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Der Regen malt seine dicken Tropfen direkt in meine Gedanken hinein.
Ich sitze hier und rekapituliere ein Leben, das bald 40 Jahre zählt.
Die Trauer umschleicht mein Gemüt, Lethargie beißt meinen Nacken weich, den ich in Demut beuge.
War immer anders, so sehr anders als die Menschen um mich herum.
Fand nie den richtigen Weg, häutete mich so viele Male, um den Phönix zu finden, und fand nur Asche.
Die Asche der Erinnerungen, die mir die Luft zum Atmen nimmt, mein Leben grau färbt, mich mit Schwarz koloriert, jeder Pore meiner Haut mit Nummern versieht, bis alles Schwarz meine
Träume umtanzt und Felder schmerzhaft in mich stanzt.
Der Regen malt seine dicken Tropfen direkt in meine Gedanken hinein.
Ich wiege mich, eine Pflanze, die nicht brechen kann.
Ich bin gebrochen.
So oft, daß ich nur mehr kriechen kann, Tritte verliehen mir Gelenke, wo keine sein sollten, meine Scharniere wiesen mir den Weg. Ich riss an ihnen, bis Blut in dünnen Bahnen meine Haut umschmeichelte, das Blut meinen blinden Augen schmeichelte.
Ich wollte schreien, doch die Stimme verblieb klanglos im Hals.
Meiner Wut verlieh ich Ausdruck, indem ich mich verletzte.
Die Klinge über meine Haut führte, bis Rot alle Spuren wegwischte, mich reinigte von allem Schmutz. Mich als unbeschriebenes Blatt zurückließ, ein Neugeborenes, das keinen Schmerz kennt.
Unzählige Masken, die ich mir aufsetzte, mir von anderen aufsetzen ließ, bis mein Ich mit dem Rot verlief, in dünnen Bahnen, ein Statist im eigenen Leben.
Ich wehrte mich, indem ich mich verletzte, im Schmerz auferstand, so unzählige Male im Feuer brannte.
Im Schmerz verlieh ich meiner Stimme Ausdruck, im Schmerz schrie ich, bis das Neugeborene wieder den Weg verlor, in Erinnerungen alterte.
Wohin laufen, wenn es nirgendwo ein Ziel gibt, einen Hort, der mich in Sicherheit wiegt.
Ich habe Angst.
Hatte immer Angst und wußte nie, warum.
Meine Schultern blutig gebissen von den Dämonen, die mich treiben.
Und neben mir stand ich, ein piepsiges Stimmchen auf die Welt losließ, ein Stimmchen, das sich zu einem nervtötigen Falsett steigert, wenn ich mich errege.
Fragte mich oft, warum mich so wenige Leute wirklich mögen.
Wollte geliebt werden, auch für die Seite in mir, die anders ist.
Wollte so viel sagen, doch die Buchstaben umtanzten mich, ich konnte sie nicht fassen.
Wollte meine Dämonen bannen und ließ mich von ihnen beherrschen.
Erstarrte in Demut und Lethargie.
In Selbstmitleid hielt ich mich für die Größte und wußte doch, daß all mein Sehnen so verflucht hilflos war, so verflucht hilflos ist.
Ich kann nicht mehr kämpfen, bin müde.
Blute meinen Schmerz in die Nacht hinaus.
Ich habe immer noch Angst.
Im Januar diesen Jahres ist meine Mutter an Lungenkrebs gestorben.
Ich war nicht da, war erst kurz vorher aus der Klinik entlassen worden.
Habe es nachträglich per Email erfahren.
Ich wollte schreien, toben, wüten.
Habe es nicht getan.
Ich malte Muster im meine Haut, rote Bahnen, die ich über den Schmerz zog, bis er weniger real war. Dieses Rot ist mein stummer Aufschrei, den nur ich hören kann.
Wenn die Schnitte trockneten, zog ich die Klinge nochmal darüber, bis am Ende eine große Narbe zurückblieb.
