte ihre rauen Hände bemerkt, die von Hornhaut und Schürfungen geprägt waren.
Inzwischen hatte sie mir den Garten, den Brunnen und alles Wichtige auf dem Gelände gezeigt, dennoch liefen wir ein weiteres Mal komplett um das riesige Klostergebäude herum. Seine vielen Fenster starrten aus enormen Höhen zu uns herab. Von ihnen aus konnte man sicherlich die Stadt sehen, welche sich am Fuße des Berges befand, auf dem die Abtei errichtet worden war. Hier unten, neben den dicken Klosterwänden, war es mir nicht möglich, das Treiben der Stadt zu verfolgen, denn die emporragende Mauer verdeckte alles, was sich um das Kloster herum befand.
Wir kamen wieder an der Vorderseite an, bei der großen Doppelflügeltür, wo das Tor zur Freiheit lag, als Glockengeläut erschall. Dieses Geräusch stammte vom Glockenturm, der sich an der hinteren Seite der Abtei befand und weit in den Himmel ragte.
»Zeit zum Abendbrot«, teilte mir Nerilia mit einem Lächeln im Gesicht mit, das ich nicht ganz deuten konnte. Sie war überhaupt eine Person, die schwer einzuschätzen war, obwohl es mir sonst immer gelang, Intentionen meiner Gegenüber zu deuten. Ich hatte eine gute Menschenkenntnis, aber bei ihr war ich mir nicht sicher, ob sie mich mochte oder nicht. Ich kannte sie zwar erst seit dem Morgen, aber das merkwürdige Lächeln, was sie mir manchmal zuwarf, war gruselig. Und dann setzte sie wieder ihre versteinerte Miene auf, die mich an die Statuen in den Klosterinnenräumen erinnerten.
Wenn ich ehrlich war, machte ich es ihr auch nicht einfach, da ich kaum ein Wort sagte. Ich empfand es schlichtweg als unnötig, mit ihr zu reden, denn ich wusste, dass ich nicht lange hierbleiben würde. Egal, was sie über den Wachmann gesagt hatte und egal, wie viele noch kommen würden, um das Tor zu bewachen - ich musste hier raus, komme was wolle.
Es war ein großer Speisesaal, in den mich Nerilia führte. Mit uns zusammen strömten etliche schwarz gekleidete Personen hinein, die wirkten, als hätten sie den ganzen Tag nichts gegessen. Mir ging es zwar so - ich hatte seit einem Tag nichts mehr zu mir genommen - aber das konnte hier nicht der Standard sein. Die wohlgenährten Bäuche der Mönche erzählten von einer guten, fetthaltigen Nahrung.
Nerilia zeigte mir, wo ich mich anstellen musste, um Essen zu bekommen, und deutete mir danach an, mich mit ihr an die lange Tafel zu setzen, die in der Mitte des Saals aufgebaut war. Alle setzten sich daran, sodass bald eine Fülle an schwarzen Personen den Tisch zu überdecken schien.
Hungrig, wie ich war, ergriff ich meine Gabel und führte sie zum Teller, da legte mir Nerilia eine Hand auf den Arm. »Noch nicht«, sagte sie und sah mich mit enttäuschter Miene an. »Erst beten wir alle gemeinsam.«
Ich betrachtete sie durchdringend. Wie konntest du das vergessen?, fragte ich mich selbst ironisch. Du bist schließlich in einem Kloster. Aber das war für mich noch lange kein Grund, dem bittenden Ausdruck in ihren Augen nachzukommen. »Ich bete nicht.«
Ihr Blick wurde weicher und ich sah Mitleid in ihren Gesichtszügen. »Sei nicht so streng mit dem Herrn. Er wird uns alle befreien.«
Obwohl ich nicht an das glaubte, was sie sagte, schockten mich ihre Worte. Sie waren ganz klar auf die Situation unseres Landes bezogen und wiesen darauf hin, dass es auch ihr nicht entging, dass wir von unmenschlichen, abtrünnigen Barbaren besetzt und kontrolliert wurden. Diese Primitivlinge befanden sich auch hier im Speisesaal. Schön diskret an die Wand gedrängt, damit sie stumm bewachen konnten, wie sich die Nonnen und Mönche brav die Hände reichten und gemeinsam beteten.
Während auch meine Hände in denen meiner Sitznachbarn lagen, betrachtete ich mit wachsamen Augen die grün gekleideten Soldaten. Sie wirkten gelassen, routiniert, als wären sie das hingebungsvolle Beten der Gläubigen leid. Ich hatte keine Ahnung, wie lange sie das Kloster bereits besetzten, aber ich wusste, dass Abteien im nördlichen Teil Fameas so gut wie immer das erste Ziel waren. Die Leute darin waren gutmütig, nicht gewaltbereit und vertrauten allesamt darauf, dass Gott seine eigenen Pläne hatte. Sie kooperierten daher mit den Barbaren, gaben sich ihren Anweisungen hin und nahmen Aussätzige auf, die von den desalanischen Soldaten aufgesammelt und hierher verfrachtet wurden, damit sie keinen Ärger mehr machen konnten. Genaugenommen waren Klöster nichts anderes als Gefängnisse. Die Barbaren hatten sie bitter nötig, um eine Stadt wie die vor den Klostermauern von den Rebellen zu befreien. Wenn sie sie nicht ermorden konnten, sperrten sie sie hinter dicke Wände. Genauso war es mir ergangen.
Langsam strich mein Blick weiter über die konzentriert aussehenden Gesichter der Männer und Frauen unter schwarzen Kleidern, die ihre Augen gebieterisch verschlossen und den Kopf gesenkt hielten. Nur ab und zu saßen zwischen ihnen Leute, die keine dunklen Farben trugen. Es waren solche wie ich. Welche, die sich nicht freiwillig hier befanden. Ob sie nun geflüchtet waren, um den Krawallen auf den Straßen zu entgehen, oder ob sie gefangen genommen und hier untergebracht worden waren, wusste ich nicht. Beides war möglich, aber nur die zweite Variante fand ich akzeptabel.
Als schließlich alle ihre Anliegen an Gott losgeworden waren, konnte ich meinen Hunger stillen. Wie ein Raubtier schlang ich das Essen hinab, so begierig war ich darauf, etwas Richtiges zwischen die Zähne zu bekommen. Es war in den letzten Wochen nicht leicht gewesen, Nahrung zu finden. Vielleicht war das ein Grund dafür, dass sie mich gefasst hatten. Möglicherweise war ich wegen des Energiemangels zu unkonzentriert gewesen, als ich letzte Nacht durch die Straßen gelaufen war. Dort hatten sie mich erwischt, mich als rebellisch identifiziert und mitgenommen.
Die Barbaren hatten vor Jahren damit begonnen, Lionne, die drittgrößte Stadt Fameas, nach ihren Wünschen umzukrempeln. Sie sich Untertan zu machen und uns Einwohner zu unterdrücken. Wenn wir nicht spurten, wurden wir weggesperrt. Aber nicht mit mir, ich würde mich nicht von ihnen beseitigen lassen. Bis ich hier heraus war, war es nur eine Frage der Zeit.
Und schon war die Wut in mir zurückgekehrt.
Sie begleitete mich bis nach dem Essen, das ich schweigend hinter mich brachte. Nerilia führte mich nach dem Mahl in einen Teil des Klosters, den ich noch nicht gesehen hatte. Währendessen bemerkte ich, dass viele andere, die im Speisesaal gesessen hatten, in den Gebetssaal eilten, den mir meine Begleiterin heute Morgen gezeigt hatte. Wir gingen stattdessen eine Treppe hinauf, die durch mehrere Winkel gespalten wurde und somit länger war, als ich zunächst angenommen hatte. Sie führte zu einem langgestreckten Flur in einer der obersten Etagen, auf dem sich einige düstere Türen befanden. Die dritte davon öffnete sie.
»Das hier ist dein Zimmer. Wundere dich nicht, es ist schlicht gehalten. Hier ist alles einfach, denn wir leben allein durch Gottes Gnaden in Luxus. Mit der Zeit wirst du das verstehen«, sagte sie, wobei der letzte Satz ehrlich klang. Wahrscheinlich hatte sie eingesehen, dass ich ihr nichts von alldem abkaufte, mit dem sie mich den ganzen Tag über zugeschwallt hatte, aber ihre Hoffnung war groß, dass ich es noch tun würde.
Ich sagte nichts, sondern trat in den Raum ein, der aus nicht mehr als einem Schreibtisch, einem schmalen Bett, einem schlichten Schrank und einer Toilette bestand. Ich runzelte die Stirn, als ich die karge Einrichtung betrachtete.
»Es gibt einen gemeinschaftlichen Waschraum. Ich werde ihn dir morgen Früh zeigen. Zuerst solltest du zur Ruhe kommen. Der Tag war hart.« Mit diesen Worten zog sie sich zurück und schloss die Tür hinter sich.
Mir entfuhr ein Seufzen, als ich mich langsam umwandte und meinen Blick nochmals durch das kleine Zimmer streifen ließ. Es gab ein Fenster gegenüber der Tür, durch das nichts als das Mondlicht drang. Nach dem Toilettengang machte ich mich daran, den hölzernen Schrank zu erkunden. Darin hingen einige Sachen. Zu meiner Erleichterung war nichts davon Schwarz, sowie keine der Kopfbedeckungen zusehen war, die die Nonnen trugen. Stattdessen waren all die Kleider weiß, als beabsichtigten sie, mein rebellisches Verhalten durch die Farbe der Unschuld zu kompensieren und damit meine Schuld vor Gott zu begleichen.
Ich zog mir eines der weißen Kleider an, welches so weit ausfiel, dass es nach einem Nachtkleid aussah, als welches ich es auch benutzte. Dann schritt ich mit nackten Füßen an das Fenster heran und öffnete es. Erleichtert stellte ich fest, dass ich von hier aus über die hohe Außenmauer hinweg blicken konnte. Vielleicht entdeckst du einen Schwachpunkt, durch den du in die Freiheit gelangst, dachte ich. Gleich darauf verflogen alle Gedanken, als ich das Funkeln eines plötzlich aufflammenden Feuers, weit unten am Fuße des Berges, entdeckte. Dort, wo die ersten Häuser der Stadt standen, die umgeben von der Dunkelheit geheimnisvoll mystisch aussahen.
