Cover

Endgültiges Ende (oder so)

 

 

 

 

 

Niemals nicht nimmermehr

Wirst du meine Verlorenheit

Aus der Schwärze geleiten

Verloren irre ich bierselig brennend

Durch die Nacht

Ein kalter Krieger

Ein abgebranntes Häufchen Nichts

Dessen Staubfahnen nicht dein Herz greifen

Hast mich niemals weinen hören

Inmitten des Nichts

Dessen Grenzen ich mit Kaulquappenkiemen durchschreite

Ich verweile noch ein Weilchen ein kleines und

Meine Wappenschilder führen meinen Zug

Öffne deine Arme für mich

Zahnloses Monster

Meinen Ring aus Scharfschützen

Hast du durchbrochen

Und meine Wehr

Brichst du entzwei

Ach so tief

Hast du mich berührt

Einen Anker ins Nichts ausgeworfen

Meinen Grund abgesteckt

Meine Grenzen gezogen

Meine Momente gestundet

Doch niemals nicht

Wirst du meine Verlorenheit

Aus der Schwärze geleiten

 

 

 

 

 

JETZT

 

 

 

Schließ deine Augen.

Stell dir vor, ich bin da, ganz nah bei dir.

Mein Atem an deiner Wange, deine Lippen auf meiner Haut.

Deine Hand, die mich berührt, streichelt.

Denk nicht darüber nach, dadurch wird es auch nicht richtiger.

Angst würgt, Luft staut sich im Hals.

Kein Raum zum Atmen, ein Klumpen Einsamkeit drückt auf den Kehlkopf.

Rede mit mir, nur eine Minute, laß mich nicht allein mit meiner

Dunkelheit. Bleibe nicht im Türrahmen stehen.

Kümmere dich.

Kümmere dich einmal nur.

Will dich hier bei mir, ganz nah.

Einmal noch.

Verdammte Scheiße.

 

 

 

 

Letzte Nacht, du warfst deine Dunkelheit noch nicht über mich, wurde ich tausend. Ich verlor mich in deinen kalten Augen, deine kalten Augen verloren sich in meinem Nichts.

Septembermond.

Große helle Kugel in der gläsernen Schwärze. Hab keine Angst vor meinem Meer aus toten Fischen.

Die Wahrheit hat sich niedergelegt. Schwül-warmes Vergessen, doch die Seele friert.

Kalt.

Zurück in das Zuhause deines Lächelns will ich, ich bin ein Feuerring, wenn du mich entflammst.

Mach die Dinge wieder richtig, sag es ist nicht wahr.

Ich bin geflügelter Dornbusch ohne Brand, auch nicht heilig in lohfarbenem Feuer.

Unterhalb des Flusses, wo die See in stickige Hitze mündet, erwarte ich den Sturm.

Ich vermisse dich, die Sonne in deinen Salzwasseraugen, verlor dich und focht an gegen die Stille, die kein Wort von dir mit Leben füllt.

Vertrauter Freund, deine Seele ergießt sich in meinen Körper wie klares Flusswasser den Stein mahlt.

Ich will dein Blut auf meinen Zähnen, aufbrechendes widerborstiges Fleisch, nein, geh nicht aus der Tür, ich vergebe dir, Narr. Narr?

Trage die Zeit ab, aber laß den Mond stehen. Ich weide mich an seiner

Trauer, begrabe ihn mit meinem Lächeln in Teichen aus Katzengold.

Nacht fällt aus des Sommers Auge, dein Schwanz gräbt tiefe Furchen in mein Fleisch.

Spiel mit mir, ehe der Tag niederkommt, suche den Messingozean, das Lot aus Blei.

Erinnere dich an die Monate deiner Jugend, nimm mich bei der Hand.

Versteh doch, das Ende kommt nie.

 

 

Brich nicht mich.

Brich nicht über mich.

Alles ist gut.

 

 

Verzweiflung lauert in den arterienhaft verzweigten Straßen, Land ist ein kälterer Planet als Wasser, laß mich nicht in Papier ertrinken.

Die Zeit fließt rückwärts im Totenreich. Fremdfeuer brennen leises Fortgehen.

Überquere meine Augen nicht achtlos.

Wir dürfen.

Wir dürfen nicht.

Schweigen. Asche.

Das Nichts trinkt an meinen Adern, als wären es deine hungrigen Lippen.

Schmerz, der sich durch sich selbst definiert.

Und dieses eine Wort Nein uriniert in meinem Fleisch, verspritzt sein böses Gift, als wäre es dein Samen.

Wirst du da sein, mit mir durch das kühle Gestein abgestorbener Planeten gehen, mich durch das kühle Gestein abgestorbener Planeten gehen, mich durch das lichterlose Getier der Menschen führen, durch die Jahre hindurch an meiner Seite sein?