Lag im grünen Gras, hörte dem Wind zu und jede Pore meines Körpers verlangte nach Schmerz.
Mein Körper der Altar, den ich als Opfergabe darbot.
Immer schon.
Ich weiß nichts mehr von meiner Kindheit, ein paar Momentaufnahmen, die als kurze Sekundenblitze meinen Verstand aufwühlen und ein sonderbares Sehnen zurücklassen.
Ich denke, meine Großmutter hat mich geliebt. Aber wie sollte sie damit umgehen, wenn ich selbst es nicht konnte..
Habe in früheren Werken (wie professinell sich das anhört) darüber geschrieben, was mir mit 12 Jahren passiert ist..
Dachte, ich könnte das irgendwann abstreifen, eine Schlangenhaut, die mich bloß dieser Dinge zurücklässt.
Geht nicht, soviel weiß ich inzwischen.
Ich lebe damit, und die Täter müssen das auch.
Hoffe, daß sie hungrig um Vergebung flehen..
Ich gewähre sie ihnen nicht.
Drei Männer, die ein zwölfjähriges Kind seiner Kindheit seiner Kindheit berauben..
Und Bitterkeit in dessen Inneren zurücklassen.
Meine Sense kann nicht mähen.. aber in meinen Träumen mäht sie das Korn.
Mein fieberndes Herz mäht, mäht, mäht..
Ich schneide so unendlich rot.
Habe mir so oft sagen lassen, ich müßte ihnen verzeihen, um wieder eine Einheit zu werden, meinen Frieden zu finden,
Nein.
Ich habe ihnen nicht verziehen und werde es auch nicht tun.
Scheiß auf meinen Frieden, es gibt Dinge, die ich nicht verzeihen kann.
Habe zu viel geopfert, dieses Opfer werde ich nicht bringen.
Wünsche mir stattdessen, daß den Tätern bewußt ist, was sie einem Kind angetan haben.
Mein Haß ist eine Kraft, die mir Stärke gibt.
Ich bin immer noch hier, trotz allem.
Narben zeichnen meinen Körper, aber meine Seele gehört mir.
Jeder Schnitt führt mich weiter weg von allem, der Schmerz tanzt auf der Messerklinge, um mich leben zu lassen.
Ich bin schwierig, unendlich schwierig.
Die meisten in meinem Umfeld mögen mich nicht, "tolerieren" mich bestenfalls.
Was wissen die von mir..
Was wissen die davon, aus wie vielen Scherbenhaufen ich mich so unendlich viele Male wieder zusammengesetzt habe.. einige Stücke passen eben nicht mehr so perfekt.
Aber ich habe begonnen zu kämpfen.
Der Nächste, der mich "Votze" nennt, wird das bereuen...
Ich habe die Schnauze voll davon, Opfer zu sein.
Kämpfen tut weh, mehr noch sogar, als sich auf seiner Opferrolle auszuruhen.
Aber ich bin dazu bereit.
Jetzt endlich bin ich es.
Werde mir bewußt, wie stark ich bin.
Ich lebe immer noch.
Ich habe die entscheidenden Teile von mir wohl richtig zusammengefügt.
Und brenne in meinem eigenen Feuer.
Habe keine Freunde.
Brauche auch keine.
Meine Augen facettenreich, spiegelt sich doch so viel Vergangenes in ihnen.
Bin uralt, habe genug für 20 Leben gelebt.
Wäre froh, wenn ich mein eigenes hinkrieg.
Aber ich bin dazu bereit.
Die Asche in meinem Hals, ich kotze sie aus und male mein Umfeld schwarz.
Trotz allem bin ich noch heil.
Auch wenn ich meine Haut mit Rot einfärbe.. ich heile mich selbst.
Trotz meiner Schwäche bin ich stark.
Weil ich immer noch lebe.
Nicht überlebe.
ICH LEBE.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.12.2012

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