Schon lange Zeit gab es kein Licht mehr, denn die Energiezufuhr war vor Ewigkeiten abgestellt worden. Wir lebten in Zeiten zurückversetzt, die ich aus alten Geschichten meiner Großeltern kannte. Hier geht es zu wie im Mittelalter, hatte meine Mutter oft vor sich hingeredet. Ich wusste nicht, was das Mittelalter war. Bestimmt war es ein finsteres Zeitalter gewesen. Und unserem Jetzigen sicher nicht unähnlich.
Glücklicherweise hatte Famea eine recht eigenständige Wasserversorgung, weshalb wir trotz des Energieverlustes weiterhin fließendes Wasser nutzen konnten. Das war allerdings die einzige neumodische Erfindung, die noch funktionierte. Schon oft hatte ich gedacht, dass wir uns nicht auf diese brutale Weise hätten umstellen müssen, wenn die Energieentwicklung langsamer vorangegangen wäre. Wenn nicht alles derart miteinander vernetzt wäre, dass das eine ohne das andere nicht mehr funktionierte. Als damals alles ausgefallen war, weil uns die Desalaner die Energie gekappt hatten, waren viele Leute gestorben. Sie waren nicht in der Lage gewesen, sich zu versorgen. Für uns hatte das alles meine Mom übernommen. Sie hatte uns gezeigt, wie wir uns ernähren und somit überleben konnten.
Mit einem erneuten Seufzen schloss ich das Fenster und ging auf das Bett zu. Die Müdigkeit konnte ich nicht bestreiten, denn in der letzten Nacht hatte ich kaum geschlafen. Jetzt zog mich mein vollgegessener Bauch wie ein Magnet an die Lagerstätte, welche eine harte Matratze und eine dünne Decke aufwies. Für mich war es der Himmel auf Erden.
Als ich durch die offene Tür das warme Landhaus betrete, welches so eine heimische Atmosphäre auf mich abgibt, überdenke ich den Vorsatz, joggen zu gehen, noch einmal. Meine Mutter sitzt am Tisch, auf ihrem Schoß ein hampelndes Kind, während sie versucht, auf dem Tablet zu lesen. Jeff klopft indessen ständig mit den Händen auf die Tischplatte und brabbelt Unverständliches. Mom beeindruckt das nicht, sie sieht stattdessen zu mir, als ich mich mit einem »Hey« bemerkbar mache.
»Wie war die Schule?«
Ich nicke vor mich hin, während ich in die Küche gehe, um mir etwas zu trinken einzuschütten. »Wie immer«, erwidere ich, bevor ich mich mit meinem vollen Glas in den Türrahmen stelle und es in einem Zug leertrinke.
»Wo hast du deine Geschwister gelassen?«, fragt Mom und sieht durch die offene Haustür hinaus, wo sie nur den verstaubten Schotterweg erkennen kann, der von unserem Haus zur Straße führt.
»Ach, die haben rumgetrödelt«, sage ich und verdrehe die Augen, »ich bin vorgegangen.« Ich kenne meine Mutter und weiß, dass sie darüber nicht beunruhigt ist. Wir leben in einem kleinen Dorf, jeder kennt jeden und hier wurden noch nie Kinder geklaut.
»Dein Vater will dich sprechen«, sagt Mom, »du solltest zu ihm gehen. Er sitzt im Arbeitszimmer.«
»Ist er nicht bei der Arbeit?«, fragte ich verwundert, stelle mein Glas auf die Anrichte und wende mich nach links, um dort die Tür zu öffnen, die in das kleine, hübsch eingerichtete Büro führt.
Meine Mom braucht gar nicht mehr zu antworten, denn da sehe ich Dad schon auf dem Schaukelstuhl in der Ecke sitzen, mit einem Lesegerät in der Hand. Er sieht auf, als ich eintrete, und bedeutet mir mit einer Kopfbewegung, die Tür zu schließen.
Ich runzle die Stirn, tue jedoch, was er will und setze mich auf den zweiten Stuhl. »Wieso bist du nicht bei der Arbeit?«
Er sieht etwas betrübt auf den Boden, als er das Gerät auf den Schreibtisch legt. »Es war heute nicht nötig, zu arbeiten«, antwortet er vage. Ich verstehe diese Antwort nicht, deswegen bleibe ich still und warte darauf, was er mir zu sagen hat. »Sam … du hast bestimmt gehört, was in den Nachrichten von dem Krieg gesagt wurde, oder?«
»Ja«, murmele ich, verwirrt über die Frage. »Aber du hast doch gesagt, es sei nur eine Warnung.«
Er schüttelt langsam den Kopf und blickt mich endlich an. Seine blauen Augen, die meinen erstaunlich ähneln, reflektieren das Bild von mir, wie ich zerstreut auf dem schwarzen Lederstuhl sitze und in sein ernstes Gesicht schaue. »Ich befürchte, das war ein Irrtum. Es sind heute einige meiner Arbeitskollegen als Soldaten eingezogen worden.«
Mein Mund klappt auf. »Was?« Eine markerschütternde Leere breitet sich in meinen Inneren aus. Worauf will er hinaus?
»Sie werden in den nächsten Wochen auf den Krieg vorbeireitet. Das alles wird unser Leben verändern.« Sein intensiver Blick ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. »Weißt du noch, was ich dir über frühere Schlachten erzählt habe? Was dort passiert ist?«
Ich nicke mechanisch. In meinem Kopf hallen einige seiner Wörter von damals wider, mit denen er mir versucht hat klarzumachen, was Krieg für schreckliche Dinge mit sich bringt. Tod, Verzweiflung, Hunger, Zerstörung. »Und ...«, beginne ich, aber die Angst lässt mich kurz innehalten, »und … was heißt das für uns?«
»Wenn es so ist, wie ich vermute, dann …«, er zögert.
»Was dann, Dad?« Ich lehne mich auf dem Stuhl nach vorne und starre ihn an, in der verzweifelten Hoffnung, dass er irgendetwas sagt, das nicht ganz so schlimm ist, wie ich vermute.
Er seufzt und blickt hinab auf den Boden. »Ich werde auch ein Soldat sein müssen, Sam. Die Regierung verlangt das von allen Männern, die nicht krank oder zu alt sind. Und wenn es so sein sollte, dann bleibt ihr hier zurück. Ohne mich.« Er sieht wieder auf und die Härte seiner Worte lässt mich zittern.
Ich fühle mich wie vor den Kopf gestoßen. Nie habe ich mich mit so etwas Schrecklichem auseinandersetzen müssen. Nie war die Rede von etwas, das schlimmer sein könnte als ein gebrochener Finger. Niemals war mein Leben so ins Wanken geraten wie in diesem einen Moment. Dabei ist nichts davon sicher, es ist nur seine Vermutung. »Aber das weißt du doch nicht. Es kann sein, dass sie dich nicht nehmen. Vielleicht hört der Krieg ja auch bald wieder auf, weil sie sich einigen.« Ich weiß nicht, wie dumm das ist, was ich da sage, denn ich habe keine Ahnung vom Krieg. Ich weiß nicht mal wirklich, worum es geht. Es müssen politische Motive sein, aber ich kenne mich mit solchen Dingen nicht aus.
Er schüttelt den Kopf. »Glaub mir, das werden sie nicht. Krieg beendet man nicht einfach so.«
Ich sehe ihn an und will nicht glauben, was er da sagt. Das klingt alles viel zu unwirklich.
»Was ich dir damit sagen möchte …«, fährt er langsam fort und zieht die Stirn kraus, »wenn ich tatsächlich wegmuss, dann bist du die rechte Hand deiner Mutter. Das weißt du, oder? Sie muss auf dich zählen können. Ich weiß nicht, wie weit der Krieg seine Finger ausstrecken wird, ob er uns hier in Clarrigen überhaupt erreicht. Aber wenn, Sam, wenn, dann musst du deiner Mutter vertrauen und auf deine Geschwister aufpassen. Egal, was passiert. Du bist dann für diese Familie verantwortlich. Versprich mir, dass-«
Doch weiter kommt er nicht, da ruft Mom aus der Küche nach seinem Namen. Es klingt so verwirrt und beunruhigt zugleich, dass nicht nur er, sondern auch ich, aufspringen und zur Tür laufen. Dort steht meine Mutter, mit Jeff auf dem Arm und meinen zwei anderen Geschwistern an der Seite einem Mann gegenüber, der wie ein Postbote aussieht. Er steht halb im Raum und blickt mit wartender Miene meinen Vater an.
»Rod Cloud?«, fragt er und wartet das Nicken meines Vaters kaum ab, da redet er schon weiter: »Ich muss Ihnen diesen Brief übergeben und Ihnen mitteilen, dass Sie verpflichtet sind, dem nachzukommen, was darin geschrieben steht.« Seine Augen zucken ein wenig betrübt zu meinen Geschwistern, die mittlerweile eingetroffen sind, während er ein paar Schritte weiter in den Raum reingeht, um Dad die Nachricht zu geben. Er wünscht uns einen schönen Tag, dann verschwindet er durch die offene Tür nach draußen.
Ich starre gebannt auf das blütenreine Papier in Dads Händen und weiß, dass es nichts anderes ist, als das, was wir soeben besprochen haben. Mit einem Seitenblick zu meiner Mom sehe ich, dass auch sie sich der Bedeutung dieses Besuchs mehr als bewusst ist.
Sie stellt Jeff auf den Boden. »Rick, Aim – nehmt Jeff mit rauf. Geht ins Zimmer«, sagt sie in strengem Ton, der keine Diskussionen zulässt. Meine Geschwister wissen nicht, was hier geschieht. Doch sie nehmen unseren kleinen Bruder bei der Hand und stolpern mit ihm die Treppe hinauf, während Mom auf meinen Vater zugeht und ihm eine Hand auf die Schulter legt. Ihr Blick schweift unbehaglich zu mir.
»So schnell geht es«, murmelt Dad leichthin, als sei dies kein Brief, der ihn von uns wegholen will. Er sieht einmal zu mir und dann zu Mom, ehe er ihn öffnet und sich dabei an den Tisch setzt.
»Was steht drin?«, drängelt meine Mutter, doch sie bekommt nicht sofort eine Antwort, sondern muss warten, bis er den Brief mit glasigen Augen über den Tisch schiebt, nachdem er ihn gelesen hat.