Denn ich liebe dich, kann deinen Namen nicht länger stumm von meinen Lippen fallen lassen, will nicht ohne dich sein.

Ich werde bereit sein, denn ich bin der Morgenmond, meine Adern sind dickes Blut, meine dunkle Stirn gesäumt von kühlen Sternen, meine Augen ohne Blick, wenn die Nacht eine durstige Vogelschwinge ist.

Ich bin gespornter Wind und reite auf Pferden aus Meerschaum zu dir.

Außerhalb aller Städte liege ich unter dunklen Himmeln, wo kein Gestirn meine Ruhe stört.

Stählerne Wolken schweigen sich den Hang hinab.

Mein Herz ein verwundeter Stein, drinnen eine purpurne Blüte, die nicht blüht.

In meinen Gemächern aus ungetrotzter Zärtlichkeit wohne ich nicht mehr. Bahre mich nicht so gefühllos auf wie eine Erinnerung, der du nicht länger davonlaufen kannst.

 

 

Die erste Nacht, die erste verdammte Nacht nach all dem.

Blutende Höhle dein Mund, die Seele pulsiert in Vogelkäfigen.

Ein Schweigen stirbt in Stille, gebiert den Dämon vergessener Träume.

Ich bin nicht vorhanden, bis deine Arme nicht umfassen, dein Mund

Spuren auf meiner Haut hinterlässt. Deine Anwesenheit zieht mich in ihren Bann, hüllt mich ein in die dunkle Flagge der Nacht.

Ich bin ein auf deinem Lächeln landender Komet, der keine schmerzenden Krater schlägt.

Bring mich zum Schreien, nimm mir meine Tränen, die keiner sehen durfte. Die Stille spricht, hör nur zu. Sei nicht blind.

 

 

 

 

Meine Finger an deiner Kleidung, zerren, zerreißen, zerstören.

So irre, und dennoch hören die Tränen nicht auf zu fallen.

Deine Küsse auf meinen Schenkeln, deine Zunge in meinem Bauchnabel, und immer dieser Haß in deinem Blick, diese beherrschte Gleichgültigkeit.

Blut rinnt über dein Kinn, meine Zähne tief vergraben.

Selbstzerstörerischer Haß, der keinen klaren Gedanken zulässt, die Kontrolle übernimmt.

Fühl mich.

Die Welt taumelt, ein feuchtes Gebet ohne Antwort auf meinen Lippen. Speichel ätzend, brennend, bloßgelegt. Heftiges Atmen, Körper, die aufeinanderprallen, Gefühl, in unzählige Stücke zersprungen, die sich gegenseitig erschlagen.

Gelächter.

Entscheidung gefallen.

Verletztes Ich.

 

 

Bin nicht stark.

Nicht so stark, wie ich dachte.

Der Schmerz sitzt tief.

Nicht leicht zu vergessen, der Duft eines Sommers mit dir.

Will es auch nicht, nicht länger feige sein.

Sehnsucht in den Augen, die mein Lächeln rosten läßt.

In Drahtfallen gefangene Gedanken erinnern unterm Stundenglas, röchelnd.

Die Lüge nahm ich auf meine Schultern, dann kam sie, würgt mich in ihrem Klammergriff. Schlafenden Herzens, blind für des Frühlings Morgendüfte, erinnere ich.

Verzeih mir.

Ich habe dem Begriff Freiheit zuviel Bedeutung zugemessen.

Warte auf mich.

Laß mich nicht in Lügen ertrinken.

Seele, die wie Raben in die Winde zog, der Himmel zersplittert in tausend Enden.

Schmerz. Rastloses, panikerfülltes Sehnen. Mein Herz ist bei dir, jetzt und immerfort.

Augen wie dunkler Samt, der Amseln Lachen ein frostiger Klang ohne die Umrandung deiner Arme.

Weißt du nicht, ich ginge durch Wüsten mit deinem Namen wie Wasser auf meinen Lippen.

Die Erinnerung viel zu klar, nicht beschönigt.

Jetzt, ein kleines bisschen Jetzt.

 

 

 

Ruhiges Einatmen.

Aus.

Phantasien, die sich gegenseitig meucheln.

Fühl meine Haut, ich friere.

Will nicht länger zusammen mit dir und doch alleine sein.

Wer bin ich, kannst du es mir sagen?

Ich will es tun.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

VOR EINIGEN JAHREN

 

 

Ein warmer Sommertag, einer von denen, die allein schon durch ihre Schönheit ein besonderes Versprechen in sich zu bergen scheinen.

Die Luft riecht nach dem am Vormittag gefallenen Regen, nach auseinanderfallenden späten Rosen, die mit letzter Kraft zum letzten Mal blühen, als wüssten sie um ihren baldigen Tod. Nach würzigen Gräsern, die ihre Sporen schon längst abgeworfen haben und nun mit kahlem Haupt die Sonne trinken, die schon herbstlich getönt am Himmel vor sich hindämmert.

Feuchte Erde krümelt unter ihren nackten Füßen, legt sich wie ein feuchter Belag um ihre Haut, der Wind zaust ihr Haar.

Sie liebt diese Tage, ihnen haftet trotz aller Vergänglichkeit etwas Endgültiges an.

Nachdenklich sitzt sie im Gras, mit schmerzenden Gliedern, die an ihren letzten Familienstreit erinnern, läßt mit ihrem Kugelschreiber Phantasiewelten auferstehen, gebannt von der Macht, die ihrer Feder innewohnt, von Unruhe und einer noch kaum definierten Sehnsucht erfüllt.

Seit einigen Tagen zwölf Jahre alt, steht sie auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, kein Kind mehr, doch auch noch keine Frau.

Friedvolle Stille, der Himmel ein dämmriges Laubdach, die Gedanken wandern, suchen nach sinnvollen Gedichtzeilen, ohne pathetisch zu sein.

Die herannahenden Schritte überhört sie.

Erst als einige Schatten auf sie fallen, ihr die Sonne nehmen, sieht sie auf und wünscht sich im selben Moment, sie hätte es nicht getan.

Drei kahlgeschorene Jugendliche.

Grins, grins.

Hey, Skinheadbaby, fang das Licht.

Ein kristallklares Wort bricht den Regen aus ihrem Gesicht, ihr Verstand erklimmt Glasscherben, zu schneiden, was nicht bricht.

Pöbeleien. Sinnlos, trunkene Worte.

Ein kristallklares Wort zieht den Schmerz in Ameisenkolonnen aus ihrem umnachteten Körper, die umnachtete Nacht nächtigt mit ihr.

Brenne, Ausländersau.

Brich.

Zu früh, zu schnell.

Ihr Tritt läßt sie fallen, ihre Pappmascheflügel zerschneiden ihre Schultern, ihr Blut schneidet den Kristall.

Friere, Skinheadbaby.

Nietenstiefel treten zu, reißen weiches Fleisch von den Knochen.

Angst zertrümmert ihren Kopf, wandert wie eine Melodie von minderer Qualität.

Sie versucht zu rennen, träge, hilflos, ein Zirkustier, das die Freiheit nicht kennt.

Füße bringen sie zu Fall.

Game over, Baby.

Wie könnt ihr nur ihre Engel sterben lassen, gepanzert, ach so gut bewacht, innerlich gebrochen, ein bebender Schatten, von der Dunkelheit gepfählt, ein winselndes Elend, Millionen Jahre alt.

So unendlich lang, wüsstest um meinen Schmerz, würdest halten meine Hand oder auch nur mit einem scharfen Klicken deiner Absätze auf den Knochen treten.

Müßt nicht immer denken, wär innerlich tot.

Ihre Kotze steht im Hals, rinnt über ihre Finger.

Fleisch zerreißt, Blut rinnt über ihre Schenkel.

Lachen.

Gehen.

In wenigen Minuten erwachsen geworden.

Haben ihr ihre Kindheit gestohlen, ihr Blut von den Händen gewaschen.

Diebe, das sind sie. Ganz gemeine Diebe.

Ihr Schrei ist stumm, von Stiefeln beiseitegetreten, während Blut und Samen an ihren Schenkeln hinunterläuft. Alle Liebe in ihr abgestorben, in den Händen ein tönernes Gebet.

Flieg, Nachtigall, flieg.

Tumb, Synapsen voll Erinnerung, Kanäle voll aufgestautem Schmerz.

Die Hände voller Kotze, das Herz ertrunken in Trauer.

Warum?

Ruhe in Frieden.

Die Wahrheit ist tot.

 

 

 

Morgen.

Orange-rotes Licht bewirft die Straßen, gleitet Harpunen gleich durch die verschiedenen Luftschichten. Flüstert.

Ihre Augen noch geschlossen, die Hände wie beim Beten verschränkt.

Alle Zeit dieser Welt, und trotzdem rastlos.

Wände, die einschließen, abschnüren.

Furcht, Furcht auch vor den Gedanken, die ihren Kopf bevölkern, ihr Kopf schwillt an in dem sinnlosen Versuch, sie zu tragen.

Sie fürchtet sich vor sich selbst, kann es nicht ertragen, mit ihr selbst alleine zu sein.