Ich bin nicht dazu fähig, mich zu bewegen. Außerdem weiß ich, was drin steht, egal, wie es formuliert sein mag. Und ich weiß, dass damit der Krieg, was auch immer er ist und welche Ausmaße er hat, nicht mehr nur irgendein Wort ist. Er ist jetzt zu einer Bedrohung geworden, die ich zuvor noch nie im Leben hatte.
Ich schreckte auf und fühlte die gleiche seltsame Leere in meinem Bauch, die ich damals vor vier Jahren gespürt hatte. Sie wurde schnell durch die Wut ersetzt, die sich in mir breitmachte, wenn ich mich daran erinnerte, wie das Elend angefangen hatte. Wie mein Leben sich von einem Moment zum anderen so drastisch verändert hatte, dass ich nicht mehr ansatzweise das Mädchen war, das früher naiv die Hoffnung gehegt hatte, dass der besagte Krieg uns nicht erreichen würde. Er war nun alles, was ich kannte.
Die Sonnenstrahlen, die durch das Klosterfenster fielen, blendeten mich. Ich hätte die Vorhänge gestern Abend zuziehen sollen. Mit einem Blick durch das Zimmer rief ich mir all die Pläne ins Gedächtnis, die ich für den heutigen Tag hatte. Durch sie würde ich hier hinauskommen und in die Stadt gelangen. Denn dort war der einzige Ort, an dem ich etwas ausrichten konnte.
Es klopfte an die Tür, als ich die Decke von den Beinen streifte, um mich aufzusetzen. Ohne überhaupt auf ein Herein meinerseits zu warten, ging die Tür auf und es streckte sich der bedeckte Kopf eines Teenagers hinein. Das Mädchen war ungefähr in meinem Alter, vielleicht sogar ein oder zwei Jahre jünger. »Es ist Zeit aufzustehen. Die Arbeit wartet. Wenn du dich angezogen hast, komm hinab in die erste Etage. Ich warte da auf dich und zeige dir den Waschraum«, sagte sie mit freundlicher Stimme. Ihre Augen wirkten aufrichtig, ehrlich, so als hätte sie keinerlei Vorurteile mir gegenüber. Bestimmt wusste sie nicht, wer ich war.
Ich nickte, legte den Kopf schräg und fuhr mit den Fingern durch mein Haar, um es zu kämmen. Es reichte mir bis zur Taille, weshalb es sich als schwierig erwies, all die Knoten herauszubekommen. Das Mädchen sah meine Bemühungen nicht, denn sie schloss nach meinem Nicken die Tür und verschwand.
Unten in der ersten Etage blieb ich vor der Treppe stehen, da ich die Jüngere nicht ausmachen konnte. Viele Leute rannten hier umher, die alle die schwarzen Kleider des Ordens trugen. Ich jedenfalls hob mich durch die braune Hose, welche ich im Schrank unter den vielen weißen Gewändern gefunden hatte, und der blütenweißen Bluse von ihnen ab. Mir war diese Kleidung am praktischsten für mein Vorhaben erschienen, denn mit einem Kleid rannte man nicht gut.
»Hier.« Die liebliche Stimme des Mädchens erklang plötzlich direkt neben mir. Ich fuhr herum, um sie anzusehen. Da stand sie mit einem ebensolchen Lächeln auf den Lippen, wie sie es in meinem Zimmer gezeigt hatte. Liebreizend und zu unschuldig, als dass ich sie hassen könnte.
Ich sagte nichts, als ich ihr durch den langen Flur folgte, woraufhin wir einen großen Raum betraten, der durchaus nach einem Waschraum aussah. Es gab keine Kabinen mit Türen, die man abschließen konnte, sondern lediglich Raum-Trenner, die zwischen den einzelnen Duschköpfen aufgebaut waren, was die Sicht einer in das Zimmer kommenden Person keineswegs behinderte. An der linken Seite befanden sich Waschbecken, die so breit waren, dass ich mich fragte, ob sie zum Baden genutzt wurden.
»Dieser Raum ist nur für Frauen. Der Waschraum der Männer befindet sich eine Tür weiter, also verwechsle sie nicht. Bevor dieses Kloster mit dem Männerkloster aus Babilika zusammengelegt wurde, gab es zwei Frauenwaschräume. Daher ist dieser hier manchmal sehr voll. Du solltest also zusehen, dass du zu einer Zeit kommst, zu der die meisten beschäftigt sind.« Das Mädchen grinste mich auf eine Weise an, die mir zeigte, wie gerne sie wollte, dass ich sie mochte. »Du kannst dich jetzt duschen, wenn du willst. Ich sage Nerilia Bescheid, damit sie auf dich wartet. Sie zeigt dir dann, was du heute tun sollst.«
»Okay«, murmelte ich, obwohl ich mir gestern noch geschworen hatte, nur so wenige Worte wie möglich mit den Nonnen zu wechseln. Das Mädchen jedoch war nett und sie erinnerte mich an meine kleine Schwester, weshalb ich beschloss, dass sie mehr verdiente als ein abweisendes Nicken meinerseits.
Sie verschwand aus dem Raum und ließ mich allein zurück, ehe mir auffiel, dass ich überhaupt kein Handtuch hatte. Ich konnte mich doch schlecht wieder in meine trockenen Sachen quetschen, wenn meine Haut triefnass war. Als ich aber ein paar Meter in den sonst leeren Raum hineinging, entdeckte ich hinter einer Trennwand ein Regal, in dem ein ganzer Stapel Handtücher lag. Ich zog mir eins heraus und nahm es mit in die allerhinterste Kabine auf der rechten Seite, in der ich des Winkels wegen immerhin ein bisschen vor Blicken geschützt war, die von hereinkommenden Personen stammen könnten.
Ich duschte mich und legte das nasse Handtuch schließlich auf eine dafür vorgesehene Halterung zurück, nachdem ich angezogen war. Anschließend verließ ich den Waschraum mit feuchten Haaren, die ich in einem Dutt zusammenband, damit sie meine Bluse nicht benässten, und stand augenblicklich vor Nerilia, die mich im Gang erwartete.
»Guten Morgen. Fühlst du dich besser?«, fragte sie mit einem Lächeln im Gesicht. Ich war mir nicht sicher, ob es so aufrichtig war wie das des jüngeren Mädchens.
Ich gab keinerlei Antwort, nicht einmal ein Nicken oder ein Kopfschütteln. Stattdessen sah ich in die Richtung, aus der ich mit dem Mädchen gekommen war, um ihr zu bedeuten, dass ich nun gehen wollte. Sie seufzte und lief los.
»Kein Frühstück?«, fragte ich, als wir am Speisesaal vorbeiliefen und nach draußen traten. Ich hatte gehofft, hier besser ernährt zu werden, als ich es die letzten Wochen selbst gekonnt hatte.
»Die Frühstücks- und Gebetszeit ist bereits vorbei. Wenn du schnell mit deiner Arbeit vorankommst, kannst du vielleicht vor dem Mittagessen eine Kleinigkeit zu dir nehmen«, erwiderte Nerilia trocken. Anhand dieser Antwort merkte ich, dass sie definitiv nicht auf meiner Seite war.
Es war nicht so, dass ich es nicht gewohnt war, morgens nicht zu essen. Dieses Privileg hatte ich schon vor langer Zeit verloren. Aber die Hoffnung darauf, im Kloster Frühstück zu bekommen, bevor ich von hier floh, hatte sie mir gerade zerstört.
Wider meine Erwartung lief sie nicht an der Klosterecke vorbei in Richtung des Gartens, sondern steuerte nach links und damit geradewegs auf einen großen Holzverschlag zu. Es war ein Pferdestall, der sich einige Meter an der Klostermauer entlang erstreckte. Als wir durch die Tür eintraten, empfing mich der ländliche Duft von Pferdemist und verschwitztem Fell. Links von mir konnte man den Stall über eine breite Öffnung wieder verlassen, die parallel zur riesigen Außenmauer lag. Diese bildete die Begrenzung für die hintere Boxenreihe, wohingegen die Verschläge auf der Eingangsseite von massiven Brettern eingerahmt wurden. Ein paar Pferde standen darin, andere Boxen waren leer. Aus dem hinteren Teil drang das Geräusch einer Mistgabel, die über den Boden kratzte.
»Du musst die Boxen sauber machen«, bestätigte Nerilia mir meine Vermutung. Sie deutete auf Schubkarren auf unserer rechten Seite, die ordentlich an die Wand gerückt dastanden. Daneben gab es Mistgabeln. »Es ist nicht schwer. Du holst alles raus, was dreckig ist. Nicht nur die Pferdeäpfel, sondern auch dreckiges und nasses Stroh. Danach füllst du alles wieder mit Sauberem auf.«
Ich nickte leicht. Früher hatte ich einmal einen Reiterhof besucht und zugesehen, wie ein Mann eine Box gesäubert hatte. Ich traute es mir also zu. Da Nerilia dies offensichtlich ebenfalls tat, schob sie sich bereits zurück, als ich mich der Schubkarre zuwandte. Ich war froh, als sie verschwand, denn so konnte ich nach einem anderen Ausgang als dem großen Haupttor suchen, was unter ihrer stetigen Bewachung schwer geworden wäre.
Doch gerade, als ich die Schubkarre ergriff und damit in die erste Box fahren wollte, fiel mir plötzlich auf, dass sie gar nicht alles gesagt hatte. »Warte! Nerilia?«, rief ich, ließ die Karre herunter und lief zur Tür. Sie war weg. »Mist«, fluchte ich leise, drehte mich um und kratzte mich nachdenklich am Hinterkopf.
»Kann ich dir helfen?«, kam eine männliche Stimme aus der hintersten Box. Der dazugehörige Körper erschien gleich darauf in der offenen Boxentür, an die er sich lehnte und mit einer lässigen Bewegung die Ärmel seines Hemdes hochkrempelte. Es war kein schwarzes Gewand, das der Junge trug, weshalb ich kurz dachte, dass er kein Mönch sein konnte. Aber selbst die trugen für solch dreckige Arbeiten doch andere Kleidung, oder nicht?