Das Fenster steht weit offen. Sie steht auf, stützt ihre Ellenbogen auf das Fensterbrett.

Regen, gespannte Haut, von der herrschenden Kälte gerötet. Sie friert, lauert in ihrem fett gewordenen Körper.

War nicht leicht genug, um davonzufliegen.

Irgendwohin, wo sie dem Schmerz entkommen wäre.

Pathetik. Schwarz gesponnene Poesie.

 

 

 

Trauer um etwas, das man nie besessen hat.

Der Verlust ist allgegenwärtig, immer da, hockt auf ihren Buckelschultern und bewirft sie mit ihren eigenen Lügen, wird stark durch ihre Schwäche.

Nein.

Immer noch nein.

Immer wieder nein.

Dieses Nein erschlägt sie, zeigt ihr, wie fadenscheinig die Illusionen sind, an die sich klammert.

Warum seid ihr so löchrig, Illusionen, warum lasst ihr Wahrheit durch euren Panzer blicken.

Nein.

Warum wehrt sie sich nun, wo es doch zu spät ist.

Viel zu spät.

Die Raben zündeln mit Heuballen an ihrem Körper. Nicht viel mehr als totes Fleisch.

So viel Trauer.

Meine Hände sind rein, Sugar.

Sie wird nicht weinen.

Tränen sind ein Ausdruck der Trauer. Sie wird nicht trauern, nie mehr.

Noch nicht alt genug, um erwachsen zu sein.

Immerhin alt genug, um vergewaltigt zu werden.

 

 

 

Nacht in Blecheimern aus dem Herzen getragen.

Wem die Stunde schlägt, der ward am Ende des Lichts gestaltgewordene Furcht, in gekachelten Vorhallen, Bahnhofsvorplätzen, noch warm das Blut.

Nicht weinen.

Bitte nicht weinen.

 

 

Zu schwer zu vergessen, mit beiden Beinen auf der Erde.

Manchmal dachte ich, ich würde fliegen, und wate doch nur knietief im Morast.

Manchmal dachte ich, ich würde träumen, und meine zähen kleinen Fingerchen trieben Rillen in Kalkwände, brachen Brocken aus Fugen und rissen Furchen ins zähe kleine tote Herz.

Manchmal dachte ich, ich würde tanzen, und meine Entenbeinchen watschelten fettarschig über umzäunte Höfe, pickten im Mist und brachen sich den Schnabel am gefundenen Gold.

Manchmal dachte ich, ich würde leben, und fand mich wieder im Alptraum eines gehörnten Trolls, der mit seinen spitzen Gabelchen mein Rückenmark durchpickte.

Salve, kleine Träumerin.

Träum doch deinen eigenen Scheiß.

Seinen Bauch... sie durchstößt ihn mit einem Messer, trennt Muskelfleisch von Fettgewebe, wieder und wieder. Blut auf ihren Händen, so schmutzig wie ihre Gedanken, und das Sonnenlicht fängt Staubflocken von den Wänden.

Haß, Gott, wie ich dich hasse, verfluchter Bastard.

Phantasien, in denen sie tötet, kastriert.

Er... Sie...

Subjekte. Individuen. Menschen.

Nichts weiter als Dreck, der zwischen ihren Fingern verklumpt, zu zähem Ton wird. Sie kann dich nicht zerreißen, zerpflücken.

Fügt statt dessen sich selbst Schmerzen zu.

Erinnerung, geh weg.

Will dich nicht, wollte dich nie.

Warum belästigst du mich?

Du verdammtes Warum, ich töte dich.

Lächeln. Vergeblicher Versuch der Heuchelei.

In Worte fassen. Zögernde Worte. Halbe Worte.

Wahrheit wächst. Hilflosigkeit, das Gefühl, in dir selbst zu versinken.

Erinnerung...

Geh weg!

Ihr Schrei zerbricht. Sie zerbricht, erstickt an verdammten Klischees, die ihr über den Körper spucken.

Zerstörung. Flächenbrand.

Wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer...

Nein?!

 

 

 

Diese tumbe Lautlosigkeit, mit der der ewig gleiche Schmerz in ihren Gehirnwindungen wühlt. Sie läßt ihn nicht zu, hält ihren Mund, ihre Augen, damit sie nicht zerbröckeln unter der Intensität ihrer Gedanken.

Auf ihren Lippen zerplatzen Fragen, die sie nicht zu stellen wagt.

Sie weint, spürt ihr Innerstes aufbrechen, wie einen Hefeteig, den man vor der Zeit mit einer Gabel ansticht. Die Erinnerung gebiert sich immer wieder neu.

Ich laß nicht zu, dass du schreist, Darling.

Wer ist sie denn noch? Ein schmerzgepeinigtes Wesen, das sich in unausgegorenen Fieberphantasien windet, nur noch erinnert.

Als gäbe es kein Morgen mehr.

Es gibt kein Morgen mehr.

Als gäbe es sie nicht mehr.

Wimmerndes, zuckendes Bündel Mensch.

Lächeln, ins Gesicht hineingeprügelt.

Verlierer. Feigling.

Das Herz ein aufgetrennter Fleischball.

Schmerz macht stark.

Glaubst du mir?

 

 

 

In aller Stille verletze ich wie ein Freund, in aller Stille nagele ich deine Angst an Türrahmen. In Blecheimern sammele ich dein Blut, gehe auf deinen Schultern ins ewige Immer.

Ich bin klein, siehst du, du musst mich nicht verletzen, das kann ich besser, als du es jemals könntest.

Es tut immer noch so weh.

Ein windabgehangenes Erwarten des Nimmerlandes, wo es keinen Schmerz gibt, nur Schmetterlingsflügel und atemloses Lachen.

Zeit zu gehen.

 

 

Die Zeit ist mein Freund, nicht mein Feind. Bringt dieses Erlebnis immer weiter fort von mir, nimmt der Erinnerung ihre gnadenlose Schärfe.

Schwarz und weiß. Ein Vogel pickt das Fleisch aus meinem Herzen.

Niemals nicht.

Bin Weltmeisterin im Verdrängen geworden.

Nichts ist jemals passiert.

Das Leben zieht vorüber, verabschiedet sich nicht.

Habe meine Augen in die Nacht geworden.

Sie kamen nicht zurück.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ZWISCHENSPIEL

 

 

 

 

Straßenstaub.

Vielfarbiges gesplittertes Mosaik aus Kotze und Steinen, die Nacht eine rollige Katze, deren Sirenenjammern Kater auf den Plan ruft, ersticken in meinen Exkrementen.

Melodien jagen sich in meinem Kopf, ziehen meinen Träumen am Schwanz mit ihren Wenn`s und Vielleicht`s.

Abermals wie ein Kind den Mantel geschwungen, getanzt, sich nicht gekümmert um Wenn`s und Vielleicht`s.

Abermals den Hals zugedreht wegen Wenn`s und Vielleicht`s, sang- und klanglos abgesoffen.

Laß dich nicht fangen von deinen Träumen.

Das Jetzt kommt immer und beißt dich in deinen kleinen roten Pavianarsch.

Regen. Geh doch nicht fort, laß mich nicht in dieser Kälte allein.

Es gibt noch so viel zu sagen, bevor du den Stab über mir brichst.

Den Moment deiner Ankunft erwarten, trotzdem du schon hier bist.

Heute vergaß ich, deine Lügen in Terpentin zu tränken, warf meinen Anker nicht in maroden Hohnmorast. Aber- und abermals habe ich dich angefleht, nicht zu gehen.

Klein und dumm.

Gab auf, bevor ich begann.

Niste dich nicht ein in meinen Knochen, es ist kein gemütliches Wohnen, Tür an Tür mit der Lüge.

Regen.

Ich geh über dich.

Augen wie ein grasbewachsener Felsen, cremeweiße Haut, hüftlanges schwarzes Haar. Eine Stimme wie Honig, doch die Seele geschliffener Stahl.

Ich wusste, als es zu verletzen begann, dass es Liebe werden würde. Sein warmer Körper macht mich die Alpträume vergessen, doch sein Gift ist der schlimmste Alp.

Speziell für dich, Sweetheart, alles nur für dich.

Hätte eine Heimat finden können.

Niemandsland, die ersten Schritte getan.

Will dich halten, mich in deinen Armen in Sicherheit wiegen. Will, dass du mir den Atem nimmst.

Will dir glauben.

Will dir einmal nur glauben.

Zu jung für eine weitere Enttäuschung, zu alt für ein ganzes Leben.

Kann nicht gehen, macht auch keinen Unterschied.

Weißt du es noch?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BACK AGAIN

 

 

Sie schwitzt, Schweiß rinnt ihren Rücken hinunter.

Kleine, haarige Spinnen, die an ihr hinunterkriechen und Leben suchen, um töten zu können.

Ihre Hände krallen sich in ihr langes Haar, reißen es büschelweise aus, um irgendeinen Halt zu finden, der sie am Zittern hindert.

Tränen, Kummer, krankhafter Wahn.

Vergiß endlich, verdammt nochmal. Lebe.

Laß den Schmerz gehen.

Erinnerungen schälen sich aus ihrer Haut, wie Maden fliehen sie das Sonnenlicht, um sie in der Nacht zu zerfressen. Kleine, giftige Erinnerungsmaden, die sich von ihren Schreien nähren.