»Ich …«, sagte ich und brauchte einen Moment, bis mir überhaupt wieder einfiel, was ich Nerilia hatte fragen wollen. Irgendwie hatte mich sein Erscheinen aus der Fassung gebracht. Es sah merkwürdig gewöhnlich aus, wie er an der Boxentür lehnte, die dunkelblonden Haare in der Stirn hängend und die hellgrünen Augen mit einem Ausdruck darin auf mir liegend, dass ich mich fragte, was er wohl von mir dachte. »Äh … wo soll ich den Mist hinfahren, wenn die Schubkarre voll ist?«
Er folgte meiner Andeutung zur Karre mit einem Blick und sah gleich darauf wieder zu mir. »Da vorne raus.« Er deutete mit dem Arm einen Platz an, der sich außerhalb des Stalls befand. »Wenn du sie voll hast, sag Bescheid. Ich zeig‘ dir dann, wo der Misthaufen ist.«
Ich nickte, denn ich wollte mit ihm nicht mehr Worte wechseln als nötig. Auch wenn ich bei ihm nicht das Gefühl hatte, dass er mich für meine Vergangenheit, sofern er sie überhaupt kannte, verurteilte. Es war nur so eine Ahnung, die mich dazu veranlasste, ein mildes Lächeln zustande zu bringen, ehe ich meine Schubkarre ergriff und in die leere Pferdebox fuhr.
Während ich alles, was dreckig, nass oder schier Scheiße war, auflud, lauschte ich den Geräuschen der Arbeit des jungen Mannes und dem Pferdeschnauben, das ab und zu ertönte. Als die Karre nach kurzer Zeit voll war, hielt ich in meinen Bewegungen inne und ließ meinen Blick über die hintere Wand der Box schweifen, welche aus Klostermauern bestand. Ich bezweifelte, dass diese Baumethode wasserdicht war, für mein Vorhaben aber bot sie Chancen. Ich musste die ganze Mauer ablaufen, um nach einem Schlupfloch zu suchen, das womöglich gar nicht da war. Hier konnte ich, von den Stallwänden geschützt, gut anfangen.
Ich warf einen Blick nach rechts durch die Gitterstäbe hinweg, die die Boxen ab einer gewissen Höhe voneinander trennten, und erkannte, wie der Junge mit dem Aufladen des Mistes zu tun hatte. Also bückte ich mich und tastete die Mauer ab, rüttelte an den Steinen, nur um festzustellen, dass sie bombenfest saßen.
»Bist du fertig?«, ertönte plötzlich die Stimme des Jungen auf dem Gang, sodass ich mich erschrocken aufrichtete und mit einem »Ja« antwortete.
Ich griff die Karre und fuhr damit aus der Box, während er mir andeutete, ihm zu folgen. Ich tat es, wobei wir aus dem hinteren Ende des Stalls hinausfuhren und an dem Brunnen und dem langen Holzstapel vorbei Richtung Klostergarten liefen. Ich war verblüfft, dass ich den Misthaufen gestern gar nicht registriert hatte, da er unübersehbar neben dem Eingang zum Garten an der Klostermauer lag und bestialisch stank.
»Ist dir die Schubkarre zu schwer? Soll ich sie auskippen?«, fragte der junge Mann, als er davor stehen blieb.
Ich erwiderte nichts als ein Stirnrunzeln und fuhr auf den Haufen zu, ehe ich die Karre an den Griffen anhob, sodass sich ihr Inhalt auf den Misthaufen entleerte. Danach blickte ich ihn kurz an und bemerkte sein Grinsen, das ich nicht deuten konnte. Ich fand, er war generell schwer einzuschätzen. Seine Augen leuchteten, wenn er mich ansah und sein Lächeln wirkte aufrichtig, aber seine Freundlichkeit und das Interesse, das er wohl zu haben schien, waren für mich unverständlich.
Wir gingen nebeneinander zurück, während mein Blick wachsam über die Klostermauer wanderte, um mögliche Schwachstellen auszumachen. Wenn ich tagsüber keinen Ausgang fand, müsste ich heute Nacht suchen, das war mir klar.
»Ich heiße übrigens Jay«, stellte sich der Junge vor, als wir gerade beim Brunnen angekommen waren. Er hängte ein »Und du?«, daran, weil ich zuerst nichts erwiderte.
Ich fuhr schweigend ein Stück weiter, bis ich den Stall erreichte. »Nenn mich, wie du willst«, murmelte ich. Namen waren heutzutage gefährlich. Man musste aufpassen, wem man seine Identität preisgab.
Jay blieb neben seiner Schubkarre stehen, was mich aus irgendeinem Grund dazu veranlasste, ebenfalls anzuhalten. »Du bist nicht sehr gesellig, was?« Sein Ton klang ein bisschen ironisch, was ihn mir gleich ein Stück sympathischer machte.
Ich blickte zurück. Nicht mehr, wäre eine ehrliche Antwort gewesen. Aber da ich keine Ehrlichkeit hervorbringen wollte, die womöglich auf meine Vergangenheit anspielte, schüttelte ich nur den Kopf, griff meine Karre und fuhr mit ihr zurück in die Box, um den Rest auszumisten. Hinter mir hörte ich ihn leise lachen, ehe auch er sich wieder an seine Arbeit machte.
Es war nicht so, dass ich ihn derart schrecklich fand wie den grün uniformierten Barbar zum Beispiel, der nur wenige Meter von mir entfernt am Tor stand, das meine Freiheit bedeuten würde, wenn er nicht dort wäre. Dagegen war Jay ein Engel. Aber wieso sollte ich mich mit ihm unterhalten, wenn ich eh bald verschwinden würde? Wieso das Risiko eingehen, Persönliches in die falschen Hände zu legen? Ich würde sowieso heute noch gehen. Spätestens in dieser Nacht, denn ich musste hier weg, um meine Stadt zu verteidigen.
Nerilias Worte bewahrheiteten sich nicht, denn ich war nicht vor dem Mittag mit dem Ausmisten der Verschläge fertig. Nachdem ich die erste leer und mit frischem Stroh aufgefüllt hatte, sah die zweite noch schlimmer aus als die davor und so ging es immer weiter. Es dauerte lange, bis ich meinen Anteil der Boxen fertig gemacht hatte. Jay übernahm den Rest.
Als ich gerade den Stall verlassen wollte, um zum Mittagessen zu gehen, das von einem mürrischen, in schwarz gekleideten Mann angekündigt worden war, tauchte Jay neben meiner Schubkarre auf und kam mir zuvor. Er öffnete für mich die Tür. Ich zeigte keine Reaktion, als ich hindurch lief, doch ich spürte seinen Blick auf mir ruhen.
»Du willst hier raus, hab‘ ich Recht?«, fragte er in diesem Moment mit gedämpfter Stimme. Es war klar, dass er nicht die Tür meinte, sondern das Kloster.
Ich blieb stocksteif stehen. Nicht, weil ich so überrascht war, dass er mich durchschaut hatte, sondern weil ich fürchtete, dass einer der Wächter es gehört hatte, die nicht weit entfernt standen. Mein Blick feuerte Blitze auf Jay. »Ja«, zischte ich, denn ich sah keinen Grund darin, es zu leugnen. Er hatte mich ohnehin durchschaut.
»Warum?«, fragte er leiser. Er hatte meinen Blick richtig gedeutet und linste kurz rüber zu den Barbaren. Direkt vor mir hielt er an, als seine Augen zu mir zuckten und er mich unverfroren fixierte. Sein markantes Gesicht strahlte eine scharfsinnige Hartnäckigkeit aus, die keinerlei Scheu vor meinem abweisenden Verhalten hatte.
»Warum?« Ich hob eine Augenbraue. »Ich verschwende hier meine Zeit.« Meine Augen glitten von seinen hinab, über die attraktiven Gesichtszüge hinweg, zu der muskulösen Brust, die sich unter dem Hemd abzeichnete. Untenrum trug er eine gewöhnliche Jeans, als sei er ein stinknormaler Junge aus der Stadt. Ein gutaussehender junger Mann, der ein bisschen älter war als ich.
»Was hast du denn so Wichtiges zu tun? Ich meine, hier ist es wenigstens sicher. Da draußen«, er deutete mit seinem Daumen hinter sich in Richtung Stadt, »herrscht glaub‘ ich zurzeit ziemliches Chaos.«
Meine Augen verkleinerten sich zu Schlitzen. »Auf wessen Seite stehst du?«, fragte ich gedämpft. Ich wusste, dass es eine gefährliche Frage war, sowohl für ihn als auch für mich, aber es war mir lieber, wenn ich wusste, ob ich ihn weiterhin ignorieren musste oder mich mit ihm unterhalten konnte. Das hing allein von seiner Antwort ab.
Seine Lippen pressten sich aufeinander und er beugte sich ein wenig zu mir herüber, damit er noch leiser reden konnte. Er flüsterte mir beinahe ins Ohr, so nah war er gekommen, als er sagte: »Mir wäre es lieber, die Stadt ist befreit. Aber solange das nicht der Fall ist, ist hier der sicherste Platz.«
Ich lehnte mich zurück, um Abstand zu gewinnen. Meine Augen schossen danach für einen kurzen Moment zu den Wachen, von denen einer hersah. Er wirkte nicht alarmiert, aber offensichtlich interessiert an zwei jungen Menschen, die sich miteinander unterhielten. Etwas in mir drin sagte, dass es kein guter Zeitpunkt war, darüber zu reden, doch ich musste Jay wenigstens eine Antwort geben: »Ja, sicher ist es. Aber wenn alle so denken, sich verschanzen, verstecken und warten, bis alles vorbei ist, dann wird die Stadt niemals befreit werden.«
Er zog seinen Kopf zurück und nickte eingestehend. »Ab-«, wollte er ansetzen, doch ich schüttelte das Haupt und deutete ihm an, mir ins Kloster zu folgen. Es war nicht gut, so offen zu sprechen, wenn ein paar Meter weiter zwei der Barbaren standen.
Jay willigte ein und hielt den Mund. Dumm war er nicht. Das bewies mir nicht nur die Tatsache, dass er augenblicklich die Klappe hielt, sondern auch, dass er verstanden hatte, welches Privileg er in der Gefangenschaft des Klosters genoss: Schutz. Ja, sicher war es. Doch Sicherheit war kein Weg für mich, denn sie war schon seit langem nicht mehr das, was ich mir am stärksten ersehnte. Freiheit war es. Und die konnte ich mir nicht hier drin erkämpfen.