Nein.

Immer wieder dieses schrille, langgezogene Nein.

Warum begreift sie nicht endlich, dass es zu spät ist, um noch irgend etwas zu ändern?

 

 

 

Nichts.

Als gäbe es nur das ewige Jetzt zwischen den Ichs.

Namenlos.

Ein Totengräber singt Volksweisen an meinem Grab, Schatten geben keinen Laut, wenn du sie bewirfst mit deiner Unendlichkeit.

Alles inklusive.

Alles im Preis inbegriffen.

Grünspan, der auf der Seele fault.

Keiner lacht.

Keiner weint.

 

 

 

Zertrete den Mörder Nacht. Die Stille des Lichts, trinkend von der Steinblüte meines Herzens. Lallend durch Übersättigung.

Besoffen, trunken.

Stirb.

Hungrig nach Leben.

Gesättigt vom Tod.

Geschwollenes Fleisch, feucht von Speichel.

 

 

 

Werde dir begegnen, ich fühle es.

Aber wirst du der Töter meiner Angst sein, wirst du mich in deinen Armen wiegen wie ein Baby?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BEGEGNUNG

 

 

 

Schnitt.

Eine leblose Gesellschaft in der Nacht.

Geschlossene Gesellschaft.

Außer Kontrolle. Keine Zeit zum Weinen. Narren, die sich die Hände reichen. Alles wird gut sein.

Genug davon, am Fenster zu sitzen und hinauszustarren.

Darauf warten, das das Leben endlich anklopft.

Schlaflose Nächte, und tief im Herzen die Sehnsucht nach mehr.

Wider die Verzweiflung.

Wider die Langeweile.

Wider dich selbst.

 

 

 

Plastikblumen im Korridor, Plastikdecken auf den Schränken.

Wie Soldaten im Neonlicht mit kalkweißen Gesichtern nach Luft schnappen, die Lippen fransig vom vielen Reden.

Der Geburtstag ihrer neuen Klassenkameradin. Ein falsches Lächeln im Gesicht, alkoholselig in die Arme der sanften Musik fallen, wie wühlende Finger im Gehirn jeder neue Schluck.

Die Nacht wegtrinken. Die Kürze des Augenblicks haftet im Gedächtnis, saugt dich aus. Der Augenblick ist niemals dein Freund, stellt dich nur auf die Probe.

Finde deine Grenze, finde sie für mich. Erkunde die Nacht.

Sieh dich nicht um, blick nicht in dein gehetztes Gesicht. Deine Grenze holt dich immer ein, glaube mir. Ich habe den Preis bezahlt.

Ich warne dich davor, den Tod zu suchen. Er kommt so verdammt schnell.

Dein Gesicht, wie wächsern erscheint es im Licht.

Ist es das, was du willst, willst du sterben, wenn du noch jung genug bist zu leben?

 

 

 

Nacht.

Ihr Herz steht in Flammen, im Hals das scharfe Brennen von starkem Alkohol. Sag nicht, du willst glücklich sein, wenn jeder neue Tag ein grotesker Akt der Sinnlosigkeit ist und Harpyen sich in deinem Kopf umarmen. Es ist kalt in Nimmerland.

Zuviel getrunken?

Die fremde Stimme schneidet in ihre Gedanken. Eine selbstbewusste,

rauhe, leicht spöttische Stimme mit der Spur eines fremdartigen Akzents, die ihre tranige Langeweile störend unterbricht.

Sie dreht sich um.

Leicht gebräunte Haut, moosgrüne Augen von beängstigender Tiefe, hohe Wangenknochen und hüftlanges schwarzes Haar, mehr blau als schwarz. Ein spöttisches Grinsen auf den vollen Lippen, die Zigarette hängt schief im Mundwinkel.

Nein.

Will ihn nicht ansehen, nicht kennenlernen, nicht einmal mit ihm reden. Will ihn nicht durch ihren Panzer dringen lassen, nicht riskieren, dass ihr wehgetan wird.

Es endet immer in Schmerz, gnadenlosem Schmerz, der keine Unterschiede kennt.

Warum nur musste sie hierherkommen, in der Hoffnung eigentlich, mit ihrem Idiotenlächeln alle abzuschrecken. Sie will nicht benutzt,

nicht missbraucht, nicht vergewaltigt werden. Alle wollen nur das Eine, sie kennt ihren Part.

Ein kalter Blick, dessen scharfe Kanten meine Träume wecken, Frau Holle zerschneiden und den Winter in nassem Bettlakenschnee ersticken. Belangloses Nichts, das ich deiner Kälte entgegensetze.

Worte. Ein gefühlloser Trottel geleitet mich dahin.

Ein kalter Blick zwingt mein wurmstichiges Herz in Fassion.

Ich tanze mit blutenden Füßen auf deinen Kanten.

Wollt ich gehen, mit einem Zucken meiner Schultern, wortlos würde ich bar jeden Gefühls verloren gehen. Würd nichts verlieren, was des Verlierens wert wäre, meiner Schmerzen verlustig, ein federleichtes Elefantchen, frühlingsfrisch.

Hättest mich gefunden, lange schon gesucht, wär nicht so selbstlos verloren gegangen. Könnt dir einen Fußtritt in die Weichteile verpassen.

Verpiss dich, Kanake.

Sie hat ungewollt laut gesprochen, ihre Stimme hart.

Ein von den Lippen geschlagenes Lächeln, Angst, tief drinnen ein erneutes Ende. Lege dich nieder, erdrücke meinen Schmerz.

Geh doch bitte nicht fort. Nicht so. Hör mir nicht zu, wenn ich dich bewerfe mit Worten aus Stein, wirf nicht mein Lachen fort.

Sein Handrücken in ihrem Gesicht, hart.

Über ihre aufgeplatzte Lippe rinnt ein dünner Blutfaden.

Ungläubig. Fassungslos.

Dann das Begreifen. Ohne zu überlegen reißt sie ihren Arm hoch, schlägt mit voller Kraft zurück.

Seine Haut fühlt sich warm an, voller Leben.

Beide beginnen im selben Moment zu lachen, aus voller Kehle.

Sie betrachtet ihn genauer, verführt von seinem tiefen, in der Kehle grollenden Lachen, registriert die unterschwellige, kraftvolle Aura, die von ihm ausgeht.

Er trägt ein weißes Rippenshirt, das sich eng an seine festen Muskeln schmiegt, mit sanfter Feder modelliert, und eine verblichene, locker sitzende Lewis.

Hölle ist kein Ort.

Hölle ist ein Gefühl.

Alles um mich herum atmet, pulsiert, und ich gehe wie durch einen Schleier aus Stille. Der Wind spricht mit mir, und das Neonlicht spielt mit meinen Haaren.

Ich will fliegen mit dir.

Er hebt die Hand, streichelt ihre Lippe, ,mit einem Finger nur.

Kurz.

Sie überlässt sich dem Gefühl, seine Arme um ihren Körper zu spüren, während sie sich im Takt der Musik bewegen.

Wir können uns hier totschlagen, oder auch bei mir einen Kaffee trinken, was meinst du?

Ohne zu zögern nickt sie.

Einmal im Leben nicht feige sein.

Er nimmt ihre Hand fest in seine und geht mit ihr hinaus.

 

 

 

 

 

Ich glaube dir, was auch immer du erzählen magst, Sugar.

Wenn du mit deinen feuchten Lippen von meiner Augen Blut trinkst und meine Träume der Nacht anheimgibst, auf dass sie die Phantomwelt zeichnen, auf der Stirn eine steinerne Rose.

Nichts ist wahr.

Alles ist ewig.

Deine Augen wie geschmolzenes, flüssiges Silber, oxidierend am

Stundenglas der Nacht, deine kraftvollen Arme eine Symphonie aus Schmerz und Lust, während heißes Kerzenwachs auf deinen Fingern trocknet.

Ich will dich spüren, meine Wellen an deinen Strand werfen und tanzen in deiner Ewigkeit.

Das Marzipanschweinchen isst Glückskekse aus deinem Bauchnabel,

Gitarrennoten legen sich auf die wundgestreichelte Haut wie ein Film.

Schulterlos achselzuckend gleiten deine Augen über mein Fleisch,

in deinem Sonntagsbettchen nehmen deine Finger mich in die Hand.

Hätt ich niemals das Löwenmäulchen vom Stengel gepflückt, wär ich niemals barfuß auf einem großen weichen Plüschsofa über deine Haut gesprungen, würd ich`s missen.

Würd wehen wie eine Mitternachtsbrise, tanzen wie ein Falter, träumen wie ein unbeschriebenes Blatt, nur nicht mehr denken...

Würd meine Mundwinkel hochziehen, als würd ich grazile Elfe dadurch davonfliegen, nicht länger der fette Mops, der sich selbst in den Schlaf singt.

Er kommt auf sie zu, lautlos. Aus seinem Mundwinkel rinnt Rotwein,

ihre Zunge leckt über seine Lippen. Sein Waschbrettbauch bebt unter ihrer Berührung. Hoffnungslos verloren. Hände, die Kleidung vom Körper fetzen. Wimmern. Sie ertrinkt in seinen nächtlichen Augen, seinem Rasierwassergeruch, seiner sonnenwarmen Haut, leckt seinen Schweiß. Schlingt die Arme um seinen Hals, Klette, blöde.