Wir gingen gemeinsam in den Speisesaal. Jay begleitete mich jedoch nicht an den Tisch, sondern ließ sich auf der mir gegenüberliegenden Seite der langen Tafel nieder, schräg rechts von mir, sodass ich ihn im Sichtfeld hatte.
Seine Worte hatten mich nachdenklich gemacht, auch wenn für mich klar war, dass ich nicht im Kloster bleiben würde und der Weg, den er gewählt hatte, nicht der meine war. Es erschien mir nur so merkwürdig, dass er als so junger Mann ganz allein hier war, ohne eine Familie oder irgendwelche Angehörigen, die er zu beschützen hatte. Ich nahm jedenfalls an, dass er alleine war. Vielleicht war er Soldat gewesen und musste nun, da unsere Regierung unter dem starken Einfluss des desalanischen Staates stand, nicht mehr kämpfen.
Es gab ohnehin keine Armeen mehr, die es mit den Streitkräften der Desalaner aufnehmen konnten, denn die Barbaren hatten sich ihren schon immer da gewesenen Vorteil der Energie zu nutzen gemacht. Uns blieben nur noch die blutigen Barrikadenkämpfe übrig, mit denen wir Bürger händeringend versuchten, den wenigen freien Städten ihre Freiheit zu bewahren. Oder, so empfand ich es eher, sie von den bereits eingetroffenen Barbaren zu bereinigen. Denn diese waren überall. Es schien, als hätten die Desalaner in den letzten Jahren die Klontechnik so weit ausgebaut, dass sie sich zu Milliarden vervielfacht hatten.
Ich steckte in tiefen Gedanken, während meine Hand von irgendwelchen Nonnen gegriffen wurde, die sich gleich darauf mit geschlossenen Augen in einem Gebet vertieften. Meine Augen blieben offen und ich ließ sie über die Reihen wandern, bis ich die von Jay traf. Er blickte mich mit einem unergründlichen Ausdruck im Gesicht an, ehe er plötzlich lächelte. Es war kein freundliches Lächeln, das man zur Begrüßung zeigte, sondern eines, welches entstand, wenn ein logischer Gedanke gefallen war, auf den man ewig gewartet hatte. Eine Erklärung, die urplötzlich aufgetaucht war. Was er dachte, konnte ich seinem Ausdruck nicht entnehmen, daher lächelte ich nicht zurück, sah nur in diese grünen Augen und fragte mich, was er für eine Geschichte verbarg. Warum schloss er nicht die Augen, wie es alle anderen taten? War er nicht gläubig? Vielleicht stimmte es vollkommen, was er gesagt hatte, und er hielt sich einzig und allein der Sicherheit wegen im Kloster auf.
Erst als das Gebet beendet war und somit die Erlaubnis zum Essen erteilt wurde, wandte ich meine Augen von dem Jungen ab und begann stürmisch, die Kartoffeln in mich hinein zu schaufeln. Ich hatte lange keine warme Mahlzeit mehr zu mir genommen. Dort, wo ich sonst lebte, bekam ich nichts, das auch nur ansatzweise einem richtigen Essen ähnelte. Was das anging, zweifelte ich ein wenig an dem Gedanken, unmittelbar aus dem Kloster raus zu müssen, denn die Lebensbedingungen waren hier deutlich besser als dort, wo ich herkam und wo ich wieder hinwollte.
»Ich nehme ihn mit, ja?«, fragte die Nonne neben mir, als sie aufstand. Ich verstand erst, was sie meinte, als sie mit ihrem Finger auf meinen Teller deutete, der mittlerweile leer vor mir auf dem Tisch stand.
Um kein Wort sagen zu müssen, nickte ich nur. Sie war eine Nonne, die ich bisher noch nicht kennengelernt hatte, deswegen hätte ich vielleicht ein Danke sagen müssen. Doch ich blieb stumm am Tisch sitzen, als sie meinen Teller und das Besteck griff, es auf ihrem eigenen Teller stapelte und damit in Richtung Küche verschwand.
»Bist du fertig?«, ertönte auf der anderen Seite eine mir mittlerweile bekannte Stimme. Ich drehte mich zu Nerilia um und stand sogleich auf, damit sie ihre Antwort bekam. »Gut«, kommentierte sie es, drehte sich um und führte mich aus dem Saal, durch den Flur und hinaus aus dem Kloster. »Ich vermute, du hast die Arbeit im Stall erledigt, oder?«
Sie blickte mich nicht an, deshalb sah ich mich gezwungen, ein unbetontes »Ja« hervorzubringen.
»Das ist gut. Morgen früh wirst du das Gleiche tun. Ich erwarte, dass du pünktlich aufstehst, damit du vorher frühstücken und beten kannst. Danach musst du eigenständig zum Stall gehen, denn ich habe morgen andere Dinge zu erledigen.« Ihr Ton klang genervt, wobei ich annahm, dass es an mir lag. Sie war es leid, meine abweisende Haltung ertragen zu müssen.
Ich erwiderte nichts, denn ich war mir bewusst, dass ich das, was sie von mir verlangte, nicht erfüllen würde. Wenn alles klappte, wie ich es mir erhoffte, würde ich noch in dieser Nacht verschwinden. Dann musste Jay den Stall wohl alleine ausmisten.
»Ich zeige dir, wie du im Garten arbeiten musst. Es ist nicht schwer«, redete Nerilia weiter. Sie führte mich um das Kloster herum, bis ans andere Ende, wo die Grünanlage begann. Diese war von großen Hecken eingerahmt, die verschiedene Beete voneinander trennten. Es gab zwei breite Öffnungen in den Hecken, welche in unterschiedliche Teilabschnitte des Gartens führten. Nerilia und ich liefen durch die rechte und gleich darauf zu dem Beet, das auf ebenjener Seite lag.
»Hier wirst du arbeiten. Du musst die Erde umgraben, siehst du?« Sie griff sich eine kleine Schüppe, die am Rande lag und machte es mit ein paar Bewegungen vor. »Du musst immer schön tief hineingehen. Und wenn du noch etwas in der Erde findest, wie alte Wurzeln oder Dinge, die überhaupt nicht dorthin gehören, leg sie zunächst an die Seite und entsorge sie später.« Sie richtete sich wieder auf und hielt mir die Schaufel hin. »Wenn du damit fertig bist, frag die Leute, die hier arbeiten, nach einer Aufgabe. Ich halte mich derweil außerhalb des Klosters auf.«
Ich runzelte die Stirn und brachte eine minimale Bewegung hervor, die ein Nicken andeuten sollte. Sie schien das erneut zu enttäuschen, sagte aber nichts, zog sich zurück und verschwand hinter der Hecke. Ich seufzte leise, als ich mich umsah. In diesem Abschnitt war niemand außer mir, was es mir einfach machen würde, die Mauer, an der das Beet grenzte, nach Schwachstellen abzutasten. Jedoch lag zwischen mir und den Steinen die Erde, die ich umgraben sollte, weshalb ich mit meiner Aufgabe begann.
Ich ging schematisch vor, indem ich mich Reihe um Reihe näher an die Mauer heran grub, bis ich sie irgendwann erreicht hatte. Dort strich ich mit meiner Hand über die Steine. Eigentlich hätte ich mir vorher denken können, dass es hier keinen Ausweg gab, denn die Steine saßen fest verankert in dem harten Geflecht. Wie würde ich hier herauskommen? Ich konnte nicht durch das Eingangstor, denn ich war mir sicher, dass es nachts bewacht wurde. Jedoch … waren die Wachposten nicht ohnehin die Leute, die ich tot sehen wollte? Wieso nicht gleich hier anfangen, die Stadt von ihnen zu bereinigen?
In meinem Kopf entstand ein Plan, während ich stumm meine Arbeit am Beet verrichtete, bis es vollständig umgegraben war. Alles, was ich dabei fand, waren alte Wurzeln von irgendetwas, das hier zuvor gewachsen sein musste. Als ich fertig war, richtete ich mich auf und blickte mich um. Ich hatte nichts vergessen, daher griff ich die Wurzelreste, um sie zum Misthaufen zu bringen. Dieser lag vor den Eingang zum Garten bei den Hecken.
Meine Augen suchten anschließend die Ecke des großen Tores, das von hier aus sichtbar war, und registrierten den in grün gekleideten Barbar davor. Unwillkürlich stieg Hass in mir auf, der mir gleichzeitig Mut für meinen Plan machte. Ich würde ihn ausführen können, daran hatte ich keine Zweifel. Die Barbaren hatten es verdient zu sterben, daher war es egal, ob es heute Nacht passierte oder in einem Jahr.
Als ich zurück in den Garten ging, lief ich an dem Beet vorbei, das ich bearbeitet hatte. Ich spähte um die Hecke, die meines von dem nächsten trennte, um den Arbeiter zu fragen, was ich tun sollte, und stockte, als ich sah, dass es Jay war, der an diesem wesentlich größeren Beet die gleiche Tätigkeit verrichtete, wie ich sie nebenan fertiggestellt hatte. Er hielt in der Bewegung inne, als er mich sah.
»Da bist du ja wieder«, sagte er und grinste.
Ich legte meinen Kopf schief, während ich die Reihen betrachtete, die er bereits umgegraben hatte. Es war nicht einmal ein Viertel des ganzen Beetes. »Brauchst du Hilfe?« Bevor ich mir selbst darüber klar geworden war, was ich da fragte, hatten die Worte meinen Mund schon verlassen. Allerdings war der Gedanke, ihm beim Umgraben zu helfen, weitaus angenehmer als die Vorstellung, für jemand anderen etwas erledigen zu müssen.
Jay hob überrascht die Augenbrauen. »Wie komme ich zu der Ehre?«
Ich registrierte das als Ja und lief mit der Schaufel auf die Seite des Beetes, die er noch nicht bearbeitet hatte. »Bild dir nichts darauf ein. Ich muss das tun.«
»Na ja, du nimmst mir jetzt schon zum zweiten Mal Arbeit ab. So langsam glaube ich, kann ich mir doch was drauf einbilden«, erwiderte er und lachte, während er sich wieder daran begab, Erde umzugraben.