Er nimmt sich alle Zeit der Welt. Sie gräbt ihre Fingernägel in seine straffen Schultern, malt hellrote Linien auf sein Fleisch. Ihre Zunge leckt über die Wunden, schmeckt Eisen.

Seine rauchige Stimme hängt schwer im Raum, flügellos, dunstig die sich bildende Gruppe aus lebenshungrigen Emotionen. Wehrlos ihr Körper, der sich nach seinem Leben sehnt, seinem schweißnassen

Körper, seine flaumigen Schenkel zittern unter ihren Fingerspitzen.

Ja, Baby.

Ein geschmeidiger Stoß teilt widerspenstiges Fleisch.

Die Nacht ist grausam, läßt trotz aller Lust Erinnerungen wuchern wie einen bösartigen Tumor, gibt ihr nicht die Erfüllung, nach der sie verlangt. Und doch ahnt sie, wie es sein könnte.

Träumt sie vom Anderenfalls.

Von aufgegessenen, weggeworfenen Regenblumen.

Am Rande der Welt. Außen vor.

Jeder Teil ein schmerzendes Stück Fleisch.

Von deinen Fingern überfahren.

Von deinem Herzen gebrandmarkt.

Anderenfalls.

Gebrandmarkt.

Am Himmel vorbeigeflogen.

Hilf mir. Laß mich überleben.

Sie erzählt es ihm, weiß nicht, ob er bleibt oder geht.

Es ist ihr egal.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

PACO

 

 

In einem anderen Leben

 

 

Die Stadt der Engel. Lachen auf den Straßen.

Der Wind, der sein Gesicht küsst.

Verloren.

All die Plätze, die er liebte.

Verloren.

Geh nicht fort. Geh bitte nicht fort. Kannst du in meine Augen sehen und sagen, dass du gehen willst?

Es ist niemand da draußen.

Niemand, der so ist wie ich.

 

 

Geh aus meinem Leben.

Geh endlich aus meinem Leben.

Hast du nicht schon genug angerichtet?

Ich habe nichts vergessen. Spüre noch heute jeden Schlag, jeden Tritt, den du mir versetzt hast.

Dich.

Habe dich immer noch bei mir.

Gott, wie ich dich geliebt habe.

Du warst es keine Sekunde lang wert.

 

 

Die Wahrheit sagen.

Immer.

In deine verlogene Fresse hinein. Vom Apfelbaum schütteln, auffangen, was an verfaultem Mist in meinen Händen zuckt.

Einfach drauftreten, denken, es wärst du.

Papa.

 

 

 

 

Papa.

Ein kleiner Junge mit schlafverklebten Augen, der in der Ecke steht und einen Teddybären in der Hand hält, aus dem an einigen Stellen schon die Füllung quillt. Friere.

Ein Kaulquappenwimmern verlässt seinen Mund, er spreizt ihn wie ein Fisch seine Kiemen, würgt mehrmals.

Seine Augen starren ins Leere. Schlafe, kleiner Junge, und am Morgen wird dir vergeben sein. Nicht mehr länger mein.

Dann bricht das Geschrei los, sein Vater streitet mit seiner Mutter, ihr nervtötendes Kreischen ein misstönendes Falsett, dem langsam die Luft ausgeht, noch bevor das dumpfe Klatschen eines Schlages zu hören ist, der es endgültig zum Verstummen bringt.

Nein und sein Magen zieht sich vor Angst zusammen, die Atmosphäre durchdringend gewaltgetränkt.

Schattenmann, nicht hier, nicht jetzt.

Der Junge stellt sich vor, er wäre nicht mehr hier (du kleiner Hosenscheißer, du, was musst du immer im Weg herumstehen), auf einer einsamen Insel, zurückversetzt um Jahrhunderte, nicht dem Angriff eines vor Wut rasenden Mannes (sein Vater) ausgesetzt, irgendwo ganz allein (bitte nicht, Vater, tu mir nicht weh, ich war doch nicht böse), allein, er ist ein Stein, nichts tut ihm weh, er rollt einen Hügel hinunter, das Wissen macht sich breit, unten bleiben zu müssen, seine Traumwelt

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Manuela Endres
Bildmaterialien: Manuela Endres
Cover: Manuela Endres
Lektorat: Manuela Endres
Korrektorat: Manuela Endres
Satz: Manuela Endres
Tag der Veröffentlichung: 07.08.2023
ISBN: 978-3-7554-4906-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die an mich geglaubt haben. Man, müsst ihr irre sein. Love you. See you in hell, baby

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