Mir gefiel die Art, wie er sprach. Es war etwas Ironisches dabei; etwas, das klar machte, dass er nicht ernst meinte, was er sagte, und trotzdem war er absolut aufrichtig und ehrlich in der Art, wie er sich mir präsentierte. Das war es, was mich dazu veranlasste, meinen Vorsatz niederzulegen, nach welchem ich kein Gespräch anfangen wollte. »Ich glaube eher, dass sie uns Abtrünnige absichtlich stumpfsinnige Arbeit geben«, sagte ich.
»Mag sein. Für helle Köpfe ist das hier nichts. Aber ich bin kein Abtrünniger.«
»Du gehörst aber auch nicht zu ihnen.«
»Wieso glaubst du das?«, fragte er, als kannte er die Antwort tatsächlich nicht. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass er wusste, wovon ich sprach.
Meine Hände ruhten einen Moment, während ich meinen Kopf hob und ihn ansah. Auch er blickte mich an und ich erkannte einen Ausdruck in seinen Augen, der von Belustigung geprägt war. Was fand er nur so amüsant? »Du betest nicht mit ihnen. Du machst die Drecksarbeit, die auch ich machen muss, und ich bin definitiv eine Abtrünnige. Also wirst du nicht so weit davon entfernt sein.«
Er legte den Kopf schräg und runzelte die Stirn, als würde er darüber nachdenken. »Aber im Gegensatz zu dir möchte ich hierbleiben.«
»Was nicht heißt, dass sie dich als Mitglied akzeptieren.« Ich richtete mich wieder nach vorne und machte mit meiner Arbeit weiter, woraufhin er es auch tat.
»Nein, aber wir sind immerhin in einem Kloster. Das heißt, jeder ist vor Gott gleich und all sowas. Man hilft hier vor allem den Armen, Kranken und Verletzten, daher bin ich herzlich willkommen.«
»Bist du denn arm oder krank?« Ich behielt meinen Kopf mit Absicht gesenkt, während ich mich in der Reihe weiter vorarbeitete. Es gefiel mir, mit ihm zu reden, denn ich hatte lange keinen unbekannten, frischen Gesprächspartner gehabt.
»Wahrscheinlich beides«, sagte er mit einem Ausdruck in der Stimme, den ich nicht deuten konnte.
Jetzt sah ich auf und ließ meine Augen über seinen Körper wandern, der über die Erde gebeugt da hockte. Jay sah nicht krank aus und die Kleidung, die er trug, deutete nicht auf Armut hin, daher schien seine Aussage nicht zu passen.
Er bemerkte meinen Blick und schmunzelte. »Ich war verletzt, als ich hier ankam. Deswegen bin ich überhaupt hergekommen. Sie haben mich versorgt und mittlerweile geht’s mir wieder gut.«
Das erklärte also, warum er hier war. Meine Stirn blieb gerunzelt. »Und warum bist du wahrscheinlich beides?«
Er blickte in die Ferne, als wäre er auf der Suche nach den richtigen Worten. Es fühlte sich vertrauensvoll an, als er mir wieder in die Augen sah, um zu antworten: »Na ja … ich weiß nicht, wie weit der Krieg vorgedrungen ist, aber sehr wahrscheinlich hat er meine Heimatstadt erreicht. Deshalb glaube ich, dass ich dort nicht mehr viel vorfinde, wenn ich zurückkomme.«
Ich streifte mit meinem Blick über alles, was ich an ihm entdeckte. Da war ein kleines Muttermal an seinem Hals, welcher breit und von Muskeln geprägt war. Unter den hochgekrempelten Ärmeln des Hemdes waren starke Arme zu erkennen, die von Blessuren gekennzeichnet waren, welche bald zu Narben werden würden. Sein Gesicht war fast makellos, doch jetzt, wo er seine Sorge ausgesprochen hatte, erkannte ich die Anspannung, die sich unter der Fassade des unbekümmerten Mannes verbarg. Wie hatte ich auch annehmen können, dass nur ich diejenige war, deren Leben vom Krieg gezeichnet worden war?
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sollte ich ihm Mut machen? Ihn bedauern und sagen, dass es mir leidtat? Oder sollte ich ihm die Wahrheit eröffnen, indem ich ihm mitteilte, dass es keine Hoffnung auf etwas Heiles in diesem Land gab? »Oh«, war schließlich alles, was meinen Mund verließ, denn alles andere hätte falsch geklungen oder zu viel preisgegeben.
Ich sah seine Reaktion nicht, denn ich begann wieder damit, die Schaufel tief in die Erde zu stecken, um diese umzugraben. An den Geräuschen hörte ich, dass er es mir gleich tat. Erst nach einer Weile brach er das Schweigen: »Verrätst du mir denn jetzt deinen Namen?«
»Nein.«
Er lachte. »Wie konnte ich auch nur daran denken? Dass du nun ein paar mehr Wörter mit mir gewechselt hast, ist schließlich kein Grund.«
»Siehst du«, erwiderte ich ebenso ironisch, doch ich musste grinsen, ohne zu wissen, warum.
»Es wäre aber ziemlich blöd, wenn du bald wieder verschwindest und ich nicht mal weiß, wer mir so viel Arbeit abgenommen hat. Dafür muss ich dir wenigstens danken können«, beharrte er.
»Es bleibt beim Stallausmisten heute Morgen und dem Umgraben hier«, erwiderte ich unbeeindruckt, während ich mit der Schaufel in meiner Hand herumfuchtelte. »Es ist nicht nötig, mir zu danken, geschweige denn meinen Namen zu kennen. Wir werden uns sowieso nie wiedersehen.«
Ich spürte seinen Blick auf mir, doch ich stach meine Schippe in die Erde und grub unbeirrt weiter. »Du willst heute von hier weg?«
Meine Bewegung stockte. Wie hatte ich annehmen können, dass er diese Andeutung nicht verstand? Er war schlau und gut darin, mich zu durchschauen, was mir ein bisschen Angst machte. Langsam hob ich meinen Blick, bis ich seinen traf. Darin sah ich etwas wie Beunruhigung, doch ich verstand nicht ganz, woher sie kam. »Mich hält hier nichts.«
»Und was treibt dich nach draußen?« Sein betonter Blick deutete auf die Klostermauer, um auszudrücken, dass dahinter die Hölle herrschen musste. Was wusste er schon davon, wenn er sich hier versteckte?
»Ich will keine Gefangene sein«, erwiderte ich trocken, aber mit gedämpfter Stimme. Mir war plötzlich umso mehr bewusst, dass uns irgendwelche Nonnen, Mönche oder Barbaren von irgendwoher hören konnten. Allerdings schienen wir die einzigen im Garten zu sein. »Da draußen kann ich für mein Land kämpfen, damit nicht alle Städte widerstandslos von diesen Barbaren übernommen werden.«
Sein Blick verwandelte sich in etwas Unergründliches, während er mir zuhörte. Als er sprach, war auch seine Stimme gedämpft. »Du bist eine Widerstandskämpferin, ja? Eine der Rebellen, die in den Straßen die Barrikadenkämpfe veranstalten und die Desalaner umbringen.« Mir war nicht klar, ob er mich mit diesen Worten verurteilte oder es parteilos formulieren wollte. Sein Tonfall ließ mir keine genaue Analyse dessen zu.
Er hatte Recht mit dem, was er sagte, deswegen war es Schwachsinn, es zu leugnen. Ich blickte ihm direkt in die Augen, als ich sagte: »Es ist der einzige Weg.«
Jay sah ebenfalls nicht weg, was mich beeindruckte. Allerdings brauchte er einen Moment, bis er antwortete. Ich wusste nicht, was sein Zögern bedingte, aber er wirkte sicher, als er die nächsten Worte sagte: »Ich glaube, es ist sowieso alles entschieden. Sieh dir das Kloster an. Die Leute hier behaupten, frei zu sein, dabei stehen an jeder Ecke Wachmänner, die kontrollieren, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Und die Barrikadenkämpfe in den Straßen da unten«, er deutete mit der Schüppe in Richtung Stadt, »werden die desalanischen Soldaten nicht mehr lange aufhalten. Die Bewohner - Leute wie du - ihr kämpft alleine gegen Streitmächte, die zum Töten ausgebildet wurden. Nicht einmal die Regierung will sich wehren, weil sie von den Desalanern unterdrückt wird. Wahrscheinlich wird sie bald gegen ihre eigenen Bürger vorgehen, wenn Desala es befielt.«
Meine Augen wurden zu Schlitzen. Was er sagte, war zu großen Teilen richtig, deswegen minderte es nicht die Sympathie, die er auf mich ausstrahlte. Doch mit einer Sache lag er falsch: »Es gibt Methoden, die Soldaten aufzuhalten«, erwiderte ich, obwohl es gefährlich war, davon zu sprechen. »Ich rede nicht von Barrikadenkämpfen. Und es ist egal, ob unsere eigene Regierung früher oder später gegen uns arbeitet, denn bis dahin wird es vorbei sein.« Der Plan, den die Widerstandsorganisation ausgearbeitet hatte, würde all das verhindern. Aber das sagte ich Jay nicht, denn er hatte genug gehört. Für jemanden, der nicht hinter dieser Sache stand, wusste er sogar schon zu viel.
Jays Augenbrauen hoben sich. Ich wusste nicht, ob es Spott war, der in seiner Stimme lag, oder ob er tatsächlich Interesse daran hatte, als er fragte: »Ihr habt einen Plan?«
Ich nickte, doch mein Blick wandte sich von ihm ab, als ich mich wieder ans Graben begab. Nun würde ich keine Informationen mehr weitergeben. Der Mann hielt ebenfalls den Mund und begann zu arbeiten. Vermutlich hatte er verstanden, dass ich nichts mehr sagen würde, und das, was ich von mir gegeben hatte, regte ihn zum Nachdenken an.
Genau wie mich, denn obwohl ich seine Meinung nicht teilte, machte mich das, was er gesagt hatte, grüblerisch. Er lag immerhin richtig, wenn er sagte, dass wir ganz alleine waren. Wir als Untergrundorganisationen, die händeringend versuchten, alle Desalaner abzuwehren. Unserer fameanischen Regierung waren die Hände gebunden, sodass wir von politischer Seite keine Unterstützung erwarten konnten. Wir waren allein. Und das mit sinkenden Zahlen, denn es war ein gefährliches Leben, welches wir versuchten zu verstecken. Ständig wurden Leute im Gefecht erschossen, erstochen, getötet; sie wurden deportiert, festgenommen und weggebracht.
Als sie mich gefunden hatten, war das Glück auf meiner Seite gewesen, denn ich war bisher nicht aktenkundig aufgetaucht. Wegen des langen Messers in meiner Tasche hatte man mich als rebellisch eingestuft, jedoch nicht als hochgradig gefährlich. Diese falsche Diagnose war der Grund, warum ich jetzt hier im einigermaßen annehmbaren Kloster saß und im Dreck wühlte, anstatt irgendwo tot überm Zaun zu hängen.
Wüsste Jay, was wir vorhatten, würde er nicht behaupten, dass es keinen Sinn hatte, was wir taten. Wenn wir unsere Chance wie geplant ergriffen, würde diese Stadt hoffentlich bald frei sein und als Kettenreaktion anderen Städten die Freiheit schenken. Wir plädierten auf die Hoffnung, die wir anderen Fameanern durch unser geplantes Attentat geben konnten. So würden, jedenfalls hofften wir das, mehr fameanische Bürger das Schwert ergreifen und gegen die Barbaren ankämpfen, sodass wir bald unser Land für uns hatten. Dies war der Traum, den ich hatte. Der Einzige, der mir noch geblieben war, nachdem alle anderen gestorben waren.
Wir brachten den Rest der Arbeit schweigend hinter uns. Zwischendurch fragte ich mich, ob ich Jay durch das, was ich gesagt hatte, abgeschreckt oder verärgert hatte. Aber als er mir später, nachdem alles umgegraben war, die Hand zum Aufstehen reichte, bemerkte ich, dass nicht ich der Grund war, wieso er die restliche Zeit schweigsam gewesen war. Stattdessen arbeiteten im Beet nebenan mittlerweile Nonnen, die alles hätten mithören können. Er hatte mich geschützt, indem er nichts gesagt hatte. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.
»Komm, wir gehen was trinken«, sagte er, während er mir immer noch die Hand hinhielt.
Ich ergriff sie nicht, sondern stand eigenständig aus dem Dreck auf und lief an ihm vorbei zum Ausgang des Gartens.
Er lachte leise. »Du lässt dir wirklich nicht gerne helfen, was?«
»Nein«, erwiderte ich wahrheitsgemäß und fragte mich im gleichen Moment, warum ich es zugab. »Man kann niemandem vertrauen.«
»Ich hätte dich schon nicht fallen lassen.« Seine Stimme klang amüsiert und doch war ich mir sicher, dass er es ganz ehrlich meinte.
»Wer weiß?« Ich hörte, wie er direkt hinter mir hielt, als ich vor dem Misthaufen stehen blieb, um die kaputten Restwurzeln darauf zu werfen.
Sein Arm streifte meinen, als er ebenfalls Reste auf den Haufen schmiss. »Ich weiß.«
»Das reicht nicht«, sagte ich und drehte mich zu ihm, was bewirkte, dass ich nur wenige Zentimeter von ihm entfernt war, wodurch ein komisches Gefühl der Nähe in mir entstand. Ich konnte seinen Atem spüren, als er den Kopf zu mir drehte, und das veranlasste mich, zwei Schritte zurückzugehen, um Abstand zwischen uns zu bringen. Nähe zu anderen Personen war gefährlich, das hatte ich mit der Zeit gelernt. Dabei sprach ich nicht von emotionaler Nähe, denn damit hatte ich keine Bekanntschaft gemacht, sondern von rein körperlicher. Es konnte so schnell gehen, da wurde man am Arm gepackt, an eine harte grüne Brust gedrückt und mit einem Ratsch war die Kehle durchtrennt. Es schauerte mir bei dem bekannten Geräusch, das sich in meinem Kopf wie ein Echo verbreitete. Ich würde es heute nicht mehr loswerden.
»Wieso nicht?«, fragte Jay und ließ seine Augen von oben nach unten über meinen Körper gleiten. Er ließ meine Flucht unkommentiert, was ich gut fand.
»Weil ich dich nicht kenne. Wie kann ich dir da vertrauen?« Mir war bewusst, dass es jetzt nicht mehr allein um die Hand ging, die ich nicht ergriffen hatte, sondern um etwas viel Bedeutenderes. Vertrauen war wichtig und es war so groß, dass man es in diesen Zeiten selten fand.
Es bildete sich ein kleines Lächeln auf seinen vollen Lippen, als er mir wieder in die Augen schaute. »Ich für meinen Teil habe das Gefühl, dich schon ewig zu kennen, dabei bist du gestern erst hier aufgetaucht. Du kommst mir so bekannt vor«, sagte er und hob eine Hand an den Kopf, um sich durch die Haare zu fahren. »Und da ich ja weiß, was du im Schilde führst, glaube ich nicht, dass du mir gefährlich wirst. Wie das andersrum ist, musst du selbst entscheiden.«
Es klang so aufrichtig, wie er das sagte, dass ich unwillkürlich genau das beschriebene Gefühl hatte: Er kam mir unglaublich bekannt vor, vertraut und so nah an meinen eigenen Gedanken, dass es schwer war, nicht gleich zu sagen, dass ich genauso empfand. Ich wusste, dass ich mir diese Art von Vertrauen nicht leisten konnte, zumal ich ohnehin in dieser Nacht verschwinden und ihn nie wieder treffen würde.
»Wir werden sehen«, erwiderte ich und fühlte mich dabei schlecht, denn ich hatte das Gefühl, dass er mehr verdient hatte als diese abweisenden Worte. Dennoch wandte ich mich von ihm ab und nahm meinen Weg zum Eingang des Klosters auf.
»Das klingt ja vielversprechend«, antwortete er lachend und folgte mir.
Ich brachte ein minimales Lächeln hervor, als würde ich es lustig finden, wie er sprach, dabei wollte ich nur das Gefühl verbannen, das nach meinen Worten entstanden war. Er holte zu mir auf, sodass wir nebeneinander zwischen der hohen Mauer und dem Kloster entlangliefen. Irgendwie hatte Jay es geschafft, dass mir die Zeit des Wartens bis zu meinem Aufbruch heute Nacht nicht mehr so verschwendet vorkam.
Am Abend verschwand ich nach dem Essen und einer weiteren Dusche in meinem Zimmer. Ich wollte die verbleibenden Stunden bis zum Aufbruch nutzen, um ein wenig zu schlafen. Mir war bewusst, dass ich rechtzeitig wieder aufwachen würde, um meinen Plan zu vollziehen, denn ich wurde in Nächten regelmäßig wach, wenn ich träumte. Daher konnte ich jetzt, da es erst halb acht war, etwas Ruhe finden.
Ich legte mich in mein Bett, angezogen und mit geflochtenen Haaren, damit ich sofort aufbrechen konnte, wenn es so weit war. Es dauerte nicht lange, da war ich im Schlaf versunken.
Meine Hand malt unaufhörlich unsichtbare Kreise auf die Tischplatte. Ich starre darauf hinab und stelle mir vor, wie die Linien lebendig werden und zu schweben beginnen, nur um mich abzulenken. Zehn Minuten sind schon vergangen, in denen meine Mutter im Büro mit diesem Mann spricht, und ich weiß, dass es nichts Gutes sein kann, was er ihr mitteilt. Schon als er hereingekommen ist, wusste ich, dass es um meinen Dad geht und dass er von dem Krieg sprechen wird, der mittlerweile weit in unser Land vorgedrungen ist. Ich weiß das alles, denn es ist unumstritten, dass die Folgen nicht auch schon unser Dorf auf dem Land erreicht haben. Die Gegend ist leer, es sind kaum noch Familien da, weil überall die Väter fehlen. Mütter ziehen mit dem Nachwuchs zu Verwandten. Wir sind da geblieben, denn meine Mom ist eine starke Frau und sie will hier bleiben, um auf Dad zu warten.
Die Tür geht endlich auf und heraus tritt der Mann. Erst dahinter mache ich die deutlich kleinere Gestalt meiner Mutter aus. Es versetzt mir einen Stich mitten ins Herz, als ich ihr Gesicht erkenne, das von rot verweinten Augen gekennzeichnet ist. Mir ist klar, was passiert ist.
»Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute, Miss Cloud. Passen Sie auf sich auf«, sagt der Mann mit einer mitleidigen Miene. Er sieht mich kurz an, ehe er zur Haustür schreitet, sie öffnet und nach draußen verschwindet.
Meine Augen heften sich gebannt auf meine Mutter, die langsamen Schrittes auf den Tisch zukommt, an dem ich sitze und warte. Sie zieht ihren Blick zögerlich an mir hoch, bis sie mir letztlich in die Augen sieht. Mir ist klar, was sie sagen wird, ehe sie überhaupt den Mund öffnet, denn ihr Blick ist Antwort genug. Wir haben uns schon immer ohne Worte verstanden, aber nie war es deutlicher als in diesem Augenblick.
»Dein Vater ist im Krieg gefallen, Sam«, bringt sie ringend und mit weinerlicher Stimme hervor.
Ich spüre, wie ich schlucken muss. Etwas in mir zieht sich so schmerzhaft zusammen, dass ich nicht klar denken kann. Obwohl ich vorher wusste, dass sie genau das sagen wird, trifft es mich, da sie es ausgesprochen hat, wie ein Schlag. Wie nur konnte das passieren? Wieso zum Teufel hat man ihn als Soldat rekrutiert? Warum tut man uns so etwas an?
Mom räuspert sich und strafft die Schultern, ehe sie mit ihren Händen ihre langen braunen Haare nach hinten streicht. »Geh nach oben und sag deinen Geschwistern, dass sie packen sollen. Sie dürfen nur die wichtigsten Sachen mitnehmen. Ich werde hier unten alles einpacken. Wir fahren nach Lionne.«
Während ich spüre, dass die Tränen in meinen Augen zu laufen beginnen, öffne ich den Mund. »Wieso nach Lionne?«, frage ich, anstatt zu weinen. Ich habe das Recht zu trauern, doch ich sehe, wie Mom versucht, es nicht zu tun. Wie sie darum ringt, stark zu sein und klare Gedanken zu fassen. Also versuche ich es ebenso, denn ich erinnere mich jeden Tag daran, was ich meinem Dad versprochen habe: Ich muss ihre rechte Hand sein, ich muss tun, was sie von mir verlangt. Und wenn sie darauf besteht, dass ich stark bin, dann bin ich das.
Ihre Miene verhärtet sich, als sie die Tränen von ihren Wangen wischt und hart die Luft einzieht. »Ich habe dort Freunde, die uns helfen können.« Sie beugt sich zu mir vor, wobei ihre langen Haare meine Arme kitzeln. »Geh jetzt hoch, Sam. Pack deine Sachen und sag den Kleinen, was sie zu tun haben.«
Ich nicke, obwohl ich mich vom Schmerz gelähmt fühle. Lionne. Wieso diese große Stadt? Ich weiß, dass sie sehr viel nördlicher und weiter im Osten liegt als unser kleines Clarrigen. Ihre Lage ist nicht vorteilhaft, denn sie ist der Grenze zu Desala und dadurch den bereits besetzten Gebieten Fameas nahe. Es ist gefährlich dort, das weiß ich. Aber wenn meine Mutter sagt, dass wir dorthin müssen, dann wird sie recht haben.
Also stehe ich auf und tue, was sie sagt, obwohl ich mich nicht danach fühle. Ich will weinen, will mich in den sicheren Kissen meines Bettes vergraben, will meiner Trauer freien Lauf lassen. Aber ich kann nicht, das weiß ich. Daher gehe ich hoch und sage meinen Geschwistern, dass sie ihr Spielzeug weglegen sollen und sich davon eines zum Mitnehmen aussuchen dürfen. Zumindest Aim und Rick würden es verstehen, wenn ich ihnen sage, dass unser Vater gestorben ist. Sie sind alt genug. Jeff ist mittlerweile vier, aber er weiß nichts über den Tod. Und da ich sie nicht den Schmerz erleiden lassen will, den Mom und ich spüren, halte ich den Mund und sage nur, dass wir einen Ausflug machen.
Ich schreckte hoch, zerfressen von dem Schmerz in meiner Brust, der sich Stück für Stück durch meinen ganzen Körper zog. Gedanken an die lange Autofahrt bis Lionne, auf der ich so sehr darum gekämpft hatte, die Tränen zurückzuhalten, und an den Zeitpunkt, als Mom meinen Geschwistern gesagt hatte, dass Dad nicht mehr zurückkommen würde, durchzuckten meinen Körper, während ich in die schwarze Leere des Zimmers starrte.
Langsam spürte ich die Kraft in mir, den Schmerz durch etwas anderes zu überdecken. Die Wut, die sich auf alle desalanischen Soldaten richtete, die es gewagt hatten, mein Leben zu zerstören, legte sich darüber und versteckte die schmerzlichen Gedanken vor mir. Alle Soldaten, die unser Land besetzten und fameanische Menschen getötet hatten, sollten leiden. Jeder von ihnen hatte es verdient zu sterben, egal, ob sie schuldig waren oder nicht. Mein Dad war nicht schuldig gewesen, doch sie hatten ihn trotzdem umgebracht.
Diese Wut war es, die mich dazu bewegte, aus dem Bett zu steigen und das eingewickelte Laken zu greifen, in dem ich die Dinge verstaut hatte, die ich von hier mitnehmen wollte. Kleidungsstücke aus dem Schrank. Mit einem letzten Blick aus dem Fenster verließ ich das Zimmer und tappte vorsichtig über die dunklen Flure. Ich stieg leise die Treppe hinab, darauf bedacht, keine Wache auf mich aufmerksam zu machen. Obwohl ich nicht glaubte, dass hier drinnen welche postiert waren, wollte ich auf Nummer sicher gehen. Der Wachposten, dir mir am meisten Sorgen bereitete, war der vor dem Eingangstor. Doch dieser würde dort nicht mehr lange stehen.
Natürlich konnte ich nicht ohne eine Waffe an ihn herantreten, darum schlich ich auf Zehenspitzen in den Speisesaal hinein, um von dort aus zur Küche zu gelangen. Hier roch es nach dem Essen, das es heute Mittag gegeben hatte, sowie nach Gewürzen und Ölen. Ich lief auf die Anrichte zu, auf der ein Messerständer ruhte, welcher mit reichlich Fleisch-, Brot- und normalen Schneidemessern bestückt war. Einige Messer ließ ich in mein Leinentuch gleiten und behielt nur ein handliches Exemplar in der Hand, das ich jetzt gleich brauchen würde.
Ein wenig Schweiß von meinen Handflächen blieb an der Anrichte haften, als ich mich umdrehte. Natürlich war ich nervös, denn ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es mir gelang, den Wachmann zu überwältigen. Alle Barbaren, die ich in diesem Kloster bisher gesehen hatte, waren größer als ich, was die Sache nicht leichter machte. Desalaner waren generell große Menschen. Allerdings fühlte ich mich stark, denn in den letzten Jahren hatte ich viel gelernt. Das Training, welches ich in der Untergrundorganisation absolvierte, hatte mich zu einer guten Kämpferin gemacht. Und meine Wut, die stetig in mir aufwallte, machte mich resistent gegen jedes Mitleid, das mich von meinem Plan hätte abbringen können.
Ich wollte gerade durch die Tür, die vom Saal in den Flur führte, da sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich eine dunkle Gestalt auf der großen Treppe bewegte. Stocksteif blieb ich stehen, bis ich begriff, dass sie mich vielleicht sehen konnte, weshalb ich blitzschnell hinter der Wand verschwand, die mich von dem Unbekannten abschirmte. Mit aufkommender Atemnot starrte ich auf die lange Sitztafel und überlegte aufgeregt, wo ich mich verstecken konnte. Was würde ich tun, wenn mich die Person gesehen hatte? Wie sollte ich erklären, dass ich mit einem Sack voller Kleidung und Messern mitten in der Nacht durchs Kloster lief? Sie würden mir auf die Schliche kommen, das war sicher.
Bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, lief ich leise nach rechts in Richtung Küche, wo ich mich an die Küchenzeile quetschte, um aus dem Sichtfeld der Person zu sein, falls sie den Saal betrat. Gerade, als ich die Hoffnung hatte, sie würde nur zu den Waschräumen gehen, hörte ich, wie ein leises Geräusch durch den großen Speisesaal hallte. Mein Herz stockte, als ich mich duckte, um mich in eine Lücke zwischen Mülleimern und Säcken zu quetschen, aus denen vereinzelt Reiskörner fielen. Sie machten rieselnde Geräusche auf dem Boden, als ich mich dagegen drückte.
Einen Moment passierte nichts. Ich hockte den Atem anhaltend in der Lücke und hoffte, dass man mich nicht gehört hatte. Dann vernahm ich die leisen Schritte, die sich in die Küche schlichen, bis sie genau vor mir hielten. Die Beine trugen eine Jeans, deswegen war ich gewillt zu glauben, dass es einer der Barbaren in Zivilkleidung sein könnte. Der Gedanke, mit dem Messer einfach darauf loszustechen und abzuhauen, blitzte in mir auf, bis eine Stimme die Stille der Nacht durchschnitt und alles verflog im Nichts.
»Komm raus. Ich weiß, dass du es bist«, flüsterte Jay und beugte sich gleich darauf hinab, um mich in meiner Nische anzusehen.
Ich biss die Lippen aufeinander und unterband einen ärgerlichen Schrei, auf den ein Wutangriff gefolgt wäre. Stattdessen drückte ich mich von den Säcken weg und richtete mich direkt vor Jay auf.
»Ich habe gesehen, wie du am Abend die Treppe raufgegangen bist. Es war mir klar, dass du heute Nacht versuchen wirst zu fliehen«, erklärte er mit einer Spur Vorwurf in der Stimme, die ich nicht verstand. Ich hatte ihn nach unserer gemeinsamen Arbeit beim Beet nicht mehr gesehen, da ich anschließend mit dem Mädchen von heute Morgen im Stall gewesen war, um dort ein Pferd zu striegeln. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass er mich auf der Treppe gesehen hatte.
»Und? Warum bist du hier?« Mein Blick war giftig, doch er hielt ihm gekonnt stand. »Was kümmert es dich überhaupt? Lass mich gehen. Es betrifft dich doch nicht.«
»Und ob«, erwiderte er mit fester Stimme, die seine Überzeugung deutlich machte. »Du willst damit«, er deutete auf das Messer in meiner Hand, »den Wachmann vorm Tor angreifen, richtig? Und du glaubst, das schaffst du?«
Meine Augen verkleinerten sich zu Schlitzen. Je länger ich ihn anstarrte, desto mehr fragte ich mich, warum ich überhaupt mit ihm diskutierte. Jay war nun wirklich kein Hindernis, das mich davon abhalten sollte, hier herauszukommen. Also erwiderte ich nichts, sondern machte einen Schritt nach links, wo ich aus der Küchentür heraus in den Saal treten wollte, um meinen Plan zu vollziehen.
»Hey, nicht so schnell«, hielt Jay mich auf und griff nach mein Handgelenk.
In einer flinken Bewegung drehte ich meinen Arm, sodass seine Finger mein Gelenk verloren. Genauso rasch hob ich das Messer an seine Brust heran, um es fest vor sein Shirt zu drücken. »Du kannst mich hier nicht festhalten«, zischte ich drohend. Sein Blick verließ meine Augen nicht, weshalb ich sofort erkannte, wie wenig Angst er davor hatte, dass ich ihn verletzen würde. Erst, als ich diese Sicherheit in seinem Blick erspähte, wurde mir bewusst, dass ich ihm tatsächlich nicht wehtun wollte.
»Ich hab‘ nicht vor, dich festzuhalten«, sagte er ruhig und leise. »Aber hast du das mal genauer durchdacht? Stell dir vor, du kannst ihn nicht umbringen. Du willst ihn doch
Verlag: Elaria
Texte: © Ela Maus
Bildmaterialien: Depositphoto
Cover: © Cover Design: Giusy Ame/Magicalcover.de
Lektorat: Bettina Auer // www,korrektur-auer.jimdo.com
Tag der Veröffentlichung: 25.05.2016
ISBN: 978-3-96465-127-3
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme diesen Roman meiner ehemaligen Französischlehrerin, die mit ihrem Eifer und ihrer Begeisterung für historische Ereignisse der deutsch-französischen Geschichte zur Entstehung der Grundidee dieses Buches beigetragen hat.